Verfahrensgang
Thüringer LSG (Urteil vom 25.05.2000) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. Mai 2000 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Das Rechtsmittel der Klägerin ist unzulässig. Es kann offenbleiben, ob ihr – wie beantragt – wegen der am 21. August 2000 verstrichenen Beschwerdefrist und der am 20. September 2000 verstrichenen Beschwerdebegründungsfrist (§ 160a Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) im Hinblick auf ihren rechtzeitig gestellten Antrag auf Prozeßkostenhilfe gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung zu gewähren ist (vgl insoweit BSG SozR 1500 § 67 Nr 15). Jedenfalls fehlt dem Rechtsmittel deswegen die Zulässigkeit, weil es nicht in einer in § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechenden Form begründet worden ist.
Soweit die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht, ist diese nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG „dargelegt”. Die Darlegung in diesem Sinn erfordert, daß der Beschwerdeführer eine Rechtsfrage klar bezeichnet und angibt, inwieweit deren Klärung im laufenden Rechtsstreit möglich ist und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Dazu ist darzutun, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig, dh zweifelhaft, und klärungsfähig, dh im anhängigen Verfahren entscheidungserheblich ist, so daß hierzu eine Entscheidung des Revisionsgerichts erwartet werden kann (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nrn 39 und 53). Die Klägerin bezeichnet zwar eine Rechtsfrage, indem sie in Zweifel zieht, ob § 7 Abs 1 des Unterstützungsabschlußgesetzes vom 6. Mai 1994 (UntAbschlG – BGBl I S 990) für solche Fälle einer angeblichen Schädigung durch medizinische Maßnahmen, die nach dem Recht der ehemaligen DDR bereits abgeschlossen waren, eine neue Antragsfrist eröffnet hat. Sie hätte aber darlegen müssen, inwiefern die Beantwortung dieser Rechtsfrage nicht schon aus dem Gesetzeswortlaut und der dazu ergangenen Entscheidung des Senats vom 27. August 1998 (SozR 3-8765 § 7 Nr 1) hervorgeht. Die Klägerin weist zwar darauf hin, daß sich die genannte Entscheidung nur auf einen Fall bezogen habe, in welchem die vierjährige Ausschlußfrist im Sinne der einschlägigen Vorschriften der ehemaligen DDR (§ 12 der Anordnung über die Erweiterung der materiellen Unterstützung der Bürger bei Schäden infolge medizinischer Eingriffe vom 28. Januar 1987 – AnOEmU 1987, GBl I Nr 4 S 34) abgelaufen war. Sie geht aber nicht auf den erörterungsbedürftigen Gesichtspunkt ein, daß die Entscheidung auf dem Grundgedanken beruhen könnte, daß nach der AnOEmU abgeschlossene Fälle nicht wieder aufgegriffen werden können, und daß dieser Grundsatz mit der genannten Entscheidung lediglich ausgeweitet worden ist. In diesem Falle wäre die von der Klägerin aufgeworfene Grundsatzfrage bereits in der genannten Entscheidung mitbeantwortet worden. Die Klägerin geht in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Bestimmung des § 7 Abs 4 UntAbschlG ein, derzufolge nach der AnOEmU 1987 bis zum 31. Dezember 1990 abschließend geregelte Ansprüche nicht mehr wieder aufgenommen werden können. Liegt somit eine ordnungsgemäße Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht vor, kann die Frage, inwieweit die Klägerin die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage dargelegt hat, auf sich beruhen.
Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage damit begründen will, daß in ihrem Fall eine besondere Härte iS des § 6 UntAbschlG vorliege, behauptet sie allenfalls einen Rechtsanwendungsfehler des Landessozialgerichts (LSG), legt aber keine – abstrakte – Rechtsfrage zur Klärung vor.
Zur Bezeichnung der von ihr des weiteren geltend gemachten Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) trägt die Klägerin nur eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung des LSG vor (abgeschlossenes Verwaltungsverfahren vor 1991), das heißt eine Divergenz der tatsächlichen Grundlagen des Urteils von den ihrer Meinung nach in Wirklichkeit vorliegenden Umständen. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG wäre es aber gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlich gewesen, aus einer bestimmten höchstrichterlichen Entscheidung (etwa derjenigen des Senats vom 27. August 1998) und aus dem angefochtenen Urteil jeweils einen tragenden Rechtssatz herzuleiten und die Unvereinbarkeit beider Rechtssätze aufzuzeigen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21 und 29). Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Soweit als Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG gerügt wird, das LSG hätte im Wege der Amtsermittlung prüfen müssen, inwieweit die im Mai 1985 an der Klägerin vorgenommene Operation „vom Stand der damaligen Wissenschaft abweicht” und entsprechende Gutachten einholen müssen, scheitert die Beschwerde an der Zulässigkeitsschranke des § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG. Danach kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des LSG (§ 103 SGG) zulässig nur in der Weise gerügt werden, daß sich der Beschwerdeführer auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Eine solche Bezugnahme läßt die Beschwerde vermissen.
Soweit schließlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 Grundgesetz) als Verfahrensfehler gerügt wird, fehlt es an einer „Bezeichnung” iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Denn es wird kein tatsächliches Verhalten des Sozialgerichts Gotha oder des Thüringer LSG geschildert, das schlüssig, dh in sich verständlich, den behaupteten Verfahrensfehler ergibt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Denn auch wenn die geladene Klägerin – wie vorgetragen – ihr Ausbleiben bei den Vorinstanzen mit Krankheit entschuldigt hat, durfte in ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden (vgl Meyer-Ladewig 6. Aufl, RdNr 4 zu § 126 mwN; RdNr 6a zu § 62 SGG). Der Umstand allein, daß die Klägerin außerstande war, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und dies mitgeteilt hatte, bildete noch keinen zwingenden Grund zur Vertagung. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs – auf das jederzeit verzichtet werden kann – hätte allenfalls dann eine Vertagung erforderlich gemacht, wenn die Klägerin beantragt oder wenigstens ihren Willen zum Ausdruck gebracht hätte, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Ohne diese Willensbekundung der Klägerin hätte lediglich dann vertagt werden müssen, wenn das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet gewesen wäre (vgl das Urteil des BSG vom 16. Dezember 1993 – 13 RJ 37/93 – ≪mißverständlich wiedergegeben in SozSich 1994, 396 und bei Meyer-Ladewig aaO RdNr 6d zu § 62 SGG≫). Weder hierfür noch für einen Vertagungsantrag trägt die Beschwerde etwas vor, so daß die entsprechende Verfahrensrüge nicht schlüssig und somit unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG.
Fundstellen