Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Klärungsbedürftigkeit. Korrektur- und Erstattungsentscheidung. Hinreichende Bestimmtheit
Leitsatz (redaktionell)
1. Da sich das BSG bereits in diversen Entscheidungen mit der Auslegung und Bestimmtheit von Verwaltungsakten auseinandergesetzt hat, wäre von der Klägerseite im Rahmen der Klärungsbedürftigkeit näher darzulegen gewesen, dass sich aus den von ihr zitierten Urteilen oder aus anderen Entscheidungen des BSG zur Bestimmtheit und Auslegung von Verwaltungsakten die von ihr aufgeworfene Frage nicht beantworten lässt.
2. Allein der Umstand, dass das LSG die Rechtsauffassung des BSG möglicherweise in dem von ihm zu entscheidenden Einzelfall nicht für überzeugend hält, legt keinen weiteren Klärungsbedarf dar.
3. Eine von der Klägerseite geltend gemachte vermeintliche fehlerhafte Beurteilung des angefochtenen Bescheides durch das LSG vermag die Beschwerde nicht zu stützen.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, §§ 162, 169; SGB X § 33 Abs. 1, § 35
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juni 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines erzielten Hinzuverdienstes und eine damit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von zuletzt noch 3278,26 Euro.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin nach einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren ab dem 1.3.2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer (Bescheid vom 22.6.2012). Im November 2016 erhielt die Beklagte anlässlich einer Betriebsprüfung Kenntnis davon, dass die Klägerin seit Januar 2012 bei einer Modeagentur versicherungspflichtig beschäftigt war. Nach Anhörung berechnete sie die Erwerbsminderungsrente ab dem 1.6.2012 neu und forderte von der Klägerin die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 3734,74 Euro (Bescheid vom 18.6.2018). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.10.2018).
Mit Urteil vom 2.11.2021 hat das SG der Klage hinsichtlich der Monate Dezember 2012, Juni 2013 und November 2014 teilweise stattgegeben, sie im Übrigen aber abgewiesen und die Erstattungsforderung dementsprechend auf 3278,26 Euro reduziert. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 13.6.2023). Die teilweise Aufhebung der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung und die nach der Entscheidung des SG noch verbleibende Erstattungsforderung seien nicht zu beanstanden. In den für die Rentenbewilligung maßgeblich gewesenen Verhältnissen sei infolge des von der Klägerin erzielten Hinzuverdienstes nachträglich eine wesentliche Änderung eingetreten. Ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin bestehe nicht.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision wird nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Die Klägerin legt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht anforderungsgerecht dar. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. In der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (s etwa BSG Beschluss vom 29.9.2023 - B 5 R 87/23 B - juris RdNr 6 mwN).
Die Klägerin formuliert als Frage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Ist eine Korrektur- und Erstattungsentscheidung auch dann noch hinreichend bestimmt gemäß § 33 SGB Abs. 1 SGB X, wenn sich erst durch Berücksichtigung der Erläuterungen aller Anlagen die Details der Berechnung der Erstattungsforderung ergeben?".
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit und mit den weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Eine solche Rechtsfrage muss eine vom Einzelfall losgelöste (abstrakt-generelle) Frage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Vorschrift (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufwerfen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.8.2022 - B 5 R 83/22 B - juris RdNr 11). Die Klägerin legt jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht anforderungsgerecht dar.
Wie die Klägerin selbst anführt, hat das BSG sich bereits in diversen Entscheidungen mit der Auslegung und Bestimmtheit von Verwaltungsakten iS von § 33 Abs 1 SGB X auseinandergesetzt (Nachweise jüngst in BSG Urteil vom 5.4.2023 - B 5 R 4/22 R - für SozR vorgesehen - juris RdNr 25 f mwN). Deshalb hätte die Klägerin im Rahmen der Klärungsbedürftigkeit näher darlegen müssen, dass sich aus den von ihr zitierten Urteilen oder aus anderen Entscheidungen des BSG zur Bestimmtheit und Auslegung von Verwaltungsakten die von ihr aufgeworfene Frage nicht beantworten lässt. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen des 13. Senats vom 10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - (SozR 4-2600 § 96a Nr 14) und des 5. Senats vom 20.3.2013 - B 5 R 16/12 R - (NZS 2013, 718), die jeweils Aufhebungs- und Erstattungsbescheide zum Gegenstand hatten.
Die Klägerin führt das Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 22.6.2022 (L 1 R 145/19 - juris) und die von diesem zugelassene Revision (anhängig unter dem Aktenzeichen B 5 R 17/22 R) an. Das LSG habe in seiner Entscheidung die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung und Bestimmtheit von Verwaltungsakten ausdrücklich zugrunde gelegt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Verstoß gegen § 33 Abs 1 SGB X in seinem Fall nicht vorliege. Die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 20.3.2013 - B 5 R 16/12 R - habe das LSG nicht überzeugt, sofern diese dahingehend zu verstehen sein sollte, dass sich eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung dann nicht mehr als hinreichend bestimmt darstelle, wenn sich erst durch das Zusammenspiel der Erläuterungen aller Anlagen die Details der Berechnung der Aufhebungs- und Erstattungsforderung ergäben (vgl LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 22.6.2022 - L 1 R 145/19 - juris RdNr 35). Allein der Umstand, dass das LSG die Rechtsauffassung des BSG möglicherweise in dem von ihm zu entscheidenden Einzelfall nicht für überzeugend hält, legt jedoch keinen weiteren Klärungsbedarf dar. Soweit die Klägerin sich auf das von ihr angefochtene Urteil des Hessischen LSG bezieht, sind diesem keine Ausführungen zur Frage der Bestimmtheit zu entnehmen. Auch der Vortrag, dass der hier angefochtene Bescheid bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg in seinen Urteilen vom 17.6.2020 (L 16 R 55/19) und vom 9.1.2023 (L 16 R 144/22) nicht dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit entspreche, vermag eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen.
Inwiefern aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Anforderungen an die Begründung (vgl § 35 SGB X) eines Rentenbescheids (Urteil vom 6.7.2022 - B 5 R 21/21 R - BSGE 134, 237 = SozR 4-1300 § 63 Nr 32) eine erneute Klärungsbedürftigkeit der Anforderungen in Bezug auf die Auslegung und Bestimmtheit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden (vgl § 33 Abs 1 SGB X) folgen könnte, legt die Beschwerdebegründung nicht nachvollziehbar dar. Schließlich vermag auch die von der Klägerin geltend gemachte vermeintliche fehlerhafte Beurteilung des angefochtenen Bescheides durch das LSG die Beschwerde nicht zu stützen (vgl BSG Beschluss vom 31.7.2023 - B 5 R 69/23 B - juris RdNr 10 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16148585 |