Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 15
Bei der in Abs. 2 enthaltenen Regelung handelt es sich um die insolvenzrechtliche Parallelvorschrift zu § 2115 BGB und § 773 ZPO, die mit der früheren Regelung in § 128 KO inhaltlich übereinstimmt. § 83 Abs. 2 ist nicht im Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff.) anwendbar, da in diesem Fall der durch § 83 Abs. 2 bezweckte Schutz des Nacherben vor einer Beeinträchtigung seines Rechts durch nachteilige Verfügungen oder durch Zugriff von Eigengläubigern des Vorerben schon durch die Gütersonderung und durch § 325 gewährleistet ist. Vielmehr setzt § 83 Abs. 2 voraus, dass ein Insolvenzverfahren über das Gesamtvermögen eines Vorerben eröffnet worden ist. Hierbei ist es gleichgültig, ob der Insolvenzschuldner vor oder nach Verfahrenseröffnung die Vorerbenstellung erlangt hat.
Der Vorerbe wird auflösend bedingter Erbe (vgl. §§ 1922, 2100, 2139 BGB), also rechtlich Inhaber der zum Nachlass gehörenden Rechte. Wirtschaftlich gebühren dem Vorerben im Verhältnis zum Nacherben aber nur die einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechenden Nutzungen der Erbschaft bis zum Eintritt des Nacherbfalles, wie sich insbesondere aus den § 2111 Abs. 1 Satz 1, §§ 2130 ff. BGB ergibt. Dementsprechend fallen in der Insolvenz des Vorerben die zur Erbschaft gehörenden Vermögensgegenstände zwar in die Insolvenzmasse. Verwertet werden (zugunsten der Eigengläubiger des Vorerben) dürfen aber nur die aus diesen Vermögensgegenständen fließenden Nutzungen (Zinserträge, Mieteinnahmen etc.), und diese auch nur, soweit sie bis zum Eintritt des Nacherbfalles angefallen sind. Dem Schutz des Nacherben vor einem darüber hinausgehenden Eingriff des Insolvenzverwalters in die Substanz des Nachlasses dient das Verfügungsverbot des § 83 Abs. 2. Aus der Verweisung des § 83 Abs. 2 auf § 2115 BGB ergibt sich, dass folgende Verfügungen des Insolvenzverwalters über Nachlassgegenstände ausnahmsweise wirksam sind:
- Verfügungen über Erträge eines Nachlassgegenstandes, z.B. die Einziehung der Gegenforderung für die Vermietung oder Verpachtung eines Nachlassgrundstücks oder die Abtretung einer solchen Forderung an einen Eigengläubiger des Vorerben. Eine solche Verfügung vereitelt oder beeinträchtigt das Recht des Nacherben nicht i.S. des § 2115 Satz 1 BGB, weil die Nutzungen von Nachlassgegenständen dem Vorerben gebühren (vgl. § 2111 Abs. 1 Satz 1, § 2135 i.V.m. § 1056 BGB).
- Verfügungen, die ausschließlich der Befriedigung eines Nachlassgläubigers dienen (§ 2115 Satz 2 Fall 1 BGB), weil für Nachlassverbindlichkeiten – anders als für Eigenverbindlichkeiten des Vorerben – auch der Nacherbe haftet.
- Verfügungen, die der Verwirklichung eines auch dem Nacherben gegenüber wirksamen Rechts an einem Nachlassgegenstand dienen (§ 2115 Satz 2 Fall 2 BGB), z.B. Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem Grundpfandrecht (§ 1142, § 1192 Abs. 1 BGB), das entweder bereits der Erblasser oder aber der Vorerbe vor der Insolvenzeröffnung über sein Vermögen mit Wirkung auch gegenüber dem Nacherben an einem Nachlassgrundstück bestellt hat.
- Verfügungen, denen der Nacherbe vorher oder nachträglich zugestimmt hat (volenti non fit iniuria).
Im Übrigen wird aber jede Verfügung des Insolvenzverwalters mit Eintritt des Nacherbfalls insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Sie wird unter dieser Voraussetzung auch dann unwirksam, wenn eine entsprechende das Nacherbenrecht vereitelnde oder beeinträchtigende Verfügung eines nicht im Insolvenzverfahren befindlichen Vorerben wirksam geblieben wäre, z.B. die entgeltliche Verfügung über eine bewegliche Nachlasssache oder über eine (nicht durch Hypothek gesicherte) Nachlassforderung (vgl. § 2115 Satz 1 BGB einerseits, §§ 2112 ff. BGB andererseits). Bei einem befreiten Vorerben (§§ 2136 f. BGB) wirken die Befreiungen nicht auch zugunsten des Insolvenzverwalters des Vorerben, weil § 2115 BGB in § 2136 BGB nicht unter den Vorschriften aufgeführt ist, von denen der Erblasser Befreiung erteilen kann. Die Eigengläubiger des Vorerben sollen von dessen Befreiung nicht profitieren.
Rn 16
Streitig ist, ob bei einer gegen das Verfügungsverbot des § 83 Abs. 2 InsO i.V.m. § 2115 Satz 1 BGB verstoßenden Verfügung des Insolvenzverwalters ein gutgläubiger Erwerb des Empfängers möglich ist. Das wird meist unter Berufung auf § 135 Abs. 2 BGB bejaht; § 83 Abs. 2 enthalte ein relatives, nur den Schutz des Nacherben bezweckendes Verfügungsverbot. § 80 Abs. 2 würde einer solchen Deutung nicht entgegenstehen, da § 83 Abs. 2 als die speziellere Vorschrift Vorrang vor § 80 Abs. 2 hätte. Allerdings wird für die Parallelvorschriften der § 2113 Abs. 1 und 2, § 2115 Satz 1 BGB allgemein angenommen, sie hätten absolute Unwirksamkeit zur Folge. Aber auch die Qualifizierung des § 83 Abs. 2 als absolutes Verfügungsverbot würde die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs nicht ausschließen. Diese ergäbe sich dann aus entsprechender Anwendung des § 161 Abs. 3 BGB, weil die zunäch...