Beteiligte
Techniker Krankenkasse-Pflegeversicherung |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen den Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe III statt der bewilligten Pflegestufe II.
Der im Jahre 1938 geborene, bei der beklagten Pflegekasse (ab 1. Januar 2000 Rechtsnachfolgerin der Pflegekasse der Gärtner-Krankenkasse) versicherte Kläger lebt seit Juli 1992 in einem Pflegeheim. Er hat zwei Schlaganfälle erlitten (1984, 1985) und leidet als Folge davon an zahlreichen geistigen und körperlichen Funktionsstörungen. Er ist zeitlich und örtlich desorientiert sowie sprech- und schreibunfähig. Die Beklagte gewährt dem Kläger seit dem 1. Juli 1996 Leistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftigkeit). Den weitergehenden Antrag auf Leistungen der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftigkeit) hat sie hingegen abgelehnt (Bescheid vom 25. Juni 1996, Widerspruchsbescheid vom 28. August 1996), weil der tägliche Bedarf an Grundpflege unter dem Grenzwert von vier Stunden liege. Demgemäß übernimmt die Beklagte seit dem 1. Juli 1996 monatliche Pflegeaufwendungen im Wert von 2.500 DM. Die restlichen Pflegekosten werden durch die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers sowie durch Leistungen des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach §§ 68 und 28 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) abgedeckt.
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Zuerkennung von Leistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe III gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Juni 1998). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Beschluß vom 7. Juni 1999). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe – auch unter Berücksichtigung des regelmäßigen nächtlichen Hilfebedarfs bei den Toilettengängen um 23.00 Uhr und 5.00 Uhr – lediglich einen Grundpflegebedarf von 201 bis maximal 216 Minuten, nicht aber einen für die Pflegestufe III erforderlichen Grundpflegebedarf von mindestens 240 Minuten. Maßgebend sei auch im stationären Bereich ausschließlich der Zeitaufwand für verrichtungsbezogene Hilfen der Grundpflege iS des § 14 Abs 3 und 4 iVm § 15 Abs 1 und 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Der Zeitaufwand für die in dem Pflegeheim zu leistende psycho-soziale Betreuung des Klägers einschließlich der tagesstrukturierenden Maßnahmen (zB Teilnahme an der Maltherapie, an der Gesprächsgruppe, am Training des Sozialverhaltens sowie an der Seniorengymnastik) könne daher nicht berücksichtigt werden; dies sei verfassungsrechtlich zumindest für eine Übergangszeit noch hinnehmbar.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 14, 15 und 43 SGB XI. Er vertritt die Ansicht, bei der vollstationären Pflege geistig oder seelisch behinderter Personen sei nicht nur, wie bei der häuslichen Pflege, die verrichtungsbezogene Hilfe, sondern darüber hinaus auch die lediglich „verrichtungsorientierte” aktivierende Hilfe im Rahmen der psycho-sozialen Betreuung als Grundpflege zu berücksichtigen. Im Hinblick auf Art 3 Abs 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) bestünden gegen die enge Auslegung der §§ 14, 15 SGB XI verfassungsrechtliche Bedenken. Zudem dürfe nicht der Zeitaufwand professioneller Pflegekräfte, sondern müsse der in der Regel größere Zeitaufwand ehrenamtlicher Pflegepersonen in Ansatz gebracht werden. Der tägliche Grundpflegebedarf betrage auf dieser Grundlage mindestens 240 Minuten.
Der Kläger beantragt,
den Beschluß des LSG Niedersachsen vom 7. Juni 1999, das Urteil des SG Hannover vom 23. Juni 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 1996 zu ändern, den Widerspruchsbescheid vom 28. August 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1996 Leistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe III unter Anrechnung der erbrachten Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Berufungsbeschluß.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil im schriftlichen Verfahren nach §§ 124 Abs 2, 153 Abs 1 und 165 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Leistungen der vollstationären Pflege nach der Pflegestufe III hat.
1. Die Entscheidung kann ergehen, ohne den zuständigen Sozialhilfeträger oder den Träger des Pflegeheims, in dem der Kläger stationär versorgt wird, beizuladen. Nach § 75 Abs 2 1. Alternative SGG sind Dritte zum Rechtsstreit beizuladen, wenn die Entscheidung auch ihnen gegenüber aus Rechtsgründen nur einheitlich ergehen darf. Dies setzt eine Identität des Streitgegenstandes im Verhältnis zwischen den am Rechtsstreit Beteiligten und Dritten voraus, an der es hier fehlt. Allein die Tatsache, daß der Sozialhilfeträger durch eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe III in der ihn treffenden Leistungspflicht mittelbar betroffen wird, reicht insoweit nicht aus. Zwar wird der Sozialhilfeträger durch die Entscheidung der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI gebunden, weil er sie auch der Entscheidung im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem BSHG zugrunde zu legen hat, soweit sie auf Tatsachen beruht, die bei beiden Entscheidungen zu berücksichtigen sind (§ 68a BSHG). Dies betrifft jedoch nur eine Vorfrage einer vom Sozialhilfeträger später unter Umständen zu treffenden Entscheidung; von der im vorliegenden Verfahren ergehenden Sachentscheidung wird der Sozialhilfeträger dagegen nicht unmittelbar in eigenen Rechten berührt (vgl BSGE 71, 237, 238 = SozR 3-2500 § 240 Nr 12 S 44 f; SozR 3-4100 § 134 Nr 7 S 17; SozR 1500 § 75 Nr 71 S 83 mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, V RdNr 11). Auch im Verhältnis zum Träger des Pflegeheims ist der Streitgegenstand nicht identisch. Wie im einzelnen noch darzulegen ist, ist die Zuordnung eines pflegebedürftigen Versicherten zu einer Pflegestufe, die dessen Anspruch auf Pflegeleistungen bestimmt, für den Anspruch des Pflegeheims auf leistungsgerechte Vergütung nicht ausnahmslos verbindlich.
2. Der Inhalt des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs ergibt sich im einzelnen aus Art 49a § 1 des Pflege-Versicherungsgesetzes (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I S 1014) für die Zeit von der Antragstellung bis zum 31. Dezember 1997 und aus § 43 Abs 5 SGB XI für die Zeit ab dem 1. Januar 1998. Die den Inhalt der stationären Pflege an sich regelnden Vorschriften in § 43 Abs 2 und 3 SGB XI sind dagegen vorliegend nicht anwendbar, weil sie durch die Regelungen in Art 49a § 1 PflegeVG und § 43 Abs 5 SGB XI seit dem Inkrafttreten der Vorschriften über die stationäre Pflege (am 1. Juli 1996, vgl Art 68 Abs 3 PflegeVG idF des Gesetzes zum Inkrafttreten der zweiten Stufe der Pflegeversicherung vom 31. Mai 1996, BGBl I S 718) zeitlich befristet – aufgrund des Art 3 Nr 4 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 (vom 22. Dezember 1999, BGBl I S 2626) bis zum 31. Dezember 2001 – ausgesetzt sind. Der Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung bei Pflege in vollstationären Einrichtungen setzt nach § 43 Abs 1 SGB XI in jedem Fall voraus, daß – wie hier – Pflegebedürftigkeit besteht. Die weitere Voraussetzung des § 43 Abs 1 SGB XI, daß häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Falles nicht in Betracht kommt, ist zwar vom LSG nicht ausdrücklich festgestellt, unter den Beteiligten aber nicht streitig und kann hier unterstellt werden.
3. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung bei Pflege in vollstationären Einrichtungen nach der Pflegestufe III nicht zu, weil er nicht schwerstpflegebedürftig ist. Das SGB XI definiert den Versicherungsfall der Pflegebedürftigkeit sowie die Stufen der Pflegebedürftigkeit allein in den §§ 14, 15 SGB XI. Die dort geregelten Voraussetzungen gelten für die häusliche wie für die stationäre Pflege gleichermaßen. Pflegebedürftig sind gemäß § 14 Abs 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Pflege bedürfen. Zu berücksichtigen ist hierbei ausschließlich der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die Abs 4 des § 14 SGB XI in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Grundpflege) sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufteilt (st Rspr seit BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2). Das in § 14 Abs 1 SGB XI geforderte Mindestmaß an Pflegebedarf, das eine Zuordnung zur Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) begründet, wird durch § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm Abs 3 Nr 3 SGB XI festgelegt. Danach ist schwerstpflegebedürftig, wer bei Verrichtungen der Grundpflege täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Zugleich muß der hierfür erforderliche Zeitaufwand bei Durchführung der Pflege durch eine nicht als Pflegefachkraft ausgebildete Person täglich im Wochendurchschnitt mindestens fünf Stunden betragen. Der vom Kläger geltend gemachte Bedarf an sozialer Betreuung zählt ebenso wie der Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, soweit dieser nicht Bestandteil einer im Katalog des § 14 Abs 4 SGB XI enthaltenen Verrichtung ist, nicht zum berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf. Der Gesetzgeber hat im 1. SGB XI-ÄndG vom 14. Juni 1996 (BGBl I S 830) zwar die Leistungspflicht der Pflegekassen bei allen Formen stationärer Pflege erweitert um „die Aufwendungen der sozialen Betreuung” sowie (zeitlich befristet) um „die Aufwendungen für die in der Einrichtung notwendigen Leistungen der medizinischen Behandlungspflege” (vgl Art 1 Nrn 17 bis 19 1. SGB XI-ÄndG: Änderung der §§ 41 Abs 2, 42 Abs 2 und 43 Abs 2 und 3 SGB XI). Der Maßstab für die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit und ihrer Stufen in den §§ 14, 15 SGB XI blieb in diesem Zusammenhang jedoch unverändert. Hierüber bestand allerdings nicht in allen Phasen des Gesetzgebungsverfahrens Klarheit, wie insbesondere Äußerungen bei den Anhörungen des zuständigen Ausschusses deutlich machen (vgl BT-Drucks 13/3696, Protokoll Nr 44, S 15 einerseits und S 80 andererseits). Dort hatte einerseits ein Vertreter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen darauf hingewiesen, daß trotz der Einbeziehung der Aufwendungen für soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege der Maßstab für die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit unverändert geblieben sei; andererseits hatte ein Vertreter der Verbände der Einrichtungsträger die Auffassung vertreten, daß durch die beabsichtigte Neuregelung alle seinerzeit bereits durchgeführten Begutachtungen von stationär versorgten Pflegebedürftigen unbrauchbar seien und auf veränderter Grundlage neu durchgeführt werden müßten. Für diese Auffassung, der im weiteren Verlauf der Ausschußberatungen nicht ausdrücklich widersprochen worden ist, geben Wortlaut und Systematik des SGB XI allerdings nichts her.
Das LSG hat unter Zugrundelegung der für die Bemessung des Pflegebedarfs maßgebenden Kriterien rechtsfehlerfrei entschieden, daß der Kläger nicht zu den Schwerstpflegebedürftigen im Sinne des SGB XI gehört, weil bei ihm im Bereich der Grundpflege nur ein Hilfebedarf festgestellt werden konnte, der unterhalb der Grenze von vier Stunden (240 Minuten) täglich liegt. Nach den Feststellungen des LSG liegt der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege bei maximal 216 Minuten. Diese Feststellungen sind für den Senat bindend (§ 163 SGG). Der Einwand des Klägers, es sei nicht der Zeitbedarf professioneller Pflegekräfte, sondern der in der Regel größere Zeitaufwand ehrenamtlicher Pflegepersonen in Ansatz zu bringen (§ 15 Abs 3 SGB XI), geht ins Leere, weil sich das LSG, wie auf S 8 seines Urteils ausgeführt, nach den Orientierungswerten der Begutachtungs-Richtlinien (RL) gerichtet hat, denen der durchschnittliche Zeitbedarf nicht als Pflegekraft ausgebildeter Pflegepersonen zugrunde liegt. Der vom Kläger gewünschte Zeitzuschlag von wenigstens 24 Minuten, mit dem der maßgebliche Mindestwert von 240 Minuten täglicher Grundpflege erreicht würde, ist aus diesem Grunde also nicht gerechtfertigt.
4. Eine auf die Besonderheiten der stationären Pflege abstellende Definition der Pflegebedürftigkeit ist weder im SGB XI noch in den Pflegebedürftigkeits-Richtlinien (PflRL) oder den Begutachtungs-RL vorgesehen. Für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe ist vielmehr der Bedarf an häuslicher Pflege maßgebend. Die PflRL treffen nur für den Fall, daß Versicherte Leistungen der vollstationären Pflege erst beantragen, nachdem ihre Wohnung bereits aufgelöst ist, eine eigenständige Regelung (Ziff 6.1). Maßstab für die Bemessung des zeitlichen Mindestaufwandes in den einzelnen Pflegestufen soll in diesem Fall eine durchschnittliche häusliche Wohnsituation sein. In anderen Fällen soll offensichtlich die Pflegestufe, der der Pflegebedürftige vor dem Umzug ins Pflegeheim bei der häuslichen Pflege zugeordnet war, übernommen werden. Ein derartig einheitlicher Maßstab für die Pflegebedürftigkeit läßt die ganz unterschiedlichen tatsächlichen Bedingungen der stationären und der ambulanten Pflege außer Betracht.
Würde sich die Bemessung des Pflegebedarfs an den in einem Pflegeheim existierenden Bedingungen orientieren, die geprägt werden durch bauliche Verhältnisse, die auf die Anforderungen der Pflege abgestellt sind, ferner durch möglichst optimalen Einsatz von Pflegehilfsmitteln sowie fachlich geschultem Personal, und würde man zusätzlich die bei der Versorgung zahlreicher Pflegebedürftiger in einem Pflegeheim eintretenden Rationalisierungseffekte berücksichtigen, so ergäben sich zwangsläufig Abweichungen von den Ergebnissen, die auf der Grundlage der bei der häuslichen Pflege maßgebenden Bedingungen (zeitlicher Aufwand bei Pflege durch Laien, unzureichend ausgestaltetes Wohnumfeld, Pflege nur einzelner Personen) gewonnen werden. Die Pflegebedürftigen wären bei Zugrundelegung der in der stationären Pflege tatsächlich bestehenden Bedingungen zwar nicht durchweg höher einzustufen; in zahlreichen Fällen erfordert die Pflege unter den beschriebenen Bedingungen eines Pflegeheims im Gegenteil einen geringeren zeitlichen Aufwand als im häuslichen Bereich. Die Heranziehung eines einheitlichen Maßstabs für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit bei ambulant und stationär zu Pflegenden entspricht aber – neben verwaltungspraktischen Erwägungen – dem für die Pflegeversicherung grundlegenden Prinzip des Vorrangs der häuslichen Pflege. Nach § 3 SGB XI soll die Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen. Leistungen der vollstationären Pflege kommen nur in Betracht, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheiten des einzelnen Falls ausscheidet (§ 43 Abs 1 SGB XI). Aus dem Vorrang der häuslichen Pflege folgt zugleich, daß die Inanspruchnahme stationärer Pflege gegenüber der ambulanten Pflege nicht durch einen großzügigeren Maßstab begünstigt werden darf.
Nach der ursprünglichen Konzeption des § 43 SGB XI aF war für die stationäre Pflege eine Zuordnung des Pflegebedürftigen zu Pflegestufen zur Ermittlung des Umfangs seines Leistungsanspruchs nicht vorgesehen. § 84 Abs 2 Satz 3 SGB XI enthielt dagegen von Beginn an die Regelung, daß der Pflegebedürftige einer von drei Pflegeklassen zuzuordnen sei, wobei im Regelfall die Pflegestufen gemäß § 15 SGB XI zugrunde zu legen seien. Die Zuordnung des Pflegebedürftigen zu einer Pflegeklasse sollte jedoch für den Umfang seines Anspruchs auf Pflegeleistungen nicht maßgebend sein, sondern allein die Höhe des Vergütungsanspruchs des Pflegeheims (die Höhe des Pflegesatzes) bestimmen. Der Pflegebedürftige sollte danach unabhängig von der Pflegeklasse, der er zugeordnet wurde, die allgemeinen Pflegeleistungen bis zu der in § 43 Abs 2 SGB XI aF festgelegten Höchstgrenze umfassend verlangen können. Die ursprünglich vorgesehene Konzeption der stationären Pflege wurde jedoch bereits vor dem Inkrafttreten der zweiten Stufe der Pflegeversicherung (zum 1. Juli 1996) durch Art 49a § 1 PflegeVG (eingeführt durch das 1. SGB XI-ÄndG und befristet bis zum 31. Dezember 1997) dahingehend geändert, daß von der Pflegekasse ein Geldbetrag (Pauschalbetrag) zur Abgeltung der allgemeinen Pflegeleistungen zu tragen ist, dessen Höhe von der Pflegestufe abhängt, der der Pflegebedürftige zugeordnet ist. Der dem pflegebedürftigen Heimbewohner nach Art 49a § 1 PflegeVG zustehende Pauschalbetrag war von der Pflegekasse mit befreiender Wirkung unmittelbar an das Pflegeheim zu zahlen (Art 49a § 4 PflegeVG). Die Regelung in Art 49a § 1 PflegeVG wurde durch das 3. SGB XI-ÄndG befristet bis zum 31. Dezember 1999 in den § 43 Abs 5 SGB XI übernommen; durch Art 3 Nr 4 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 (vom 22. Dezember 1999, BGBl I S 2626, 2647) wurde die Frist bis zum 31. Dezember 2001 verlängert.
Die hier maßgebenden Übergangsregelungen gehen stärker als das ursprüngliche Leistungsrecht von einer Bindung des Leistungsanspruchs des Versicherten an die Vorgaben der §§ 14, 15 SGB XI aus. Während § 43 Abs 1 SGB XI aF lediglich voraussetzte, daß Pflegebedürftigkeit überhaupt vorlag und nur bezüglich des Mindestgrenzwerts die Vorgaben nach § 15 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 3 Nr 1 SGB XI maßgebend waren, ist der Leistungsanspruch nunmehr auch der Höhe nach an die Pflegestufe gebunden, der der Pflegebedürftige zugeordnet ist.
5. Die Berücksichtigung der sozialen Betreuung und der Behandlungspflege bei der Beurteilung von Pflegebedürftigkeit ist nicht deshalb geboten, weil sie bei stationärer Pflege unverzichtbar sind und auch nicht von anderer Seite, wie etwa bei der häuslichen Pflege von Familienangehörigen (soziale Betreuung) oder einem anderen Leistungsträger (medizinische Behandlungspflege), erbracht werden. In der Gesetzesbegründung des Koalitionsentwurfs zum 1. SGB XI-ÄndG wurde im Hinblick auf die Aufnahme der sozialen Betreuung bei vollstationärer Pflege als eigenständiger Leistung allerdings darauf hingewiesen, daß für die Pflegebedürftigen in den Pflegeheimen ein neuer Lebensmittelpunkt außerhalb der Familie geschaffen werden müsse. Um auch in diesem Bereich ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, sei neben der eigentlichen Pflege auch die soziale Betreuung der Pflegebedürftigen von zentraler Bedeutung (vgl BT-Drucks 13/3696 S 14). In diesem Zusammenhang findet sich jedoch kein Hinweis darauf, daß diese Leistungen bei der Bemessung des Pflegebedarfs im Rahmen des § 14 SGB XI, etwa bei psychisch Kranken, zusätzlich zu berücksichtigen seien. Auch eine Erhöhung der von Beginn an „gedeckelten” leistungsrechtlichen Höchstbeträge wurde ausdrücklich ausgeschlossen (vgl ebenda). Demzufolge kann eine Berücksichtigung der im Einzelfall erforderlichen sozialen Betreuung bei der Ermittlung des Pflegebedarfs im Rahmen des § 14 Abs 4 SGB XI nur dann erfolgen, wenn sie bei den Verrichtungen des täglichen Lebens als sog aktivierende Pflege (§ 28 Abs 4 SGB XI) erforderlich ist (vgl Udsching, Rechtsfragen bei der Bemessung des Pflegebedarfs, VSSR 1996, 271, 283).
Unter dem Aspekt der aktivierenden Pflege läßt § 14 Abs 3 SGB XI jedoch eine Berücksichtigung aller für die Betreuung eines psychisch kranken Menschen erforderlichen Hilfeleistungen nicht zu. Der erkennende Senat hat bereits in bezug auf die Bemessung des Pflegebedarfs bei häuslicher Pflege entschieden, daß der nicht konkret verrichtungsbezogene allgemeine Aufsichts- und Betreuungsbedarf von geistig Behinderten und psychisch Kranken außer Ansatz bleiben muß (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 8). Das Gesetz bietet keine Grundlage für die Berücksichtigung eines Hilfebedarfs in Form einer ständigen Anwesenheit und Aufsicht einer Pflegeperson zur Vermeidung einer möglichen Selbst- oder Fremdgefährdung eines geistig Behinderten oder zur Strukturierung eines sinnvollen Tagesablaufs im Interesse des Behinderten. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Pflegeversicherung vom Gesetzgeber nicht auf die lückenlose Erfassung jeglichen Pflegebedarfs ausgerichtet worden ist (vgl BSGE 83, 27, 34 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2, zur grundsätzlichen Ausklammerung der Behandlungspflege).
6. Daß die völlige Ausklammerung des nicht konkret verrichtungsbezogenen allgemeinen Aufsichts- und Betreuungsbedarfs bei geistig Behinderten und psychisch Kranken mit den in den Einweisungsvorschriften und in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Zielen der Pflegeversicherung nicht zu vereinbaren ist, hat der Senat bereits bei der Entscheidung über die Bemessung des Pflegebedarfs dieser Gruppe von Betroffenen bei häuslicher Pflege deutlich gemacht (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 8). Es gilt in gleicher Weise für die stationäre Pflege. Der Katalog des § 14 Abs 4 SGB XI ist auch hier nicht geeignet, den tatsächlich bestehenden Hilfebedarf des Pflegebedürftigen und die hieraus resultierende Belastung der Pflegekräfte realitätsbezogen zu ermitteln.
Die Begrenzung des für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe maßgebenden Pflegebedarfs auf den Verrichtungskatalog in § 14 Abs 4 SGB XI, den der Gesetzgeber als abschließend verstanden hat (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 19. Februar 1998 – B 3 P 3/97 R – BSGE 82, 27 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2), läßt eine Auslegung, die eine sachgerechte Berücksichtigung des allgemeinen Aufsichts- und Betreuungsbedarfs bei geistig Behinderten ermöglichen könnte, nicht zu. Die Ungleichbehandlung der hier betroffenen Gruppe geistig Behinderter erreicht jedoch – wie bereits zur häuslichen Pflege entschieden (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 8) – noch nicht ein solches Ausmaß, daß eine einen Verfassungsverstoß begründende Überschreitung des gesetzgeberischen Ermessens angenommen werden müßte. Die Auswirkungen der fehlenden Einbeziehung dieses Hilfebereichs in den Pflegebedarf sind bei der häuslichen Pflege geistig Behinderter und psychisch Kranker eher noch gravierender als bei der stationären Pflege. Denn während bei der häuslichen Pflege die örtliche Bindung der Pflegepersonen auch bei relativ leichten Fällen geistiger Behinderung zu einer nachhaltigen Einschränkung der freien Lebensgestaltung von pflegenden Angehörigen führt, ermöglichen die organisatorischen und personellen Ressourcen eines Pflegeheims in derartigen Fällen eine Versorgung ohne vergleichbar hohen Aufwand. Hierbei ist auch zu bedenken, daß das gesetzgeberische Ermessen, wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits deutlich gemacht hat (BSGE 82, 27, 34 = SozR 3-3300 § 14 Nr 2), bei der Einführung der neuen Sicherungsform „Pflegeversicherung” besonders groß war und bei einer gerichtlichen Überprüfung auch zu berücksichtigen ist, daß im Vorhinein nicht ohne weiteres zu erkennen war, ob die zur Beurteilung des Umfangs der Pflegebedürftigkeit eingeführten Kriterien sich als sachgerecht erweisen würden, sondern daß sich dies erst nach einer Phase der Umsetzung in der Praxis feststellen läßt. Erst wenn trotz festzustellender, in der Sache nicht gerechtfertiger Benachteiligung geistig Behinderter der Gesetzgeber auf Dauer untätig bleibt, stellt sich die Frage einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung erneut.
7. Die Einbeziehung des Aufwands für soziale Betreuung in den für die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit maßgebenden Pflegebedarf läßt sich auch nicht mit dem Anspruch des Pflegeheims auf leistungsgerechte Vergütung und der vom Kläger geltend gemachten, sonst eintretenden Diskrepanz zwischen dem Leistungsanspruch des Pflegebedürftigen und dem Umfang der Leistungspflicht des Pflegeheims begründen. Denn insoweit decken sich Leistungsanspruch (§ 43 Abs 5 SGB XI) und Vergütungsanspruch (§ 84 Abs 1 SGB XI) durchaus dem Grunde nach. Nur der Maßstab, der den Versicherungsfall der Pflegebedürftigkeit und die Pflegestufe umschreibt, weicht davon ab. Der Maßstab für die Feststellung des Versicherungsfalls und der Pflegestufe muß sich aber nicht zwangsläufig mit dem Leistungsanspruch des Versicherten und der korrespondierenden Leistung des Leistungserbringers und seinem Vergütungsanspruch decken. Eine solche Übereinstimmung besteht im wesentlichen nur bei der häuslichen Pflege durch Pflegedienste (sog Pflegesachleistung), bei der der Leistungsumfang auf die für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit maßgebenden Verrichtungen beschränkt ist (§ 36 Abs 2 SGB XI). Dem bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nicht zu berücksichtigenden Bedürfnis nach Kommunikation „soll” daneben allerdings auch bei der Leistungserbringung Rechnung getragen werden (§ 28 Abs 4 Satz 2 SGB XI). Ansonsten richten sich Art und Umfang der Leistungen zwar schon nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit, aber auch danach, ob häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege in Anspruch genommen wird (§ 4 Abs 1 Satz 2 SGB XI). Bei stationärer Pflege geht der Leistungsanspruch des Versicherten über die Kriterien für die Pflegebedürftigkeit dem Grunde nach hinaus; er wird nur der Höhe nach – abhängig von der Pflegestufe – begrenzt (§ 43 Abs 5 Satz 1 SGB XI).
8. Die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zu einer Pflegestufe nach § 15 Abs 1 Satz 1 SGB XI ist für die Höhe des Vergütungsanspruchs des Pflegeheims dann nicht maßgebend, wenn der Umfang der Leistungserbringung durch das Pflegeheim wegen sozialer Betreuung oder Behandlungspflege deutlich weitergeht als der in den §§ 14, 15 SGB XI festgelegte Maßstab für die Zuordnung zu einer Pflegestufe. Das Pflegeheim hat die für die Versorgung des Pflegebedürftigen erforderlichen Leistungen umfassend zu erbringen. Da der Pflegebedürftige einerseits umfassend zu versorgen ist, das Pflegeheim andererseits aber für sämtliche von ihm zu erbringende Leistungen eine „leistungsgerechte Vergütung” (§ 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI) verlangen kann, wurde die für die Höhe des Pflegesatzes maßgebende Pflegeklassenzuordnung nur grundsätzlich („als generelle Richtschnur”, vgl BT-Drucks 12/5262, S 144, zu § 93 Abs 2 des Entwurfs) an den für die Zuordnung zu den Pflegestufen geltenden Maßstab gebunden. „Soweit im Einzelfall Pflegestufe und Pflegeklasse von dem erforderlichen Versorgungsaufwand her nicht übereinstimmen, kann der Pflegebedürftige auch einer anderen Pflegeklasse zugeordnet werden” (Begründung des Regierungsentwurfs zu § 93 Abs 2, vgl BT-Drucks 12/5262, S 144). Hierbei ging man noch davon aus, daß der für die einzelnen Pflegestufen maßgebliche Hilfebedarf im Ansatz für den ambulanten und den stationären Bereich gleich sei und bei der stationären Pflege nur das Erfordernis der Unterbringung und umfassenden Versorgung hinzukomme, wobei die Bereiche Unterbringung und umfassende Versorgung nach der damaligen Vorstellung nicht in die Leistungspflicht der Pflegeversicherung fallen sollten.
Seit der Einbeziehung des Aufwands für soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege in den Pflegesatz der stationären Pflege läßt sich die ursprüngliche Annahme einer weitgehenden Deckungsgleichheit des Pflegeaufwands in der ambulanten und in der stationären Pflege nicht mehr aufrechterhalten. Aus der Sicht des Pflegeheims würde die auf einer fiktiven Ermittlung des Pflegebedarfs basierende Zuordnung der stationär versorgten Pflegebedürftigen zu Pflegestufen und deren zwingende Übernahme in die für die Höhe des Pflegesatzes maßgebende Zuordnung zu einer Pflegeklasse zu Ergebnissen führen, die mit dem verfassungsrechtlichen (Art 12, 14 GG) Gebot einer leistungsgerechten Vergütung nicht in Einklang zu bringen sind. Dieses Gebot bezieht sich allerdings auf den Gesamtumfang der dem Pflegeheim zustehenden Vergütung, und zwar unabhängig davon, inwieweit diese von der Pflegekasse oder wegen Überschreitung der Leistungsgrenzen in § 43 Abs 5 SGB XI vom Pflegebedürftigen selbst bzw der Sozialhilfe getragen wird.
Überträgt man die auf dem Verrichtungskatalog des § 14 Abs 4 SGB XI basierende Zuordnung zu Pflegestufen auf Pflegeklassen, so bleibt der Aufwand an Behandlungspflege und sozialer Betreuung bei der Zuordnung unberücksichtigt und fände sich damit letztlich auch in der Höhe des Pflegesatzes nicht wieder. Zu beachten ist dabei, daß das Pflegeheim eine angemessene Vergütung auch nicht dadurch erzielen kann, daß es den vom Pflegesatz nicht gedeckten Aufwand im Einzelfall dem Pflegebedürftigen „privat” in Rechnung stellt. Dem steht schon § 84 Abs 4 SGB XI entgegen, wonach mit den Pflegesätzen alle für die Versorgung des Pflegebedürftigen erforderlichen Pflegeleistungen der Pflegeeinrichtung abgegolten sind. Gemäß § 85 Abs 6 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XI sind Pflegesatzvereinbarungen für das Pflegeheim sowie für die in dem Heim versorgten Pflegebedürftigen unmittelbar verbindlich. Nach § 4e Heimgesetz bestimmen sich zudem die in Heimverträgen mit Versicherten der sozialen Pflegeversicherung festzusetzenden Entgelte nach den Vorschriften des siebten und achten Kapitels des SGB XI. Dies schließt die Erhebung gesonderter Entgelte für Pflegeleistungen, die bei der Zuordnung zu einer Pflegeklasse schon Berücksichtigung gefunden haben, aus. Der Grundrechtsschutz der Leistungserbringer läßt deshalb bei verfassungskonformer Anwendung der „Öffnungsklausel” in § 84 Abs 2 Satz 3 SGB XI nur die Auslegung zu, daß die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zu einer Pflegeklasse letztlich von dem vom Pflegeheim abzudeckenden Versorgungsaufwand im Einzelfall und nicht von der Pflegestufe abhängt, der der Pflegebedürftige zugeordnet ist. Gegen diese Auslegung der Öffnungsklausel spricht auch nicht, daß sie auf Pflegeheimbewohner, die nach den Kriterien der §§ 14, 15 SGB XI nicht als pflegebedürftig anzusehen sind (Pflegebedürftige der Stufe „0”), nicht anwendbar ist. Wie im Bereich der häuslichen Pflege, so ist auch bei der stationären Pflege für Personen, deren Pflegebedarf den Grenzwert des § 15 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 3 Nr 1 SGB XI nicht erreicht oder die der Hilfe für andere als die in § 14 Abs 4 SGB XI aufgeführten Verrichtungen bedürfen, gemäß § 68 Abs 1 Satz 2 BSHG die Leistungspflicht des zuständigen Trägers der Sozialhilfe gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen