Beteiligte

…, Kläger und Revisionsbeklagter

…, Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I.

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der 1928 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. In Diensten der Reichsbahn, später der Deutschen Bundesbahn war er zunächst ab 1944 als Jungwerker, dann ab Mai 1947 als Rangierarbeiter und ab März 1955 bei Einstufung in Lohngruppe IV des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) als Rangieraufseher beschäftigt. Vom 1. Dezember 1956 an wurde er als "Rangieraufseher-Anwärter" von der Rentenversicherungspflicht befreit. Zum 1. Januar 1984 trat er als Bundesbahnobersekretär (Rangierleiter) wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.

Den im Juli 1933 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten könne (Bescheid vom 14. September 1983).

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Duisburg durch Urteil vom 25. Januar 1985 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) dieses Urteil geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. August 1983 zu gewähren. Es hat in der angefochtenen Entscheidung vom 17. Oktober 1986 ausgeführt:

Der Kläger sei berufsunfähig. Er könne wegen der festgestellten Leiden - Hypertonie, geringe Mangeldurchblutung der Herzkranzgefäße, Diabetes mellitus, spondylotische Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, Arthrose beider Kniegelenke, Untersäuerung des Magens, chronische Pyelonephritis, Übererregbarkeit des vegetativen Nervensystems, Knick-Senk-Spreiz-Fuß mit statischen Störungen in der linken Fußwurzel, generalisierte Schlagaderverkalkung - nur noch ganz leichte körperliche Arbeiten in möglichst wechselnder Körperhaltung vollschichtig in geschlossenen Räumen unter Ausschluß von Streßfaktoren und Wechselschicht verrichten. Auszugehen sei vom Beruf des Rangieraufsehers (Rangierleiters), den der Kläger während seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit ausgeübt habe, den er aber mit seinem derzeitigen Leistungsvermögen nicht mehr ausführen könne. Dieser Hauptberuf müsse in die Gruppe der Facharbeiter eingeordnet werden. Das ergebe sich sowohl aus der tariflichen Einstufung - der Kläger habe sich in der Lohngruppe IV des LTV in der ersten Facharbeitergruppe befunden - wie auch aus der Qualität der Tätigkeit; der Kläger sei als Rangieraufseher für die Sicherung und Durchführung der Rangierfahrten verantwortlich gewesen, er habe die ihm anvertrauten Güter zuverlässig in die richtigen Bahnen leiten müssen. Diese Beurteilung stimme mit dem Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Februar 1984 (SozR 2200 § 1246 Nr 116) überein, dem zu folgen sei, da der 5. Senat die Entscheidung in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung getroffen und der 4. Senat mit der Einordnung der Rangierleitertätigkeit in die Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im Urteil vom 7. August 1986 - 4a RJ 31/84 erst später Stellung genommen habe. Für den Kläger seien keine Verweisungstätigkeiten ersichtlich. Die vom SG angenommene Verweisung auf Bürohilfsarbeit scheitere jedenfalls daran, daß der Kläger diese Tätigkeit der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft der Deutschen Bundesbahn zufolge nicht innerhalb von drei Monaten erlernen könne. Eine Hausmeistertätigkeit komme, da als mittelschwer einzustufen, nicht in Betracht. Die Verweisbarkeit auf Tätigkeiten wie Parkhauswächter und Kontrolleur scheide aus, weil dies ungelernte und daher dem Kläger nicht zumutbare Tätigkeiten seien.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision wendet sich die Beklagte gegen die Zuordnung des Klägers zur Gruppe der Facharbeiter, obwohl Umfang und Dauer der Ausbildung den bisherigen Beruf nur als Anlerntätigkeit auswiesen; dem Einsatz als Rangieraufseher im Rangierdienst sei die im Bereich der Deutschen Bundesbahn einheitlich vorgeschriebene Einweisungszeit von nur 42 Tagen vorausgegangen. Der Kläger sei daher auf das allgemeine Arbeitsfeld unter Ausschluß ganz einfacher Tätigkeiten verweisbar. In Betracht komme die vom SG angenommene Verweisungstätigkeit des Bürohilfsarbeiters; der Kläger habe während seiner Beschäftigungszeit als Beamter des mittleren Dienstes (Besoldungsgruppe A 7) entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt, täglich Schreibarbeiten ausgeführt und dabei Wagenlisten, Rangierzettel, Tagesberichte und Schadensmeldungen ausgefertigt. Die im Berufungsverfahren eingeholte Auskunft der Deutschen Bundesbahn könne nicht überzeugen.

Die Beklagte beantragt,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25. Januar 198Vzurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das Berufungsgericht habe ihn in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zugeordnet (Hinweis auf BSG in SozR Nr 103 zu § 1246 RVO und SozR 2200 § 1246 Nr 11). Insbesondere seien, anders als in den bisher entschiedenen Fällen, Tatsachen über Arbeitsinhalt, Aufgabenbereich und Verantwortung festgestellt worden. Soweit im LSG-Urteil die Verweisung auf Bürohilfsarbeiten verneint worden sei, enthalte die Revision gegen die zugrundeliegenden Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden muß. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

Nach § 1246 Abs 2 Satz 1 RVO ist ein Versicherter berufsunfähig, dessen Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr die Hälfte derjenigen eines vergleichbaren gesunden Versicherten beträgt. Nach Satz 2 der Vorschrift beurteilt sich dabei die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nach allen (objektiv) seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeiten, die ihm (subjektiv) unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Hiernach stehen die sogenannten Verweisungstätigkeiten in der Wechselwirkung zum "bisherigen Beruf". Von diesem aus bestimmt sich, welche Verweisungstätigkeiten als zumutbar in Betracht kommen. Deshalb muß er zunächst ermittelt und - da die Verweisbarkeit davon abhängt - nach den vorgenannten Kriterien bewertet, also sein qualitativer Wert festgestellt werden (zB BSG SozR 2200 § 1246 Nr 41). Hierzu hat die Rechtsprechung ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in verschiedene "Leitberufe" untergliedert, nämlich diejenigen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des "angelernten" und schließlich des ungelernten Arbeiters. Grundsätzlich darf der Versicherte nur auf die jeweils niedrigere Gruppe verwiesen werden. Denn das Gesetz sieht den Versicherten nicht schon dann als berufsunfähig an, wenn er den "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, sondern verlangt, daß er, ausgehend von diesem Beruf, einen "zumutbaren" beruflichen Abstieg in Kauf nimmt. Erst wenn der Versicherte in diesem Sinne nicht auf eine zumutbare andere Tätigkeit verwiesen werden kann - sei es, daß es eine solche Tätigkeit (objektiv) nicht gibt, sei es, daß er (subjektiv) aus gesundheitlichen Gründen oder wegen fehlender (nicht ausreichender) Kenntnisse und Fähigkeiten eine solche Tätigkeit nicht zu verrichten vermag -, ist er berufsunfähig.

Zutreffend ist das Berufungsgericht von der letzten vor der Befreiung von der Versicherungspflicht ausgeübten Tätigkeit des Rangieraufsehers als bisherigen Beruf des Klägers ausgegangen (soweit das LSG in diesem Zusammenhang auch vom "Rangierleiter'' spricht, ist dies nur eine etwas ungenaue Bezeichnung). Dem steht nicht entgegen, daß zwischen dem Ende dieser versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem (behaupteten) Eintritt des Versicherungsfalles ein längerer Zeitraum liegt (vgl BSG aaO Nr 66 und ständige Rechtsprechung).

Als festgestellt und, da hiergegen von der Beklagten keine Revisionsgründe vorgebracht worden sind, für den Senat bindend (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) gilt aufgrund der Ausführungen des LSG, daß der Kläger als Rangieraufseher nicht mehr einsatzfähig ist. Es kommt daher, wie dargelegt, auf den qualitativen Wert dieses bisherigen Berufs an, um von dem gewonnenen Ergebnis aus dem Kreis der zumutbaren Verweisungstätigkeiten abstecken und anschließend untersuchen zu können, ob der Kläger den Anforderungen eines solchen Verweisungsberufes gesundheitlich sowie von seinem Können und Wissen her gewachsen ist.

Der Kläger hat keine berufliche Ausbildung durchlaufen, die dem Leitbild des Facharbeiters entspricht. Dabei geht es hier nicht darum, daß im Falle eines an sich vorgesehenen "herkömmlichen" Ausbildungswegs dieser nicht beschritten, also eine Facharbeitertätigkeit ohne die hierfür vorgeschriebene Ausbildung ausgeübt worden wäre: In einem solchen Fall hat die Rechtsprechung gleichwohl die berufliche Tätigkeit dem Leitberuf des Facharbeiters zugeordnet, wenn dieser Beruf seiner Qualität nach dem eines Facharbeiters entsprach und nicht nur vorübergehend "vollwertig'' ausgeübt worden ist. Sie hat aber gleichzeitig betont, es sei dann im Interesse einer klaren und sachgerechten Abgrenzung geboten, eingehend zu prüfen, ob die abweichend vom "normalen" Ausbildungsweg erlangte berufliche Position tatsächlich in voller Breite derjenigen des vergleichbaren Versicherten bzw Facharbeiters entspricht, der die üblichen Stadien der Entwicklung durchlaufen hat. Neben der tariflichen Einstufung und Entlohnung sei zu verlangen, daß der Versicherte nicht nur eine seinem individuellen Arbeitsplatz entsprechende Leistung erbringe, sondern auch über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfüge, die in seiner Berufsgruppe im allgemeinen erwartet werden. In diesem Sinne müsse eine "Wettbewerbsfähigkeit'' im Vergleich zu anderen Versicherten derselben Berufsgruppe bestehen (erkennender Senat in SozR 2200 § 1246 Nr 53 S 163; dem folgend der 1. Senat aaO Nrn 68, 70; ebenso 5b Senat, Urteil vom 29. Oktober 1985 - 5b/1 RJ 14/84 = SozR aaO Nr 131 S 418 f).

Der vorliegende Sachverhalt ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, daß der bisherige Beruf des Klägers generell keine Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren voraussetzt, wie sie regelmäßig beim Facharbeiter vorgeschrieben ist (vgl Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe, hgg vom Bundesinstitut für Berufsbildung, Ausgabe 1986, S 15 ff; die "Anlernberufe" reichen bis zu einer geregelten Ausbildungszeit von zwei Jahren, vgl st Rspr des BSG in letzter Zeit, SozR 2200 § 1246 Nrn 132, 138, 140). In einem derartigen Fall gestaltet sich die Einordnung in das Mehrstufenschema besonders schwierig. Zur Erleichterung einer zutreffenden - tatsächlichen - Einordnung in eine der Gruppen des Schemas hat die Rechtsprechung des BSG die Heranziehung von Tarifverträgen zugelassen. Es hat sich dazu berechtigt gesehen, weil seiner Ansicht nach die Tarifpartner als die "unmittelbar am Arbeitsleben beteiligten Bevölkerungskreise" durch die Tarifverträge - trotz aller im Einzelfall möglichen Mängel - noch relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vornehmen, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas entspricht. Denn auch die der Berufswelt besonders nahestehenden Tarifpartner berücksichtigen bei der tariflichen Einstufung die Qualität des Berufs aufgrund seiner positiv zu bewertenden Anforderungen und Merkmale (vgl BSGE 41, 129, 133 = SozR 2200 § 1246 Nr 11; SozR 2200 § 1246 Nr 29). Damit ist den Versicherungsträgern und Gerichten bei der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Ermittlung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes ein wertvolles Hilfsmittel an die Hand gegeben worden (vgl Urteil des Senats vom 28. November 1985 - 4a RJ 51/84 = SozR aaO Nr 132).

Hieran anknüpfend führt das Berufungsgericht aus, die (letzte rentenversicherungspflichtige) Rangieraufsehertätigkeit des Klägers sei aus tariflicher Sicht einer Facharbeitertätigkeit gleichzusetzen, weil es sich bei der Lohngruppe IV des LTV um die erste Facharbeitergruppe handele. Diese Bewertung und Würdigung läßt indessen bereits offen, ob die tarifliche Bezeichnung "Facharbeiter" dieselbe Bedeutung hat wie nach dem Mehrstufenschema in der Rechtsprechung des BSG, welche Tätigkeiten die erwähnte Tariflohngruppe IV insgesamt umfaßt und ob sie eine Mischlohngruppe insofern ist, als sie im Sinne des Mehrstufenschemas sowohl Facharbeiter wie auch angelernte Arbeiter einbezieht; ferner wäre aufschlußreich, ob Facharbeiter, die eine Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren - in der Regel drei Jahre - zurückgelegt haben, in Lohngruppe IV nur für eine begrenzte, relativ kurze Zeit eingestuft werden (vgl Urteil des Senats vom 20. Februar 1986 - 4a RJ 73/83, S 10).

Nun hat allerdings das LSG die - nach seiner Meinung einem Facharbeiter entsprechende - tarifliche Einstufung auch von der Qualität der Tätigkeit her als sachgerecht angesehen mit dem Hinweis, der Kläger habe als Rangieraufseher Rangierfahrten leiten müssen und sei für deren Sicherung und zweckmäßige Durchführung verantwortlich gewesen, er habe ihm anvertraute wertvolle Güter in die richtigen Bahnen geleiten müssen. Das Berufungsgericht hat den Schluß gezogen, daß die dem Kläger abverlangte besondere Zuverlässigkeit und Verantwortlichkeit in besonderem Maße den qualitativen Wert der Rangieraufsehertätigkeit kennzeichne und diese - an sich ungelernte - Tätigkeit erheblich aus dem Kreis der ungelernten Arbeiten heraushebe. Wenngleich die damit genannten Kriterien unter die "besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit" zu subsumieren sein mögen, hat die Rechtsprechung doch die Merkmale der Vertrauensstellung und/oder besonderen Verantwortung sehr häufig gerade dann herangezogen, wenn es letztlich darum ging, einen Facharbeiter auch auf "besonders herausgehobene ungelernte Tätigkeiten", jedenfalls aber solche Tätigkeiten ohne regelrechte Berufsausbildung zu verweisen, die tariflich wie Anlerntätigkeiten eingestuft sind (vgl etwa BSGE 41, 129, 134 = SozR 2200 § 1246 Nr 11 sowie Nrn 17, 21, 23, 25, 29). Deshalb können die genannten Merkmale bei der Beurteilung und Bewertung des bisherigen Berufs auch allenfalls zur Höherstufung um eine Gruppe im Sinne des Mehrstufenschemas führen, aber nicht - wie das LSG anscheinend möchte - eine "an sich'' ungelernte Arbeit zur Facharbeitertätigkeit werden lassen. Denn bei der besonderen Verantwortung und/oder Zuverlässigkeit handelt es sich mehr um Charaktereigenschaften als um das die Qualität eines Berufs in erster Linie ausmachende Wissen und Können.

Das Maß der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten ist für den qualitativen Wert des Berufs, aber auch für den Vergleich verschiedener Berufe untereinander, entscheidend. Es bestimmt sich in aller Regel nach Intensität und Dauer der zugrunde liegenden Ausbildung, wie vor allem auch eine Gegenüberstellung der Facharbeiterberufe einerseits und der Anlernberufe auf der anderen Seite zeigt. Demgemäß ist auch die tarifliche Einstufung kein Tatbestandsmerkmal des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO, wohl aber sind dies - neben den besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit - Dauer und Umfang der Ausbildung. Daraus folgt: Die - vom Gesetz nicht erwähnte - tarifliche Einstufung kann keines der in § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO genannten Tatbestandsmerkmale ersetzen; noch weniger kann sie als wichtiger eingeschätzt werden (vgl Urteil des Senats vom 3. April 1986 - 4a RJ 19/84).

Daß somit die "Dauer der Ausbildung" iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO einen besonders wichtigen Faktor für das Mehrstufenschema bildet, ist seit langem anerkannt und erst in jüngster Zeit wieder vom 5. Senat des BSG unterstrichen worden, der in dem bereits erwähnten Urteil vom 9. September 1986 - 5b RJ 82/85 (SozR 2200 § 1246 Nr 140) im Anschluß an Urteile des erkennenden Senats entschieden hat, die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters setze grundsätzlich eine Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren - regelmäßig von drei Jahren - voraus.

Das angefochtene Urteil sagt über die Dauer und den Umfang der Ausbildung nichts aus. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsschrift vorgetragen, der Tätigkeit des Betriebsaufsehers im Rangierdienst (Dienstposten des einfachen Beamtendienstes) sei "eine im Bereich der Deutschen Bundesbahn einheitlich vorgeschriebene Einweisungszeit von nur 42 Tagen vorausgegangen". Ob dies zutrifft, kann der Senat als Revisionsinstanz nicht überprüfen, desgleichen nicht, ob eine vorherige (einfache) Rangiertätigkeit von einer bestimmten Mindestdauer vorausgesetzt wird (vgl hierzu Urteil des Senats vom 7. August 1986 - 4a RJ 31/84, S 9). Bereits nach den bisher getroffenen Feststellungen ist aber zu beachten, daß der Kläger als Rangieraufseher (bei gleichzeitiger Einstufung in Gruppe IV des LTV) versicherungspflichtig nur von März 1955 bis November 1956 (21 Monate) eingesetzt war, also für eine geringere Zeit, als allein schon die Regelausbildung in einem der Facharbeitergruppe zuzuordnenden Ausbildungsberuf beansprucht.

Unter Beachtung der aufgezeigten Gesichtspunkte dürfte der Kläger - sofern weitere Ermittlungen und Feststellungen des LSG nicht zu neuen Erkenntnissen führen - eher der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar hier - insoweit im Hinblick auf seine Vertrauensstellung, besondere Verantwortung und die tarifliche Einstufung - dem oberen Bereich zuzuordnen sein mit der Folge, daß eine Verweisbarkeit auf ganz einfache Tätigkeiten der Gruppe mit dem Leitberuf des Ungelernten ausscheidet (vgl das Urteil des erkennenden Senats vom 28. November 1985 = SozR 2200 § 1246 Nr 132).

Auch die Ausführungen des LSG zum Kreis der möglichen Verweisungstätigkeiten reichen als Urteilsgrundlage nicht aus. Das Berufungsgericht hat gemeint, eine zumutbare Verweisungstätigkeit sei nicht erkennbar. Dabei ist die Vorinstanz vom Facharbeiterberuf ausgegangen, hat also einen wesentlich engeren Kreis der zumutbaren Verweisungstätigkeiten gezogen, als wenn als bisheriger Beruf eine Anlerntätigkeit, und sei es auch im oberen Bereich dieser Gruppe des Mehrstufenschemas, zugrunde gelegt wird. Zu prüfen wäre auch noch, ob der Kläger während seiner Beamtentätigkeit - wie von der Beklagten angesprochen - Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, die er in Verweisungstätigkeiten verwerten könnte.

Selbst wenn besonderes Gewicht auf die tarifliche Einstufung gelegt würde, bedürften die tatsächlichen Feststellungen des LSG zur Verweisbarkeit der Ergänzung. Denn in diesem Fall müßte zunächst im selben Tarifwerk, und zwar jedenfalls in der nächstniedrigen Tarifgruppe, nach Verweisungstätigkeiten geforscht werden. Es wären also die zur Gruppe V LTV gehörenden Tätigkeiten - und nicht nur diejenigen der sogenannten "Beamtendiensttuer" - auf ihre Eignung für den Kläger zu untersuchen. Sofern eine Verweisung auf solche Tätigkeiten scheitern sollte, dürfte das LSG an diesem Punkt nicht Halt machen, sondern müßte prüfen, ob es entsprechende Tätigkeiten in einem anderen öffentlich-rechtlichen Tarifbereich als dem der Deutschen Bundesbahn gibt, so beispielsweise im Tarifvertrag für die Arbeiter der Länder, zumal in jenem Tarifvertrag auch "Rangieraufseher mit Bundesbahnprüfung", unter Lohngruppe VI zu Nr 19.5.5. angeführt sind (zur Zulässigkeit der Verweisung auf "berufsfremde" Tätigkeiten vgl BSGE 41, 129, 135 f = SozR 2200 § 1246 Nr 11; SozR aaO Nr 23 und - in letzter Zeit - Nr 110).

Erst wenn die hiernach noch erforderlichen Ermittlungen und Feststellungen getroffen sind, kann das LSG, je nachdem, ob es eine dem Kläger zumutbare und für ihn geeignete Verweisungstätigkeit findet, über das Vorliegen von Berufsunfähigkeit entscheiden.

In der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung wird auch über die außergerichtlichen Kosten zu befinden sein.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518038

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