Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 27.05.1988) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 1988 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbs-, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.
Die 1929 geborene Klägerin arbeitete in der Zeit von 1945 bis 1962 mit Unterbrechungen als Verkaufslehrling, ohne einen entsprechenden Abschluß zu erreichen, als Furniererin, Lehrköchin, Wirtschafterin, Küchenhilfe und Einlegerin in der Schloßindustrie. Danach war sie nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt.
Ihren im Juni 1984 gestellten Antrag auf Gewährung von Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 1984 ab.
Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) nach Einholung verschiedener Befund- und Behandlungsberichte sowie eines internistischen Fachgutachtens mit Urteil vom 5. Januar 1988 ab. Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil wies das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 27. Mai 1988 zurück. Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung weder selbst erschienen noch vertreten gewesen. Ihr Prozeßbevollmächtigter war gegen Empfangsbekenntnis am 28. April 1988 von dem Termin unterrichtet worden. Mit seinem am 25. Mai 1988 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 24. Mai 1988 hatte er angezeigt, daß er das Mandat niedergelegt habe, und zugleich beantragt, den Termin vom 27. Mai 1988 aufzuheben, da die Klägerin einen anderen Prozeßbevollmächtigten beauftragen werde. Am 26. Mai 1988 hatte der jetzige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin telefonisch dem Gericht mitgeteilt, daß er den Auftrag erhalten habe, die Klägerin im Berufungsverfahren zu vertreten. Er hatte zugleich um Vertagung gebeten, weil er selbst und ein weiterer Sozietätskollege zur selben Zeit beim Landgericht Duisburg Termine wahrzunehmen hätten und der dritte Sozietätskollege sich im Urlaub befinde, und im übrigen gerügt, daß die Terminsmitteilung vom 25. April 1988 keine ordnungsgemäße Ladung darstelle.
Zur Begründung führte das LSG zunächst aus, daß es habe verhandeln und entscheiden dürfen, obwohl die Klägerin in der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten gewesen sei. Den Vertagungsanträgen habe nicht entsprochen zu werden brauchen, denn ein erheblicher Grund iS von § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 227 Zivilprozeßordnung (ZPO) habe nicht vorgelegen. Das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör sei durch Ablehnung der Terminsverlegung nicht verletzt worden. In der Sache selbst sei festzustellen, daß die Klägerin weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Nach ihrem bisherigen Beruf sei sie in dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema der untersten Gruppe der ungelernten Arbeiterinnen zuzuordnen. Ihr seien deshalb alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zuzumuten, denen sie gesundheitlich noch gewachsen sei. Zwar sei sie in ihrer Leistungsfähigkeit nicht unwesentlich beeinträchtigt, aber keinesfalls bereits soweit herabgesunken, daß sie nicht noch leichte Arbeiten unter Witterungsschutz und in geschlossenen Räumen in wechselnder Körperhaltung mit weiteren sich aus den bisher eingeholten ärztlichen Stellungnahmen ergebenden Einschränkungen vollschichtig verrichten könne.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 62, 63, 103, 110, 128 SGG.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 5. Januar 1988 und das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 1988 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. Dezember 1984 zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Juli 1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte zu einer Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den gesetzlichen Vorschriften zu verurteilen,
weiter hilfsweise,
das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich gemäß § 124 SGG mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die kraft Zulassung durch den erkennenden Senat statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet. Das Verfahren des LSG leidet insofern an einem rechtserheblichen Mangel, als die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 1988 nicht dem Prozeßrecht entsprach.
Die Terminsbestimmung stellt die Erklärung dar, “daß das Gericht zu der bezeichneten Zeit zu der Verhandlung mit den Parteien bereit ist” (s Stein/Jonas/Schumann/Leipold, Komm zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl, Anm I 1 zu § 216). Funktionell dafür zuständig ist der Vorsitzende des Gerichts, was als selbstverständlich in ZPO und Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht ausdrücklich gesagt ist und sich lediglich in § 110 Abs 1 Satz 1 SGG im Gesetzeswortlaut erwähnt findet. Ihrer rechtlichen Qualität nach ist die Terminsbestimmung eine richterliche Entscheidung, die nach dem Wortlaut des Gesetzes den Beteiligten förmlich zur Kenntnis zu bringen ist (s § 63 Abs 1 SGG, § 56 Abs 1 VwGO, § 329 Abs 2 Satz 2 ZPO). Als gerichtliche Entscheidungen müssen Terminsbestimmungen mit dem vollen Namen des Gerichtsvorsitzenden unterzeichnet sein (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluß vom 11. März 1982, MDR 1982, 612 und Urteil vom 22. Juli 1982, MDR 1982, 1053; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Komm zur Zivilprozeßordnung, 46. Aufl, Anm 2 Ba; aA Hennig/Danckwerts/König, Komm zum Sozialgerichtsgesetz Anm 2.2 zu § 110). Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Vorsitzende des erkennenden Senats des LSG seine Bestimmung von Termin und Ort der mündlichen Verhandlung auf dem Vordruck, der dafür beim LSG für das Land Nordrhein-Westfalen verwendet wird, lediglich mit der Paraphe seines Namens abgezeichnet. Die Terminsbestimmung ist damit nicht wirksam geworden, infolge davon ist die mündliche Verhandlung nicht auf hinreichender rechtlicher Grundlage durchgeführt worden.
Ist das Terminierungsverfahren des LSG schon aus diesem Grund als nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu bezeichnen, so kann dahingestellt bleiben, ob es auch aus einem weiteren Grund als fehlerhaft anzusehen ist. Wie von der Klägerin gerügt, kommt hierfür der Umstand in Betracht, daß die Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden den Parteien nicht förmlich zugestellt worden ist, die Parteien vielmehr lediglich mit dem am LSG dafür verwendeten Vordruck L 412 “Terminsmitteilung” durch die Geschäftsstelle davon unterrichtet wurden, daß der Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27. Mai 1988 bestimmt worden sei. Im Blick auf die sprachliche Fassung der einschlägigen Vorschriften der §§ 63 Abs 1, 110 Abs 1 SGG, mittelbar auch § 126 SGG ist zu erwägen, ob die vom Vorsitzenden getroffene richterliche Entscheidung der Terminsbestimmung als solche förmlich zuzustellen ist oder ob eine schlichte Mitteilung von der Terminsbestimmung durch die Geschäftsstelle ausreicht.
Wegen des bezeichneten Verfahrensmangels war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen