Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Elterngeld. nachgeburtliches Einkommen. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Zahlungseingänge erst im Bezugszeitraum. strenges Zuflussprinzip. Verfassungsrecht. Darlegungsanforderungen
Orientierungssatz
1. Wie der Senat zu der insoweit einschlägigen, bis zum 17.9.2012 gültigen Fassung des § 2 Abs 3 S 1 BEEG bereits mehrfach entschieden hat, ist Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift in dem Zeitraum erzielt, in dem es dem Elterngeldberechtigten tatsächlich zugeflossen ist (vgl BSG vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 14; vom 29.8.2012 - B 10 EG 18/11 R und vom 21.2.2013 - B 10 EG 12/12 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 19).
2. Insoweit hat der Senat insbesondere auch einen Verstoß gegen Verfassungsrecht durch die unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit einerseits und nichtselbstständiger Arbeit andererseits verneint (vgl BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R aaO).
3. Der Hinweis, speziell diese Rechtsfrage sei noch nicht vom Bundesverfassungsgericht entschieden, zeigt nicht den erforderlichen erneuten Klärungsbedarf im Revisionsverfahren auf.
4. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 1. Kammer vom 30.10.2016 - 1 BvR 1869/16).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; BEEG § 2 Abs. 3 S. 1 Fassung: 2006-12-05, Abs. 8 S. 1 Fassung: 2006-12-05, S. 2 Fassung: 2006-12-05; EStG § 4 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die endgültige Festsetzung der Elterngeldhöhe sowie eine Erstattung überzahlten Elterngelds.
Der Kläger ist Vater einer am 19.7.2010 geborenen Tochter und war vor und nach ihrer Geburt selbstständig als Ton-Cutter tätig.
Der Beklagte bewilligte ihm für den 6. - 14. Lebensmonat Elterngeld in Höhe von 1785,79 Euro, später korrigiert für den 7. - 14. Lebensmonat auf die Höhe von monatlich 1732,48 Euro. Die Bewilligung erfolgte jeweils vorläufig und ging vom glaubhaft gemachten Einkommen des Klägers aus Gewerbebetrieb sowie Vermietung und Verpachtung aus (Bescheide vom 2.12.2010 und vom 25.2.2011).
In der Folge legte der Kläger eine Einnahme-Überschussrechnung für die Zeit vom 19.12.2010 bis 18.9.2011 vor, die einen Überschuss von 19 345,95 Euro auswies. Daraufhin setzte der Beklagte das Elterngeld für den 6. Lebensmonat endgültig in Höhe von monatlich nur noch 515,51 Euro sowie für den 7. - 14. Lebensmonat auf 500,12 Euro fest. Den überzahlten Betrages von 11 129,16 Euro forderte er vom Kläger zurück (Bescheid vom 8.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.9.2012). Es sei unerheblich, ob das erzielte Einkommen aus einer Leistung vor dem Bezugszeitraum stamme. Ausschlaggebend sei nach der Rechtsprechung des BSG allein der Zuflusszeitpunkt.
Das SG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 19.9.2013). Auch die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben (Urteil vom 17.3.2016). Das LSG hat ausgeführt, die Höhe des Elterngelds richte sich im Wege der Differenzbetrachtung nach § 2 Abs 3 BEEG aF. Das beklagte Land habe gemäß der Rechtsprechung des BSG zutreffend das im Bezugszeitraum tatsächlich zugeflossene Einkommen berücksichtigt und das deshalb überzahlte Elterngeld zurückgefordert. Dies führe auch nicht zu verfassungswidrigen Ergebnissen, weil der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Elterngelds einen weiten Gestaltungsspielraum habe. Zudem hätten selbstständig Tätige gegenüber abhängig Beschäftigten bessere steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt mit der er geltend macht, das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt. Die Rechtsprechung des BSG zum Zuflussprinzip sei gleichheits- und damit verfassungswidrig.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Ist die aufgeworfene Rechtsfrage von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits beantwortet, so reicht es zur Darlegung der (erneuten) Klärungsbedürftigkeit nicht aus, lediglich die eigene Rechtsmeinung auszubreiten. Vielmehr ist eine substanzielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen erforderlich (vgl BSG Beschluss vom 10.12.2012 - B 13 R 361/12 B - Juris RdNr 6).
Im Falle "auslaufenden Rechts" (hier § 2 Abs 3 BEEG idF vom 5.12.2006) ist zudem eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen (namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht) fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (BSG Beschluss vom 17.6.2013 - B 10 EG 6/13 B - Juris mwN).
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Danach hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihm formulierten Frage, |
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ob die Anwendung unterschiedlicher Zuflussprinzipien bei der Auslegung des § 2 Abs 3 BEEG in der Fassung vom 5.12.2006 bei Selbstständigen mit Einnahme-Überschussrechnung, Inhabern von bilanzierenden Gewerbebetrieben und abhängig Beschäftigten bei der Ermittlungen des Einkommens im Bemessungs- und Bezugszeitraum einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG darstellt, |
nicht dargelegt. Der Kläger begehrt höheres Elterngeld für die Zeit vom 19.12.2010 bis 18.9.2011. Wie der Senat zu der insoweit einschlägigen, bis zum 17.9.2012 gültigen Fassung des § 2 Abs 3 S 1 BEEG bereits mehrfach entschieden hat, ist Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift in dem Zeitraum erzielt, in dem es dem Elterngeldberechtigten tatsächlich zugeflossen ist (BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 18/11 R - Juris; BSG Urteil vom 21.2.2013 - B 10 EG 12/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 19). Insoweit hat der Senat insbesondere auch den vom Kläger behaupteten Verstoß gegen Verfassungsrecht durch die unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit einerseits und nichtselbstständiger Arbeit andererseits verneint (vgl BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14 RdNr 34 ff mwN). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert auseinander. Ihr Hinweis, speziell diese Rechtsfrage sei noch nicht vom Bundesverfassungsgericht entschieden, zeigt nicht den erforderlichen erneuten Klärungsbedarf im Revisionsverfahren auf. Die Beschwerde weist selber auf die Eigenarten des Einkommens selbstständig Tätiger im Vergleich zu demjenigen abhängig Beschäftigter hin, wie sie auch die Senatsrechtsprechung annimmt (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 28.10.2014 - B 10 EG 12/14 B - Juris RdNr 6 ff mwN). Sie gewichtet diesen Unterschied lediglich anders und zieht daraus den Schluss auf die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen gesetzlichen Regelung in ihrer Ausformung durch die Rechtsprechung. Zur Darlegung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit genügt dies nicht, weil die Beschwerde damit lediglich ihre eigene Rechtsmeinung ausbreitet, ohne sich substantiiert mit der vorliegenden Rechtsprechung auseinanderzusetzen oder aufzuzeigen, dass dieser mit gewichtigen Argumenten substantiell widersprochen würde (vgl Karmanski in Roos/Warendorf, SGG, Stand Juli 2014, § 160a RdNr 53 mwN). Die von ihr zitierte Urteilsbesprechung (Spiolek, jurisPR-SozR 2/2013 Anm 6) erläutert die Senatsrechtsprechung und stellt sie - auch nach der Darstellung des Klägers - nicht grundsätzlich infrage. Das in Bezug genommene Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (Urteil vom 11.2.2015 - L 12 EG 11/14 - Juris) widerspricht der genannten Rechtsprechung - nach den Angaben in der Beschwerdebegründung - ebenfalls nicht. |
Unabhängig davon hat der Gesetzgeber den Wortlaut der entscheidungserheblichen Norm inzwischen neu gefasst. Die für den Kläger einschlägige Fassung des § 2 Abs 3 BEEG (idF vom 5.12.2006) spricht von Einkommen, dass der Elterngeldberechtigte erzielt, während die aktuelle Fassung des § 2 Abs 3 S 1 BEEG nunmehr darauf abstellt, ob der elterngeldberechtigte Einkommen hat. Damit hat der Gesetzgeber ausdrücklich ua auf die vom Kläger vor allem kritisierte Rechtsprechung des BSG zum modifizierten Zuflussprinzip reagiert, die am Begriff des Erzielens angeknüpft hatte, und seine anderslautende Regelungsabsicht klargestellt (vgl BT-Drucks 17/9841 S 18 und das dort in Bezug genommene Senatsurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 23 ff). Es hätte deshalb der Darlegung bedurft, warum der vom Kläger behauptete Klärungsbedarf auch angesichts des neuen, geänderten Gesetzeswortlauts fortbesteht. Allein die Behauptung, auch nach der neuen Rechtslage würden die Einkünfte selbstständig Tätiger und abhängig Beschäftigter unterschiedlich behandelt, zeigt nicht auf, warum diese unterschiedliche Behandlung trotz der Neuformulierung des Gesetzes auch hinsichtlich der vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltenen Frage des maßgeblichen Zuflusszeitpunkts fortbestehen sollte.
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen