Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Der im Jahre 1932 geborene Kläger beansprucht Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (§ 1246 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Einen Beruf hat der Kläger nicht erlernt. Er war zunächst als Hilfs- und als Bauarbeiter tätig. Von 1960 bis 1979 war er als Schleifer beschäftigt und führte Rundschleif- und Honarbeiten (Feinschleifen) aus. Seinen im Juli 1980 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. September 1980 ab. Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde im Widerspruchsbescheid vom 7. September 1981 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage des Klägers abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) seine Berufung zurückgewiesen (Urteile vom 11. November 1982 und 11. September 1984). Das LSG hat ausgeführt, bisherige Berufstätigkeit des Klägers sei die des angelernten Schleifers, der zur Gruppe der sonstigen Ausbildungsberufe gehöre. Der Kläger habe nur in einem Teilbereich die Tätigkeiten eines Universalschleifers verrichtet. Die für diesen anerkannten Ausbildungsberuf erforderliche Qualifikation besitze er nicht. Zwar sei er wie ein Facharbeiter entlohnt worden; die davon ausgehende Indizwirkung entfalle hier aber, weil die relativ günstige Einstufung und Entlohnung nicht der qualifizierten Arbeitsleistung eines gelernten Facharbeiters entsprochen habe. Da der Kläger noch in vollen Schichten einfache leichte Arbeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne, sei er nicht berufsunfähig im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine Verletzung des materiellen Rechts und zwar des § 1246 RVO sowie Mängel des Berufungsverfahrens.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts aufzuheben und die Beklagte in Abänderung der Bescheide vom 26. September 1980 und 7. September 1981 zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1980 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Die beanspruchte Rente wegen Berufsunfähigkeit steht ihm nicht zu.
Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit im Sinne des § 1246 Abs. 2 RVO ist die bisherige Berufstätigkeit des Klägers. Das LSG hat ihn als angelernten Schleifer angesehen und diesen zur Gruppe der sonstigen Ausbildungsberufe gerechnet. Der Kläger hält diese Zuordnung seiner bisherigen Berufstätigkeit für unzutreffend, weil er als Schleifer den Lohn eines Facharbeiters erhalten habe und somit zur Berufsgruppe der Facharbeiter gehöre. Das LSG hat für den Senat gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindend festgestellt, der Kläger habe den Lohn der Gruppe VII und zeitweilig auch der Gruppe VIII des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern vom 5. Juli 1972 erhalten. Unter die Lohngruppe VII fallen Arbeiten, die ein fachliches Können mit einem Ausbildungsstand erfordern, wie er entweder durch eine fachentsprechende Berufsausbildung oder durch eine Anlernausbildung mit zusätzlicher Berufserfahrung erreicht wird. Die Lohngruppe VIII umfaßt diejenigen Arbeiten der Gruppe VII, die besondere Fertigkeiten und/oder Berufserfahrung erfordern. Der Kläger ist somit während seiner Beschäftigung mit Schleifarbeiten wie ein Facharbeiter entlohnt worden.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung die tarifliche Einstufung als zuverlässiges Indiz für die Qualität einer Tätigkeit angesehen (vgl. Urteile des Senats vom 1. Dezember 1983 und 1. Februar 1984 in SozR 2200 § 1246 Nrn. 111 und 116 sowie vom 3. Oktober 1984 - 5b RJ 20/84 und 5b RJ 28/81 - m.w.N.). Unter den Begriff der tariflichen Einstufung wird dabei einerseits die Eingruppierung einer bestimmten Tätigkeit verstanden, andererseits aber auch die Rangfolge im Lohngefüge des betreffenden Lohntarifvertrages. Der Kläger beruft sich in seiner Revisionsbegründung auf die Ausführungen im Urteil vom 1. Februar 1984 aaO, wonach die tarifliche Einstufung nicht nur verläßliches Indiz für die Qualität der Tätigkeit bei Berufen ist, die nach einer ordnungsgemäßen Ausbildung ausgeübt worden sind, die Bewertung durch die Tarifpartner vielmehr auch dann als verläßlich zu akzeptieren ist, wenn den anerkannten Ausbildungsberufen andere Tätigkeiten - insbesondere wegen ihrer Bedeutung für den Betrieb - qualitativ gleichgestellt sind.
Diese Rechtsprechung, mit der der Senat erreichen will, daß die Verweisung im Rahmen des Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit sich im gesamten Bundesgebiet grundsätzlich an möglichst einheitlichen und objektiv nachprüfbaren Kriterien orientiert, kann nicht dazu führen, den Kläger wie einen Facharbeiter zu behandeln, auch wenn er als solcher entlohnt worden ist. Wie der 5a Senat des BSG im Urteil vom 13. März 1985 - 5a RKn 6/84 - bereits klargestellt hat, stellt der Rückgriff auf die tarifliche Einstufung nur eines unter mehreren Hilfsmitteln dar, um die objektive Qualität des bisherigen Berufs und der Verweisungstätigkeiten zu bestimmen (vgl. Urteil des 1. Senats vom 3. November 1982 in SozR 2200 § 1246 Nr. 102 m.w.N.). Aus der Entlohnung allein lassen sich Qualität und betriebliche Bedeutung nicht einfach ablesen. Vielmehr ist entscheidend der aus den tariflichen Tätigkeitsmerkmalen und dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages zu entnehmende qualitative Wert, wobei die zu vermutende Richtigkeit der Einstufung durchaus widerlegt werden kann (vgl. BSGE 51, 135, 138 = SozR aaO Nr. 77; vgl. auch aaO Nr. 106). Dabei ist nicht verkannt worden, daß es Fälle gibt, in denen für die Zuordnung zu einer bestimmten Lohngruppe qualitätsfremde Merkmale maßgebend waren (SozR aaO Nr. 101). Allerdings kommt eine andersartige qualitative Bewertung nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Tätigkeit tariflich nicht erfaßt ist, oder wenn der einschlägige Tarifvertrag keine oder keine geeignete qualitative Wertung enthält (so Urteil des 1. Senats vom 3. November 1982 aaO m.w.N.).
In den Urteilen des Senats vom 1. Dezember 1983 und 1. Februar 1984 (aaO) sowie in den ferner erwähnten vom 3. Oktober 1984 ging es um die tarifliche Gleichstellung von eigenständigen angelernten Tätigkeiten mit anderen - wesensverschiedenen - Facharbeitertätigkeiten wegen der betrieblichen Bedeutung der ersteren. Der Senat hat diese tariflich den Facharbeitern gleichgestellten Berufstätigkeiten ohne anerkannten Ausbildungsgang grundsätzlich zur Gruppe der Facharbeiter gerechnet, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß die in der Einstufung durch die Tarifpartner zum Ausdruck kommende Bewertung nicht an qualitativen Merkmalen der Berufstätigkeit orientiert ist. Dabei geht also die Indizwirkung von der generellen tariflichen Einstufung in die durch Facharbeiter geprägte Lohngruppe aus und ist losgelöst von der Entlohnung eines bestimmten Arbeitnehmers. In jenen Fällen kann es nur darauf ankommen, ob der Versicherte die bisher ausgeübte - angelernte - Tätigkeit vollwertig ausgeübt hat, die aus Qualitätsgründen in die Tarifgruppe anderer Facharbeiten aufgenommen worden ist. Die Tarifgruppen VII und VIII des genannten Manteltarifvertrags, nach denen der Kläger entlohnt worden ist, beinhalten indes keine derartige Gleichstellung, sondern Facharbeitertätigkeiten und daneben andere, die wegen erschwerender oder besonders erschwerender Belastungen höher bewertet werden. Letztere betreffen jedoch keine qualitätsorientierte Einstufung im Sinne der Rechtsprechung des BSG; denn negative Bedingungen der Arbeit müssen dabei unberücksichtigt bleiben (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 111 m.w.N.).
Im Falle des Klägers lautet die entscheidende Frage also, ob er ohne die für den Universalschleifer vorgesehene Ausbildung und Prüfung dennoch vollwertig als Facharbeiter gearbeitet hat. Hier kann allein aus der Entlohnung nicht auf eine entsprechende Qualifikation geschlossen werden. Beim Kläger handelt es sich demnach nicht um eine tarifliche Gleichstellung einer - anderen - Tätigkeit mit Facharbeiten, sondern darum, ob er die an einen tariflich erfaßten Facharbeiter zu stellenden Anforderungen auch ohne den dafür vorgesehenen Ausbildungsgang erfüllt hat.
Neben der Entlohnung als Facharbeiter ist für diesen Fall zu verlangen, daß der Versicherte nicht nur eine seinem individuellen Arbeitsplatz entsprechende Leistung erbringt, sondern auch über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt, die in seiner Berufsgruppe im allgemeinen erwartet werden. In diesem Sinne muß eine "Wettbewerbsfähigkeit" im Vergleich zu anderen Versicherten derselben Berufsgruppe bestehen (so BSG in SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 61, 68). Ergeben sich Zweifel, ob der Versicherte eine Facharbeitertätigkeit vollwertig verrichtet hat, so muß das Gericht weitere Feststellungen treffen. Diese sind insbesondere dann erforderlich, wenn einerseits der Facharbeiterlohn gezahlt worden ist, andererseits aber der Arbeitgeber die entsprechende Tätigkeit als lediglich angelernt qualifiziert hat. Für die erforderlichen Ermittlungen kommen dann z.B. Auskünfte von Arbeitsämtern, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften oder Großbetrieben sowie Gutachten von berufskundlichen Sachverständigen in Betracht (vgl. für das Vorhandensein von Arbeitsplätzen BSG in SozR aaO Nr. 102).
Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil des LSG. Wegen der unterschiedlichen Bewertung der bisherigen Berufstätigkeit des Klägers, wie sie einmal in der Entlohnung und zum anderen in den Auskünften der Arbeitgeber zum Ausdruck kommt, war eine weitere Sachaufklärung geboten. Anhand der Ausführungen eines berufskundlichen Sachverständigen ist das LSG sodann zu der Überzeugung gelangt, bisheriger Beruf des Klägers sei der des angelernten Schleifers in der Gruppe der sonstigen Ausbildungsberufe, denn der Kläger habe nur in einem Teilbereich des Ausbildungsberufes Universalschleifer gearbeitet, d.h. nicht sämtliche der von den Tarifgruppen VII und VIII des genannten Manteltarifvertrags erfaßten Facharbeiten ausführen können. Nach der einhelligen Rechtsprechung des BSG kann dann aber nicht von einem bisherigen Beruf mit dem Leitbild des Facharbeiters ausgegangen werden.
Der Kläger meint nun, das LSG habe ihn nicht am anerkannten Ausbildungsberuf Universalschleifer messen dürfen, es habe vielmehr den Beruf des Rundschleifers zugrunde legen müssen. Mit diesem Revisionsvorbringen läßt sich das angefochtene Urteil nicht angreifen, denn der Kläger räumt selbst ein, mit Ausnahme des Universalschleifers handele es sich bei den anderen Schleifertätigkeiten nur um Anlernberufe.
Auch seinen Schlußfolgerungen bezüglich der Einengung erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten auf einen ausschließlich ausgeübten Teilbereich des erlernten Berufs, vermochte der Senat nicht zu folgen. Der Kläger argumentiert dahingehend, habe ein ordnungsgemäß ausgebildeter Versicherter in seinem Ausbildungsberuf über längere Zeit nur in einem Teilbereich gearbeitet, so seien seine Kenntnisse für die anderen Teilbereiche des erlernten Berufs nicht mehr wettbewerbsfähig verwertbar. Ein solcher Versicherter werde gleichwohl als Facharbeiter angesehen. Deshalb müsse wegen der gebotenen Gleichbehandlung auch dem Kläger der Berufsschutz eines Facharbeiters zuerkannt werden, auch wenn er nur in Teilbereichen des Ausbildungsberufes Universalschleifer eingesetzt worden sei. Der Schluß, es bestehe kein Qualitätsunterschied in den Kenntnissen und Fähigkeiten des umfassend ausgebildeten Versicherten und desjenigen, der nur den Teilbereich kennengelernt und in ihm gearbeitet hat, ist verfehlt. Jedenfalls zwingt der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht dazu, den eingeschränkt ausgebildeten oder eingearbeiteten Versicherten demjenigen gleichzustellen, der seine Facharbeiterqualifikation schon in einer entsprechenden Prüfung unter Beweis gestellt hat.
Soweit der Kläger die Feststellungen des LSG zu seiner bisherigen Berufstätigkeit mit der Rüge von Verfahrensmängeln angreift, entspricht die Revisionsbegründung nicht den Anforderungen des § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG. Danach sind bei der Rüge von Verfahrensmängeln die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Der Kläger begnügt sie insoweit mit folgenden Hinweisen: Das LSG verweise auf die Angaben des Klägers bei der Anhörung durch den Sachverständigen. Diese Aussagen hätte das Gericht nicht verwerten dürfen ohne seine eigene Sachkunde für die Bewertung der Kenntnisse des Klägers im einzelnen darzulegen und zu begründen. Die Aussagen des Klägers seien nur im Zusammenhang mit der Stellungnahme des Sachverständigen verwertbar. Diese könne keinesfalls als Gutachten eines Sachverständigen angesehen werden, denn sie entspreche nicht den daran zu stellenden Mindestanforderungen. Es handele sich folglich nicht um ein verwertbares Sachverständigengutachten. Diese allgemein gehaltenen Hinweise in der Revisionsbegründung reichen nicht aus, um einen Verfahrensmangel zu "bezeichnen". Dazu müssen vielmehr die ihn aus der Sicht des Revisionsführers begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Erforderlich ist eine Begründung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann. Das LSG hat den Kläger über Einzelheiten seiner Tätigkeit als Schleifer im Beisein des berufskundlichen Sachverständigen und unter dessen Mitwirkung befragt. Diese Angaben des Klägers hat der Sachverständige sodann ausgewertet und die Beweisfragen des Gerichts schriftlich beantwortet. Aus der Revisionsbegründung ergibt sich nicht schlüssig, warum es dem LSG verwehrt sein sollte, die Angaben des Klägers und das Sachverständigengutachten zu verwerten. Das Berufungsgericht hat sich dabei nicht auf eigene Sachkunde, sondern auf das Gutachten des Sachverständigen gestützt. Es ist auch nicht dargelegt worden, wie das LSG nach Ansicht des Klägers hätte richtig verfahren müssen und welches für ihn günstige Ergebnis dann zu erwarten gewesen wäre.
Ausgehend von einer bisher verrichteten Berufstätigkeit im Sinne des § 1246 Abs. 2 RVO in einem sonstigen Ausbildungsberuf (angelernter Arbeiter) hat das LSG den Kläger zumutbar auf ungelernte Arbeiten verwiesen. Damit steht ihm die beanspruchte Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen