Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren: Zulassungsgrund des Verfahrensmangels. gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands im Urteil
Orientierungssatz
1. § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG fordert eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands nach seinem wesentlichen Inhalt. Hierzu gehört zwar die Angabe, welche Beweise erhoben worden sind, nicht jedoch die Wiedergabe einzelner Sachverständigenaussagen oder gar ganzer Gutachten und Stellungnahmen.
2. Das Gebot der Vorschrift, im Urteil den Tatbestand gedrängt darzustellen, bezieht die Darstellung von Sach- und Beweisanträgen der Beteiligten mit ein. Fehler, die dem Gericht bei der Abfassung des Tatbestands unterlaufen sind, stellen aber nur dann Verfahrensmängel iS von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG dar, wenn sie schwerwiegend sind (BSG, 8. Februar 2006, B 1 KR 65/05 B).
3. Ob ein Fehler schwerwiegend ist, ist ausgehend von der Funktion des Tatbestands zu beurteilen, der ua die Grundlage für die Nachprüfung des Berufungsurteils in der Revisionsinstanz bildet und dieser Funktion nur gerecht werden kann, wenn er überhaupt vorhanden ist sowie - gemessen an seiner Funktion - ausreichende, klare und in sich widerspruchsfreie Feststellungen enthält.
Normenkette
SGG § 136 Abs. 1 Nr. 5, § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 31.08.2016; Aktenzeichen L 5 R 930/13) |
SG Ulm (Aktenzeichen S 8 R 1060/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. August 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 31.8.2016 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Juni 2005 sowie auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor dem 1.7.2009 verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
1. Der Kläger rügt eine Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 5 SGG, nach dem das Urteil eine gedrängte Darstellung des Tatbestands zu enthalten hat.
Hierzu trägt er vor, sowohl SG als auch LSG hätten den für die Entscheidung relevanten Sachverhalt im Urteilstatbestand unvollständig sowie im Wesentlichen unrichtig dargestellt.
a) Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel des SG geltend macht, ist er darauf hinzuweisen, dass Verfahrensmängel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG Verstöße des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug sind (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 16a mwN). Ein Verfahrensmangel, der dem SG unterlaufen ist, kann daher nur dann die Zulassung der Revision rechtfertigen, wenn dieser fortwirkt und insofern ebenfalls als Mangel des LSG anzusehen ist (vgl nur BSG Beschluss vom 19.1.2011 - B 13 R 211/10 B - Juris RdNr 15 mwN). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine substantiierten Angaben.
Auf S 7 bis 17 der Beschwerdebegründung verweist der Kläger auf Ausführungen in verschiedenen, im Berufungsverfahren überreichten Schriftsätzen sowie auf Ausführungen in den vor dem SG gestellten Tatbestandsberichtigungsanträgen. Auf S 17 der Beschwerdebegründung heißt es sodann, das LSG sei "bereits im Urteils-Tatbestand über all dies" hinweggegangen und habe "sich stattdessen offenbar um eine die Klageabweisung tragende möglichst eindeutige Darstellung" bemüht. Mit diesem Pauschalverweis wird der Kläger seiner Pflicht, die einen Verfahrensmangel des SG vermeintlich begründenden Tatsachen und die Fortwirkung dieser Mängel im Berufungsverfahren substantiiert darzulegen, nicht gerecht. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, den umfangreichen Vortrag des Klägers daraufhin zu analysieren, ob sich diesem ein solcher Sachverhalt entnehmen ließe.
b) Soweit die Beschwerdebegründung auf S 18 bis S 41 Texte aus medizinischen Sachverständigengutachten und ärztlichen Stellungnahmen aufführt, die das LSG unter Verstoß gegen § 136 Abs 1 Nr 5 SGG nicht im Tatbestand geschildert habe, ist eine Verletzung der Norm ebenso wenig schlüssig aufgezeigt.
§ 136 Abs 1 Nr 5 SGG fordert eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands nach seinem wesentlichen Inhalt. Hierzu gehört zwar die Angabe, welche Beweise erhoben worden sind (vgl Hauck in Hennig, SGG, § 136 RdNr 62 - Stand Februar 2016; Harks in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 136 RdNr 23 f; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 313 RdNr 17), nicht jedoch die Wiedergabe einzelner Sachverständigenaussagen oder gar ganzer Gutachten und Stellungnahmen.
Eine Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 5 SGG durch das LSG sieht der Kläger des Weiteren darin, dass seine im Schriftsatz vom 11.8.2016 formulierten Anträge "mit deutlichen Abweichungen/Verkürzungen aus dem Kontext genommen sowie inhaltlich im Zusammenhang verändert" in das angefochtene Urteil übernommen worden seien. Soweit der Kläger diesen Vortrag substantiiert, bezieht sich die erhobene Rüge auf die beantragte Befragung von Sachverständigen, insbesondere des Sachverständigen Dr. K., unter Berücksichtigung anderer medizinischer Gutachten und Stellungnahmen.
Mit diesem Vorbringen ist ein Verstoß gegen § 136 Abs 1 Nr 5 SGG ebenfalls nicht schlüssig bezeichnet.
Das Gebot der Vorschrift, im Urteil den Tatbestand gedrängt darzustellen, bezieht die Darstellung von Sach- und Beweisanträgen der Beteiligten mit ein (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 136 RdNr 6). Fehler, die dem Gericht bei der Abfassung des Tatbestands unterlaufen sind, stellen aber nur dann Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG dar, wenn sie schwerwiegend sind (BSG Beschluss vom 8.2.2006 - B 1 KR 65/05 B - Juris RdNr 14). Ob ein Fehler schwerwiegend ist, ist ausgehend von der Funktion des Tatbestands zu beurteilen, der ua die Grundlage für die Nachprüfung des Berufungsurteils in der Revisionsinstanz bildet (vgl § 163 SGG) und dieser Funktion nur gerecht werden kann, wenn er überhaupt vorhanden ist sowie - gemessen an seiner Funktion - ausreichende, klare und in sich widerspruchsfreie Feststellungen enthält (vgl Keller, aaO, § 136 RdNr 6c; BSG aaO). Darlegungen zur Schwere der gerügten Fehler in diesem Sinn enthält die Beschwerdebegründung aber nicht. Angesichts dessen kann hier dahinstehen, ob es sich bei den Anträgen des Klägers auf Befragung der Sachverständigen überhaupt um Beweisanträge gehandelt hat.
Soweit der Kläger schließlich sinngemäß rügt, er habe seinen früheren Antrag auf Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG Ulm entgegen der Darstellung im angefochtenen Urteil nicht aufrechterhalten, ist er auf den von ihm selbst erwähnten Schriftsatz vom 11.8.2016 zu verweisen, nach dessen S 2 es "bei den (schriftlichen formulierten) Anträgen vom 03.03.2013 und 04.03.2013 (1.)" verbleibt. Im Schriftsatz vom 3.3.2013, S 2, hat der Kläger beantragt, "die Sache an das Sozialgericht zurück(zu)verweisen". Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine aufklärenden Darlegungen, abgesehen davon, dass sie auch diesbezüglich Angaben zur Schwere des gerügten Fehlers vermissen lässt.
2. Der Kläger macht ferner eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG geltend.
Hierzu trägt er vor: Er habe mit Schriftsatz vom 11.8.2016 "für den/im Termin am 31.08.2016" beantragt, "zur näheren Aufklärung der Entwicklung des Gesundheitszustands und der dadurch bedingten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit des Klägers Herrn Dr. K. " unter Berücksichtigung verschiedener weiterer Gutachten und ärztlicher Stellungnahmen zu verschiedenen im Einzelnen formulierten Fragen zu hören. Des Weiteren habe er beantragt, "Herrn Dr. W. zur Erläuterung seines Sachverständigengutachtens zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden und ihn zur gesundheitlichen Entwicklung zwischen 2004/2005 und seinem Gutachten vom 12.02.2016 zu befragen", insbesondere zu bestimmten Einwänden bzw Meinungen der Beklagten. Außerdem habe er beantragt, "Herrn Prof. Dr. med. K. G., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie … auf der Basis seiner Stellungnahmen vom 04.11.2009 und vom 13.12.2010 zum (weiteren) gerichtlichen Sachverständigen zu ernennen und von ihm ein ('Ober-') Aktenlage-Gutachten … zur Entwicklung des Gesundheitszustands und der Leistungseinschränkungen seit 2004 / 2005" einzuholen sowie "zur Beurteilung der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt eine berufs- / arbeitsmarktkundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit" beizuziehen.
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des § 103 SGG nicht schlüssig bezeichnet. Der Kläger hat bereits nicht aufgezeigt, im Berufungsverfahren Beweisanträge gestellt zu haben.
War der Beschwerdeführer in der Berufungsinstanz - wie hier - durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten, sind zwar an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6 S 14; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 733). Auch ein unvertretener Beteiligter muss aber einen konkreten Beweisantrag sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese aufzuklären (BSG Beschlüsse vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4 und vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 11). Diesen Anforderungen ist nicht genügt.
Dass der Kläger vor dem Berufungsgericht beantragt hat, Dr. K. und Dr. W. zu bestimmten, bisher nicht geklärten Gesundheitsstörungen und deren Einfluss auf sein Leistungsvermögen zu befragen, lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen. Nach der Beschwerdebegründung waren die Anträge des Klägers vielmehr darauf gerichtet, die Sachverständigen zu den von ihnen erstatteten Gutachten unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte zu befragen.
Das Recht eines Verfahrensbeteiligten, einen gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung des von diesem erstatteten Gutachtens zu befragen, wird indes nicht durch § 103 SGG, sondern durch den Anspruch auf rechtliches Gehör iS von Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG garantiert, der grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger umfasst (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 14 mwN) und durch § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO präzisiert wird (vgl hierzu 6.).
Der Antrag des Klägers auf Einholung eines Obergutachtens zur Entwicklung des Gesundheitszustands und der Leistungseinschränkungen seit 2004/2005 von Prof. Dr. G. erfüllt die Anforderungen an einen Beweisantrag ebenso wenig. Auch insoweit mangelt es an der Bezeichnung einer bisher nicht aufgeklärten Gesundheitsstörung und deren Einfluss auf das Leistungsvermögen des Klägers. Der Antrag stellt vielmehr lediglich einen Beweisermittlungsantrag dar; denn er zielt auf die Ausforschung von Tatsachen ab, die es ggf erst ermöglichen, bestimmte Tatsachen zu behaupten und sodann unter Beweis zu stellen (vgl zum Begriff BSG Beschluss vom 5.2.2009 - B 13 RS 85/08 B - Juris RdNr 18 mwN).
Aus demselben Grund ist auch der Antrag auf Einholung einer berufs- bzw arbeitsmarktkundlichen Stellungnahme "zur Beurteilung der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt" keiner Qualifizierung als Beweisantrag zugänglich.
3. Ebenso wenig hat der Kläger mit seinem Vortrag, das LSG sei verpflichtet gewesen, auf die Stellung ordnungsgemäßer Beweisanträge hinzuwirken, eine Verletzung des § 106 SGG schlüssig bezeichnet.
Eine solche Verpflichtung hat ein Tatsachengericht nicht. Hält dieses einen Sachverhalt für aufklärungsbedürftig, hat es vielmehr von Amts wegen Ermittlungen anzustellen bzw eine Beweisaufnahme durchzuführen. Abgesehen davon können die Vorgaben des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht über den "Umweg" der Rüge einer Verletzung der §§ 106, 112 SGG umgangen werden (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13; BSG Beschluss vom 24.7.2002 - B 7 AL 228/01 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 13.9.2004 - B 11 AL 153/04 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 13.8.2013 - B 9 SB 38/13 B - Juris RdNr 4).
Ein anderes Ergebnis rechtfertigt sich auch nicht unter Berücksichtigung des aus Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren, dessen Verletzung der Kläger im hier maßgeblichen Zusammenhang sinngemäß ebenfalls rügt.
Hierzu trägt er vor, er habe bereits mit Schriftsatz vom 1.7.2016 weitgehend inhaltsgleiche Formulierungen verwendet und dazu vom LSG mit Schreiben vom 4.7.2016 die Mitteilung erhalten, "über Ihre Anträge wird im Rahmen der mündlichen Verhandlung entschieden". Aufgrund dieser Mitteilung habe er auch bezüglich des Schriftsatzes vom 11.8.2016 darauf vertrauen dürfen, dass das LSG die ausdrücklich gestellten Anträge auch als solche und nicht nur als bloße Anregungen bewerten würde.
Der Kläger räumt selbst ein, im Schriftsatz vom 1.7.2016 die Formulierung "Antrag" benutzt zu haben. Warum sich aus der bloßen Wiederholung dieses Ausdrucks im Schreiben des LSG das Vertrauen ableiten lässt, das Berufungsgericht werde die "Anträge" als Beweisanträge werten, legt der Kläger nicht schlüssig dar. Ebenso fehlen Ausführungen dazu, warum der Senat, der die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eigenständig zu prüfen hat, an ein Wortverständnis, das der Beschwerdeführer aus einem Schreiben des Berufungsgerichts ableitet, gebunden sein sollte.
4. Soweit der Kläger eine Verletzung aus "§ 103 SGG i.V. §§ 86, 96 SGB X" geltend macht, ist er darauf hinzuweisen, dass Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG Verstöße des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens betreffen, §§ 86, 96 SGB X aber keine Pflichten des Gerichts, sondern nur der dort angesprochenen Verwaltungsträger begründen.
Die den Tatsachengerichten obliegende Sachaufklärungspflicht ist allein in § 103 SGG normiert. Dessen Verletzung kann - wie bereits oben ausgeführt - mit der Nichtzulassungsbeschwerde nur geltend gemacht werden, wenn das LSG im Berufungsverfahren gestellte (und bis zuletzt aufrechterhaltene) Beweisanträge ohne hinreichenden Grund übergangen hat. Der Kläger hat jedoch nicht dargetan, vor dem LSG Beweisanträge gestellt zu haben.
5. Der Kläger rügt ferner eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG.
Hierzu trägt er vor, er habe mehrfach auf die Stellungnahmen des Prof. Dr. G. vom 4.11.2009 und 13.12.2010 hingewiesen, der für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit zu deutlich vom Gutachten Dr. K. abweichenden Ergebnissen gelangt sei. Insbesondere habe er beantragt, den Sachverständigen Dr. K. ua unter Berücksichtigung der genannten Stellungnahmen des Prof. Dr. G zu hören und von diesem ein "('Ober-') Aktenlage-Gutachten … zur Entwicklung des Gesundheitszustands und der Leistungseinschränkungen seit 2004 / 2005" einzuholen. Wie zuvor das SG sei auch das LSG mit keinem Wort auf die Stellungnahmen des Prof. Dr. G. eingegangen. Dadurch sei die erforderliche Klärung des Sachverhalts unterblieben und naheliegend, dass das Gericht anderenfalls zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht schlüssig dargetan.
Eine Verletzung dieses Grundsatzes liegt vor, wenn das LSG seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Darüber hinaus ist Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Rüge, dass der Kläger darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6).
Der Kläger macht geltend, das LSG habe die Beurteilungen des Prof. Dr. G. nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigt und zudem die Anträge, den Sachverständigen Dr. K. unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Prof. Dr. G. zu befragen sowie von diesem ein Sachverständigengutachten einzuholen, übergangen. Damit rügt der Kläger letztlich einen Verstoß gegen § 128 Abs 1 S 1 SGG, nach dem das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, mithin also unter Abwägung aller Umstände und insbesondere widersprechender Beweisergebnisse (Keller, aaO, § 128 RdNr 4) entscheidet, sowie eine Verletzung des § 103 SGG. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann indes eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf einen Verstoß gegen § 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur dann gestützt werden, wenn das LSG einen Beweisantrag des Beschwerdeführers ohne hinreichenden Grund übergangen hat. Dementsprechend ist ein Angriff auf die Beweiswürdigung auch nicht in der Gestalt einer Gehörsrüge und eine Aufklärungsrüge in der Gestalt einer Gehörsrüge nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt (und bis zuletzt aufrechterhalten) hat. Ansonsten würden die Vorgaben des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG umgangen. Die Stellung von Beweisanträgen hat der Kläger aus den oben dargelegten Gründen aber nicht dargetan.
Soweit der Kläger darüber hinaus im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 5 SGG wegen Unterlassung der Angabe verschiedener ärztlicher Aussagen und Veränderungen von Anträgen ebenfalls eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt (vgl S 44 der Beschwerdebegründung), ist ein entsprechender Revisionszulassungsgrund ebenfalls nicht schlüssig bezeichnet. Der Beschwerdeführer zeigt insoweit nicht substantiiert auf, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf der vermeintlichen Verletzungshandlung des Gerichts beruhen kann. Seine pauschalen Ausführungen, bei objektiver Darstellung und Berücksichtigung des Sachverhalts hätte das Gericht zu einem für ihn günstigeren Ergebnis kommen müssen oder den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung vertagen müssen, genügen den Anforderungen an die Darlegungspflicht nicht.
6. Der Kläger rügt ferner eine Verletzung des § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO, weil das LSG die Sachverständigen Dr. K. und Dr. W. nicht zur Erläuterung ihrer Gutachten und den hierzu vom Kläger gestellten Fragen gehört habe.
Das Frageantragsrecht bei gerichtlichen Sachverständigengutachten setzt zunächst voraus, dass das Thema der Befragung hinreichend umrissen wird (Keller, aaO, § 118 RdNr 12d). Zwar kann von einem Beteiligten nicht verlangt werden, dass er die Fragen, die er dem Sachverständigen stellen will, im Einzelnen ausformuliert. Er muss allerdings den Fragenkomplex konkret umschreiben, zB auf Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten hinweisen (BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 VS 2/99 R - SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 4; BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B - Juris RdNr 11). Außerdem müssen die Fragen objektiv sachdienlich sein (BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 4; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2 RdNr 5), was insbesondere der Fall ist, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits beantwortet sind (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10).
Da es sich bei dem Frageantragsrecht um eine Ausprägung des Anspruchs auf rechtliches Gehör handelt, muss der Beschwerdeführer darüber hinaus ua dartun, welches Vorbringen durch die behaupteten Verletzungshandlungen verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36).
Der Senat lässt dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung die Stellung sachdienlicher Fragen an die Sachverständigen Dr. K. und Dr. W. dargelegt hat. Der Kläger hat es jedenfalls versäumt aufzuzeigen, dass das Berufungsurteil auf dem angeblich verhinderten Vorbringen beruhen kann.
Nach der Beschwerdebegründung (S 58) hätte die Befragung des Sachverständigen Dr. K. zu der Feststellung geführt, "dass die weitere berufliche Tätigkeit wegen der Gefahr der gesundheitlichen Verschlimmerung bereits während der wiederholten langfristigen Erkrankung von Oktober 2004 bis Januar 2006, seit dem ersten Rentenantrag vom 22.06.2005 nicht mehr zumutbar war".
Mit diesem Vorbringen ist die Möglichkeit einer Kausalität zwischen dem geltend gemachten Verfahrensmangel und der angefochtenen Entscheidung nicht aufgezeigt.
Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Versicherter seine bisherige berufliche Tätigkeit nicht weiter ausüben kann. Teilweise bzw volle Erwerbsminderung besteht vielmehr erst dann, wenn ein Versicherter gesundheitsbedingt außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl § 43 Abs 1 S 2 und Abs 2 S 2 SGB VI). Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass der Kläger nicht nur seine bisherige berufliche Tätigkeit, sondern außerdem auch keine sozial zumutbare Verweisungstätigkeit mehr ausüben kann. Dass bzw welche konkreten Aussagen der Sachverständige Dr. K. hierzu bei einer Befragung getroffen hätte, gibt die Beschwerdebegründung nicht an. Die in anderem Zusammenhang aufgestellte pauschale Behauptung (S 100 der Beschwerdebegründung), mit der Befragung "eines oder beider Sachverständigen / Gutachter" hätte die Möglichkeit bestanden, "die gerichtliche Subsumtion (unter § 43 Abs 1 S 2 und Abs 2 S 2 SGB VI) zu beeinflussen", genügt den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung vermeintlicher Verfahrensmängel nicht.
Das weitere Vorbringen des Klägers, die Befragung des Sachverständigen Dr. W. "insbesondere zu den Beklagten-Einwänden betreffend Krankheitsverlauf und Abnahme der gesundheitlichen Restkompetenzen" hätte eine "Klärung" erwarten lassen, falls diese nicht durch die erneute Beteiligung des Dr. K. erreicht worden wäre (S 65 der Beschwerdebegründung), stellt ebenfalls eine mögliche Kausalität nicht substantiiert dar.
7. Soweit der Kläger schließlich (S 100 der Beschwerdebegründung) ein Überschreiten der freien Beweiswürdigung rügt, ist er erneut darauf hinzuweisen, dass nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann.
8. Des Weiteren macht der Kläger eine Verletzung des Willkürverbots nach Art 3 Abs 1 GG geltend.
Hierzu trägt er vor, die von ihm aufgezeigten Verfahrensfehler - Verstöße gegen § 136 Abs 1 Nr 5 SGG, § 103 SGG, Art 103 Abs 1 GG iVm § 62 SGG, § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und § 128 Abs 1 S 1 SGG - erschienen in der Summe ungewöhnlich gehäuft und grob. Nach den Umständen des Einzelfalls erscheine es gerechtfertigt, hier auch den Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und das Willkürverbot zu rügen (Art 3 Abs 1 GG).
Der Senat lässt dahinstehen, ob es sich bei dem Willkürverbot iS von Art 3 Abs 1 GG um ein Verfahrensrecht iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG handelt. Der Kläger hat jedenfalls dessen Verletzung nicht schlüssig dargelegt.
Gegen das Willkürverbot wird dann verstoßen, wenn Rechtsanwendung und das dazu eingeschlagene Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (ua BVerfGE 86, 59, 63).
Der Kläger sieht eine Verletzung des Willkürverbots in der Kumulation der von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler.
Eine Verletzung von § 136 Abs 1 Nr 5 SGG, § 103 SGG, Art 103 Abs 1 GG iVm § 62 SGG und § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO hat er indessen nicht schlüssig dargelegt, sodass auch eine Kumulation von Verfahrensfehlern insoweit nicht aufgezeigt ist. Auf § 128 Abs 1 S 1 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie bereits dargelegt - nicht gestützt werden, sodass ein Angriff auf die Beweiswürdigung auch nicht in der Gestalt des Willkürverbots berücksichtigungsfähig ist. Ansonsten würden die Vorgaben des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG umgangen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448834 |