Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 29.04.2019; Aktenzeichen S 12 R 75/17) |
LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 01.12.2021; Aktenzeichen L 6 R 152/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Dezember 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die 1968 geborene Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte lehnte den erneuten Rentenantrag vom 31.5.2016 nach Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ab (Bescheid vom 8.7.2016; Widerspruchsbescheid vom 9.2.2017). Im dagegen von der Klägerin angestrengten Klageverfahren hat das SG von Amts wegen ein Sachverständigengutachten beim Orthopäden G und auf Antrag der Klägerin ein Sachverständigengutachten bei der Schmerztherapeutin J eingeholt. Die Klägerin hat mit Schriftsätzen vom 25.10.2018 und 17.12.2018 beantragt, den Sachverständigen G wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das SG hat beide Anträge nach Einholung von Stellungnahmen beim Sachverständigen verworfen (Beschluss vom 8.4.2019). Die Klage hat es abgewiesen (Urteil vom 29.4.2019). Im dagegen von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahren hat das LSG ein Sachverständigengutachten bei der Psychiaterin und Psychotherapeutin H eingeholt und ein im Schwerbehindertenverfahren erstelltes Gutachten des Allgemeinarztes D sowie weitere Unterlagen beigezogen. Mit Beschluss vom 1.12.2021 hat es die Berufung zurückgewiesen. Das SG sei ausgehend von den im Wesentlichen übereinstimmenden Leistungseinschätzungen in den erstinstanzlich eingeholten Gutachten zu der überzeugenden Beurteilung gelangt, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin deren Leistungsvermögen lediglich qualitativ einschränkten. Das Gutachten des Sachverständigen G dürfe auch im Berufungsverfahren verwertet werden. Das SG habe die Ablehnungsgesuche durch unanfechtbare Entscheidung zurückgewiesen; sein Beschluss leide auch nicht etwa an einem besonders gravierenden Mangel. Auch die im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige H habe kein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen festgestellt. Ebenso wenig ergäben sich neue medizinische Erkenntnisse aus den Feststellungen des Herrn D.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 20.2.2022 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Die Klägerin bezeichnet die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht anforderungsgerecht (§ 160 Abs 2 Satz 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 20.2.2022 nicht gerecht.
Die Klägerin zeigt schon nicht hinreichend auf, gegen welche Verfahrensvorschriften das LSG verstoßen haben soll. Obgleich die vermeintlich verletzte Rechtsnorm nicht ausdrücklich anzugeben ist, muss sich aus der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde ohne Weiteres ergeben, welche Rechtsnorm der Beschwerdeführer als verletzt angesehen wissen will (vgl Becker, SGb 2007, 328, 329 mwN; BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 5; BSG Beschluss vom 22.10.2020 - B 5 R 138/20 B - juris RdNr 9; vgl auch bereits BSG Urteil vom 23.9.1955 - 3 RJ 26/55 - BSGE 1, 227, 231 in Bezug auf die Revisionsbegründung). Das lässt sich nicht ausreichend deutlich dem Vorwurf der Klägerin entnehmen, weder das SG noch das LSG hätten das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen des Sachverständigen G verwerten dürfen.
Sofern die Klägerin mit ihren Ausführungen zur Zurückweisung der Ablehnungsgesuche eine Verletzung des § 406 Abs 1 Satz 1, § 42 Abs 1 und 2 ZPO, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG rügen will, wäre schon kein rügefähiger Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet. Das gilt auch, soweit sie in diesem Zusammenhang wegen der Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch den Sachverständigen (Rückgriff auf Behandlungsunterlagen der eigenen Praxis) ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG) als verletzt ansieht. Die Klägerin kann ihre Beschwerde grundsätzlich nur auf Revisionsgründe stützen, die in der letzten Tatsacheninstanz vorgelegen haben (vgl hierzu und zu den Voraussetzungen, unter denen ein Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens ausnahmsweise im Berufungsverfahren fortwirkt, zB BSG Beschluss vom 19.1.2011 - B 13 R 211/10 B - juris RdNr 15 mwN). Sie behauptet selbst nicht, ein (weiteres) Ablehnungsgesuch im Berufungsverfahren gestellt zu haben, das vom LSG fehlerhaft zurückgewiesen worden sein könnte. Auch nach ihrem Vortrag erfolgte die Zurückweisung der Ablehnungsgesuche allein durch das SG. Zudem würde selbst die Entscheidung eines Berufungsgerichts über einen Befangenheitsantrag eine unanfechtbare Vorentscheidung darstellen (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG, der nicht auf § 406 Abs 5 ZPO verweist, sowie § 177 SGG; s dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 118 RdNr 12o), die nicht der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO; vgl BSG Urteil vom 15.3.1995 - 5 RJ 54/94 - SozR 3-1500 § 170 Nr 5 S 8). Die Gründe, aus denen ein Berufungsgericht einen Befangenheitsantrag gegenüber einem Sachverständigen zurückgewiesen hat, können deshalb grundsätzlich nicht als Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG gerügt werden (BSG Beschluss vom 24.5.2013 - B 1 KR 50/12 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 4.12.2019 - B 9 V 25/19 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 15.6.2021 - B 5 R 52/21 B - juris RdNr 14 mwN; vgl zu den Umständen, unter denen sich eine Nichtzulassungsbeschwerde ausnahmsweise auf die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs stützen lässt, zB BSG Beschluss vom 7.6.2018 - B 9 V 69/17 B - juris RdNr 6).
Ebenso wenig wäre ein rügefähiger Verfahrensmangel bezeichnet, wenn die Klägerin mit dem Vorwurf, auch das LSG habe das Gutachten des Sachverständigen G nicht verwerten dürfen, zugleich eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG rügen will. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG sind mit der Nichtzulassungsbeschwerde allein Fehler im Verfahren der Beweisaufnahme rügbar (vgl BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 VU 2/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 1 RdNr 5 f; BSG Beschluss vom 13.8.2018 - B 13 R 397/16 B - juris RdNr 7). Derartige Fehler werden von der Klägerin nicht benannt. Sie wendet sich vielmehr gegen die im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht rügbare Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht, indem sie vorbringt, das LSG habe sich nicht auf die Ausführungen des Sachverständigen G stützen dürfen, weil dessen Leistungseinschätzung erheblich von ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen abweiche; er habe insbesondere nicht die nach ihrem Dafürhalten bestehenden Widersprüche zwischen den bei der Gutachtenerstellung erhobenen Befunden und einer früheren Befunderhebung in seiner Praxis aufgeklärt.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Düring Hahn Hannes
Fundstellen
Dokument-Index HI15148896 |