Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Formulierung einer hinreichend konkreten entscheidungserheblichen Rechtsfrage
Orientierungssatz
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 = SozR 3-1500 § 160a Nr 21).
2. Der Beschwerdeführer hat eine hinreichend konkrete entscheidungserhebliche Rechtsfrage zu formulieren. Die Konkretisierung erfordert regelmäßig, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und damit auf die Antwort "Kann sein" hinausläuft (vgl zB BSG vom 19.3.2015 - B 1 A 2/14 B = juris RdNr 6).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Oktober 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12 915,90 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die beklagte Krankenkasse (KK) bewilligte der bei ihr versicherten, an einer Suchterkrankung leidenden R (im Folgenden: Versicherte) im Anschluss an einen stationären Entzug (27.6. bis 6.7.2012) eine dreimonatige stationäre Entwöhnungstherapie in einer Rehabilitationsklinik (23.10.2012 bis 27.1.2013). Den Antrag der Versicherten auf Übernahme der Kosten für eine nachfolgende Adaptionsbehandlung (28.1.2013 bis 20.5.2013) in der für die Behandlung Versicherter zugelassenen Adaptionseinrichtung der Rehabilitationsklinik leitete die Beklagte an den klagenden Landkreis als zuständigen Träger der Eingliederungshilfe weiter. Der Kläger bewilligte der Versicherten die Maßnahme und forderte vergeblich von der Beklagten Erstattung der Kosten. Das LSG hat die Beklagte zur Zahlung von 12 915,90 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne als zweitangegangener Rehabilitationsträger von der für Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zuständigen Beklagten Erstattung der Kosten der Adaptionsbehandlung verlangen. Diese habe zum Ziel gehabt, den durch die Krankenhausbehandlung erzielten Behandlungserfolg (Entgiftung) zu sichern und zu festigen und der Versicherten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen. Auch sei die Behandlungsintensität ausreichend gewesen, um noch von einer medizinischen Ausrichtung der Maßnahme auszugehen (Urteil vom 10.10.2017).
Die Beklagte wendet sich mit ihrer dagegen eingelegten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II. Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beklagte richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.
Die Beklagte formuliert als Rechtsfrage:
"Wann liegt eine medizinische Ausrichtung einer Adaptionseinrichtung i.S.d. § 40 ff., § 11 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 107 Abs. 2 SGB V vor, sodass von einer Kostenträgerschaft der gesetzlichen Krankenkasse auszugehen ist?"
Damit formuliert die Beklagte bereits keine hinreichend konkrete entscheidungserhebliche Rechtsfrage. Die Konkretisierung erfordert regelmäßig, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und damit auf die Antwort "Kann sein" hinausläuft (vgl BSG Beschluss vom 19.3.2015 - B 1 A 2/14 B - Juris RdNr 6; BFH Beschluss vom 29.2.2012 - I B 88/11 - BFH/NV 2012, 1089 - Juris RdNr 26; BAGE 121, 52, 53; vgl ähnlich BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Hiervon ausgehend ist die von der Beklagten formulierte Rechtsfrage zu pauschal. Sie zielt im Ergebnis umfassend auf die Auslegung der genannten Normen und geht weit über den zu entscheidenden Rechtsstreit hinaus.
Die Beklagte legt zudem die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht hinreichend dar. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rspr entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Die Beklagte zeigt nicht hinreichend auf, dass trotz der auch vom LSG zutreffend zitierten Rspr des BSG (vgl BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 21 ff; vgl auch BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 29 zur Arbeitstherapie als medizinische Rehabilitationsmaßnahme) hinsichtlich der Voraussetzungen einer medizinische Rehabilitation iS des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung noch Klärungsbedarf verblieben ist. Sie trägt lediglich vor, dass verschiedene Sachverhalte vorlägen und verweist auf die voneinander abweichenden Beurteilungen des Sachverhalts durch die Vorinstanzen. Sie setzt sich aber nicht vollumfänglich mit den vom BSG aufgestellten rechtlichen Maßstäben auseinander. Im Kern wendet sich die Beklagte lediglich gegen die Richtigkeit der Entscheidung. Dies reicht indes nicht aus, um die Revision zuzulassen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rspr in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7). Daran fehlt es.
Der Senat vermag der Beschwerdebegründung auch keine - wenn, dann nur sinngemäße - Rüge eines Verfahrensfehlers in Gestalt der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) zu entnehmen. Ein Verfahrensmangel kann auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Die Beklagte bezeichnet indes schon keinen Beweisantrag in diesem Sinne (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11903130 |