Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliches Gehör. Begriff der Versicherungseinrichtung
Leitsatz (redaktionell)
Zu den in der KVdR beitragspflichtigen Versorgungsbezügen iS des § 180 Abs 8 S 2 Nr 3 RVO können auch Leistungen gehören, die von einem privaten Versicherungsunternehmen aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrages erbracht werden, der für die Mitglieder einer Berufsgruppe (hier: Seelotsen) Leistungen im Falle der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes vorsieht.
Orientierungssatz
Rechtliches Gehör - Begriff der Versicherungseinrichtung:
1. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das bedeutet jedoch nicht, daß das Gericht sich mit jedem Vorbringen eines Prozeßbeteiligten in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich befassen muß (vgl BVerfG vom 5.10.1976 2 BvR 558/75 = BVerfGE 42, 364, 368). Ein Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG (§ 62 SGG) liegt erst dann vor, wenn sich "im Einzelfall klar ergibt", daß das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl BVerfG vom 8.10.1985 1 BvR 33/83 = BVerfGE 70, 288, 293), wenn es etwa ein Vorbringen eines Beteiligten als nicht vorgetragen erachtet hat (vgl BVerfG vom 5.10.1976 aaO).
2. Der Begriff der "Versicherungseinrichtung" setzt keine sächlichen oder personellen Vorkehrungen voraus, die in einer bestimmten Organisation oder Institution einer Berufsgruppe in Erscheinung treten, mag dies auch häufig der Fall sein. Die Einrichtung braucht schließlich nicht über ein für eine einzelne Berufsgruppe abgrenzbares Sondervermögen zu verfügen.
Leitsatz (amtlich)
Zu den in der KVdR beitragspflichtigen Versorgungsbezügen iS des § 180 Abs 8 S 2 Nr 3 RVO können auch Leistungen gehören, die von einem privaten Versicherungsunternehmen aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrages erbracht werden, der für die Mitglieder einer Berufsgruppe (hier: Seelotsen) Leistungen im Falle der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes vorsieht.
Normenkette
SeelotG § 328 Abs. 1 Nr. 6; SGG § 62 Fassung 1953-09-03; GG Art. 103 Abs. 1 Fassung 1949-05-23; RVO § 180 Abs. 8 S. 2 Nr. 3 Fassung 1981-12-01
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 22.04.1986; Aktenzeichen L 5 Kr 9/85) |
SG Kiel (Entscheidung vom 11.12.1984; Aktenzeichen S 6 Kr 42/83) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob Bezüge aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrages, den die beigeladene Bundeslotsenkammer mit der G. L. (GKL) ua für die Seelotsen der Lotsenbrüderschaft N. , K. F. und T. abschloß, in die Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) einzubeziehen sind.
Dieser Vertrag vom Juli 1972 bestimmt, daß alle Mitglieder der genannten Lotsenbrüderschaft, die dieser am 30. Juni 1972 angehörten, noch keine Rente bezogen und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, sowie alle ab dem 1. Juli 1972 der Lotsenbrüderschaft beitretenden Mitglieder "gruppenmäßig" wegen der Risiken der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes versichert werden. Die zur Versicherung angemeldeten Mitglieder sind Versicherungsnehmer. Soweit der Vertrag keine abweichenden Regelungen enthält, sollen die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Versicherung aufgeschobener Renten (Altersrenten) mit Hinterbliebenenrenten" und die "Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" der GKL gelten.
Der 1919 geborene Kläger gehörte der genannten Lotsenbrüderschaft an und ist als Rentner bei der Beklagten pflichtversichert. Neben der Rente aus der Angestelltenversicherung (1982 = DM 2.225,50) bezieht er Leistungen der Gemeinsamen Ausgleichskasse im Seelotswesen der Reviere (GAK) und eine Altersrente aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages; diese Leistungen betrugen 1982 DM 747,07 und DM 400,55 im Monat.
Durch Bescheid vom 7. Dezember 1982 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger fest, daß die neben der Rente aus der Angestelltenversicherung bezogenen Leistungen bis zur - vorliegend nicht erreichten - Jahresarbeitsverdienstgrenze der Grundlohnberechnung zugrunde zu legen seien. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1983, Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 11. Dezember 1984). Die Berufungen des Klägers und der Beigeladenen hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 22. April 1986 zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten schon vor dem SG den Rechtsstreit auf die Beitragspflicht der Leistungen der GKL beschränkt hatten. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) über die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen seien verfassungsgemäß. Die Leistungen aus dem Gruppenversicherungsvertrag mit der GKL seien Versorgungsbezüge gemäß § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO. Dies ergebe die Auslegung unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien und unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks, alle berufsbezogenen Einkommensersatzleistungen zur Finanzierung der KVdR heranzuziehen. Der Begriff der Versicherungseinrichtung setze keine bestimmte Organisation voraus. Ausreichend sei, daß die Funktion (Versicherung oder Versorgung) "in greifbarer Weise äußere Gestalt" angenommen habe. Grundsätzlich könnten - wie bei der betrieblichen Altersversorgung (§ 180 Abs 8 Satz 2 Nr 5 RVO) - auch Lebensversicherungsverträge Grundlage für beitragspflichtige Versorgungsbezüge sein. Die Gruppenversicherung sei keine private Eigenvorsorge. Mit ihr habe die Beigeladene ihrer Pflicht gemäß § 28 Abs 1 des Gesetzes über das Seelotswesen (SLG 1984 idF der Bekanntmachung vom 13. September 1984, BGBl I 1213) genügt, eine ausreichende Versorgung der Seelotsen bei bestimmten Wechselfällen des Lebens zu gewährleisten. Um private Eigenvorsorge handele es sich auch nicht deshalb, weil die Versicherungsprämien von den Lotsen selbst aufgebracht würden und nur sie Versicherungsnehmer seien. Denn die Art der Finanzierung der Versorgungseinrichtung sei gleichgültig, und jeder Lotse werde kraft Zwangsmitgliedschaft in der Lotsenbrüderschaft vom Gruppenversicherungsvertrag erfaßt. Dieser könne vom einzelnen Lotsen nicht gekündigt werden, sondern nur von den vertragschließenden Parteien. Die Versicherungsleistungen seien der gesetzlichen Rente in mehrfacher Hinsicht vergleichbar. Sie resultierten aus einer statusrechtlichen Einbindung in ein Versorgungssystem, beruhten auf beitragsähnlichen Abgaben, würden monatlich gezahlt und hätten Einkommensersatzfunktion. Der Gruppenversicherungsvertrag erfülle für die kleineren Lotsenbrüderschaften dieselbe Funktion wie eine Pensionskasse bei größeren Lotsenbrüderschaften. Würden Leistungen aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages hinsichtlich der Beitragspflicht anders bewertet als Leistungen der funktionsgleichen Pensionskassen, verstoße dies gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG).
Einen Antrag des Klägers auf Berichtigung des Tatbestandes insoweit, als danach "alle Mitglieder der Lotsenbrüderschaften altersruhegeldberechtigt" seien, hat das LSG durch Beschluß abgelehnt.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 139 und 62 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bzw Art 103 GG und des § 180 Abs 8 RVO. Die Tatbestandsberichtigung habe das LSG zu Unrecht abgelehnt. Es habe sich mit einer Rechtsmeinung des Klägers verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Die Gruppenversicherung sei keine Versicherungseinrichtung für Berufsgruppen iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO, weil sowohl der Gruppenvertrag von den Vertragsparteien als auch jeder einzelne Versicherungsvertrag von den Lotsen als Versicherungsnehmern gekündigt werden könne. Eine Parallele zur Direktversicherung bei der betrieblichen Altersversorgung könne nicht gezogen werden, weil dort der Arbeitgeber Versicherungsnehmer und die Arbeitnehmer Bezugsberechtigte seien. Die Pflicht der Beigeladenen gemäß § 28 Abs 1 SLG 1984 sei nach Aufnahme der Seelotsen in die Angestelltenversicherung bereits mit der Einrichtung der GAK erfüllt gewesen. Die darüber hinausgehende Versorgung aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages sei private Eigenvorsorge. Es handele sich um einen Rahmenvertrag, aufgrund dessen individuelle Versicherungsverhältnisse mit freier rechtlicher Gestaltungsmöglichkeit der Lotsen zustande kämen. Der Gruppenversicherungsvertrag selbst habe ohne weitere Willenserklärung der einzelnen Lotsen deren Versicherungsverhältnisse nicht begründen können, da es sich sonst um einen unwirksamen Vertrag zu Lasten Dritter handeln würde.
Der Kläger beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und den Bescheid vom 7. Dezember
1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1983
dahingehend abzuändern, daß seine Bezüge aufgrund des
Gruppenversicherungsvertrages bei der Bemessung seines Beitrags zur KVdR
nicht berücksichtigt werden, hilfsweise, das angefochtene Urteil
aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Urteil des LSG ist nicht zu beanstanden.
Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Der Beschluß des LSG über die Ablehnung der Tatbestandsberichtigung ist gemäß § 139 Abs 2 Satz 2 SGG unanfechtbar. Die Versagung der Tatbestandsberichtigung kann auch nicht mit der Revision gegen das Urteil, das den angeblichen unrichtigen Tatbestand enthält, angefochten werden (BFHE 96, 287, 289 mwN; Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 139 Anm 5).
Einen Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) hat das LSG nicht verletzt. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das bedeutet jedoch nicht, daß das Gericht sich mit jedem Vorbringen eines Prozeßbeteiligten in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich befassen muß (BVerfGE 42, 364, 368). Ein Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG (§ 62 SGG) liegt erst dann vor, wenn sich "im Einzelfall klar ergibt", daß das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfGE 70, 288, 293), wenn es etwa ein Vorbringen eines Beteiligten als nicht vorgetragen erachtet hat (BVerfGE 42 aaO). Hierfür bietet die Entscheidung des LSG keine Anhaltspunkte.
Auch in der Sache ist das Urteil des LSG zutreffend. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Bezüge des Klägers aus der Gruppenversicherung bei der GKL sind zur KVdR beitragspflichtig; sie sind Renten einer Versicherungseinrichtung für die Berufsgruppe der Seelotsen iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO.
Gemäß § 28 Abs 1 Nr 6 SLG 1984 (§ 32 Abs 1 Nr 6 des Gesetzes über das Seelotswesen vom 13. Oktober 1954, BGBl II 1035 -SLG 1954-) obliegt den Lotsenbrüderschaften, "Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten". Um diesen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, haben die Lotsenbrüderschaften lotseigene Versorgungseinrichtungen gegründet (Steinicke in: Das Deutsche Bundesrecht, VI F 51, S 33; zur Geschichte: Hahn, Die öffentlich-rechtliche Alterssicherung der verkammerten freien Berufe, Berlin 1974, S 128 ff). Die Lotsgelder, aus denen die Versorgungslast zu tragen ist (§ 28 Abs 1 Nr 9 SLG 1984, § 32 Abs 1 Nr 9 SLG 1954), sind so zu bemessen, daß eine Versorgung der Seelotsen gewährleistet ist, die ihrer "Vorbildung und der Verantwortung ihres Berufes" entspricht (§ 45 Abs 3 Satz 2 SLG 1984, § 7 Satz 2 SLG 1954). Als Seelotsen können nur Personen bestallt werden, die das Befähigungszeugnis als Kapitän auf Großer Fahrt besitzen und mindestens 6 Jahre Bordstellungen als Kapitän oder nautischer Offizier innegehabt haben (§ 9 Nrn 1 und 2 SLG 1984). Die Versorgung der Seelotsen der Reviere soll sich deshalb an derjenigen eines Kapitäns auf Großer Fahrt ausrichten (Steinicke aaO S 42; Hahn aaO S 129, 137; Jantz SGb 1969, 281, 285).
Vor dem Inkrafttreten des 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (3. RVÄndG) vom 28. Juli 1969 (BGBl I 956) am 1. Januar 1970 sollte das Ziel einer kapitänsgleichen Versorgung mit einer zweistufigen berufsständischen Pflichtversorgung und einer freiwilligen Zusatzversorgung in Form der Weiter- und Höherversicherung in der Angestelltenversicherung (§§ 10, 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- aF) erreicht werden (vgl Hahn aaO S 132 ff). Die Grundlage der Pflichtversorgung bildeten die Pensions- oder Ruhegehaltskassen der Lotsenbrüderschaften. Da diese indessen eine kapitänsgleiche Versorgung allein nicht mehr gewährleisten konnten, wurden die Seelotsen, soweit sie für Reviere bestallt sind und dann einen freien Beruf ausüben (§ 21 Abs 1 SLG 1984), mit Wirkung vom 1. Januar 1970 in die Versicherungspflicht des AVG einbezogen (§ 2 Abs 1 Nr 6a AVG idF von Art 1 § 2 Nr 1 Buchst a des 3. RVÄndG; vgl dazu die Begründung im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik zu BT-Drucks V/4474 unter A III 1, S 7, und B zu § 2, S 15 ff). Für die Berechnung des - von den Seelotsen selbst zu tragenden - Beitrags zur Angestelltenversicherung ist dabei der nach § 842 RVO für einen Kapitän auf Großer Fahrt festgesetzte Durchschnitt des Barentgelts und des Durchschnittssatzes für Beköstigung maßgebend (§ 112 Abs 3 Buchst f, Abs 4 Buchst f AVG idF von Art 1 § 2 Nr 6 Buchst c und e des 3. RVÄndG). Seelotsen, die schon vor 1970 als solche tätig waren, sind bis zurück zum Jahre 1924 nachversichert worden (Art 2 § 50a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungs- gesetzes idF von Art 2 § 2 Nr 8 des 3.RVÄndG).
Auch nach Einführung der Angestelltenversicherungspflicht für Seelotsen hielten die Bundeslotsenkammer und die Lotsenbrüderschaften an einem mehrgliedrigen Versorgungssystem fest, das in allen Teilen aus einbehaltenen Beiträgen der Lotsgelder finanziert wird und zu einer Gesamtversorgung führt. Elemente dieses Gesamtversorgungssystems sind neben der gesetzlichen Rentenversicherung die GAK und die Pensionskassen (vgl Urteil des Senats vom 10. Juni 1988 - 12 RK 25/86), bei den kleineren Lotsenbrüderschaften die an die Stelle der Pensionskassen tretenden Gruppenversicherungen.
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für die Eigenschaft von Versorgungsbezügen iS des § 180 Abs 8 Satz 2 RVO, insbesondere in den Nrn 3 und 5, nicht darauf an, ob sie von einer öffentlich-rechtlichen oder einer privat-rechtlichen Einrichtung bezogen werden; auch ist nicht entscheidend, ob die Einrichtung rechtlich selbständig oder unselbständig ist (Urteile des Senats vom 11. Dezember 1987 - 12 RK 3/86 und 12 RK 50/84, SozR 2200 § 180 Nr 38, S 156; Urteil in der Sache 12 RK 25/86). Der Begriff der "Versicherungseinrichtung" setzt ferner, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, keine sächlichen oder personellen Vorkehrungen voraus, die in einer bestimmten Organisation oder Institution der Berufsgruppe in Erscheinung treten, mag dies auch häufig der Fall sein. Die Einrichtung braucht schließlich nicht über ein für die Berufsgruppe abgrenzbares Sondervermögen zu verfügen.
Vielmehr reicht jede kollektive Maßnahme einer Berufsgruppe aus, die Leistungen zum Gegenstand hat, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der früheren Erwerbstätigkeit stehen und Einkommensersatzfunktion haben (ähnlich für die betriebliche Altersversorgung: Löwisch/Bernards, Anm zum Urteil des Senats vom 18. Dezember 1984 - 12 RK 36/84 - in: SGb 1986, 27). Nur diese Auslegung entspricht dem Zweck des § 180 Abs 8 Satz 2 RVO, wie er aus den Beweggründen des Gesetzgebers, die ihn bei Schaffung der Vorschrift geleitet haben, erkennbar wird (vgl hierzu Urteil des Senats vom 18. Dezember 1984 - 12 RK 11/84, BSGE 58, 1, 7 f = SozR 2200 § 180 Nr 23, S 82).
Die Leistungen an den Kläger aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages mit der GKL vom Juli 1972 weisen einen unmittelbaren Bezug zu seiner früheren Erwerbstätigkeit auf und haben Einkommensersatzfunktion, wobei die Versicherungsfälle im wesentlichen denjenigen der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen (§ 2 Nr 1 des Vertrages). Das Versicherungsverhältnis des Klägers zur GKL beruht nicht lediglich auf berufsfremder privater Eigenvorsorge.
Zu den privaten Sicherungsformen, die nicht in die Beitragspflicht einbezogen worden sind, zählen Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie grundsätzlich auch aus privaten Lebensversicherungen (Urteil des Senats vom 10. September 1987 - 12 RK 49/83, BSGE 62, 136 = SozR 2200 § 180 Nr 37). Dies bedeutet jedoch nicht, daß ein der Rente vergleichbarer Versorgungsbezug bereits dann nicht mehr vorliegt, wenn die Einkünfte aufgrund eines privat-rechtlichen Versicherungsverhältnisses erzielt werden. Auch privat-rechtlich organisierte Versicherungseinrichtungen können Einrichtungen iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO sein. Eine Gruppenversicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen muß deshalb nicht notwendig eine Maßnahme zur privaten Eigenvorsorge sein. Entgegen der Ansicht der Revision gilt das selbst dann, wenn die Versorgungsberechtigten zugleich Versicherungsnehmer sind, wie dies der Gruppenversicherungsvertrag mit der GKL vorsieht (§ 6 Satz 1).
Der Abschluß dieses Vertrages gehört zu den Maßnahmen iS des § 28 Abs 1 Nr 6 SLG 1984, die - zusammen mit den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und den Leistungen der GAK - den Mitgliedern der Lotsenbrüderschaften und ihren Hinterbliebenen "eine ausreichende Versorgung für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten" sollen. Die gesetzliche Ermächtigung und zugleich Verpflichtung, Maßnahmen dieser Art zu treffen, umfaßt auch die Befugnis, für die Mitglieder der Lotsenbrüderschaften Gruppenversicherungsverträge mit privaten Versicherungsunternehmen abzuschließen und darin die Mitglieder nicht nur als Bezugsberechtigte, sondern als Versicherungsnehmer mit entsprechenden eigenen Beitragspflichten zu benennen (sog unechte Gruppenversicherungsverträge, vgl dazu Millauer, Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl 1966, S 14, 99 ff). Zur Wirksamkeit eines solchen Vertrages bedarf es weder der Mitwirkung der einzelnen Seelotsen noch ihrer vorherigen oder nachträglichen Zustimmung, insbesondere nicht einer von ihnen erteilten Vollmacht zum Vertragsabschluß (nach § 6 Satz 2 des Vertrages hatten die Seelotsen als Versicherungsnehmer die Bundeslotsenkammer auch nicht zum Abschluß des Vertrages, sondern lediglich "zur Wahrnehmung aller Rechte und Pflichten aus den Versicherungsverträgen bevollmächtigt"). Die Lotsenbrüderschaft oder die für sie handelnde Person (hier: der Vorsitzende der Bundeslotsenkammer) hat vielmehr allein aufgrund des § 28 Abs 1 Nr 6 SLG 1984 die rechtliche Macht, mit verbindlicher Wirkung für alle der Lotsenbrüderschaft jeweils angehörenden Mitglieder Versicherungsverhältnisse zu einem Versicherungsunternehmen im Rahmen einer Gruppenversicherung zu begründen, nicht anders wie die Lotsenbrüderschaft dies auch durch Einbeziehung ihrer Mitglieder in eine Pensionskasse oder eine ähnliche Einrichtung der Berufsgruppe tun könnte. Jedes Mitglied der Lotsenbrüderschaft ist dann für die Dauer seiner Mitgliedschaft an die Bestimmungen des Vertrages gebunden, insbesondere zur Entrichtung der vereinbarten Beiträge verpflichtet.
In diesem Sinne ist die Rechtsstellung der Seelotsen auch in dem Gruppenversicherungsvertrag mit der GKL geregelt worden. Nach § 1 Abs 1 des Vertrages sind nämlich alle Mitglieder der Lotsenbrüderschaft, die ihr am 30. Juni 1972 angehörten, noch keine Rente bezogen und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, sowie alle ab 1. Juli 1972 der Lotsenbrüderschaft beitretenden Mitglieder "im Rahmen dieses Vertrages gruppenmäßig versichert", ohne daß es dazu einer weiteren Erklärung der Versicherten bedarf. Zur Verdeutlichung bestimmt § 1 Abs 2, daß während der Laufzeit des Vertrages "stets 100 % des nach Abs 1 in Frage kommenden Personenkreises versichert sind". Nach § 7 Abs 1 gelten die Vertragsbestimmungen, "solange der Versicherte Mitglied der Lotsenbrüderschaft ist"; nur die aus der Lotsenbrüderschaft austretenden Personen können selbst entscheiden, ob sie die Versicherung fortsetzen wollen (§ 7 Abs 2 Satz 3). Eine Kündigung des - zunächst auf fünf Jahre fest abgeschlossenen - Vertrages kann nur durch die Vertragspartner, nicht durch die einzelnen Seelotsen erfolgen (§ 10). Wie diese Regelungen zeigen, kann bei den mit der GKL begründeten Versicherungsverhältnissen von einer berufsfremden "privaten Eigenvorsorge" der einzelnen Seelotsen nicht die Rede sein. Soweit der Kläger und die beigeladene Bundeslotsenkammer eine andere Auffassung vertreten, ist sie mit dem objektiven Inhalt des Vertrages nicht vereinbar.
Auch die den Seelotsen aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages mit der GKL zufließenden Beträge sind nach allem - wie die Leistungen der funktionsgleichen Pensionskassen - Bestandteil einer mehrgliedrigen Gesamtversorgung, deren sämtliche Elemente von der Bestallung zum Seelotsen und der damit verbundenen Pflichtmitgliedschaft in der Lotsenbrüderschaft abhängen. Der Senat hat schon für die betriebliche Altersversorgung entschieden, daß die Verflechtung mehrerer Leistungen zu einer Gesamtversorgung die Beitragspflicht der einzelnen Teile begründen kann (vgl Urteil vom 18. Dezember 1984 - 12 RK 36/84, BSGE 58, 10, 12 f). Entsprechendes gilt für das Gesamtversorgungssystem der Berufsgruppe der Seelotsen, insbesondere ihre Gruppenversicherung bei der GKL. Diese und die Errichtung der GAK beruhen auf derselben gesetzlichen Grundlage (§ 28 Abs 1 Nr 6 SLG 1984, § 32 Abs 1 Nr 6 SLG 1954). Beide Einrichtungen sind "Maßnahmen", um - zusammen mit der Rente aus der Angestelltenversicherung (die auf die Leistung der GAK anzurechnen ist) - eine "ausreichende Versorgung" der Seelotsen sicherzustellen. Angesichts dieser Verflechtung zu einem Gesamtversorgungssystem, das einem einheitlichen Versorgungszweck dient, wäre es sachwidrig und möglicherweise sogar mit dem Gleichheitssatz (Art 3 GG) unvereinbar, einzelne Elemente von der Beitragspflicht zur KVdR auszunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 60339 |
RegNr, 17954 (BSG-Intern) |
BR/Meuer RVO § 180, 10-06-88, 12 RK 35/86 (LT1) |
USK, 88122 (LT1) |
EzS, 55/103 (LT1) |
SozR 2200 § 180, Nr 43 (LT1) |