Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. zulässiger Rechtsweg. ausschließliche Zuständigkeit. ordentliche Gerichtsbarkeit. Sozialgerichtsbarkeit. Streitigkeiten gegen Entscheidung der Vergabekammern. Verbotsverfügung bzgl Abschluss von Arzneimittel-Rabattverträgen durch Kartellbehörde. gerichtliche Überprüfung. Primärrechtsschutz. Verfassungsrecht. Europarecht. Verstoß
Orientierungssatz
1. Die Rechtswegzuweisung zu den Sozialgerichten nach § 130a Abs 9 SGB 5 für Streitigkeiten über Rabatte nach § 130a SGB 5 beansprucht umfassende Geltung und bezieht sich auch auf Klagen gegen die Untersagung von Rabattverträgen durch die Kartellbehörde (Anschluss an BSG vom 22.4.2008 - B 1 SF 1/08 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 4 = SozR 4-2500 § 130a Nr 2 = SozR 4-1100 Art 19 Nr 7).
2. Weder dem GG noch dem Recht der Europäischen Gemeinschaften kann entnommen werden, dass die Überprüfung von Entscheidungen der Vergabekammer ausschließlich durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit erfolgt (Anschluss an BSG vom 22.4.2008 - B 1 SF 1/08 R aaO).
3. Der Entscheidung über die Rechtswegbeschwerde steht eine den erkennenden Senat nach § 17a Abs 1 GVG bindende Rechtswegentscheidung des OLG oder abweichende Rechtsprechung des Bundesgerichthofs nicht entgegen.
Normenkette
EGRL 66/2007 Art. 2 Abs. 2; GG Art. 19 Abs. 4; SGB 5 § 130a Abs. 8 S. 1, Abs. 9; SGG § 51; GWB § 116; GVG § 17a Abs. 1, 3 S. 1, Abs. 4; EWGRL 665/89 Art. 2 Abs. 2; EG Art. 152 Abs. 5 S. 1; GG Art. 92, 101
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 18.02.2008; Aktenzeichen L 5 KR 528/08 B) |
SG Stuttgart (Beschluss vom 20.12.2007; Aktenzeichen S 10 KR 8605/07) |
Gründe
I. Streitig ist, ob der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 130a Abs 9 SGB V auch bei Klagen gegen die Untersagung von Rabattverträgen durch die Kartellbehörde eröffnet ist.
Die Klägerinnen - die Landesverbände der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Deutschland - haben nach einer aus ihrer Sicht rechtlich nicht gebotenen förmlichen Ausschreibung für 83 Wirkstoffe von Arzneimitteln Anfang September 2007 mitgeteilt, dass der Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a SGB V beabsichtigt sei. In der Folge untersagte die von den Beigeladenen zu 1) bis 7) daraufhin angerufene 2. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt - im Folgenden: Vergabekammer - den Klägerinnen die Erteilung der beabsichtigten Zuschläge und begründete dies mit der Verletzung von Vergaberecht (Beschlüsse vom 15.11.2007 zu VK 2-102/07, VK 2-105/07, VK 2-108/07, VK 2-114/07, VK 2-117/07, VK 2-120/07 und VK 2-123/07).
Die Beschlüsse vom 15.11.2007 haben zunächst die Beigeladenen zu 1) und 2) am 23.11.2007 mit sofortiger Beschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit dem Ziel angegriffen, das Vergabeverfahren hinsichtlich der von ihnen angebotenen Wirkstoffe überhaupt aufzuheben (Az des OLG Düsseldorf: VII Verg 45/07 zu VK 2-117/07 und VII Verg 46/07 zu VK 2-120/07). Weiter hat sich die Beigeladene zu 4) am 28.11.2007 mit der sofortigen Beschwerde an das OLG mit dem Begehren gewandt, den Beschluss vom 15.11.2007 im Kostenausspruch zu ändern (Az des OLG Düsseldorf: VII Verg 47/07 zu VK 2-105/07). Schließlich haben die Klägerinnen die Beschlüsse vom 15.11.2007 mit dem Ziel der Aufhebung zunächst am 29.11.2007 durch Klagen beim Sozialgericht (SG) Stuttgart angefochten (S 10 KR 8605/07) und am 30.11.2007 außerdem "vorsorglich" sofortige Beschwerde zum OLG eingelegt (Az: VII Verg 45/07 zu VK 2-117/07 betr Beigeladene zu Nr 1, VII Verg 46/07 zu VK 2-120/07 betr Beigeladene zu Nr 2, VII Verg 47/07 zu VK 2-105/07 betr Beigeladene zu Nr 4, VII Verg 48/07 zu VK 2-102/07 betr Beigeladene zu Nr 3, VII Verg 49/07 zu VK 2-108/07 betr Beigeladene zu Nr 5, VII Verg 50/07 zu VK 2-114/07 betr Beigeladene zu Nr 6 und VII Verg 51/07 zu VK 2-123/07 betr Beigeladene zu Nr 7).
Das OLG - dem die bereits zuvor erfolgte Befassung des SG mit der Streitsache bekannt war - hat mit Beschlüssen vom 18. und 19.12.2007 festgestellt, dass es für die Entscheidung über die Beschwerden ausschließlich zuständig sei, und die Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über ein Vorabentscheidungsersuchen (Beschluss des OLG vom 23.5.2007,GesR 2007, 429) ausgesetzt. Die Beschlusstexte übermittelte das OLG zunächst "vorab" per E-Mail am 18. und 19.12.2007 an die persönliche E-Mailadresse der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen und der Beschwerdeführer und stellte anschließend die Beschlüsse zwischen dem 27.12.2007 und dem 7.1.2008 gegen Empfangsbekenntnis förmlich zu. Bereits zuvor waren die zum OLG "vorsorglich" erhobenen Beschwerden von den Klägerinnen am 19. und 20.12.2007 zurückgenommen worden.
In dem zum SG erhobenen Klageverfahren hat das SG mit Beschluss vom 20.12.2007 gemäß § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vorab den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für zulässig erklärt. Die hiergegen von der Beklagten und den zu 1) bis 5) beigeladenen Pharmaunternehmen eingelegten Beschwerden hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg zurückgewiesen, soweit sie von der Beklagten und den Beigeladenen zu 3) bis 5) eingelegt worden sind (Beschluss vom 18.2.2008 - L 5 KR 528/08 B-). Dagegen hat es den Beschluss des SG auf die Beschwerden der Beigeladenen zu 1) und zu 2) aufgehoben, weil deren sofortige Beschwerden vom 23.11.2007 (Az: VII Verg 45/07 und VII Verg 46/07) Sperrwirkung zugekommen sei (Beschlüsse des LSG vom 18.2.2008 - L 5 KR 717/08 B - und - L 5 KR 718/08 B -). Daraufhin haben die Klägerinnen zunächst am 22.2.2008 die Vergabeverfahren zu denjenigen Wirkstoffen aufgehoben, für die von den Beigeladenen zu 1) und zu 2) Angebote abgegeben worden waren. Im Anschluss haben die Beigeladenen zu 1) und zu 2) und die Klägerinnen die entsprechenden Verfahren beim OLG (Az: VII Verg 45/07 und VII Verg 46/07) übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Gegen den Beschluss des LSG vom 18.2.2008 zu L 5 KR 528/08 B haben die Beklagte und die zu 3) bis 5) beigeladenen Pharmaunternehmen die vom LSG zugelassene Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Die Beschwerdeführerinnen machen im Wesentlichen geltend: |
- Formell stehe dem Beschluss des LSG die Sperrwirkung der Rechtswegentscheidung des OLG entgegen. Sie hätten Bindungswirkung entfaltet, bevor das SG seine Zuständigkeit bejaht habe. Die Sperrwirkung nach § 17a Abs 1 GVG gehe § 17 Abs 1 Satz 2 GVG vor und sei nicht durch die Rücknahme der sofortigen Beschwerde weggefallen; mit der Bekanntgabe der Beschlüsse am 18. und 19.12. 2007 sei Rechtskraft eingetreten. |
- Materiell würden die §§ 97 ff Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch § 130a Abs 9 SGB V nicht verdrängt. Ein Vorrang des materiellen Sozialrechts vor dem Vergaberecht bestehe nicht. Dies wäre mit Europarecht unvereinbar. Nur der Rechtsschutz nach §§ 116 ff GWB, nicht aber die im Sozialgerichtsverfahren eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten genügten den Anforderungen der Richtlinie 89/665 EWG. |
- Entscheidungen der Vergabekammern unterlägen nach § 116 GWB ausschließlich der Überprüfung durch das OLG. Insoweit sei ein spezieller Vergaberechtsweg eröffnet; das belegten auch die Gesetzesmaterialien (Hinweis auf BT-Drucks 13/9340 S 19) . |
- Eine Klage gegen die Vergabekammer bzw deren Rechtsträger sei unzulässig, da sie mit dem gerichtsähnlichen Charakter der Vergabekammer nicht vereinbar sei. |
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Der Senat hat den Beteiligten den in dem Parallelverfahren ergangenen Beschluss des 1. Senats des BSG vom 22.4.2008 (B 1 SF 1/08 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) zur Kenntnis und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Darauf haben die Beschwerdeführerinnen ihre Auffassung wiederholt und bekräftigt. Insbesondere heben sie darauf ab, |
- materiell sei für die Anfechtung von Entscheidungen der Vergabekammer nach § 116 GWB ausschließlich das OLG zuständig. Die Auffassung des 1. Senats des BSG widerspreche dem vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten durchlaufenden Instanzenzug. Ein "Abknicken" des von den Bietern einmal eingeschlagenen vergaberechtlichen Sonderrechtswegs durch Einschlagen eines neuen "Nebengerichtswegs" sei nicht möglich. |
- formell stehe der Entscheidung des LSG die Sperrwirkung der Rechtswegentscheidungen des OLG vom 18. und 19.12.2007 entgegen; diese seien mit der formlosen Bekanntgabe am selben Tag wirksam geworden und könnten auch nicht als unwirksam angesehen werden. |
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.2.2008und den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.12.2007 aufzuheben und festzustellen, dass für die gegen sie - die Beklagte - von den Klägerinnen am 29.11.2007 beim Sozialgericht Stuttgart anhängig gemachte Klage (S 10 KR 8605/07) gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 15.11.2007 der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht eröffnet ist.
Die Beigeladenen zu 3) bis 5) beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.2.2008und den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.12.2007 aufzuheben und festzustellen, dass für die Anfechtung des Beschlusses der 2. Vergabekammer des Bundes vom 15.11.2007 die sofortige Beschwerde nach § 116 GWB zum OLG Düsseldorf das allein zulässige Rechtsmittel gewesen ist.
Die Klägerinnen verteidigen die angegriffene LSG-Entscheidung und beantragen,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Die übrigen zum Rechtsstreit beigeladenen Pharmaunternehmen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Zutreffend haben die Vorinstanzen den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt, soweit dies hier noch streitig ist. Die Rechtswegzuweisung zu den Sozialgerichten nach § 130a Abs 9 SGB V für Streitigkeiten über Rabatte nach § 130a SGB V beansprucht umfassende Geltung und bezieht sich auch auf Klagen gegen die Untersagung von Rabattverträgen durch die Kartellbehörde (dazu nachfolgend 1.). Dieser Entscheidung steht eine den erkennenden Senat nach § 17a Abs 1 GVG bindende Rechtswegentscheidung des OLG (dazu unten 2) oder abweichende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH - hierzu unten 3) nicht entgegen.
1. Die Rechtswegzuweisung des § 130a Abs 9 SGB V zu den Sozialgerichten gilt auch für Klagen gegen die Untersagung von Rabattverträgen durch die Kartellbehörde.
a) Durch § 130a Abs 9 SGB V ist für Rechtsstreitigkeiten über den Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 Satz 1 SGB V uneingeschränkt der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Danach gilt: "Bei Streitigkeiten in Angelegenheiten dieser Vorschrift ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben". Die Rechtswegbestimmung ist Teil des § 130a SGB V, der durch das BSSichG vom 23.12.2002 (BGBl I 4637) mit Wirkung zum 1.1.2003 in das SGB V eingefügt worden ist und eine Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch entsprechende Beiträge der pharmazeutischen Industrie zusätzlich zu den in § 130 SGB V geregelten, vom Gesetzgeber selbst festgesetzten Apothekenrabatten bezweckt. Prozessual ist der Regelung aus Gründen der Klarstellung die Rechtswegzuweisung des § 130a Abs 9 SGB V beigefügt und damit die bereits in § 51 SGG angelegte Entscheidung bekräftigt worden, dass für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Abschlagsregelung die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind (vgl BT-Drucks 15/28 S 11, 16) .
b) Der umfassende Wortlaut des § 130a Abs 9 SGB V lässt es nicht zu, die Rechtswegzuweisung auf Streitigkeiten zu beschränken, die sich aus bereits abgeschlossenen Rabattverträgen ergeben. Der Wortlaut der Norm erfasst vielmehr auch das Verfahren vor und bei der Vertragsanbahnung und im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss. Streitigkeit "in Angelegenheiten" des § 130a SGB V ist mithin jede Auseinandersetzung über Reichweite und Grenze der nach dieser Norm bestehenden Befugnisse und damit auch über Anbahnung und Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 Satz 1 SGB V. Die Zuständigkeit ist damit ausschließlich nach Gegenstand und Beteiligtenstellung und ohne Rücksicht darauf bestimmt, welchen Rechtsquellen der Entscheidungsmaßstab zu entnehmen ist. Das schließt es aus, dass für Streitigkeiten in Angelegenheiten des § 130a SGB V nur Rechtsnormen des SGB V entscheidungserheblich sein könnten.
c) Der Sonderzuständigkeit nach § 130a Abs 9 SGB V geht auch der Rechtsweg nach § 116 GWB nicht vor. Ob Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmen Rabattverträge nach § 130a Abs 8 Satz 1 SGB V abschließen dürfen und welche Bedingungen dabei zu beachten sind, kann im Verhältnis zwischen Krankenkasse, pharmazeutischem Unternehmen und Wettbewerbern nur einheitlich entschieden werden. Dem Kartellvergaberecht kommt dabei eine Sonderstellung nicht zu. Auch wenn Kartellvergaberecht - seine Anwendbarkeit unterstellt - dem Abschluss eines Rabattvertrages nicht entgegensteht, könnte der Vertrag weiter gegen Grundrechtspositionen von Konkurrenten (vgl dazu BSGE 89, 24, 33 f = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 17.7.2008 - B 3 KR 23/07 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) , gegen Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V oder sonstige nach § 69 SGB V für seinen Abschluss maßgebende Normen verstoßen und deshalb der Aufhebung unterliegen. Dass diese Fragen nach dem Willen des Gesetzgebers von unterschiedlichen Gerichten und nach unterschiedlichen Verfahrensordnungen entschieden werden sollten, ist angesichts des mit § 130a Abs 9 SGB V verfolgten Zwecks schlechterdings ausgeschlossen; dafür fehlt jeder Anhaltspunkt.
Im Gegenteil ist § 130a Abs 9 SGB V Ausdruck einer grundlegenden Systementscheidung des Gesetzgebers, wonach alle Streitigkeiten in Bezug auf Rabatte nach § 130a SGB V einheitlich von den mit den Beschaffungsvorgängen nach dem SGB V auch sonst befassten Sozialgerichten zu entscheiden sind (so zutreffend bereits der 1. Senat des BSG im Beschluss vom 22.4.2008, aaO, RdNr 54) . Diese Systementscheidung ist auch dann beachtlich, wenn das Verfahren - wie hier - eine kartellbehördliche Untersagungsverfügung zum formellen Ausgangspunkt hat. Offenkundig könnte die Bündelungsfunktion des § 130a Abs 9 SGB V nicht Platz greifen, wenn über die Rechtmäßigkeit der Anbahnung eines Rabattvertrages in zwei Rechtszweigen - Zivilgerichte zur kartellvergaberechtlichen Seite und Sozialgerichte zu allen übrigen Anforderungen des formellen und materiellen Rechts - zu entscheiden wäre. Die Gegenmeinung der Beschwerdeführerinnen beachtet nicht hinreichend, dass die Regularien des Kartellvergaberechts - soweit anwendbar - von den weiteren Anforderungen an den Abschluss von Verträgen nach § 130a Abs 8 Satz 1 SGB V nicht getrennt werden können. Wie der 1. Senat des BSG bereits eingehend dargelegt hat, geht § 130a Abs 9 SGB V vielmehr nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte als "jüngere" und auch speziellere Vorschrift der Norm des § 116 GWB vor und bündelt alle den Abschluss und die Anbahnung von Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 Satz 1 SGB V betreffenden Rechtsstreitigkeiten bei den Sozialgerichten. Das gebietet auch die Erstreckung des Rechtswegs nach § 130a Abs 9 SGB V auf die Untersagungsverfügung der Kartellbehörde. Insoweit wird der Anwendungsvorrang des § 130a Abs 9 SGB V - anders als von den Beschwerdeführerinnen eingewandt wird (kein "Abknicken" des Rechtsweges) - auch durch die Besonderheiten des Kartellvergabeverfahrens nicht außer Kraft gesetzt (vgl im Einzelnen Beschluss des 1. Senats vom 22.4.2008, aaO, RdNr 52 ff mwN) . Dem schließt sich der erkennende Senat an.
d) Höherrangiges Recht ist durch diese Rechtswegzuordnung nicht verletzt. Weder dem GG noch dem Recht der Europäischen Gemeinschaften kann entnommen werden, dass die Überprüfung von Entscheidungen der Vergabekammer ausschließlich durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit erfolgt. Auch insoweit schließt sich der erkennende Senat der Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 22.4.2008 an (aaO, RdNr 64 ff mwN) .
2. Der Entscheidung über die Rechtswegbeschwerde steht eine den erkennenden Senat nach § 17a Abs 1 GVG bindende Rechtswegentscheidung des OLG nicht entgegen.
a) Der Senat lässt offen, ob den Beschlüssen des OLG bereits wegen offensichtlicher Unhaltbarkeit keine Bindungswirkung nach § 17a Abs 1 GVG zukommt (vgl dazu Beschluss des 1. Senats des BSG vom 22.4.2008, aaO, RdNr 43) . Allerdings teilt er die Bedenken des 1. Senats gegen die Verfahrensweise des OLG in mehrfacher Hinsicht. Zutreffend hat der 1. Senat bereits darauf hingewiesen, dass das OLG die beim SG begründete anderweitige Rechtshängigkeit missachtet hat (aaO, RdNr 44 f) . Bedenken begegnet weiter, dass das OLG Anlass für eine Rechtswegentscheidung nach § 17a Abs 3 Satz 1 GVG gesehen und dennoch die weitere Beschwerde nach § 17a Abs 4 Satz 4 GVG zum BGH nicht zugelassen hat. Denn von der Zulassung der weiteren Beschwerde durfte es nach § 17a Abs 4 Satz 5 GVG nur absehen, wenn es der Rechtswegentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung zuerkannt hat. Dies zu unterstellen, erscheint angesichts der grundsätzlichen Divergenzen in dieser Frage bereits objektiv fragwürdig (vgl etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.11.2007 - 17 Verg 11/07 - juris; aus der Literatur vgl etwa Lorff, ZESAR 2007, 104 ff; Hartmann/Souglu, SGb 2007, 404 ff; Gabriel, NZS 2007, 344 ff einerseits, Engelmann in jurisPK-SGB V, § 69 RdNr 133 ff; Möschel, JZ 2007, 601 ff; Roth, GRUR 2007, 645 ff; Bloch/Puns, SGb 2007, 645 ff andererseits) . Jedenfalls aber bestand dann kein Anlass für eine alle anderen Gerichte bindende Rechtswegentscheidung nach § 17a Abs 3 Satz 1 GVG. Diese dient der Klärung der Zuständigkeitsfrage durch die dazu berufenen Gerichte und erübrigt sich deshalb, wenn das darüber befindende Gericht für die Zulassung der Beschwerde an den obersten Gerichtshof des Bundes gemäß § 17a Abs 4 Satz 4 bis 6 GVG selbst keinen Grund sieht (vgl BGHZ 131, 169, 171; BGHZ 132, 245, 247; stRspr) .
b) Die vorstehend geäußerten Bedenken können jedoch dahinstehen, weil das OLG vor der Rücknahme der sofortigen Beschwerden durch die Klägerinnen am 19. und 20.12.2007 keine wirksame Rechtswegentscheidung verlautbart hat. Sperrwirkung entfaltet die Rechtswegentscheidung nach § 17a Abs 1 Halbsatz 1 GVG ab dem Zeitpunkt, an dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt hat. Diese Rechtskraft konnte hier nur mit der ordnungsgemäßen Bekanntgabe der ohne mündliche Verhandlung ergangenen und nicht verkündeten Beschlüsse des OLG vom 18. und 19.12.2007 eintreten. Denn für den Eintritt der Sperrwirkung nach § 17a Abs 1 GVG reicht der (bloße) Erlass und die dadurch ausgelöste innere Bindungswirkung des erkennenden Gerichts an den Beschluss nach § 17a Abs 3 Satz 1 GVG nicht aus. Bindungswirkung nach außen tritt vielmehr erst mit Verkündung oder mit ordnungsgemäßer Bekanntgabe der Rechtswegentscheidung ein. Schon nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen werden gerichtliche Entscheidungen erst mit Verkündung oder Bekanntgabe wirksam, wenn keine - hier nicht bestehenden - Ausnahmen vorliegen (vgl BGHZ 164, 347, 351 mwN) . Des Weiteren ergibt sich aus dem Begründungserfordernis des § 17a Abs 4 Satz 2 GVG, dass an die Wirksamkeit der Rechtswegentscheidung besondere formelle Anforderungen gestellt sind. Schließlich kann auch aus Gründen der Klarheit im Rechtsverkehr von einer wirksamen Entscheidung iS von § 17a Abs 1 Satz 1 GVG nur ausgegangen werden, wenn für alle am Verfahren Beteiligten und die durch den Beschluss gebundenen Gerichte feststeht, dass und mit welchem prozessualen Gehalt die Rechtswegentscheidung bekannt gegeben worden ist.
Eine solche Bekanntgabe erfolgte vor der Rücknahme der sofortigen Beschwerden durch die Klägerinnen am 19. und 20.12.2007 nicht. Sie kann insbesondere nicht in der formlosen Übermittlung der Beschlüsse vom 18. und 19.12.2007 an die persönlichen E-Mailadressen der Bevollmächtigten der Klägerinnen und der Beigeladenen zur Information "vorab" in Gestalt einer ungesicherten WORD-Datei per E-Mail am 18. bzw 19.12.2007 gesehen werden. Ob, wann und mit welchem Inhalt diese E-Mails den Bevollmächtigten zur Kenntnis gekommen sind, ist im Rechtsverkehr nicht nachzuvollziehen; den vom OLG überlassenen Akten lässt sich dazu nichts entnehmen. Auch prozessrechtlich ist die förmliche Bekanntgabe gerichtlicher Entscheidungen auf dem vom OLG gewählten Weg nicht vorgesehen. Das OLG ist offensichtlich selbst nicht davon ausgegangen, dass die vorab zugesandten E-Mails die Bekanntgabe des Beschlusses sein sollten. Denn es hat die Zustellung des Beschlusses verfügt und durchführen lassen. Mangels anderweitiger Bekanntgabe konnte die Bekanntgabewirkung deshalb erst durch die ab dem 27.12.2007 bewirkte Zustellung der Beschlüsse und damit nach Rücknahme der Beschwerden eintreten. Ob die Zustellung für den Eintritt der Rechtskraft prozessual auch geboten war, kann deshalb offen bleiben.
3. Der erkennende Senat ist an seiner Entscheidung nicht deshalb gehindert, weil die hier maßgebliche Rechtswegfrage vom 10. Zivilsenat des BGH anders beurteilt worden ist. Zwar hat der 10. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 15.7.2008 ausgeführt, dass gegen die Entscheidung einer Vergabekammer, die das Vergabeverfahren für den Abschluss von Rabattvereinbarungen nach § 130a Abs 8 SGB V zum Gegenstand hat, allein das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu dem für den Sitz der Vergabekammer zuständigen Oberlandesgericht gegeben ist und er der tragenden Rechtsansicht des 1. Senats des BSG im Beschluss vom 22.4.2008 nicht beizutreten vermag (BGH, Beschluss vom 15.7.2008 - X ZB 17/08 - WRP 2008, 1381, 1382 f) . Dieser Beschluss bietet dem erkennenden Senat indes keinen Anlass zur Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe, weil diese Ausführungen des 10. Zivilsenats des BGH für dessen Entscheidung nicht tragend waren. Seiner eigenen Einschätzung nach war die grundsätzliche Frage nach dem zutreffenden Rechtsweg nicht entscheidungserheblich, denn er konnte "im konkreten Streitfall keine Entscheidung über die Frage treffen, derentwegen ihm die Sache vorgelegt worden ist" (aaO, S 1382) . Andernfalls hätte auch er seinerseits im Hinblick auf die vorangegangene Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 22.4.2008 den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe anrufen und dessen Entscheidung zu der hier maßgebenden Frage einholen müssen. Dazu bestand in der dem 10. Zivilsenat des BGH vorliegenden prozessualen Situation kein Anlass, weshalb auch der anschließenden Presseberichterstattung "Rabattverträge vor die Zivilgerichte - BGH zieht Kontrolle von Pharma-Ausschreibungen an sich" (FAZ vom 14.8.2008 S 13) jede Grundlage fehlt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Vorschrift des § 17b Abs 2 Satz 1 GVG, wonach bei Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht, die Kosten vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, findet bei Beschlüssen nach § 17a GVG keine Anwendung, wenn der beschrittene Rechtsweg für zulässig erachtet wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15; BGH NJW 1993, 2541, 2542; Ehlers in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2007, § 41, § 17a GVG RdNr 35 mwN).
Die Höhe des Streitwerts wird nach § 52 Abs 4 Gerichtskostengesetz im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auf 2,5 Millionen Euro beschränkt. Es scheint angemessen, mit dem LSG für die Vorabentscheidung über den Rechtsweg für den Streitwert von einem Fünftel dieses Maximalwertes, also 500.000 Euro, auszugehen und davon im Hinblick auf die Abtrennung von zwei der insgesamt sieben angegriffenen Entscheidungen der Beklagten 5/7, mithin also 357.142,85 Euro anzusetzen.
III. Die Beiladung der Beigeladenen zu 1) und 2) war aufzuheben, da die Beiladungsvoraussetzungen nach Aufhebung des Vergabeverfahrens in Bezug auf die von ihnen angebotenen Wirkstoffe durch Beschluss der Beklagten vom 22.2.2008 weggefallen sind (§ 75 SGG) . Dazu ist auch das Rechtsmittelgericht befugt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 75 RdNr 16a) .
Fundstellen