Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Stichtagsregelung im EinigVtr
Orientierungssatz
Wird die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung (hier: Stichtagsregelung des EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9) in Frage gestellt, muss unter Berücksichtigung nicht nur der Rechtsprechung des BVerfG, sondern auch des BSG im Einzelnen dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 = BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11, BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B = SozR 3-1500 § 160a Nr 34, BSG vom 27.3.2006 - B 12 KR 80/05 B und BSG vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr. 9; EinigVtr Anlage II Kap VIII H; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Mit Urteil vom 3.11.2006 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Rücknahme der bisherigen bestandskräftigen Festsetzung der Höhe seiner Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und die Neufeststellung einer höheren Rente unter Zugrundelegung eines durch den Einigungsvertrag "besitzgeschützten Zahlbetrages" oder eines "weiterzuzahlenden Betrages" nach § 4 Abs 4 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung vom 9.2.2007 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil keiner der in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) .
Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Fragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65) .
Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) Eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam: |
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"Ist der Stichtag 30.6.1995 in der Regelung des Einigungsvertrages Anlage II, Kap. VIII, VIII, Sachgebiet H III Nr. 9 S. 5 mit Art. 3 Abs. 1 und Art .14 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar?" |
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"Ist der Eintritt der Leistungsberechtigung gemäß Einigungsvertrag aaO aus Gründen der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG auch mit dem Leistungsberechtigtwerden für eine Rente wegen Arbeitslosigkeit anzunehmen?" |
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Damit hat der Kläger zwar Rechtsfragen formuliert, die im vorliegenden Verfahren grundsätzlich klärungsfähig (entscheidungserheblich) sein mögen. Er zeigt aber nicht auf, dass sich die Beantwortung beider gestellten Fragen bisher nicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe.
Soweit der Kläger auf "ständige Rechtsprechung" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und auf einen nicht näher bezeichneten Beschluss dieses Gerichts vom 26.10.2005 verweist, ist solche Rechtsprechung bereits nicht zweifelsfrei auffindbar. Soweit er das Urteil des BVerfG vom 28.4.1999 (1 BvL 32/95; 1 BvR 2105/95) in Bezug nimmt (S 3 der Beschwerdebegründung) , entnimmt er diesem lediglich allgemeine Aussagen zur Überprüfbarkeit einer Stichtagsregelung und zur Bindung des Gesetzgebers des Einigungsvertrags an das Grundgesetz. Ob und ggf inwieweit hierdurch die aufgeworfenen Rechtsfragen beantwortet werden, legt er nicht dar. Er drückt vielmehr nur seine Unzufriedenheit mit dieser Rechtsprechung aus (S 7 der Beschwerdebegründung). Dem Beschluss des BVerfG vom 14.10.2004 (2 BvR 1481/04) entnimmt der Kläger von diesem im Zusammenhang mit der Menschenrechtskonvention aufgestellte Auslegungsgrundsätze, ohne einen Bezug zu den aufgeworfenen Rechtsfragen herzustellen (S 8 der Beschwerdebegründung) .
Überdies fehlt es an einer Auseinandersetzung mit Rechtsprechung des BSG, wozu umso mehr Veranlassung bestanden hätte, als sich das LSG im angefochtenen Urteil - wie der Kläger darlegt - maßgeblich auf Urteile des 4. Senats des BSG vom 10.4.2003 (B 4 RA 41/02 R) und 23.8.2005 (B 4 RA 52/04 R) gestützt hat. Wird aber die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung in Frage gestellt, muss unter Berücksichtigung nicht nur der Rechtsprechung des BVerfG, sondern auch des BSG im Einzelnen dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11; SozR 3-1500 § 160a Nr 34; BSG Beschlüsse vom 27.3.2006 - B 12 KR 80/05 B und vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B - veröffentlicht bei Juris) .
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen