Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschuss zur privaten Krankenversicherung. Verzichtserklärung. Zugang. Erlöschen. Stammrecht. Einzelanspruch. Höchstwertfestsetzung. Begriff der Sozialleistung. Zusatzleistung. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungspflicht. Spontanberatung. Massenverwaltung. Aufklärungspflicht. Auskunft. Zurechnung Beratungsmangel. Beihilferechtliche Konsequenzen. Revisionsbegründung. Revisionsanträge
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei den aus dem Recht auf Zuschuss zur Krankenversicherung entstehenden Einzelansprüchen handelt es sich um eine “Sozialleistung” i.S.v. § 11 SGB I, nicht um eine vom Recht auf Rente unabhängige, nicht im Rentenversicherungsverhältnis begründete Zusatzleistung.
2. Der Zugang einer Verzichtserklärung bei dem Sozialversicherungsträger bewirkt nicht, dass das Stammrecht – also das Recht auf den Zuschuss als solches – erlischt. Vielmehr erlöschen (bis zum Widerruf, § 46 Abs 1 S. 2 SGB I) nur die künftig fällig werdenden Einzelansprüche aus diesem Recht.
3. Es besteht keine Pflicht des Rentenversicherungsträgers, einen Versicherten über außerhalb der Gewährleistung sozialer Rechte liegende möglicherweise ungünstige beihilferechtliche Konsequenzen, die sich beim Bezug eines Zuschusses zur Krankenversicherung ergeben können, zu informieren. Einen eventuellen Beratungsmangel des Trägers der Beihilfe muss sich der Rentenversicherungsträger im Rahmen der Prüfung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zurechnen lassen
Normenkette
SGB VI § 106; SGB I §§ 46, 11, 14, 13, 2 Abs. 2 S. 2, § 15; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; BGB § 130; SGG § 164 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 12.12.2001) |
SG Berlin (Urteil vom 31.05.2000) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin des Versicherten H.… N.… die Herabsetzung des Wertes bereits erfüllter monatlicher Zahlungsansprüche aus dem Recht auf Zuschuss zur privaten Krankenversicherung für einen zurückliegenden Zeitraum.
Der 1913 geborene und am 11. Oktober 2000 verstorbene Versicherte erhielt von der Beklagten seit dem Jahre 1978 Altersruhegeld (Bescheid vom 14. Juni 1978). Seit 1. Juli 1989 war er von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner befreit (Bescheid vom 5. Juli 1989) und war seither privat krankenversichert. Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte ihm seit dem Jahre 1989 zusätzlich zu seinem Recht auf Rente auch das Recht auf einen monatlichen “Zuschuss zu seinen Beitragsaufwendungen” zur privaten Krankenversicherung (Bescheid vom 28. September 1989), der Wert des “Zuschusses” wurde in der Folgezeit jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres angepasst.
Im April 1998 beantragte der Versicherte die Herabsetzung des Zuschusses von zuletzt 86,53 DM auf monatlich 79,99 DM, weil sich bei Überschreitung dieses Betrags der Bemessungssatz der Beihilfe von 70 vH auf 50 vH verringere. Gleichzeitig bat der Versicherte, die Begrenzung möglichst rückwirkend vorzunehmen, da auf zwei seiner Beihilfeanträge bereits der niedrigere Bemessungssatz zur Anwendung gelangt sei. Mit Bescheid vom 14. Mai 1998 hob die Beklagte die bisherige Wertfestsetzung für die Höhe der Einzelansprüche aus dem Recht auf Zuschuss mit Wirkung für die Zukunft ab 1. Mai 1998 auf und stellte dessen Wert neu fest (79,99 DM).
Mit dem Widerspruch machte der Versicherte geltend, der Zuschuss sei bereits zu einem früheren Zeitpunkt neu festzusetzen gewesen, die Beklagte hätte ihn früher auf die Möglichkeit der Begrenzung des Beitragszuschusses hinweisen müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens hatte die Beihilfestelle (Landesverwaltungsamt Berlin) einen Rückforderungsbescheid über 12.878,67 DM erlassen.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. Mai 2000). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 12. Dezember 2001). Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die bindende Zuschussregelung sowie die nachfolgenden Anpassungsmitteilungen könnten für die Vergangenheit nicht abgeändert werden. Der Verzicht auf einen Teil des Zuschusses wirke nur für die Zukunft. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe nicht. Der Versicherte könne nicht so gestellt werden, als habe er den Verzicht bereits im Juli 1996 ausgesprochen. Die Beklagte habe keine dem Versicherten gegenüber obliegende Beratungspflicht verletzt. Weder habe der Versicherte konkret um eine Beratung nachgesucht noch sei sie, die Beklagte, verpflichtet gewesen, ihn “spontan” zu beraten. Der Zuschuss sei von der Beklagten unabhängig von der Höhe des Beihilfebemessungssatzes festzusetzen. Dementsprechend sei sie auch nicht verpflichtet, in den Merkblättern Hinweise zu möglichen Auswirkungen des Zuschusses auf den Beihilfesatz zu geben. Darüber hinaus sei – ein Beratungsfehler unterstellt – dem Versicherten auch kein sozialrechtlicher Nachteil entstanden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe die “Reichweite des richterlich begründeten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verkannt”. Sie trägt hierzu vor: Die Beklagte habe von sich aus “spontan” tätig werden müssen. Eine dem Leistungsträger zurechenbare Verpflichtung könne auch dann bestehen, wenn ein Leistungsträger mit einer sonstigen Behörde, hier dem Träger der Beihilfe, nicht arbeitsteilig in ein Verfahren eingebunden sei, sondern in einem System der materiell-rechtlichen Wechselwirkung gestanden habe.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2001 und des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide im Bescheid vom 14. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 1998 zu verpflichten, die bisherige Höchstwertfestsetzung für die Ansprüche aus dem Recht des Versicherten auf den Zuschuss zur Krankenversicherung für die Bezugszeiten auch vom 1. Juli 1996 bis zum 30. April 1998 aufzuheben, den Höchstwert insoweit auf 79,99 DM neu festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung: Sie sei nicht berechtigt, den Zuschuss gemäß § 48 Abs 1 SGB X für die Vergangenheit herabzusetzen. § 46 Abs 1 SGB I gestatte nur einen Verzicht auf wiederkehrende zukünftige Leistungen. Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ermögliche keine Herabsetzung des Zuschusses vor dem 1. Mai 1998. Ein Beratungsfehler sei ihr nicht vorzuwerfen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
1. Die Revision ist zulässig.
Die Klägerin hat zwar in der Revisionsbegründung keine Anträge formuliert, obwohl gemäß § 164 Abs 2 Satz 2 SGG die Revisionsbegründung die Revisionsanträge und die Erklärung enthalten muss, inwieweit die vorinstanzliche Entscheidung angefochten wird. Das Fehlen eines derartigen Antrags ist jedoch dann unschädlich, wenn sich Umfang und Ziel der Revision zweifelsfrei der Revisionsbegründungsschrift entnehmen lassen (vgl hierzu Beschluss des Senats vom 17. Dezember 2002 – B 4 RA 30/01 R, BGH VersR 1982, 974 f; BAGE 45, 11, 13 f), wenn also auch ohne die Anträge im Einzelfall klar ersichtlich ist, ob nach dem Begehren des Revisionsklägers das gesamte berufungsgerichtliche Urteil oder nur abtrennbare Teile davon aufgehoben werden sollen. Dies war hier der Fall. Im Streit war sowohl vor dem SG als auch vor dem LSG das Begehren der Klägerin auf “Festsetzung eines geringeren monatlichen Zuschusses zur Krankenversicherung (in Höhe von 79,99 DM) für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. April 1998”. Insoweit ist sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach materiellem Recht einheitlich entschieden worden. Aus der Revisionsbegründung ergibt sich mit der erforderlichen Deutlichkeit, dass die Klägerin diese materiell-rechtliche Würdigung und auch das Berufungsurteil ohne jede Beschränkung angreifen und somit ihr Begehren auf Festsetzung eines niedrigeren Zuschusses für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. April 1998 weiter verfolgen will.
2. Die somit zulässige Revision der Klägerin als Rechtsnachfolgerin nach dem Versicherten (§ 56 SGB I, §§ 1922 ff BGB) ist jedoch unbegründet. Die Vorinstanzen und die Beklagte haben im Ergebnis zu Recht Ansprüche der Klägerin auf “rückwirkende” Herabsetzung des Höchstwertes des Zuschusses zur privaten Krankenversicherung (§ 106 SGB VI) des Versicherten für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. April 1998, also auf Aufhebung der bisher für diese Bezugszeiten maßgeblichen Werte der Einzelansprüche aus dem Recht auf Zuschuss und auf (Neu-)Feststellung der begehrten niedrigeren Werte verneint. Das insoweit von der Klägerin mit den kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 SGG) verfolgte Begehren hat keinen Erfolg.
a) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, sie habe auf in der Vergangenheit entstandene (zwischenzeitlich durch Erfüllung erloschene) monatliche Einzelansprüche aus dem Recht auf Zuschuss teilweise verzichtet.
aa) Zutreffend hat die Beklagte dem Versicherten zwar mit Wirkung für die Zukunft, ab 1. Mai 1998, “monatliche Ansprüche auf Zuschuss” nur noch in Höhe von 79,99 DM zuerkannt, insoweit die bisherige Höchstwertfestsetzung aufgehoben und antragsgemäß einen niedrigeren Wert festgestellt. Durch die Erklärung des Versicherten vom April 1998, er verzichte auf einen Teil des Zuschusses (§ 46 Abs 1 SGB I), war eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten, die dem Bescheid vom 28. September 1989 zu Grunde gelegen haben; in diesem war dem Versicherten nach Ausscheiden aus der gesetzlichen Krankenversicherung antragsgemäß ein Recht auf den Zuschuss zur privaten Krankenversicherung und auf dessen Höchstwert bewilligt worden (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). Mit Zugang der Verzichtserklärung bei der Beklagten waren allein die aus dem Stammrecht auf Zuschuss (künftig) entstehenden und fällig werdenden monatlichen Einzelansprüche im Umfang des ausgesprochenen Verzichts, nicht jedoch das Stammrecht selbst erloschen; infolgedessen hat die Beklagte zu Recht den Vomhundertsatz mit der Höchstwertfestsetzung für die Zukunft aufgehoben. Sie hat insoweit auch zutreffend § 46 SGB I angewendet, weil es sich bei den aus dem Recht auf Zuschuss zur Krankenversicherung entstehenden Einzelansprüchen um eine “Sozialleistung” iS des § 11 SGB I handelt, eine vom Recht auf Rente unabhängige, nicht im Rentenversicherungsverhältnis begründete Zusatzleistung (vgl BSG SozR 3-1200 § 46 Nr 3 S 4 f). Der Senat hat dies bereits zu der Vorgängervorschrift, § 83e Abs 1 Nr 2 Regelung 2 AVG, entschieden, der insoweit mit § 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI inhaltsgleich ist (vgl BSG SozR 3-1200 § 46 Nr 3 S 6; Urteil des erkennenden Senats vom 25. Mai 1993 – 4 RA 30/92, vgl auch BSG SozR 3-2600 § 106 Nr 1 S 4).
bb) Die Erklärung des Versicherten, auf einen Teil des Zuschusses zu verzichten, hatte jedoch keine Rechtswirkungen für die Vergangenheit, für eine Zeit vor Abgabe der Erklärung; der Tatbestand der Aufhebungsermächtigung des § 48 Abs 1 SGB X war erstmals mit Eingang der Verzichtserklärung bei der Beklagten im April 1998 erfüllt. Eine Aufhebung der bisherigen Höchstwertfestsetzung des Stammrechts mit den bereits durch Erfüllung erloschenen Einzelansprüchen aus dem Recht für einen zurückliegenden Zeitraum ist der Beklagten mithin nicht erlaubt.
Der Verzicht nach § 46 Abs 1 SGB I ist eine einseitige, gestaltende, empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Rechtserfolg erst mit ihrem Zugang bei dem Empfänger der Erklärung, hier also bei der Beklagten, eintritt (vgl § 130 BGB). Der Zugang des Verzichts bewirkt nicht, dass das Recht auf den Zuschuss als solches (Stammrecht) mit den daraus entstehenden monatlichen Einzelansprüchen erlischt; vielmehr erlöschen (bis zum Widerruf, § 46 Abs 1 Satz 2 SGB I) lediglich die jeweils künftig fällig werdenden Einzelansprüche aus diesem Recht (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 46 Nr 3 S 5; BSGE 66, 44, 49 = SozR 5795 § 7 Nr 1; BVerwG DÖD 1998, 158 f). Erfasst werden von dem Verzicht mithin allein die noch nicht erfüllten oder noch nicht auf andere Weise erloschenen zukünftigen Einzelansprüche aus dem Recht; auf bereits “abgewickelte” Leistungsansprüche kann sich der Verzicht nach § 46 SGB I nicht erstrecken.
b) Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
Dieser richterrechtlich aus den sozialen Rechten entwickelte verschuldensunabhängige sekundäre Anspruch knüpft ua an die Verletzung “behördlicher” Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialversicherungsverhältnis an (vgl §§ 13 ff SGB I; vgl hierzu BSG SozR 1200 § 14 Nr 16 S 29 ff; SozR 3-1200 § 14 Nr 22 S 74 ff, Nr 24 S 82 ff). Der Senat hat unter Hinweis auf frühere Entscheidungen (vgl BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 2) zu den Voraussetzungen dieses Herstellungsanspruchs ausgeführt: (1.) Es müsse eine sich aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis ergebende Pflicht des Sozialleistungsträgers oder eines anderen Organs oder Leistungsträgers (sofern dieser mit der Erfüllung der Pflicht für den Sozialleistungsträger beauftragt gewesen ist) bestehen, diese Pflicht müsse (2.) dem Sozialleistungsträger gerade dem Versicherten gegenüber obliegen und (3.) objektiv rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt worden sein, (4.) müsse die Pflichtverletzung zumindest gleichwertig einen dem Sozialleistungsträger zurechenbaren sozialrechtlichen Nachteil verursacht haben. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist regelmäßig im Wege der Naturalrestitution der Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht eingetreten und der Sozialleistungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte (vgl hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 6. März 2003 – B 4 RA 38/02 R – zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 11 S 44; BVerwG Buchholz 239.1 § 15 BeamtVG Nr 1).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG bestand bereits keine die Rechtsfolgen des Herstellungsanspruchs – unter bestimmten weiteren Voraussetzungen – auslösende, der Beklagten dem Versicherten gegenüber obliegende Pflicht zur Beratung (vgl § 14 SGB I). Andere Pflichten, etwa aus § 13 SGB I oder aus § 15 SGB I betreffen andere Fallgestaltungen; § 13 SGB I beinhaltet die generelle Aufklärungspflicht der Sozialleistungsträger gegenüber der Bevölkerung; § 15 SGB I betrifft die Auskunft durch Beratungsstellen. Eine derartige sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Obhutspflicht des Sozialleistungsträgers findet (ua) ihre Rechtfertigung in § 2 Abs 2 Satz 2 SGB I. Der Sozialleistungsträger soll danach dem Versicherten eine möglichst weit gehende Verwirklichung seiner sozialen Rechte ermöglichen, damit die Erfüllung dieser Rechte nicht an organisatorischen Gliederungen scheitert. Im Hinblick hierauf wird dem Sozialleistungsträger eine Pflicht zur ausreichenden Information und Beratung über den Inhalt der sozialen Leistungssysteme auferlegt. Die Pflicht zu einer konkreten individuellen (Spontan-)Beratung besteht nur dann, wenn sich dem Sozialleistungsträger eine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit zu Gunsten des Versicherten aufdrängt (vgl BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 16 S 49 ff). § 2 Abs 2 SGB I ist somit Zielvorgabe und Handlungsgrenze für den Herstellungsanspruch (vgl hierzu Jung in Festschrift für Gitter, Die Berücksichtigung des Fehlverhaltens Dritter beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, S 417, 420 f). Einerseits sind die Sozialleistungsträger im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags verpflichtet, alles zu veranlassen, damit die im SGB umschriebenen sozialen Rechte verwirklicht werden können. Andererseits ergibt sich bereits aus der Thematik und dem insoweit angesprochenen Kreis der Sozialleistungsträger eine Begrenzung dahingehend, dass im Bereich der Massenverwaltung ein derartiger Träger nicht von Amts wegen für jeden einzelnen Versicherten eine an alle Eventualitäten angepasste individuelle Beratung vornehmen kann, sondern lediglich eine solche, die sich auf Grund von konkreten Fallgestaltungen unschwer ergibt, etwa wenn eine klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit besteht, die so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 5 S 7, Nr 16 S 49 f; vgl hierzu auch Hase, Der Herstellungsanspruch bei pflichtwidrig unterlassener Beratung, SGb 2001, 593, 595).
Geht man von diesen Vorgaben aus, so wird deutlich, dass die Beratungspflicht des Sozialleistungsträgers sich allein auf die Gewährleistung der Rechte im sozialen Leistungssystem erstreckt, nicht jedoch auf außerhalb dieses Leistungssystems bestehende Sicherungssysteme mit den sich danach ergebenden Rechten und Ansprüchen, wie etwa demjenigen der beamtenrechtlichen Versorgung und den dort geregelten Ansprüchen auf Beihilfe. Demgemäß ist der nach Beamtenrecht beihilfepflichtige Dienstherr eines Beamten bereits kein Träger der Sozialleistung iS von § 12 SGB I iVm §§ 18 ff SGB I. Er erbringt auch keine Sozialleistungen iS des SGB I (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 46 Nr 3 S 7; BVerwG Buchholz 271 LBeihilfeR Nr 20). Infolgedessen bestand keine Pflicht der Beklagten, den Versicherten über außerhalb der Gewährleistung sozialer Rechte liegende mögliche ungünstige beihilferechtliche Konsequenzen, die sich beim Bezug des Zuschusses zur Krankenversicherung ergeben können, zu informieren. Der Träger der Beihilfe konnte somit auch nicht als “gesetzlicher Erfüllungsgehilfe” der Beklagten tätig werden, weil er und die Beklagte im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Sicherungssystemen nicht “arbeitsteilig” eingebunden waren, die im SGB I umschriebenen Aufgaben wahrzunehmen. Eine allein materiell-rechtliche Verknüpfung und Abhängigkeit einzelner Ansprüche aus den verschiedenen Sicherungssystemen begründet keine Pflicht der Beklagten zur Beratung. Eine derartige Erweiterung würde eine allumfassende Beratungspflicht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten begründen, die zur Folge hätte, dass bei der Verletzung derartiger Pflichten die Versichertengemeinschaft auch für außerhalb des Systems entstehende Schäden einzutreten hätte (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 8 S 21 f; Nr 24 S 83 mwN). Einen eventuellen Beratungsmangel des Trägers der Beihilfe müsste sich die Beklagte daher auch nicht zurechnen lassen (vgl hierzu entsprechend BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 24 S 83).
Darüber hinaus hätte auch ein iS der Naturalrestitution auszugleichender Nachteil nicht etwa zwischen Rentenversicherungsträger und Versichertem, sondern allein zwischen Versichertem und dem Träger der Beihilfe entstehen können. Da der Versicherte von der Beklagten den Zuschuss zur Krankenversicherung (§ 106 Abs 1 Satz 1 SGB VI) in vollem Umfang erhalten hat, könnte ein wirtschaftlicher Nachteil (“Schaden”) – sollte er gegeben sein – allein den wegen der Höhe des Zuschusses ermäßigten Beihilfesatz des Beihilfeträgers und infolgedessen die von diesem gewährten geringeren Beihilfeleistungen betreffen.
Die Revision der Klägerin hat nach alledem keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen