Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Anhebung der Altersgrenze. Vertrauensschutzregelung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 237 Abs 3 iVm Anl 19 und § 77 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a SGB 6) und die Vertrauensschutzregelungen (§ 237 Abs 4 S 1 Nr 1 und 3 SGB 6) sind verfassungsgemäß.
Normenkette
SGB 6 § 237 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1996-07-23, Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2000-06-27, Nr. 3, S. 2, Abs. 3 S. 2, Abs. 1; SGB 6 § 187a; SGB 6 § 300; SGB 6 § 38; SGB 6 § 41 Fassung: 1989-12-18; SGB 6 § 41 Abs. 1a Fassung: 1996-07-23, Abs. 1 Fassung: 1996-09-25; SGB 6 § 63 Abs. 6; SGB 6 § 64 Nr. 1; SGB 6 § 76a; SGB 6 § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; SGB 6 Anl 19; WFG Art. 1 Nr. 10; RRG Art. 1 Nr. 76; RRG 1999 Art. 1 Nr. 76; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. August 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und dabei insbesondere, ob der Zugangsfaktor wegen vorzeitiger Inanspruchnahme auf 0,82 gekürzt werden durfte.
Der am 1941 geborene Kläger war im Zeitraum vom 1.10.1970 bis zum 31.10.1997 bei der I. GmbH beschäftigt. Im Rahmen des zwischen ihm und seinem Arbeitgeber vereinbarten gleitenden Ruhestands beendete er mit Aufhebungsvertrag vom 10.10.1994 sein bisheriges Arbeitsverhältnis zum 31.12.1994. Daran schloss sich ab 1.1.1995 ein Teilzeitarbeitsverhältnis an (wöchentliche Arbeitszeit 19 Stunden bei einem Bruttogehalt von monatlich 5 242 DM). Daneben bezog der Kläger ab 1.1.1995 von seinem Arbeitgeber eine Betriebsrente einschließlich einer - zum teilweisen Ausgleich des versicherungsmathematischen Abzugs wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Betriebsrente - freiwillig gezahlten Subvention (insgesamt 2 887 DM monatlich). Das Arbeitsverhältnis endete am 31.10.1997 gegen Zahlung einer Abfindung (153 773 DM brutto). Der Kläger meldete sich arbeitslos und bezog vom 1.11.1997 bis 28.6.2000 Arbeitslosengeld; anschließend war er ohne Leistungsbezug weiterhin arbeitslos.
Auf seinen Antrag von September 2001 bewilligte ihm die Beklagte ab 1.1.2002 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1 294,30 Euro (Bescheid vom 21.1.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2002). Wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente für 60 Kalendermonate minderte sie den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,18 auf 0,82; dadurch verringerten sich die persönlichen Entgeltpunkte (EP) von 62,3530 auf 51,1295 und der monatliche Zahlbetrag um 284,11 Euro. Die Beklagte berechnete nachfolgend die Altersrente ab 1.1.2002 unter Berücksichtigung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung neu, wobei die Rentenberechnung als solche unverändert blieb (Bescheid vom 27.5.2002 - monatlicher Zahlbetrag von 1 220,40 Euro).
Das Klageverfahren vor dem SG Stuttgart (Urteil vom 12.11.2002) und das Berufungsverfahren vor dem LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 5.8.2003) sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, die Altersrente des Klägers sei zu Recht gemäß § 237 Abs 3 SGB VI (idF des Rentenreformgesetzes 1999 ≪RRG 1999≫ vom 16.12.1997, BGBl I 2998) auf den Zugangsfaktor von 0,82 gemindert worden. Die Vertrauensschutzregelung in § 237 Abs 4 SGB VI greife nicht zugunsten des Klägers ein. Die Regelungen in § 237 Abs 3 und 4 SGB VI (idF des RRG 1999) seien nicht verfassungswidrig.
Mit seiner hinsichtlich der Rentenabschläge vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger, die Regelungen in § 41 Abs 1 SGB VI (in der ab 1.1.1997 geltenden Fassung) bzw in § 237 Abs 4 SGB VI (idF des RRG 1999) verstießen gegen Art 2, 3 und 14 GG sowie gegen das Vertrauensschutzgebot (Art 20 GG). Durch die im Jahr 1996 beschlossenen Rechtsänderungen sei die ursprünglich für das Jahr 2001 vorgesehene Anhebung der Altersgrenzen vorgezogen und beschleunigt worden. Mit den bereits im Jahr 1997 eingetretenen Änderungen weiche der Gesetzgeber von dem bisherigen Regelungskonzept des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261) in verfassungswidriger Weise ab.
Der ursprünglich zuständige 4. Senat hat mit Beschluss vom 19.4.2005 (B 4 RA 41/03 R) das Verfahren im Hinblick auf den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss nach Art 100 Abs 1 GG vom 28.10.2004 (B 4 RA 7/03 R) in entsprechender Anwendung von § 114 Abs 2 Satz 1 SGG ausgesetzt. Nachdem das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit am 11.11.2008 entschieden hatte (1 BvL 3/05 bis 7/05 - BVerfGE 122, 151), hat der seinerzeit für dieses Verfahren noch zuständige 5. Senat mit Beschluss vom 9.3.2009 (B 5 R 18/09 R) den Aussetzungsbeschluss vom 19.4.2005 aufgehoben. Zum 1.1.2010 ist das Revisionsverfahren aufgrund einer Änderung der Geschäftsverteilung auf den 13. Senat des BSG übergegangen (jetzt: B 13 R 18/09 R).
Nunmehr trägt der Kläger vor, dass er einer Versichertengruppe angehöre, die ganz besonders durch die Stichtagsregelung des 14.2.1996 betroffen sei, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu den sog "rentennahen" Jahrgängen gehört habe, mithin noch nicht 55 Jahre alt gewesen sei. Das Vertrauen dieser Versichertengruppe in den Fortbestand der Regelungen des RRG 1992 sei besonders beeinträchtigt, weil die arbeitsrechtlichen Dispositionen nicht mehr hätten rückgängig gemacht werden können und der Gesetzgeber hierfür auch keine Regelung ("Ausstiegsklausel") getroffen habe.
Die in der Revisionsbegründung ursprünglich ebenfalls geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der Begrenzung der Anrechnungszeiten für schulische Ausbildung insbesondere für rentennahe Jahrgänge (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 iVm § 252 Abs 4 SGB VI) sowie der Nichtberücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug in der Gesamtleistungsbewertung (§ 74 Satz 3 bzw Satz 5 iVm § 263 Abs 2a Satz 4 - jetzt: Satz 3 - SGB VI) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nach Hinweis des Senats nicht weiter verfolgt.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 5. August 2003 sowie des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. November 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 21. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2002 sowie des Bescheids vom 27. Mai 2002 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Januar 2002 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,991 zu gewähren,
hilfsweise, den Rechtsstreit auszusetzen und gemäß Art 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit unter Zugrundelegung des Zugangsfaktors 0,991 nicht zu (1.); von der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs 4 SGB VI wird er nicht erfasst (2.); die Abschlagsregelung und die Vertrauensschutzregelung sind verfassungsgemäß (3.).
1. Voraussetzung für die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (im Folgenden kurz: Altersrente wegen Arbeitslosigkeit) ist - neben der Erfüllung versicherungsrechtlicher Voraussetzungen (§ 237 Abs 1 Nr 3 - 5 SGB VI) - grundsätzlich, dass der Versicherte vor dem 1.1.1952 geboren ist und das 60. Lebensjahr vollendet hat (§ 237 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB VI). Dies ist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) beim Kläger der Fall. Nach der zum Rentenbeginn am 1.1.2002 anzuwendenden Gesetzesfassung (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI) wird gemäß § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI (idF des RRG 1999) die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit für nach dem 31.12.1936 geborene Versicherte angehoben; die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente ist jedoch möglich (§ 237 Abs 3 Satz 2 SGB VI). Die Anhebung der Altersgrenze und die vorzeitige Inanspruchnahme bestimmen sich nach Anlage 19 (Satz 3 aaO).
Nach Anlage 19 zum SGB VI (idF des RRG 1999) wird bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit für im Dezember 1941 Geborene die Altersgrenze von 60 Jahren für eine abschlagsfreie Gewährung um 60 Monate auf 65 Jahre angehoben; die vorzeitige Inanspruchnahme ist ab dem vollendeten 60. Lebensjahr möglich und führt zu Abzügen nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI. Für den Kläger war daher eine abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente erst ab Januar 2007 möglich. Tatsächlich hat er sie aber zum 1.1.2002 - und damit 60 Monate vorzeitig - in Anspruch genommen. Hiervon sind die Beklagte und das LSG rechtsfehlerfrei ausgegangen.
Die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente bei gleichzeitiger Absenkung des Zugangsfaktors führt zu einer geringeren Rentenhöhe. Denn der Zugangsfaktor als Berechnungselement der persönlichen EP (vgl § 63 Abs 6, § 64 Nr 1 SGB VI) beträgt für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI bei Renten wegen Alters grundsätzlich 1,0; er ist, wenn solche Renten vorzeitig in Anspruch genommen werden, gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 anzusetzen. Bei der um 60 Monate vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente war der Zugangsfaktor mithin um 60 mal 0,003 (also um 0,18, entsprechend einem "Rentenabschlag" um 18 vH) zu verringern. Dies ergibt einen Zugangsfaktor von 0,82. Auch dies haben die Beklagte und das LSG ihren Entscheidungen rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt.
2. Eine Vertrauensschutzregelung, die einen geringeren Abschlag auf die Altersrente ermöglicht, kommt dem Kläger nicht zugute. Zwar sieht § 237 Abs 4 SGB VI (idF des RRG 1999) für die bis zum 14.2.1941 Geborenen eine geringere Anhebung der Altersgrenze - entsprechend der Regelung des RRG 1992 - vor, wenn der Betroffene bereits am 14.2.1996 arbeitslos war oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen hat (aaO Satz 1 Nr 1 Buchst a) oder sein Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14.2.1996 erfolgt ist, nach dem 13.2.1996 beendet worden ist (aaO Satz 1 Nr 1 Buchst b). Hierbei steht einer vor dem 14.2.1996 abgeschlossenen Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine vor diesem Tag vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses oder Bewilligung einer befristeten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gleich (§ 237 Abs 4 Satz 2 SGB VI).
Die Voraussetzungen von § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB VI erfüllt der Kläger aber allein deshalb nicht, weil er nach dem dort genannten Stichtag (14.2.1941) - nämlich am 12.1941 - geboren ist. Die weitere - hier allein in Betracht kommende - Ausnahme des § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 3 SGB VI, wonach auch vor dem 1.1.1942 Geborene begünstigt werden, die 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, scheidet von vornherein aus, denn der Kläger hat keine 45 Jahre (540 Monate) mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt. Sein Versicherungsverlauf weist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) lediglich 415 berücksichtungsfähige Monate mit Pflichtbeiträgen auf.
Im Ergebnis hat der Kläger daher keinen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach den Bestimmungen des SGB VI mit einem günstigeren Zugangsfaktor als 0,82. Zwar hätte für ihn die Möglichkeit bestanden, die mit der vorzeitigen Inanspruchnahme verbundene Rentenminderung durch freiwillige Beitragszahlungen nach § 187a SGB VI abzumildern oder sogar vollständig auszugleichen (§ 76a SGB VI - vgl Senatsurteil vom 12.12.2006 - B 13 RJ 19/05 R - SozR 4-2600 § 237 Nr 11 RdNr 55 f). Hiervon hat der Kläger, der anlässlich der vorzeitigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Aktion "Gleitender Ruhestand 1994/95" eine Abfindung von 153 773 DM erhielt, allerdings keinen Gebrauch gemacht.
3. Die Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 237 Abs 3 iVm Anlage 19 und § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI) und die Vertrauensschutzregelungen (§ 237 Abs 4 Satz 1 Nr 1 und 3 SGB VI) sind verfassungsgemäß.
Die Abschlagsregelungen bei vorzeitigem Rentenbezug enthalten - wie das BVerfG für die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bereits entschieden hat (vgl BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua - BVerfGE 122, 151, 180 ff; BVerfG ≪Kammer≫ vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04 - NZS 2009, 621 RdNr 13 ff) - eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art 14 Abs 1 Satz 1 GG und verletzen auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Neue Gesichtspunkte, die das BVerfG in diesen Entscheidungen noch nicht berücksichtigt hat, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Der Senat hat deshalb keine Veranlassung, an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zu zweifeln und erneut nach Art 100 Abs 1 GG die Entscheidung des BVerfG einzuholen (vgl auch Senatsurteile vom 5.5.2009 - B 13 R 77/08 R - Juris RdNr 20 - zur Altersrente wegen Arbeitslosigkeit; vom 19.11.2009 - B 13 R 5/09 R - SozR 4-2600 § 236 Nr 1 RdNr 28 ff - zur Altersrente für langjährig Versicherte; vom 25.2.2010 - B 13 R 41/09 R - Juris RdNr 17 - zur Altersrente für Frauen).
Der Kläger kann sich nicht auf verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz im Hinblick auf die - für ihn günstigeren - Regelungen des RRG 1992 zur (langsameren) Anhebung der Altersgrenzen für die Rente wegen Arbeitslosigkeit berufen. Jene zum 1.1.1992 erstmals geschaffenen Abschlagsvorschriften waren mit langfristig angelegten Übergangsregelungen verbunden. Schon damals war aber damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber angesichts der angespannten finanziellen Situation der gesetzlichen Rentenversicherung in den 1990er Jahren gehalten sein könnte, zur Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung noch weitergehende Änderungen an dem zunächst langfristig angelegten Übergangskonzept vorzunehmen. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand von Modalitäten der Übergangsregelung konnte unter diesen Umständen nicht entstehen (so BVerfGE 122, 151, 187; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ vom 5.2.2009, NZS 2009, 621 RdNr 19 ff). Die Entscheidung des BVerfG vom 11.11.2008 ist dabei auch zu einem Sachverhalt ergangen, der mit dem des Klägers vergleichbar ist. Denn der Kläger des Ausgangsverfahrens zum Normenkontrollverfahren 1 BvL 7/05 (Az des BSG: B 4 RA 64/02 R) war ebenfalls nach dem Stichtag 14.2.1941 - nämlich im April 1942 - geboren, hatte aufgrund einer bereits vor dem Stichtag 14.2.1996 - im Mai 1994 - mit der Firma "I" abgeschlossenen Vereinbarung zum gleitenden Ruhestand zum 15.8.1996 das Arbeitsverhältnis beendet und konnte seine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nur mit Abschlägen um 18 vH (statt 1,2 vH) beziehen (vgl BVerfGE 122, 151, 163 ≪unter II.5≫ sowie BSG Beschluss vom 28.10.2004 - B 4 RA 64/02 R - Juris RdNr 4 f).
Soweit der Kläger in Kenntnis der Entscheidungen des BVerfG nunmehr vorträgt, dass er von dem in der Vertrauensschutzregelung enthaltenen Stichtag besonders betroffen werde, weil er zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht zu den sogenannten "rentennahen" Jahrgängen gehört, aber bereits nicht mehr rückgängig zu machende arbeitsrechtliche Dispositionen getroffen habe - und sich damit gegen die Entscheidung des BVerfG im soeben geschilderten Fall wenden will -, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn das BVerfG hat zu der Stichtagsregelung des § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB VI, wonach ein Versicherter nur dann von den günstigeren Altersgrenzen nach dem RRG 1992 profitiert, wenn er bis zum 14.2.1941 geboren wurde und am 14.2.1996 bereits arbeitslos gewesen ist oder sein Arbeitsverhältnis zumindest aufgrund einer vor dem 14.2.1996 erfolgten Kündigung oder Vereinbarung beendet worden ist, ausdrücklich festgestellt, dass die Vorschrift auch insoweit mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫ vom 5.2.2009, NZS 2009, 621 RdNr 29 ff). Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfen Stichtage eingeführt werden, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (stRspr, vgl BVerfGE 117, 272, 301; 122, 151, 178; vgl auch Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 77/08 R - Juris RdNr 20). Hierbei ist allerdings zu prüfen, ob der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsspielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, dh ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (stRspr, vgl BVerfGE 80, 297, 311; 87, 1, 47). Nach der Regelung in § 237 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB VI sollten nur solche Versicherte in ihrem Vertrauen auf den Fortbestand der früheren günstigeren Altersgrenzen nach dem RRG 1992 geschützt werden, die am 14.2.1996 mindestens das 55. Lebensjahr vollendet hatten und deshalb zu den rentennahen Jahrgängen zählten. Dies hat das BVerfG als einen für die Stichtagsregelung genügenden sachlichen Grund anerkannt (vgl BVerfG ≪Kammer≫ vom 5.2.2009, NZS 2009, 621 RdNr 32). Dem schließt sich der Senat an, zumal der Kläger zwar möglicherweise seine bereits getroffenen arbeitsrechtlichen Dispositionen nicht mehr im Zusammenwirken mit seinem Arbeitgeber abändern konnte, aber die aufgrund dieser Dispositionen erlangte Abfindungszahlung hätte einsetzen können, um mit Hilfe von zusätzlichen Beitragszahlungen die Rentenminderung aufgrund der erhöhten Abschläge auszugleichen (§ 187a iVm § 76a SGB VI).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2423131 |
SGb 2010, 413 |