Gesetzestext

 

(1) Das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners – sowohl an bestimmten Gegenständen als auch an einer Mehrheit von nicht bestimmten Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung –, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, wird von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt.

(2) Rechte im Sinne von Absatz 1 sind insbesondere

a) das Recht, den Gegenstand zu verwerten oder verwerten zu lassen und aus dem Erlös oder den Nutzungen dieses Gegenstands befriedigt zu werden, insbesondere auf Grund eines Pfandrechts oder einer Hypothek;
b) das ausschließliche Recht, eine Forderung einzuziehen, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts an einer Forderung oder aufgrund einer Sicherheitsabtretung dieser Forderung;
c) das Recht, die Herausgabe des Gegenstands von jedermann zu verlangen, der diesen gegen den Willen des Berechtigten besitzt oder nutzt;
d) das dingliche Recht, die Früchte eines Gegenstands zu ziehen.

(3) Das in einem öffentlichen Register eingetragene und gegen jedermann wirksame Recht, ein dingliches Recht im Sinne von Absatz 1 zu erlangen, wird einem dinglichen Recht gleichgestellt.

(4) Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen.

1. Grundlagen

 

Rn 1

Dingliche Rechte Dritter an Gegenständen der Masse, die sich im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung befinden, werden von dem Insolvenzverfahren nicht berührt, Art. 5 Abs. 1.

 

Rn 2

Eine genaue Definition der erfassten dinglichen Rechte ist in der Verordnung nicht aufgeführt: In Art. 5 Abs. 2 findet sich aber eine beispielhafte[1] Aufzählung.

[1] Zu den dinglichen Rechten zählen die deutsche Hypothek, das Pfandrecht, das Forderungspfandrecht oder das Nutzungsrecht. Laut Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, 32 (71), ist keine eigenständige Definition vorhanden, weil eine solche Definition mit der Gefahr verbunden wäre, dass Rechtspositionen, die nach dem Recht des Belegenheitsstaates nicht als dingliche Rechte gelten, als solche angesehen und dingliche Rechte, die die darin enthaltenen Voraussetzungen nicht erfüllen, nicht erfasst worden wären.

2. Vorliegen eines dinglichen Rechts

 

Rn 3

Die dinglichen Rechte müssen vor der Verfahrenseröffnung wirksam entstanden sein. Wenn ein Sicherungsrecht aus einem mehraktigen Entstehungstatbestand besteht, muss dieser insgesamt abgeschlossen sein.[2] Der Verwalter muss also gegebenenfalls zunächst prüfen, ob ein dingliches Recht überhaupt existiert.[3] Für diese Vorfrage der Existenz eines dinglichen Rechts ist auf die allgemeinen Anknüpfungsregeln des jeweiligen Eröffnungsstaates[4] (in Deutschland auf die lex rei sitae und damit das Recht am Belegenheitsort) zurückzugreifen.

 

Rn 4

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die nationalen Rechte der Mitgliedstaaten teilweise von den in Deutschland bestehenden, abschließenden dinglichen Rechten abweichen und andere Formen dinglicher Rechte anerkennen.[5]

[2] Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (550 f.).
[3] Der Anknüpfungspunkt nach deutschem internationalen Privatrecht ist Art. 43 Abs. 1 EGBGB, Paulus, NZI 2001, 505 (513).
[4] Dies ist umstritten: Zum Teil wird Art. 5 Abs. 1 selbst so verstanden, dass hierin ein konkludenter Verweis auf die lex rei sitae zu sehen ist. Folgen sollte man jedoch der a.A., wonach auf das allgemeine IPR des Eröffnungsstaates verwiesen wird (welches i.d.R. auch zur lex rei sitae führen wird). Dazu auch: Huber, ZZP 114 (2001), 133 (154).
[5] Wie beispielsweise die "floating charge" des englischen Rechts. Dazu Stumpf, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung im Ausland, 4. Auflage, S. 168 f.

3. Regelung des Art. 5 Abs. 1

 

Rn 5

Als Rechtsfolge ordnet Art. 5 Abs. 1 an, dass die betreffenden dinglichen Rechte Dritter an beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen[6] von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens "nicht berührt" werden.

 

Rn 6

Geschützt wird das dingliche Recht allein vor Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses, nicht hingegen vor Beschränkungen, die aus Sanierungsplänen resultieren.[7]

 

Rn 7

Da sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befunden haben müssen, werden Gegenstände nicht erfasst,

  • die sich bei Bestellung eines dinglichen Rechts oder
  • die sich zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

im Ausland befunden haben, jedoch vor Eröffnung des Verfahrens ins Inland verbracht wurden.[8]

 

Rn 8

Dagegen werden auch solche Gegenstände erfasst,

  • die während des Insolvenzeröffnungsverfahrens ins Ausland,
  • oder solche, die nach Insolvenzeröffnung ins Inland verbracht werden.[9]
 

Rn 9

Erfasst sind nur solche dinglichen Rechte, die bereits vor Verfahrenseröffnung entstanden sind. Entstehen die Sicherheiten erst nach Eröffnung, kommt Art. 4 unmittelbar zur Anwendung.

 

Rn 10

In der Konsequenz führt Art. 5 Abs. 1 dazu, d...

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