Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage innerhalb des Revisionsverfahrens. Bundesverfassungsgericht
Orientierungssatz
Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde kommt es nicht auf den Bedarf nach Klärung durch das BVerfG an, sondern entscheidend ist die Frage der Klärungsbedürftigkeit innerhalb des Revisionsverfahrens (vgl BSG vom 27.6.2001 - B 6 KA 6/01 B sowie vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B = SozR 3-1500 § 160a Nr 34).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.05.2009; Aktenzeichen L 10 R 56/08) |
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 31.10.2007; Aktenzeichen S 2 R 2553/06) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Mai 2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt G. B., S., beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 22.5.2009 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne Tragung des vollen Beitrags zur Pflegeversicherung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. B., S., beantragt.
Der Prozesskostenhilfeantrag ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hier ist nicht zu erkennen, dass der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin Erfolg beschieden sein könnte. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung vom 27.8.2009 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Fragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre abstrakte Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung).
Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob "die Tragung des vollen Versicherungsbeitrages zur Pflegeversicherung ab 1.4.2004 gegen ihre verfassungsrechtlichen Grundrechte verstößt."
Damit hat die Klägerin zwar eine Rechtsfrage formuliert, die im vorliegenden Verfahren grundsätzlich klärungsfähig (entscheidungserheblich) sein mag. Sie zeigt aber nicht auf, dass sich die Beantwortung der gestellten Frage nicht schon aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe - mithin klärungsbedürftig sei.
Die Klägerin trägt vor: Sie verkenne zwar nicht, dass weder das BSG im Urteil vom 29.11.2006, B 12 RJ 4/05 R (BSGE 97, 292 = SozR 4-3300 § 59 Nr 1) noch das Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ (Kammerbeschluss vom 7.10.2008, 1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07) die Rechtsauffassung der Klägerin teilten, dass die Auferlegung der vollen Beitragslast des Anteils der Pflegeversicherung aus der Rente gegen Art 3 Abs 1 und Art 14 Abs 1 des Grundgesetzes verstoße. Vielmehr habe das BVerfG die zugrunde liegende Regelung nicht für verfassungswidrig erachtet. Zum vorliegenden Streitgegenstand sei ein weiteres Urteil des BSG vom 21.1.2009, B 12 R 11/06 R (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, SuP 2009, 512) ergangen. Auch hiergegen sei Verfassungsbeschwerde, 1 BvR 1298/09, eingelegt worden; im Übrigen seien noch weitere Verfassungsbeschwerden wegen dieser Rechtsfrage vor dem BVerfG anhängig. Hieraus ergebe sich die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage, denn es liege noch keine "höchstrichterliche verfassungsrechtliche abschließende Rechtsprechung" vor. Das Schrifttum habe die Rechtsfrage auch noch nicht erschöpfend beantwortet.
Damit trägt die Klägerin selbst vor, dass die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage bereits höchstrichterlich durch das BSG entschieden und mithin nicht mehr klärungsbedürftig sei.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass das BVerfG noch nicht abschließend über die Rechtsfrage entschieden habe, kommt es im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf den Bedarf nach Klärung durch das BVerfG an, sondern entscheidend ist die Frage der Klärungsbedürftigkeit innerhalb des Revisionsverfahrens (vgl BSG vom 27.6.2001, B 6 KA 6/01 B; SozR 3-1500 § 160a Nr 34).
Im Kern widerspricht die Klägerin lediglich der nach ihrer Auffassung unzutreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung. Sie hätte aber auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG darlegen müssen, dass diese bisherige Rechtsprechung erheblicher Kritik ausgesetzt sei oder dass unabhängig davon neue erhebliche Gesichtspunkte vorlägen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11, SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Senatsbeschlüsse vom 13.5.2009, B 13 R 127/09 B; vom 13.9.2007, B 13/4 R 551/06 B, zitiert nach Juris). Daran fehlt es hier.
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Da der Klägerin keine Prozesskostenhilfe zusteht, kann sie auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen