Entscheidungsstichwort (Thema)
ESF-Unterhaltsgeld. keine Leistung der aktiven Arbeitsförderung. Rechtscharakter der ESFArbeitsmMRL 2000. Ermessensentscheidung. Arbeitsförderungsrecht. Unterhaltsgeld aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Keine Leistung aktiver Arbeitsförderung. Anspruch des Versicherten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
- Das Unterhaltsgeld nach den “Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes” (ESF-Richtlinien) ist keine Leistung der aktiven Arbeitsförderung nach dem SGB 3, so dass der Nachrang der Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 22 Abs 1 SGB 3 nicht eintritt.
- Die ESF-Richtlinien stellen als Bestandteil einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit abstrakt generelle Leistungsbestimmungen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zu Gunsten Dritter dar.
Leitsatz (redaktionell)
- Die Regelung des § 22 Abs. 1 SGB III, die den Nachrang der Leistungen aktiver Arbeitsförderung begründet, greift bei der Beantragung von Unterhaltsgeld (Uhg) aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF-Uhg) nicht ein, weil es sich bei dem ESF-Uhg um keine Leistung der aktiven Arbeitsförderung im Sinne des SGB III handelt; das ESF-Programm der Bundesagentur für Arbeit begründet vielmehr eine durch Verwaltungsvereinbarung jeweils zeitlich begrenzte Sonderzuständigkeit.
- Ein Versicherter kann einen Anspruch auf Entscheidung über ESF-Uhg aus den ESF-Richtlinien direkt ableiten, weil die ESF-Richtlinien Bestandteil einer Verwaltungsvereinbarung i.S.v. § 370 Abs. 2 SGB III sind, die ihrerseits als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu Gunsten Dritter zu qualifizieren ist (BSG, Urteil v. 24.11.1994, 7 RAr 54/93).
- Die Entscheidung der Agentur für Arbeit über die Gewährung von ESF-Uhg steht nach den ESF-Richtlinien in deren Ermessen.
Normenkette
SGB III § 3 Abs. 1 Nr. 6 Fassung: 1997-12-16, Abs. 4 Fassung: 1997-12-16, § 22 Abs. 1 Fassung: 1997-12-16, § 159 Abs. 2 Nr. 1, § 368 Abs. 2 S. 2 Fassung: 2003-12-24, § 370 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1997-03-24; ESFArbeitsmMRL § 1 Abs. 2 J: 2000, § 4 Abs. 1 J: 2000, Abs. 5 J: 2000; SGB X § 53 Abs. 1 S. 1; SGB 10 § 61 S. 2; BGB §§ 133, 157, 315, 317, 328; SVG § 5 Abs. 4 S. 2, §§ 5a, 11; SGB III § 22 Abs. 1, §§ 3, 368, 370; ESF-RL § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 13. April 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterhaltsgeld (Uhg) aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF-Uhg).
Der im Jahre 1974 geborene Kläger war vom 1. April 1996 bis 31. März 2000 Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Im Anschluss daran erhielt er vom 1. April bis 30. September 2000 Übergangsgebührnisse nach § 11 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Höhe von 2.025,68 DM monatlich. Anträge auf Arbeitslosengeld (Alg) lehnte die Beklagte ab.
Vom 1. Juli 2000 bis 28. Mai 2001 nahm der Kläger an einer beruflichen Bildungsmaßnahme (Lehrgang “Projektleiter Lotus Notes” bei der W… GmbH …) teil. Das Kreiswehrersatzamt C… – Berufsförderungsdienst – förderte durch Fachausbildungsbescheid vom 7. Juni 2000 idF eines Änderungsbescheids vom Juni 2000 die Teilnahme des Klägers an dieser Berufsbildungsmaßnahme nach §§ 5, 5a SVG für die Zeit vom 3. Juli 2000 bis 2. Januar 2001. Dem Kläger wurden dabei ua Lehrgangskosten in Höhe von 4.500 DM bewilligt, sowie ein Ausbildungszuschuss in Höhe von 15 % der letzten Dienstbezüge für den Zeitraum vom 3. Juli 2000 bis 2. Januar 2001.
Der Kläger beantragte am 19. April 2000 bei der Beklagen ebenfalls die Förderung der Teilnahme an dieser beruflichen Bildungsmaßnahme. Bereits am 30. März 2000 fand ein Beratungsgespräch bei der Beklagten statt, in dem nach einem Beratungsvermerk der Beklagten diese den Kläger darauf verwies, dass er nach Ablauf der Übergangsgebührnisse ESF-Uhg erhalten könne. Durch Bescheid vom 3. August 2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Uhg nach § 4 Abs 1 der “Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes (ESF-BA-Programm) vom 20. Januar 2000 (BAnz Nr 22, 1529)” (in Zukunft ESF-Richtlinien) ab 3. Januar 2001 bis 29. Juni 2001 in Höhe von 1.100 DM monatlich. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein mit dem Ziel, ESF-Uhg bereits ab 1. Oktober 2000 zu erhalten. Die Beklagte lehnte dies ab, weil dem Kläger für diesen Zeitraum auch ein Ausbildungszuschuss in Höhe von 15 % seiner letzten Dienstbezüge gemäß § 5 Abs 4 Satz 2 SVG bewilligt worden sei. Diese Leistung schlösse als gleichartige Leistung eines anderen Leistungsträgers iS des § 22 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) einen Anspruch des Klägers auf Uhg aus (Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2000). Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Cottbus vom 20. November 2002).
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht für das Land Brandenburg (LSG) durch Urteil vom 13. April 2005 das Urteil des SG aufgehoben, die Bescheide der Beklagten geändert und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf ESF-Uhg auch für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 2. Januar 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die Bewilligung von ESF-Uhg ermessensfehlerhaft abgelehnt. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs 1 Nr 1 ESF-Richtlinien seien vorliegend erfüllt. Einer Leistungsgewährung stehe auch nicht § 22 Abs 1 SGB III entgegen, weil die ESF-Richtlinien keinen Verweis darauf enthielten, dass diese Regelung anwendbar sei. Nach § 4 Abs 5 Satz 1 der ESF-Richtlinien würden die Vorschriften über das Uhg mit Ausnahme des § 156 SGB III entsprechend gelten, soweit nicht die Besonderheiten dieser Richtlinien entgegenstünden. Die in Bezug genommenen Regelungen des SGB III enthielten hingegen keinen Hinweis auf § 22 SGB III. Vielmehr deute auch § 5 Abs 5 der ESF-Richtlinien darauf hin, dass der Richtliniengeber bewusst in § 5 Abs 4 ESF-Richtlinien auf einen allgemeinen Verweis auf die Vorschriften des SGB III insgesamt verzichtet habe. § 1 Abs 2 Satz 1 ESF-Richtlinien bestimme schließlich, dass auf die in den Richtlinien vorgesehenen Leistungen kein Rechtsanspruch bestehe. Gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, der vorliegend entsprechend § 8 ESF-Richtlinien anwendbar sei, hätten die Begünstigten gegen den zuständigen Leistungsträger einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, wenn die Voraussetzungen für eine Ermessensbetätigung vorlägen. Die Beklagte habe ihr Ermessen hier vorliegend überhaupt nicht ausgeübt. Sie sei daher zur Neubescheidung zu verurteilen. Im Rahmen der Neubescheidung könne allerdings zu erwägen sein, ob und in welcher Höhe der vom Kläger bezogene Ausbildungszuschuss für den streitbefangenen Zeitraum auf das ESF-Uhg anzurechnen sei.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 SGB III, sowie des § 4 Abs 1 Nr 1 der ESF-Richtlinien und der §§ 5, 5a SVG. Der im streitigen Zeitraum bezogene Ausbildungszuschuss nach § 5 Abs 4 Satz 2 SVG schließe den Anspruch auf ESF-Uhg aus. Nach § 22 Abs 1 SGB III dürften Leistungen der aktiven Arbeitsförderung dann nicht erbracht werden, wenn andere Leistungsträger oder andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet seien. Der Ausbildungszuschuss nach § 5 Abs 4 Satz 2 SVG werde von einer öffentlich-rechtlichen Stelle, dem Berufsförderungsdienst der Wehrverwaltung, auf Grund der vorgenannten gesetzlichen Verpflichtung erbracht. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits im Jahre 1993 (Hinweis auf BSGE 73, 204 = SozR 3-4100 § 37 Nr 1) zu der vergleichbaren Vorschrift des § 37 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgeführt, dass das Kreiswehrersatzamt eine andere öffentlich-rechtliche Stelle iS dieser Norm sei. Auch habe das BSG entschieden, dass der Ausbildungszuschuss zu den Lehrgangsgebühren als “Gewährung solcher Leistungen” iS des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG zu betrachten sei. § 22 Abs 1 SGB III enthalte einen Leistungsausschluss für alle Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Hierzu zähle gemäß § 3 Abs 4 SGB III auch das Uhg nach dem SGB III. Sinn des § 22 Abs 1 SGB III sei die Vermeidung einer Doppelleistung für denselben Zweck. Nichts anderes könne für das ESF-Uhg gelten. Dem stehe auch das Urteil des BSG vom 17. Mai 2001 (BSG SozR 3-4100 § 107 Nr 11) nicht entgegen. Dort habe das BSG jedenfalls die Anwendung des § 37 AFG auf das ESF-Uhg nicht definitiv ausgeschlossen. Schließlich könne der Kläger aus dem Beratungsgespräch vom 30. März 2000 keine Ansprüche herleiten, weil eine entsprechende Zusicherung der Förderung nicht schriftlich erfolgt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG für das Land Brandenburg vom 13. April 2005 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 20. November 2002 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig sind und diese verpflichtet, erneut über den Antrag des Klägers auf ESF-Uhg für den Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis 2. Januar 2001 zu entscheiden. Der Kläger kann seinen Anspruch dabei auf die ESF-Richtlinien gründen, die insoweit Bestandteil eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zu Gunsten Dritter sind (vgl unter 2.). Der Anspruch des Klägers auf ESF-Uhg scheitert jedenfalls nicht schon an § 22 Abs 1 SGB III (sogleich 1.).
1. § 22 Abs 1 SGB III (hier idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970) bestimmt: Leistungen der aktiven Arbeitsförderung dürfen nur erbracht werden, wenn nicht andere Leistungsträger oder andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet sind. § 22 Abs 1 SGB III begründet den Nachrang der Leistungen aktiver Arbeitsförderung. Ziel der Regelung ist es, eine Doppelförderung zu Lasten der Bundesagentur zu vermeiden. § 22 Abs 1 SGB III ist § 37 Abs 1 Satz 1 AFG nachgebildet, beschränkt allerdings den Nachrang der Leistungen aktiver Arbeitsförderung nicht auf Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung und zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (vgl hierzu BT-Drucks 13/4941, S 157; Estelmann/Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, RdNr 1 ff zu § 22 SGB III, Stand Juni 2005).
§ 22 Abs 1 SGB III greift hier allerdings nicht ein, weil es sich bei dem ESF-Uhg um keine Leistung der aktiven Arbeitsförderung iS des SGB III handelt. Nach § 3 Abs 4 SGB III (ebenfalls in der hier maßgeblichen Fassung des 1. SGB III-Änderungsgesetzes, aaO) sind Leistungen der aktiven Arbeitsförderung alle Leistungen der Arbeitsförderung mit Ausnahme von Alg, Teil-Alg, Arbeitslosenhilfe und Insolvenzgeld. Insofern stellte die Bewilligung von Uhg gemäß § 3 Abs 1 Nr 6 SGB III aF zweifelsohne eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung iS des § 22 SGB III dar. Auch das ESF-Uhg ist zwar eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung, doch kann es nicht unter § 22 SGB III subsumiert werden. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 17. Mai 2001 (BSG SozR 3-4100 § 107 Nr 11) entschieden, dass das ESF-Uhg kein Uhg nach dem AFG war (aaO S 48). Dementsprechend konnte der Bezug von ESF-Uhg auch nicht anwartschaftsbegründend iS des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst d AFG sein (BSG, aaO). Den Rechtscharakter des ESF-Uhg als außerhalb des Systems der aktiven Arbeitsförderung gemäß § 3 SGB III iVm § 22 Abs 1 SGB III stehend unterstreicht § 370 Abs 2 SGB III (§ 370 SGB III idF des Arbeitsförderungsreformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594; jetzt: § 368 SGB III, der ab 1. Januar 2004 an die Stelle des bisherigen § 368 SGB III getreten ist). § 370 SGB III normiert die Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur). Nach § 370 Abs 1 SGB III ist die Bundesanstalt für die Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch der zuständige Verwaltungsträger. § 370 Abs 2 SGB III bestimmt, dass die Bundesregierung der Bundesanstalt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Aufgaben übertragen kann, die im Zusammenhang mit deren Aufgaben nach diesem Buch stehen. Nach § 370 Abs 2 Satz 2 SGB III kann die Bundesregierung die Durchführung befristeter Arbeitsmarktprogramme der Bundesanstalt durch Verwaltungsvereinbarung übertragen. § 370 Abs 2 Satz 2 SGB III stellt die generelle Rechtsgrundlage für die Übertragung weiterer Aufgaben auf die Bundesagentur durch Verwaltungsvereinbarung (vgl hierzu grundlegend Schlegel in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrecht 2003, § 22 RdNr 11 ff, insbesondere RdNr 19) dar. Mithin handelt es sich bei dem ESF-BA-Programm um eine durch Verwaltungsvereinbarung iS des § 370 Abs 2 Satz 2 SGB III jeweils zeitlich begrenzte Sonderzuständigkeit der Beklagten, die außerhalb des Regelungszusammenhangs des § 3 iVm § 22 Abs 1 SGB III steht. Das von § 22 Abs 1 SGB III intendierte Nachrangverhältnis der BA bei der Leistungsgewährung kommt für diese Sonderprogramme nicht zum Tragen. § 22 Abs 1 SGB III gilt vielmehr ersichtlich nur für die “normalen” Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Dies unterstreicht im Übrigen die von der Beklagten selbst angeführte Rechtsprechung des BSG zu der Vorgängervorschrift des § 37 AFG. Auch soweit dort (vgl insbesondere BSG SozR 3-4100 § 37 Nr 1) ein Vorrangverhältnis von Zuschüssen des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehrverwaltung zu den Lehrgangsgebühren nach §§ 4, 5 und 5a SVG gegenüber Ansprüchen auf Gewährung von Lehrgangskosten nach § 45 AFG postuliert wurde, bestand dieses Rangverhältnis jeweils nur im Rahmen gesetzlicher, nach dem AFG vorgesehener, Ansprüche. Hinsichtlich des ESF-Uhg hat der erkennende Senat – wie bereits betont – jedoch bereits unter dem AFG entschieden, dass das ESF-Uhg eben nicht dem “normalen” Uhg nach dem AFG entspricht (BSG SozR 3-4100 § 107 Nr 11). Mithin hat das LSG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass § 22 Abs 1 SGB III auf das ESF-Uhg keine Anwendung findet. Diese Sonderstellung lässt sich schließlich auch damit rechtfertigen, dass die Mittel für die Leistungen jeweils zeitlich begrenzt aus dem Europäischen Sozialfond entnommen werden und damit nicht Beitragsmittel darstellen, für die das Nachrangverhältnis gemäß § 22 Abs 1 SGB III eine Schutzwirkung entfalten soll.
2. Der Kläger kann auch einen Anspruch auf ESF-Uhg aus den ESF-Richtlinien direkt ableiten (die ESF-Richtlinien räumen der Beklagten allerdings in § 1 Abs 2 insofern Ermessen ein, hierzu sogleich unten), weil die ESF-Richtlinien Bestandteil einer Verwaltungsvereinbarung iS des § 370 Abs 2 SGB III sind, die ihrerseits als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu Gunsten Dritter zu qualifizieren ist. Der Senat hat bereits zu den Richtlinien, die zur Durchführung des Sonderprogramms “Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose” erlassen worden sind, entschieden, dass diese Richtlinien keine isoliert zu wertenden Verwaltungsvorschriften darstellen, sondern Bestandteil eines öffentlich-rechtlichen Vertrags iS von § 53 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sind (Urteil des erkennenden Senats vom 24. November 1994 – 7 RAr 54/93 = DiBlR Nr 4174a zu § 3 AFG). Zwischen der Bundesregierung – vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung – und der Bundesanstalt für Arbeit ist am 2. Februar 2000 eine Verwaltungsvereinbarung über aus Mitteln des ESF mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes geschlossen worden. Diese Verwaltungsvereinbarung beruht auf der gesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 370 Abs 2 SGB III (heute § 368 Abs 2 SGB III). Diese Verwaltungsvereinbarung sieht die Förderung zusätzlicher Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung vor und stellt damit einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu Gunsten Dritter iS des gemäß § 61 Satz 2 SGB X anwendbaren § 328 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar. Die ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 (aaO) konkretisieren lediglich die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung an Empfänger von ESF-Uhg. Sie stellen – wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 24. November 1994, aaO) – eine vertraglich zulässige Leistungsbestimmung dar. Diese vertragliche Absprache der Leistungsbestimmung wird durch die §§ 315, 317 BGB gedeckt, die gemäß § 61 Satz 2 SGB X entsprechend heranzuziehen sind. Die Auslegung der vertraglichen Regelung erfolgt nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB, die ebenfalls gemäß § 61 Satz 2 SGB X entsprechend heranzuziehen sind. Die Vereinbarung gestaltet iVm den ESF-Richtlinien nicht ein einzelnes Vertragsverhältnis zwischen der Bundesregierung und der BA. Vielmehr schafft die Vereinbarung die rechtliche Basis, um im Bereich des gesamten Bundesgebiets in einer Vielzahl von Fällen über Leistungen an Dritte entscheiden zu können. Die vertraglichen Regelungen stehen daher in ihrer generell abstrakten Bedeutung Normen gleich. Im Hinblick auf die generelle und abstrakte Bedeutung der Vereinbarung und der Richtlinien ist daher nach den nebeneinander heranzuziehenden Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB allein auf den objektiven Erklärungswert der Regelungen abzustellen. Insofern kann der Kläger sein Begehren auf die ESF-Richtlinien iVm der Verwaltungsvereinbarung vom 2. Februar 2000 stützen.
Dem steht auch nicht das Urteil des 11. Senats des BSG vom 26. März 1998 entgegen (BSG SozR 3-4100 § 3 Nr 2; zu den unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen dem 7. und 11. Senat hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der entsprechenden Richtlinien vgl insbesondere Becker in Eicher/Schlegel, SGB III, § 368 RdNr 36 ff, Stand September 2005). Der 11. Senat hat den hier zu prüfenden Richtlinien jede Rechtsnormqualität abgesprochen und insofern allenfalls einen Anspruch auf gleichmäßige Verwaltungsausübung iS des Art 3 Abs 1 Grundgesetz anerkannt. Der 11. Senat hat dabei jedoch ausdrücklich klargestellt, dass er sich nicht in Gegensatz zu dem zuvor aufgeführten Urteil des erkennenden Senats stelle (BSG SozR 3-4100 § 3 Nr 2 S 10). Er hat insbesondere darauf abgestellt, dass die Richtlinien zur Durchführung der “Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose” über ihre zeitliche Geltungsdauer hinaus verlängert worden waren, ohne dass eine entsprechende neue Verwaltungsvereinbarung abgeschlossen worden war. So liegen die Verhältnisse hier indes nicht. Die ESF-Richtlinien vom 20. Januar 2000 (aaO) haben gemäß § 10 der Richtlinien eine begrenzte Laufzeit. Die Verwaltungsvereinbarung vom 2. Februar 2000 deckt diese Richtlinien und der hier streitige Anspruch des Klägers aus dem Jahre 2000 kann über die genannten ESF-Richtlinien und die Verwaltungsvereinbarung auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 370 Abs 2 SGB III zurückgeführt werden. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben.
Das LSG hat ebenfalls zu Recht entschieden, dass die Gewährung von ESF-Uhg im Ermessen der Beklagten steht. § 1 Abs 2 ESF-Richtlinien bestimmt in seinem Satz 1: “Auf die Leistungen besteht kein Rechtsanspruch”. Nach § 1 Abs 2 Satz 2 ESF-Richtlinien können Leistungen grundsätzlich nur im Rahmen der verfügbaren ESF-Mittel erbracht werden, soweit diese von der Europäischen Kommission angewiesen sind und soweit entsprechende Leistungen, insbesondere nach den Vorschriften des SGB III, nicht erbracht werden. Da die in den Richtlinien geregelten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind und die Beklagte bislang keine Ermessensentscheidung getroffen hat, war sie zunächst zur Ausübung des Ermessens zu verurteilen. Obwohl die ESF-Richtlinien ersichtlich kein Ermessen hinsichtlich der Höhe des gewährten ESF-Uhg einräumen (vgl § 4 Abs 1 Satz 2 ESF-Richtlinien), ist die Rechtsauffassung des LSG, über § 4 Abs 5 ESF-Richtlinien sei § 159 Abs 2 Nr 1 SGB III entsprechend anzuwenden, nicht zu beanstanden. Der Ausbildungszuschuss gemäß § 5 Abs 4 Satz 2 SVG ist insofern eine Leistung, die der Bezieher von ESF-Uhg von seinem Arbeitgeber erhält.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen