Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. September 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Versicherungsbeiträgen, die die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) für H. H. (H) aufgewendet hat.
Der am 11. Januar 1931 geborene H war bei der Klägerin seit März 1965 als Betriebsschlosser beschäftigt. Die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber war tarifvertraglich ausgeschlossen. Die Klägerin kündigte H am 29. September 1992 mit der Begründung, durch den Neubau einer Gießerei und die damit verbundene Verlagerung der Schlosserei von S. nach G. mit dem Ziel der Konzentration der Arbeitsstätten müsse eine Personalreduzierung vorgenommen werden. Die Klägerin zahlte dem H keine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen.
H meldete sich zum 1. Januar 1993 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte zahlte ihm ab 1. Januar 1993 Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Seit dem 1. Februar 1994 erhält H eine Altersrente für langjährig Versicherte.
Auf die Erstattungsvorschrift des § 128 AFG hingewiesen, machte die Klägerin geltend, H habe zunächst mündlich gekündigt; erst daraufhin habe sie die Kündigung formell ausgesprochen. Nach den ursprünglichen Planungen habe der Arbeitsplatz des H im Januar 1993 wegfallen sollen. Da dies nicht notwendig geworden sei, habe man H im Frühjahr 1993 die Wiedereinstellung angeboten, die dieser jedoch wegen seines Wunsches, in Rente zu gehen, abgelehnt habe. Mit Bescheid vom 19. April 1994 stellte die Beklagte die Verpflichtung der Klägerin fest, das Alg sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung für das Jahr 1993 zu erstatten. Sie machte für diesen Erstattungszeitraum eine Gesamtforderung von 28.716,35 DM (Alg für 313 Leistungstage: 19.124,30 DM; Beiträge zur Krankenversicherung: 6.245,30 DM; Beiträge zur Rentenversicherung: 3.346,75 DM) geltend (Bescheid vom 13. Juni 1994). Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 1994 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben. Das SG hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne sich auf den Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG berufen. Es habe ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorgelegen. Unerheblich sei, daß in der Folgezeit die beabsichtigte Zusammenlegung der Schlossereien nicht mehr durchgeführt worden sei. Zwar habe die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung keine soziale Auswahl getroffen. Dies sei aber entbehrlich gewesen, weil H in einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Klägerin seinen fehlenden Willen zur Weiterarbeit zum Ausdruck gebracht habe.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die gewählte Beendigungsform des Arbeitsverhältnisses sei ausnahmsweise als Eigenkündigung des Arbeitnehmers iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG zu interpretieren. An die formal durch die Klägerin ausgesprochene – offensichtlich nicht sozial gerechtfertigte oder aus wichtigem Grund erfolgte – Kündigung, bei der es sich vielmehr um eine typische Wunschkündigung gehandelt habe, sei der Senat nicht gebunden. Nach Würdigung der Erklärungen aller an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Beteiligten sei es naheliegend, daß H das Arbeitsverhältnis ggf auch formell durch eigene Kündigung beendet hätte, wenn die von ihm gewünschte Beendigungsform nicht praktiziert worden wäre. Die Klägerin habe dem H keinen Anreiz für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben und sie habe auch nicht die für den Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung bestehende Frist von drei Monaten verkürzt. Daß die Klägerin – bewußt oder unbewußt – den Eintritt einer Sperrzeit verhindert und dem H zum alsbaldigen Bezug der Rente verholfen habe, begründe nicht die aus dem Schutzbedürfnis älterer betriebstreuer Arbeitnehmer und der damit korrespondierenden erhöhten Fürsorgepflicht abzuleitende Verantwortungsbeziehung, die § 128 AFG voraussetze. Die Kündigung habe auch nicht der Interessenlage der Klägerin entsprochen, selbst wenn dies nach der im sozialgerichtlichen Verfahren vordergründig geführten Diskussion den Anschein habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG. Der Gesetzgeber habe § 128 AFG mit Wirkung vom 1. Januar 1993 entsprechend den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Urteil vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 44/86 und 48/87 - formstreng gefaßt. Der Arbeitgeber solle nur dann von der Erstattungspflicht befreit werden, wenn er im Rahmen eines Personalabbaus die arbeitsrechtlichen Kriterien der sozialen Auswahl beachte. Im gegebenen Fall habe die Klägerin ihr Einverständnis mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck gebracht. Sie habe damit zugleich das Interesse des Arbeitnehmers H gefördert, Alg sofort unter Vermeidung einer Sperrzeit zu beziehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. September 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27. November 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin führt aus, die Beklagte gehe von falschen Voraussetzungen aus; denn H habe das Arbeitsverhältnis selbst mündlich gekündigt. Sie habe weder die Initiative zu der Kündigung des H ergriffen, noch ihn bestärkt. Somit greife der vom LSG angenommene Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG ein. Darüber hinaus lägen auch die vom SG angenommenen Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 4 und 5 AFG vor. Selbstverständlich sei es ein wichtiger Grund für den Arbeitgeber, eine Kündigung auszusprechen, wenn ein Mitarbeiter erkläre, daß er absolut nicht mehr arbeiten wolle und deutlich mache, daß er zukünftig nur noch Freizeit haben und sich um sein Hobby, die Taubenzucht, kümmern wolle.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Entscheidung des LSG verletzt § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG. Für eine abschließende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide vom 19. Mai 1994 (Feststellung der Erstattungspflicht vom 1. Januar 1993 bis einschließlich 31. Dezember 1993) und vom 13. Juni 1994 (Abrechnungsbescheid für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1993) idF des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1994. Obwohl der Senat bereits entschieden hat, daß eine Befugnis der Beklagten, eine Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128 AFG dem Grunde nach festzustellen, nicht gegeben ist (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 4), bedarf diese Frage hier keiner Vertiefung. Denn durch den nachfolgenden „Abrechnungsbescheid” ist der „Grundlagenbescheid” überholt, weil durch ihn der im „Grundlagenbescheid” aufgeführte Erstattungszeitraum erschöpft wird.
Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG (idF des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I S 2044) erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der BA vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Diese Voraussetzungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffen und damit für das BSG bindend sind, erfüllt.
Die Revision rügt mit Recht, daß das LSG eine Ausnahme von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG angenommen hat. Nach dieser Vorschrift tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat. Das LSG hat zwar festgestellt, daß die Klägerin dem H in Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine finanziellen Vergünstigungen gewährt hat, die als Anreiz für eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses seitens des H gewertet werden könnten. Es fehlt indes an einer Kündigung durch H.
Eine unmittelbare Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG scheitert daran, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch eine Kündigung des Arbeitslosen, sondern durch eine Kündigung der Klägerin beendet wurde. Insoweit ist das LSG rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß aus den Äußerungen des H gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin, er wolle in Rente gehen, nicht folgt, er habe eine Kündigungserklärung abgegeben. Hierbei bedarf es keiner Erörterung, inwieweit das Revisionsgericht bei der Prüfung der Frage, ob das LSG die von H abgegebenen Erklärungen zutreffend gewürdigt hat (§§ 133, 157 BGB) Beschränkungen unterliegt (vgl zum Meinungsstand Mayer-Maly, Münchener Komm, § 133 BGB Rz 58 ff). Denn aus dem vom LSG festgestellten und von den Beteiligten nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen Inhalt der Erklärungen des H folgt, daß dieser keine Kündigungserklärung abgegeben hat. Das LSG hat die Anforderungen nicht verkannt, die an eine wirksame Kündigungserklärung zu stellen sind.
Zwar kann eine Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung auch ausgesprochen werden, ohne daß der Kündigende ausdrücklich die Worte „kündigen” oder „Kündigung” gebraucht, wenn der Kündigende dem anderen eindeutig seinen Willen kundgibt, das Arbeitsverhältnis lösen zu wollen (BAG AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr 1). Allerdings muß der Wille, das Vertragsverhältnis zu beenden, klar erkennbar sein (Erfurter Komm Ascheid § 1 KSchG RdNr 35; Küttner/Eisemann, Personalbuch 1999, Kündigung, allgemein, RdNr 39; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl 1996, § 123 III 1; Henniger, NZA 1999, S 291). Hohe Anforderungen sind an die Klarheit und Eindeutigkeit der Kündigungserklärung schon deshalb zu stellen, weil es sich um einen erheblichen Eingriff in das idR die Lebensgrundlage des Arbeitnehmers bildenden Arbeitsverhältnisses handelt. Es muß sich deshalb zumindest aus dem Gesamtzusammenhang zweifelsfrei ergeben, daß eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewollt ist und wann das Beschäftigungsverhältnis aufgelöst sein soll (BAG AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr 2). Das LSG hat unter Anwendung dieser Grundsätze zutreffend angenommen, daß den Erklärungen des H für einen objektiven Beobachter in der Lage der Klägerin nicht die Bedeutung einer Kündigungserklärung beigemessen werden kann. Offenbar hat auch die Klägerin die Äußerungen des H nicht so verstanden, denn ansonsten hätte sie nicht ihrerseits eine Kündigung gegenüber H ausgesprochen.
Auch eine sinngemäße Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG ist nicht möglich, selbst wenn der Ausspruch der Kündigung seitens des Arbeitgebers dem Wunsch des Arbeitnehmers entsprach. Sie würde dem Programm des Gesetzes, das in § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 3 und 4 AFG den Nichteintritt der Erstattungspflicht an bestimmte Formen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses knüpft, nicht gerecht.
Allerdings hat das BSG es bisher unentschieden gelassen, ob der Abschluß eines vom Wortlaut des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG nicht erfaßten Aufhebungsvertrages es in allen denkbaren Fallgestaltungen ausschließt, daß der Arbeitgeber sich auf diesen Befreiungstatbestand berufen kann (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 2). Eine „Umdeutung” eines Aufhebungsvertrages in eine Eigenkündigung verbietet sich nach dieser Entscheidung jedenfalls in den Fällen, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abweichend von dem Endtermin festgesetzt wird, der sich bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer ergeben würde. Auch hat das BSG in der genannten Entscheidung darauf hingewiesen, daß zur Erreichung des Zweckes des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG, die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aus der Erstattungspflicht auszunehmen, soweit der Arbeitgeber das Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht zu verantworten hat und er kein Interesse an der Lösung des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck gebracht hat (vgl BT-Drucks 12/3211 S 25), an äußere Merkmale angeknüpft wird, die den Schluß darauf zulassen, daß der Arbeitgeber das Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht initiiert oder in sonstiger Weise gefördert hat. Entsprechend läßt sich nach ständiger Rechtsprechung ein Aufhebungsvertrag nicht als sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG werten (BSGE 81, 259 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; Urteil vom 7. Mai 1998 - B 11 AL 81/97 R -; Urteile vom 25. Juni 1998 - B 7 AL 80/97 R - und - B 7 AL 82/97 R -). Dies entspricht der Sichtweise des BVerfG, nach der gerade in der Wahl bestimmter „Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer” ein Indiz dafür zu sehen ist, daß die Arbeitslosigkeit in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt (BVerfGE 81, 156, 197 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1).
Demgegenüber würde eine materielle, in erster Linie auf die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugrundeliegende Interessenlage abzustellende Sichtweise (so zB Hanau, DB 1992, 2629; Brandt in Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, § 128 RdNr 33 mwN) dazu führen, die Erstattungsregelung des § 128 AFG praktisch zu entwerten. Denn der bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses älterer Arbeitnehmer häufig fehlende Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer würde die Feststellung darüber in der Regel erschweren oder unmöglich machen, ob der Arbeitgeber unabhängig von seinem formellen Beitrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch materiell die Beendigung initiiert oder gefördert hat. Sollen die mit § 128 AFG verfolgten Zwecke erreicht werden, so muß deshalb bei der Auslegung der Befreiungstatbestände an die vom Gesetzgeber vorgegebene äußere Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeknüpft werden, die bei der Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG ein Einverständnis des Arbeitgebers bei der Lösung des arbeitsrechtlichen Bandes ausschließen muß. Deshalb schließt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Weise, daß der Arbeitgeber durch die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung einen ursächlichen Beitrag zu dessen Auflösung leistet, die Anwendbarkeit des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG zu seinen Gunsten aus. Damit kann die hier vorliegende Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber – auch wenn sie auf den Wunsch des Arbeitnehmers hin erfolgte – nicht den Befreiungstatbestand gemäß § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG erfüllen.
Gegen diese an formellen Kriterien orientierte Auslegung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG kann nicht eingewendet werden, sie verletze den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, weil sie es dem Arbeitgeber selbst dann verwehre, das Arbeitsverhältnis ohne Inkaufnahme der Erstattungspflicht zu kündigen und damit zu beenden, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer praktisch nicht mehr durchgeführt wird. Denn das BSG hat bereits entschieden, daß § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG zugunsten des Arbeitgebers entsprechende Anwendung findet, wenn der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis auf Dauer unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses beendet (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 2). Hat der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis einseitig beendet und hierdurch den Eintritt der Arbeitslosigkeit wesentlich herbeigeführt, droht dem Arbeitgeber die Erstattungspflicht nicht, wenn nunmehr er das rechtliche Band des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung beendet. Diese Grundsätze finden jedoch im vorliegenden Fall keine Anwendung, denn aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, daß der Arbeitnehmer H zwar den Wunsch geäußert hat, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, sich jedoch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen hat.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß einer der in § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 7 genannten Tatbestände vorliegt, die die Erstattungspflicht nicht entstehen lassen. Insbesondere sind die Voraussetzungen der Nrn 4 und 5 nach den Feststellungen des LSG offensichtlich nicht erfüllt. Die Klägerin übersieht insoweit bei ihrem tatsächlichen Vorbringen in der Revisionsinstanz, daß das BSG an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden ist, soweit sie nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen werden (§ 163 SGG).
Zu der Frage, ob § 128 AFG grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, hat das BSG bereits mehrfach Stellung genommen (vgl nur BSGE 81, 259 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; Urteil vom 7. Mai 1998 - B 11 AL 81/97 R -; Urteile vom 25. Juni 1998 - B 7 AL 80/97 R - und - B 7 AL 82/97 R -). Das BSG hat in diesen Urteilen klargestellt, daß die Erstattungsregelung des § 128 AFG nicht als solche verfassungswidrig ist, auch nicht in den Fällen, in denen der Arbeitslose – wie hier – das Alg unter den erleichterten Bedingungen des § 105c AFG in Anspruch genommen hat (BSGE 81, 259, 267 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5). Auf die Rechtsausführungen in jenen Urteilen wird Bezug genommen.
Das LSG hat – von seiner Rechtsauffassung her zutreffend – keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs getroffen. Es fehlen nicht nur Feststellungen, daß H 1993 keinen Anspruch auf Krankengeld, Altersrente und Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit hatte, sondern auch zur Höhe des gezahlten Alg und der darauf beruhenden Erstattungsforderung. Da die tatsächlichen Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des BSG nicht ausreichen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das LSG zurückzuverweisen.
Hierbei wird das LSG zu prüfen haben, ob die gezahlten Leistungen – auch der Höhe nach – rechtmäßig an H zu erbringen waren (vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nrn 2, 3 und 5 mwN). Eine Minderung der Erstattungsforderung läßt sich in diesem Zusammenhang nicht daraus herleiten, daß die Klägerin dem H in der Folgezeit die Wiederaufnahme einer Arbeitstätigkeit angeboten hat. Denn H hatte Anspruch auf Alg, auch wenn er nicht bereit war, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen (§ 105c AFG); auch das in Anwendung des § 105c AFG bezogene Alg hat der Arbeitgeber zu erstatten (BSGE 81, 259, 267 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5).
Fundstellen
BSGE, 75 |
EWiR 1999, 1089 |
AuA 2000, 332 |
NZS 2000, 52 |
SozSi 1999, 412 |