Beteiligte
Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der im Jahre 1930 geborene und am 13. Oktober 1994 verstorbene Ehemann der Klägerin war nach seiner Ausbildung zum Diplomingenieur für Stahlherstellungsverfahren von 1958 bis 1977 überwiegend als Abteilungs- und Bereichsleiter in verschiedenen Stahlwerken beschäftigt. Von 1977 bis 1981 arbeitete er als Hauptgruppenleiter bei der G. -Hütte und wirkte in dieser Funktion beim Aufbau des Elektrostahlwerks I. /Venezuela mit. Von 1981 bis 1987 war er als technischer Assessor der Generaldirektion dieses venezolanischen Werks tätig und führte ab 1987 internationale Beratungsaufträge aus. Vom 29. August 1993 an wurde er für T. C., eine Abteilung der T. AG, im Rahmen eines zwischen der T. AG und dem Unternehmen I. /Venezuela geschlossenen Beratungsvertrages als technologischer Berater im Bereich „Verarbeitung von Eisenschwamm” eingesetzt. Die Einsatzzeit in Venezuela war vertraglich mit eingeräumter Verlängerungsmöglichkeit auf voraussichtlich zwei Monate befristet. Sie wurde mehrfach verlängert, zuletzt im April 1994 für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 1994. Aufgabenmäßig hatte der Ehemann der Klägerin technische Assistenz zur Behebung der bei I. aufgetretenen Probleme (ua Reparatur und Modernisierung nach Brandschaden) im Bereich des Stahlwerks sowie im Warm- und Kaltwalzwerk zu leisten. In den zu seinem Auftrag vorgelegten Unterlagen über seinen beruflichen Werdegang bezeichnete er seine berufliche Tätigkeit ab 1981 als Independant Manager.
Am 2. Oktober 1994 fiel der Ehemann der Klägerin in ihrer Gegenwart in eine tiefe Bewußtlosigkeit. Bei einer am selben Tag durchgeführten Operation wurde ein Bluterguß aus seinem Kopf entfernt. Ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, verstarb er am 13. Oktober 1994. Die behandelnden venezolanischen Ärzte diagnostizierten im Gutachten vom 11. Oktober 1994 eine „intraparenchymatöse Blutung am rechten Scheitelbein mit subduralem Hämatom temporo-fronto-parietal rechts mit großer Verkrümmung der mittleren Linie”, verursacht durch ein kraniales Trauma, welches sich der Patient, als er am 28. September 1994 im Schlaf aus dem Bett gefallen sei, zugezogen habe.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24. April 1995 und Widerspruchsbescheid vom 25. August 1995 Hinterbliebenenleistungen ab, weil die Nachtruhe und damit zusammenhängende Verrichtungen grundsätzlich zum nicht versicherten persönlichen Lebensbereich gehörten.
Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat die Klage mit Urteil vom 24. Januar 1996 abgewiesen. Der Tod sei nicht Folge eines Arbeitsunfalls; denn Schlafen sei dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen. Auch seien die von der Klägerin aufgezeigten Wohnbedingungen in Venezuela nicht geeignet, Unfallversicherungsschutz zu begründen.
Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin ihren ursprünglichen Vortrag, der Unfall sei wesentlich durch die fremde Wohnumgebung und die tropischen Wohn- und Arbeitsbedingungen verursacht worden, geändert. Nach einer zum Jahreswechsel 1996/1997 erhaltenen telefonischen Auskunft eines Direktors der I. /Venezuela habe sich der Sturz ereignet, als ihr Ehemann in der Nacht vom 28. auf den 29. September 1994 wegen einer Betriebsstörung von diesem angerufen worden sei.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 26. Mai 1998 zurückgewiesen. Ihr Ehemann habe bei der für die T. AG, Abteilung T. C., ausgeübten Tätigkeit in Venezuela nicht unter dem Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Nach dem Territorialprinzip des § 3 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) beschränke sich die Zugehörigkeit zur deutschen Sozialversicherung, soweit diese eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetze, grundsätzlich auf deutsches Territorium. Von § 3 SGB IV abweichende Sondervorschriften des überstaatlichen oder zwischenstaatlichen Rechts, die nach § 6 SGB IV vorrangig seien, griffen im Verhältnis Deutschland zu Venezuela nicht ein. Auch seien die Voraussetzungen für eine Ausstrahlung nach § 4 SGB IV beim Ehemann der Klägerin nicht erfüllt gewesen. Zwar sprächen zumindest deutliche Anhaltspunkte für eine Selbständigkeit der Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin; aber auch wenn man ein Übergewicht der unselbständigen Tätigkeitsmerkmale unterstelle, fehle es jedenfalls an den weiteren Voraussetzungen der Ausstrahlung. Der Begriff der Entsendung erfordere stets eine Beziehung zur deutschen Sozialversicherung, die dadurch hergestellt werde, daß der Arbeitnehmer vor der Entsendung ins Ausland entweder in Deutschland beschäftigt gewesen sei oder wenigstens dort seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Neben dieser Voraussetzung sowie der im voraus bestehenden zeitlichen Befristung der Entsendung setze die Ausstrahlung weiterhin voraus, daß eine arbeitsvertragliche (arbeitsrechtliche) Beziehung zum „Entsendungsarbeitgeber” im Inland in dem Sinne bestehen müsse, daß die Weiter- und Wiederbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber im Inland gewährleistet sei. Letzteres sei beim Ehemann der Klägerin nicht der Fall gewesen. Seine mit der T. C. getroffene Vereinbarung habe eine Inlands-Weiterbeschäftigung nach der Beendigung des Auslandseinsatzes nicht vorgesehen. Sie sei nach den Zeugenaussagen des für seine Einstellung zuständigen Mitarbeiters der T. C. F. und des dort ebenfalls beschäftigten Projektleiters des Auftrags I. /Venezuela W. als ausgeschlossen anzusehen, da keine Planstelle zur Verfügung gestanden habe, eine Übernahme des fast 64 Jahre alten Ehemanns der Klägerin sich praktisch aus Altersgründen verboten hätte und sein Fachwissen „Chargieren von Eisenschwamm in Elektrostahlwerken” bei den zum T. konzern gehörenden Stahlwerken nicht gebraucht worden sei. Gegen die Glaubwürdigkeit beider Zeugen bestünden keine Bedenken; der Hinweis der Klägerin auf eine mögliche Interessenkollision wegen ihrer Funktion als T. -Mitarbeiter werde nicht für stichhaltig gehalten. Der Umstand, daß der Ehemann der Klägerin nach seinem Auslandseinsatz in Venezuela wieder nach Deutschland zurückgekehrt wäre, weil er dort seinen (fortbestehenden) Wohnsitz gehabt habe, reiche zur Annahme einer Ausstrahlungswirkung nicht aus.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), des § 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie der §§ 2, 3 und 4 SGB IV. Die Beklagte habe gegen den Grundsatz „venire contra factum proprium” (§ 242 BGB analog und § 1 SGB VII) verstoßen, als sie nach vier Jahren Verfahrensdauer völlig überraschend die internationale Zuständigkeit gemäß § 4 SGB IV und die persönliche Anwendbarkeit bestritten habe. Außerdem habe bei ihrem Ehemann infolge der Annahme der Beiträge für ihn eine Formalversicherung bestanden. § 3 SGB IV sei verletzt, weil ihr Ehemann in Deutschland seinen Wohnsitz gehabt habe und er daher unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung hätte stehen müssen. Mit § 4 SGB IV sei nicht vereinbar, daß ein entsandter Arbeitnehmer entweder in Deutschland vorher für den entsendenden Arbeitgeber gearbeitet habe oder er nach seiner Rückkehr nach Deutschland dort weiterbeschäftigt werden müsse. Mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei nicht vereinbar, daß ein Zusammenhang mit dem deutschen Recht verneint werde, obwohl
- ihr Ehemann Frau und Kinder in Deutschland gehabt habe,
- er weder seinen Wohnsitz noch sein Eigenheim aufgegeben habe,
- er in Deutschland geboren und bestattet worden sei,
- er und der Arbeitgeber Deutsche gewesen seien,
- der Vertrag in deutscher Sprache abgefaßt worden sei,
- der Vertrag in Deutschland unter deutschen Bedingungen geschlossen worden sei,
- die Bezahlung in deutscher Währung und
- auf ein deutsches Konto erfolgt sei,
- er in einer Gruppe deutscher Arbeitnehmer gearbeitet habe,
- die Arbeitsgespräche in deutscher Sprache geführt worden seien,
- der Vertrag dem deutschen Recht unterlegen habe,
- die Sozialabgaben in Deutschland durch den Arbeitgeber erfolgt seien,
- er dieselben Vergünstigungen erhalten habe wie die deutschen Kollegen und
- er auch sonst den anderen Mitarbeitern des Arbeitgebers gleichgestellt worden sei.
Ein Zusammenhang mit dem deutschen Recht sei daher evident. Nach den Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) vom 24. April 1989 seien die Voraussetzungen der Ausstrahlung gegeben, wenn – wie hier – der Betreffende seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe. Wenn es auf die Frage der Wiederbeschäftigung im Inland nach Beendigung der Entsendung ankomme, könnte der Arbeitgeber quasi „ex ante” entscheiden, ob er aufgrund des Umlagesystems durch den Unfall zu erhöhten Beiträgen herangezogen werde. Im Falle ihres Obsiegens müsse T. C. mit einer Mehrbelastung von rund 100.000,– DM rechnen. Diese habe im übrigen den Unfall zunächst der Beklagten gemeldet, diese Meldung aber wieder zurückgezogen, als die Kostenforderung gekommen sei. Außerdem sei die Feststellung des LSG, die Weiterbeschäftigung ihres Ehemannes nach seiner Rückkehr nach Deutschland sei ausgeschlossen gewesen, aufgrund widersprüchlicher Zeugenaussagen getroffen worden. Die Würdigung dieser Aussagen als glaubhaft widerspreche den Gesetzen der Logik und sei für das Revisionsgericht daher nicht bindend. Der Hinweis des Zeugen F. auf die fehlende Planstelle stehe zB in Widerspruch zu der bei T. C. üblichen Praxis. Ihr Ehemann habe aufgrund des von ihm akquirierten Venezuela-Auftrags die Zusammenarbeit mit T. C. erst zustandegebracht, er habe seine „Planstelle” erst geschaffen. Ihm sei bei Vertragsschluß als Gegenleistung für die Vermittlung des Geschäfts ausdrücklich eine Weiterbeschäftigung versprochen worden. Schließlich habe ihr Ehemann sich selbst nicht als Selbständiger bezeichnet. Insoweit müsse es sich bei den anderslautenden Feststellungen des LSG, die gegen die §§ 2 und 3 SGB IV verstießen, um einen Übersetzungs- oder Interpretationsfehler des Gerichts handeln.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
- das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 1998 und das Urteil des SG Duisburg vom 24. Januar 1996 sowie den Bescheid der Beklagen vom 24. April 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25. August 1995 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 1998 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
II
Die Revision ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 589 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫). Das LSG hat rechtlich zutreffend entschieden, daß ihr Ehemann nicht unter dem Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat, als er am 13. Oktober 1994 infolge der Verletzungen verstarb, die er sich am 28. September 1994 beim Sturz aus dem Bett zugezogen hatte.
Der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der von ihr als Arbeitsunfall geltend gemachte Unfall ihres Ehemannes vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Hinterbliebenenleistungen werden gemäß § 589 Abs 1 RVO bei Tod des Versicherten durch Arbeitsunfall gewährt. Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Wie das LSG zu Recht entschieden hat, scheitert der Anspruch der Klägerin bereits daran, daß ihr Ehemann während seiner am 29. August 1993 begonnenen Tätigkeit in Venezuela nicht Versicherter iS der genannten Vorschriften war. Das LSG hat zwar zugunsten der Klägerin unterstellt, daß er bei diesem Auslandseinsatz in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis zur T. AG gestanden habe. Gleichwohl war er nicht nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO versichert; denn nach § 3 Nr 1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich des SGB, also in der Bundesrepublik Deutschland, beschäftigt oder selbständig tätig sind. Aus dieser dem Territorialprinzip Rechnung tragenden Vorschrift folgt, daß diejenigen Beschäftigten, deren Beschäftigungsort (§ 9 SGB IV) im Ausland liegt, grundsätzlich nicht von den Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung erfaßt werden (vgl Begründung zu Art I § 3 des Entwurfs eines SGB IV, BT-Drucks 7/4122 S 30) und somit nicht unter § 539 Abs 1 Nr 1 RVO als einer Vorschrift über die Versicherungspflicht fallen. Ausnahmen von diesem Grundsatz können sich für die Unfallversicherung nach dieser Vorschrift aus § 6 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden ursprünglichen Fassung (Vorbehalt abweichender Regelungen) sowie aus § 4 Abs 1 SGB IV (Ausstrahlung bei Beschäftigung im Ausland) ergeben.
Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts sind im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Venezuela nicht vorhanden (vgl Nr 2.2 der Richtlinien der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) in der hier maßgebenden Fassung vom 24. April 1989 (Sozialversicherungsbeitrag – Handausgabe 1993, Bonn, 1993, S 4 ff = HVBG RdSchr VB 52/89 vom 17. August 1989). Ferner liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß eine – gegenüber der nach § 4 Abs 1 SGB IV aufrechterhaltenen Pflichtversicherung allerdings nachrangige – freiwillige Versicherung für den Auslandsaufenthalt nach § 762 Abs 2 RVO für den Ehemann der Klägerin bestand. Den vom LSG in Bezug genommenen Akten ist sogar zu entnehmen, daß die Beklagte das Bestehen einer solche Versicherung verneint hat, und daß eine private, vom Arbeitgeber finanzierte Unfallversicherung bestand.
Wie das LSG zutreffend entschieden hat, sind auch die Voraussetzungen für eine Ausstrahlung nach § 4 Abs 1 SGB IV nicht erfüllt. Danach gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich des SGB bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist. Sinn der Vorschrift ist, daß den Arbeitnehmern in der Sozialversicherung keine Nachteile entstehen, wenn sie – durch die zunehmende internationale Verflechtung der Wirtschaft bedingt – im Ausland beschäftigt werden; sie bestimmt daher, daß Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich des SGB bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs entsandt werden, ihren Versicherungsschutz nicht verlieren (vgl Begründung zu Art I § 4 des Entwurfs eines SGB IV, BT-Drucks 7/4122 S 30).
Nach ihrem Wortsinn setzt die Vorschrift – neben der hier nicht fraglichen zeitlichen Begrenzung – voraus, daß vor Beginn der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis zu dem entsendenden Arbeitgeber bestanden hat und daß dieses nach deren Beendigung weitergeführt wird. Denn die Entsendung muß „im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses” erfolgen. Fehlt es an diesem Rahmen, kann es nicht zur Ausstrahlung kommen. Diese Auslegung wird zwar durch die Gesetzesmaterialien (aaO) und ihnen folgend durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (BSGE 60, 96, 98 = SozR 2100 § 4 Nr 3; BSG SozR 5870 § 1 Nr 9; BSG Urteil vom 25. August 1994 - 2 RU 14/93 - USK 9466) dahingehend etwas eingeschränkt, daß die Ausstrahlung nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß das Beschäftigungsverhältnis allein im Hinblick auf die Entsendung ausgeübt wird, wenn nur sichergestellt ist, daß der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses im Geltungsbereich des SGB liegt. Aber auch bei dieser Variante bildet das mit dem inländischen Arbeitgeber abgeschlossene Beschäftigungsverhältnis insoweit noch den einen Teil des „Rahmens” für die Entsendung, als der Arbeitgeber aufgrund dieses Beschäftigungsverhältnisses die die Entsendung auslösende Weisung erteilen kann. Darüber hinaus ist erforderlich, daß der für eine Auslandsbeschäftigung vorgesehene Arbeitnehmer sich vor Aufnahme dieser Beschäftigung im Inland befindet (BSGE 60, 96, 98 mwN = SozR aaO; BSG SozR 5870 § 1 Nr 9; BSG Urteil vom 25. August 1994 - 2 RU 14/93 - USK 9466).
Nach Beendigung der Entsendung ist für die Anerkennung der Ausstrahlung neben der erforderlichen Absicht der Rückkehr ins Inland jedenfalls in den Fällen, in denen das Beschäftigungsverhältnis erst mit der Entsendung begonnen hat, erforderlich, daß infolge der Eigenart der Beschäftigung feststeht oder von vornherein vereinbart ist, daß die Beschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber weitergeführt wird. Nur dann liegt der vom Gesetzgeber und von der Rechtsprechung geforderte Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses im Inland, selbst wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Ausstrahlung gegeben sein sollten. Die Bejahung einer Ausstrahlung bei fehlender vorangegangener Beschäftigung beim Entsendungsarbeitgeber im Inland ohne das Erfordernis einer solchen Weiterbeschäftigung wäre mit der Zwecksetzung des § 4 Abs 1 SGB IV, daß ins Ausland entsandte Arbeitnehmer ihren Versicherungsschutz nicht verlieren sollen, nicht zu vereinbaren; denn eine Auslegung des § 4 Abs 1 SGB IV in diesem Sinne würde solche Personen begünstigen, die im Inland nicht oder überwiegend nicht versichert waren. Sie würde andererseits in der gesetzlichen Unfallversicherung die Arbeitgeber und in den übrigen Bereichen der Sozialversicherung Arbeitgeber und Arbeitnehmer beitragsmäßig belasten. Eine derartige Regelung würde letztlich die einseitige Schaffung einer deutschen Versicherungspflicht im Ausland bedeuten, ohne daß dies durch die Aufrechterhaltung eines im Inland bestehenden Versicherungsverhältnisses gerechtfertigt wäre. Dies ließe sich aber mit der Souveränität der betroffenen Staaten kaum vereinbaren, zumal § 4 Abs 1 SGB IV nicht nur für Deutsche, sondern auch für aus Deutschland entsandte Ausländer gilt. Auch wäre eine derart weite Auslegung der Vorschrift nicht damit in Einklang zu bringen, daß § 4 SGB IV als die Ausnahme von der das Territorialprinzip festlegenden Vorschrift des § 3 SGB IV im Zweifel eng auszulegen ist. Schließlich bedarf es in der gesetzlichen Unfallversicherung auch unter dem Gesichtspunkt eines umfassenden Schutzes der entsandten Arbeitnehmer nicht der genannten weiten Auslegung des § 4 Abs 1 SGB IV, weil ein solcher Schutz über die freiwillige Versicherung nach § 672 Abs 2 RVO (jetzt § 140 Abs 2 SGB VII) erreicht werden kann.
Die Verneinung der Ausstrahlung bei solchen Personen, die zum Zwecke der Entsendung erst eingestellt werden und die nach deren Beendigung nicht beim entsendenden Arbeitgeber im Inland weiterbeschäftigt werden sollen, steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG zum Versicherungsschutz bei Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. Mai 1986 (BSGE 60, 96, 98 = SozR aaO) eine Ausstrahlung iS des § 4 Abs 1 SGB IV verneint, weil der von einer deutschen Firma im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer sich bei Abschluß des Arbeitsvertrages bereits im Ausland befand, so daß es sich schon deshalb nicht um eine Entsendung handelte. Auf die Frage der Weiterbeschäftigung im Inland nach Beendigung der Auslandsbeschäftigung kam es in diesem Fall nicht an. In seinem Urteil vom 25. August 1994 (2 RU 14/93 - USK 9466) hat der Senat zwar entschieden, daß bei mit der Einstellung zeitgleicher Entsendung eine Einbeziehung in den deutschen Sozialversicherungsschutz nach § 4 Abs 1 SGB IV nur dann gerechtfertigt ist, wenn wenigstens anderweitig ein Bezug zur deutschen Sozialversicherung besteht, dh zumindest zu fordern ist, daß der Betreffende seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte; der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses muß im Inland liegen. In dieser Entscheidung war aber nicht fraglich, ob der betreffende Arbeitnehmer gemäß vorheriger Vereinbarung nach Beendigung des Auslandsaufenthalts im Inland weiterbeschäftigt werden sollte; denn jener Arbeitnehmer war bei der deutschen Firma durch einen Hauptvertrag als Richtmeister eingestellt, für die Auslandsaufenthalte wurde jeweils ein Zusatzarbeitsvertrag abgeschlossen. Stand somit die vertragliche Möglichkeit der Weiterbeschäftigung außer Zweifel, kam es in diesem Falle auf die Wohnsitzfrage an, die nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu klären war. Schließlich hat der Senat in seinem Urteil vom 8. Dezember 1994 (BSGE 75, 232 = SozR 3-6050 Art 14 Nr 4) zu Art 14 der EWG-Verordnung Nr 1408/71, in dem er eine dem § 4 SGB IV vergleichbare typische Entsendungsregelung gesehen hat, entschieden, daß bei einem für eine deutsche Firma im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer kein Versicherungsschutz bestand, weil es an einer Vereinbarung über eine beabsichtigte Wiederaufnahme der Beschäftigung nach Beendigung des Auslandseinsatzes fehlte. Wenn auch in dieser Entscheidung das Fehlen einer solchen Vereinbarung im Sinne des Fehlens einer vorherigen Befristung des Auslandseinsatzes gewertet wurde und zusätzlich noch entscheidungserheblich war, daß auch keine Rückkehr nach Deutschland vereinbart war, steht die hier getroffene Auslegung des § 4 Abs 1 SGB IV nicht im Widerspruch zu ihr, eher wird diese durch sie unterstützt.
Entsprechendes gilt für die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG. Wie dieser mehrfach entschieden hat, ist bei einer Entsendung stets zu berücksichtigen, ob nach Beendigung der Auslandsbeschäftigung eine Wieder- oder Weiterbeschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber gewährleistet ist (BSG SozR 7833 § 1 Nr 6; BSGE 71, 227, 234 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4; BSG Urteil vom 25. Januar 1994 - 4 RA 48/92 - AmtlMittLVA Rheinpr 1994, 274). Auch wenn diese Entscheidungen Fragen der Gewährung von Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz ≪BErzGG≫ (§ 1 Abs 2 BErzGG iVm § 1 Abs 1 Nr 2 Buchst a des Bundeskindergeldgesetzes ≪BKGG≫) bzw der Anrechnung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 56 Abs 3 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) betrafen, so lagen ihnen doch Entsendungsfälle zugrunde, in denen in vergleichbarer Weise die hier angesprochene Problematik zu lösen war. Danach ist es für Fälle der fortdauernden Integration ins inländische Arbeitsleben und damit zur Ausstrahlung des inländischen Sozialversicherungsrechts erforderlich, daß das Arbeitsverhältnis zum inländischen Arbeitgeber fortbestehen muß und daß dieses Arbeitsverhältnis bei Beendigung des von vornherein durch Vertrag zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalts mit seinen Hauptpflichten wiederauflebt. Durch das in SozR 7833 § 1 Nr 6 veröffentlichte Urteil vom 22. Juni 1989 - 4 REg 4/88 - wird die hier vertretene Auslegung des § 4 Abs 1 SGB IV noch zusätzlich dadurch unterstützt, daß der 4. Senat des BSG zu dem genannten Ergebnis kommt, obwohl – wie er hervorhebt – in § 1 Abs 1 Nr 2a BKGG der in § 4 Abs 1 SGB IV enthaltene Passus „im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses” fehlt. Wurde aber bei der Auslegung des in § 1 Abs 1 Nr 2a BKGG ohne diesen Passus die Vereinbarung einer Weiterbeschäftigung für erforderlich gehalten, so muß das erst recht bei der Auslegung des § 4 Abs 1 SGB IV gelten, der diesen Passus enthält und damit anordnet, daß das inländische Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich vor und nach der Entsendung bestehen muß.
Das Erfordernis der Weiterbeschäftigung nach Abschluß der Entsendung bei Arbeitnehmern, die zum Zwecke der Entsendung erst eingestellt worden sind, steht auch nicht in Widerspruch zu dem Urteil des 10. Senats des BSG vom 30. Juli 1981 (BSG SozR 5870 § 1 Nr 9), denn in dieser Entscheidung wurde ein Anspruch auf Kindergeld deshalb abgelehnt, weil der im Ausland von einer deutschen Firma beschäftigte Arbeitnehmer vor dieser Tätigkeit nicht im Inland beschäftigt war. Schließlich steht auch das Urteil des 11. Senats des BSG vom 4. Mai 1994 (11 RAr 55/93 - USK 9435) nicht entgegen; denn darin wurde eine Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld deshalb als nicht erfüllt angesehen, weil für die Beschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers im Ausland keine vorher festgelegte Begrenzung des Auslandsaufenthalts iS des § 4 Abs 1 SGB IV festgelegt worden war.
Das LSG hat im vorliegenden Verfahren festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin von der T. AG für den Einsatz in Venezuela vom 29. September 1993 ab vertraglich verpflichtet wurde, ohne daß er in der unmittelbar davor liegenden Zeit bei dieser Firma beschäftigt war. Ferner hat das LSG festgestellt, daß eine Inlandsbeschäftigung bei der T. AG nach dessen Einsatz in Venezuela ausgeschlossen war. Damit steht aber fest, daß der Ehemann der Klägerin nicht „im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses” nach Venezuela entsandt worden ist. Diese Feststellungen sind für den Senat nach § 163 SGG bindend, da die Klägerin in bezug auf sie nur teils unzulässige, teils unbegründete Rügen vorgebracht hat.
Soweit die Klägerin geltend macht, ihrem Ehemann sei bei Vertragsabschluß als Gegenleistung für die Vermittlung des Venezuela-Auftrags ausdrücklich eine Weiterbeschäftigung bei T. C. versprochen worden, und soweit sie die in diesem Zusammenhang getroffene Feststellung des LSG, eine Weiterbeschäftigung sei ausgeschlossen gewesen, für unzutreffend hält, weil nach ihrer Auffassung die Zeugen widersprüchlich ausgesagt hätten, und die Würdigung dieser Aussagen als glaubhaft den Gesetzen der Logik widersprächen, rügt sie damit einen Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. Die in dieser Vorschrift festgelegte Freiheit des Gerichts bei der Beweiswürdigung hat zur Folge, daß eine Überprüfung im Revisionsverfahren nur beschränkt möglich ist. Ein Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das Gericht die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschreitet und wenn sein Urteil auf diesem Mangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31). Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das LSG die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht überschritten. Die Beweiswürdigung steht grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (BSG Urteil vom 31. Mai 1996 - 2 RU 24/95 - HVBG-Info 1996, 2071; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19, jeweils mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, III, RdNrn 162 f sowie IX, RdNr 286). Von einem Verstoß gegen Denkgesetze kann dabei nur gesprochen werden, wenn aus den gesamten Gegebenheiten nur eine Folgerung gezogen werden kann, daß jede andere nicht „denkbar” ist, und das Gericht die allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat. Das Gericht verstößt jedoch nicht gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, wenn es zu falschen Ergebnissen kommt, zB einem Zeugen zu Unrecht glaubt (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 128 RdNr 10 mwN). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, die Aussagen der beiden Zeugen seien widersprüchlich, fehlt es bereits an der Darlegung, worin die angeblichen Widersprüche liegen. Auch ihr Hinweis darauf, die Aussagen der Zeugen seien durch finanzielle Interessen ihres Arbeitgebers beeinflußt, hat sie ohne die Darlegung näherer Einzelheiten hierzu behauptet. Das LSG hat diese bereits im Berufungsverfahren vorgetragene Behauptung gewürdigt und nicht für stichhaltig befunden. Jedenfalls verstößt die Entscheidung des Gerichts, die beiden Zeugen für glaubhaft zu halten und das Urteil auch auf ihre Aussagen zu stützen, nicht im obigen Sinne gegen die Denkgesetze. Denn auch aufgrund anderer Feststellungen (Lebensalter des Ehemanns der Klägerin, keine Beschäftigung bei der T. AG vor der Entsendung, keine schriftliche Vereinbarung über eine Inlandsbeschäftigung, Projektbezogenheit der vereinbarten Tätigkeit) war denkbar, daß eine Weiterbeschäftigung des Ehemanns der Klägerin nach seinem Auslandseinsatz bei der T. AG nicht vorgesehen war. Selbst wenn eine andere Wertung als die vom LSG vorgenommene möglich wäre, ist der Senat an die vom LSG vorgenommene Beweiswürdigung gebunden; denn dem Revisionsgericht ist es nicht gestattet, unter mehreren möglichen Beweiswürdigungen selbst die Wahl zu treffen oder diese sonst zu bewerten (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31).
Soweit die Klägerin vorträgt, die Beklagte habe gegen den Grundsatz „venire contra factum proprium” verstoßen, als sie nach vier Jahren Verfahrensdauer völlig überraschend die internationale Zuständigkeit gemäß § 4 SGB IV und die persönliche Anwendbarkeit bestritten habe, läßt der Senat offen, ob bei einem Verstoß gegen diesen Grundsatz ein Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen bestehen würde; denn jedenfalls liegt ein derartiger Verstoß nicht vor. Mit diesem Vorbringen macht die Klägerin das Rechtsinstitut der Verwirkung geltend, das als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialrecht gilt (BSGE 41, 275, 278 = SozR 5548 § 3 Nr 2 mwN). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, daß der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden „besonderen Umstände” liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, daß dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, daß das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), daß ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSGE 47, 194, 196 mwN = SozR 2200 § 1399 Nr 11).
Bei der Beklagten fehlt es bereits an einem Verwirkungsverhalten. Sie hat weder in den angefochtenen Bescheiden noch in ihren späteren Schriftsätzen erklärt, daß es sich bei der Entsendung des Ehemannes der Klägerin um einen Fall der Ausstrahlung iS des § 4 Abs 1 SGB IV gehandelt habe. Sie hat allerdings die Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen zunächst nicht mit dem Fehlen der Voraussetzungen für eine Ausstrahlung begründet, sondern damit, daß der Unfall sich während der Nachtruhe ereignet habe und damit in den vom Versicherungsschutz nicht erfaßten persönlichen Lebensbereich falle. Sie hat damit ein Argument für die Leistungsablehnung gewählt, das aus damaliger Sicht wesentlich leichter nachweisbar und rechtlich unkomplizierter als die Begründung einer fehlenden Ausstrahlung war, in der das LSG eine klärungsbedürftige Rechtsfrage gesehen hat und die es daher veranlaßt hat, die Revision zuzulassen. Eine Behörde, die, wie die Beklagte, von mehreren möglichen Begründungen für eine Ablehnung eine wählt, erklärt aber damit auch nicht indirekt, daß sie andere Begründungen für unzutreffend hält. Das gilt auch dann, wenn eine andere Begründung in der logischen Reihenfolge vorrangig ist. Als besonderer Umstand kommt hier hinzu, daß die Klägerin erst im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, daß der Unfall ihres Ehemannes sich in Zusammenhang mit einer betrieblichen Verrichtung (telefonische Mitteilung eines Störfalles) ereignet habe. Damit aber hat die Klägerin selbst die Ursache dafür gesetzt, daß die Beklagte nunmehr eine andere Begründung für ihre Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen gewählt hat.
Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, bei ihrem Ehemann habe infolge der Annahme der Beiträge durch die Beklagte für ihn eine Formalversicherung bestanden, kann dieser Vortrag schon deshalb nicht zur Gewährung von Hinterbliebenenleistungen führen, weil es sich dabei um eine vom Revisionsgericht wegen § 163 SGG nicht zu beachtende Behauptung neuer Tatsachen handelt (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 163 RdNr 4 mwN). Bis zur letzten Tatsacheninstanz hat die Klägerin nämlich lediglich vorgetragen, es könne möglicherweise eine freiwillige Versicherung iS des § 762 Abs 2 RVO bestanden haben. Damit hatte die Klägerin aber einen anderen Sachverhalt angesprochen als den nunmehr vorgetragenen, der eine Versicherung ihres Ehemannes nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO betrifft.
Das übrige Vorbringen der Klägerin betrifft die Frage, ob ihr Ehemann bei der T. C. während seines Einsatzes in Venezuela als Arbeitnehmer beschäftigt war. Wie das LSG kann auch der Senat diese Frage offenlassen; denn auch im Falle ihrer Bejahung sind die Voraussetzungen des § 4 Abs 1 SGB IV nicht erfüllt, weil vor und nach der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis im Inland nicht bestand.
Die Revision der Klägerin war mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542838 |
FA 1999, 416 |
SozSi 2000, 106 |