Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. November 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit ist die Verzinsung erstatteter Beiträge streitig. Wegen einer dem Kläger zum 1.8.2008 ausgezahlten Versicherungsleistung von 27 916,60 Euro setzte die Beklagte Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) fest (Bescheide vom 9.9.2008). Den vom Kläger mit der Begründung erhobenen Widerspruch, die Versicherungsbeiträge habe er zu rund 80 % selbst getragen, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.3.2009). Während der hiergegen erhobenen Klage teilte der Versicherer mit Schreiben vom 10.4. und 19.5.2011 mit, dass der Kläger eine Versorgungsleistung von 4818,94 Euro erhalten habe. Beiträge seien in Höhe von 17 766,98 Euro durch ihn selbst und von 3706,78 Euro durch seinen Arbeitgeber eingezahlt worden. Daraufhin wurden die Beiträge zur GKV und sPV neu festgesetzt, ein Erstattungsbetrag von zusammen 1073,28 Euro festgestellt und der Rechtsstreit von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Den Antrag auf Verzinsung des Erstattungsbetrags lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 27.10.2011 und Widerspruchsbescheid vom 6.6.2012). Das SG Halle hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.11.2015). Das LSG Sachsen-Anhalt hat diese Entscheidung und die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und sie verurteilt, dem Kläger 60,61 Euro zu zahlen. Der Kläger habe mit seinem Widerspruch gegen den Beitragsbescheid zugleich einen vollständigen Erstattungsantrag gestellt. Weitere Angaben seien von der Beklagten nicht verlangt worden und für den Kläger nicht erkennbar notwendig gewesen (Urteil vom 16.11.2016). Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Beklagte Beschwerde eingelegt.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ). Die Beklagte hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Beklagte misst der Frage,
"zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen liegt ein vollständiger Erstattungsantrag gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB IV vor, wenn zur Bestimmung des Erstattungsanspruchs (insbesondere hinsichtlich der Höhe) die Mittteilung eines Dritten - hier: der Zahlstelle eines Versorgungsbezuges gemäß § 202 SGB V - unabdingbar notwendig ist",
eine grundsätzliche Bedeutung bei.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht erfüllt, weil die Beklagte nicht hinreichend bestimmt eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Es ist jedenfalls versäumt worden, die über den Einzelfall hinaus gehende allgemeine Bedeutung der aufgeworfenen Frage aufzuzeigen. Die erforderliche übergreifende Relevanz liegt dann vor, wenn die Rechtsfrage auch für weitere Fälle maßgeblich und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist (BSG Beschluss vom 26.1.2012 - B 5 R 334/11 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39 S 56). Dass sich die aufgeworfene Rechtsfrage als solche in der Rechtspraxis in einer Vielzahl von Erstattungsfällen stellt und damit "Breitenwirkung" entfaltet, hat die Beklagte behauptet, aber nicht dargetan.
Zudem ist die erforderliche Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt worden. Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Die Beschwerdebegründung setzt sich aber mit der vorliegenden Rechtsprechung des BSG zu § 27 Abs 1 SGB IV nicht hinreichend auseinander. Danach ist in einem Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid zugleich ein Erstattungsantrag enthalten und zwar auch dann, wenn die Beiträge zu dieser Zeit noch nicht entrichtet waren, weil der zu unterstellende Erstattungsantrag für später entrichtete Beiträge fortwirkt; dass der Sozialversicherungsträger die Beitragsforderung nicht von vornherein kennt, darf nicht zu Lasten des Erstattungsberechtigten gehen und steht der Vollständigkeit des Erstattungsantrags nicht entgegen (BSG Urteil vom 26.6.1986 - 2 RU 25/85 - Juris RdNr 21 mwN). Die Beklagte hätte daher unter Auswertung dieser Rechtsprechung darlegen müssen, weshalb diese Maßstäbe im Falle einer Meldung der Zahlstelle nach § 202 SGB V einer Modifizierung bedürfen, eine erst durch die Korrekturmeldung der Zahlstelle begründete Kenntnis von der Beitragsschuld gleichwohl zu Lasten des Erstattungsberechtigten gehen und damit noch keine einschlägige Entscheidung vorliegen oder durch schon vorliegende Rechtsprechung die für klärungsbedürftig erachtete Frage nicht oder nicht umfassend beantwortet sein soll (vgl BSG Beschluss vom 19.4.2012 - B 2 U 348/11 B - Juris RdNr 29). Sie hat sich stattdessen auf den Hinweis beschränkt, die genannte Entscheidung betreffe einen anderen Sachverhalt. Den zudem erhobenen Einwand, der Kläger habe "nicht alle Tatsachen angegeben, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrages angeben musste", hat die Beklagte nicht näher konkretisiert. Hierzu hat aber insbesondere deshalb Veranlassung bestanden, weil der Kläger bereits mit seinem Widerspruch geltend gemacht hat, er habe die Versicherungsbeiträge zu rund 80 % selbst getragen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11022585 |