Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung; Satzung zur Regelung des Krankengeldbezugs für freiwillig Versicherte. Aufhebung von Satzungsregelungen für die Zukunft. Verfassungsmäßigkeit. Krankenversicherung. freiwillig Versicherter. Krankengeld. generelle Wartezeit von 28 Tagen auch bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit. Änderung. anderslautende Satzungsregelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Regelung des § 44 Abs. 2 SGB V, wonach die Satzung für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krg ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen kann, ist verfassungsgemäß (stRspr; vgl. BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 7; BSGE 76,1, 4).
2. Wegen der geringeren Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter (vgl. BSGE 70, 13, 19), die typischerweise bei Eintritt einer Arbeitsverhinderung den Wegfall des Arbeitseinkommens aus eigenen Mitteln jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum überbrücken können (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 4; BSGE 76, 1, 5), lässt § 44 Abs. 2 SGB V sogar den völligen Ausschluss des Krankengeldanspruchs zu. Sie ermächtigt daher den Krankenversicherungsträger auch dazu, Satzungsregelungen unter Berücksichtigung allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsätze mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen. Satzungsänderungen dieser Art verstoßen weder gegen die Eigentumsgarantie noch gegen das Rechtsstaatsprinzip
3. § 44 Abs. 2 SGB V erlaubt einer Krankenversicherung auch, eine Satzungsregelung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, der zufolge ein freiwillig Versicherter, der auf Grund einer bestimmten Krankheit bereits innerhalb der letzten sechs Monate arbeitsunfähig gewesen war und deswegen ab dem 29. Tag der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld erhalten hatte, bei erneuter Erkrankung wegen derselben Krankheit bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bekam, während bei einer Arbeitsunfähigkeit auf Grund einer anderen Krankheit der Krankengeldanspruch erst ab dem 29. Tag der Arbeitsunfähigkeit entstand. Die Aufhebung einer solchen Satzungsregelung ist umso mehr gerechtfertigt, als darin eine Ungleichbehandlung liegt, die sachlich nicht begründet werden kann.
Orientierungssatz
Eine Krankenkasse ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten berechtigt, in ihrer Satzung eine generelle Wartezeit von 28 Tagen auch bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit bei freiwillig Versicherten vorzusehen und eine anderslautende Satzungsregelung mit Wirkung für die Zukunft zu streichen.
Normenkette
SGB V § 44 Abs.2; GG Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) an einen freiwillig Versicherten.
Der 1953 geborene Kläger ist hauptberuflich selbstständiger Hausverwalter und seit mehreren Jahren bei der beklagten Ersatzkasse freiwillig versichert. Die Satzung der Beklagten schließt für hauptberuflich Selbstständige einen Krg-Anspruch aus; in diesem Fall gilt ein ermäßigter Beitragssatz. Auf Antrag können sich freiwillig versicherte Selbstständige zum allgemeinen Beitragssatz mit einem Krg-Anspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit (AU) oder - wie der Kläger - zum erhöhten Beitragssatz mit einem Krg-Anspruch ab dem 29. Tag der AU versichern. Nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung der Satzung der Beklagten begann der Krg-Anspruch bei wiederholter AU auf Grund derselben Krankheit nur dann erst mit dem 29. Tag der AU, wenn zwischen dem Ende einer AU und dem Beginn einer erneuten AU mehr als sechs Monate lagen; waren seit der letzten zur Krg-Gewährung führenden AU weniger als sechs Monate vergangen, wurde im Falle einer Wiedererkrankung wegen derselben Krankheit Krg bereits ab dem ersten Tag der AU gewährt. Mit Wirkung vom 1.1.2002 wurde § 20 Abs 3 der Satzung der Beklagten gestrichen, sodass in der vom Kläger gewählten Versicherung seither bei jeder erneuten AU jeweils eine Wartezeit von 28 Tagen besteht, dh auch dann, wenn es sich um dieselbe zur AU führende Krankheit innerhalb eines Sechsmonatszeitraums handelt.
Nach Inkrafttreten der Satzungsänderung gewährte die Beklagte dem wiederholt arbeitsunfähigen Kläger bei jeder erneuten Erkrankung Krg erst ab dem 29. Tag der AU. Eine Krg-Gewährung in den bzw für die jeweils ersten 28 Tage(n) der AU lehnte sie hingegen ab (für die Zeiten vom 14.1. bis 20.1.2002 und vom 22.4. bis 12.5.2002 mit Bescheiden vom 15.5. und 30.5. sowie vom 3.6. und 10.6.2002 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2002 und für die Zeiten vom 28.5. bis 25.9.2002, vom 2. bis 15.10.2002 sowie vom 20.12.2002 bis 30.1.2003 mit Bescheid vom 30.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.5.2003).
Der Kläger hat hiergegen im September 2002 und im Juni 2003 Klagen erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat beide Klagen verbunden und mit Urteil vom 12.7.2004 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 22.4. bis 12.5. und vom 20.12.2002 bis 30.1.2003 Krg zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. In den genannten Zeiträumen habe es sich um Erkrankungen gehandelt, deretwegen der Kläger in den letzten sechs Monaten bereits wegen einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit arbeitsunfähig gewesen sei und die Wartezeit bis zum Beginn des Krg ab dem 29. Tag der AU erfüllt habe. Die Beklagte habe durch die Streichung des § 20 Abs 3 ihrer Satzung gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) verstoßen. Diese Vorschrift habe Versicherte, die innerhalb einer Sechsmonatsfrist infolge derselben Krankheit wiederholt arbeitsunfähig erkranken, begünstigt, indem sie bei Wiedererkrankung Krg bereits ab dem ersten Tag der AU erhielten. Für die Beseitigung dieser eigentumsgeschützten Begünstigung chronisch kranker Selbstständiger gebe es keine hinreichenden Gründe des öffentlichen Interesses. Insbesondere lägen solche Gründe weder in der Kostenersparnis noch darin, dass durch die Satzungsänderung die hauptberuflich Selbstständigen nunmehr wie selbstständig tätige Künstler und Publizisten behandelt würden. Soweit der Kläger in Zeiten ab Januar 2001 an einer Kieferentzündung und Infektion der oberen Atemwege (14.1. bis 20.1.2002), einem depressiven Syndrom (28.5. bis 24.6.2002) und einer somatischen Störung, Unwohlsein und Ermüdung (2. bis 15.10.2002) arbeitsunfähig erkrankt sei, habe es sich jeweils nicht um dieselbe Krankheit (chronische obstruktive Lungenkrankheit) gehandelt, deretwegen die Wartezeit schon erfüllt worden sei (Urteil vom 4.5.2006).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 44 Abs 2, § 243 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie des Art 14 Abs 1 GG. Sie sei ohne Verfassungsverstoß berechtigt gewesen, § 20 Abs 3 ihrer Satzung zu streichen und generell eine Wartezeit von 28 Tagen einzuführen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 4.5.2006 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12.7.2004 (S 10 KR 1522/02 und S 10 KR 940/03) in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der im Revisionsverfahren nicht durch einen vor dem Bundessozialgericht (BSG) vertretungsberechtigten Bevollmächtigen vertretene Kläger stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückweisen müssen. Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide für die Zeit vom 22.4. bis 12.5.2002 und vom 20.12.2002 bis 30.1.2003 zur Krg-Zahlung verurteilt. Der Kläger hat für die genannten Zeiträume keinen Anspruch auf Krg. Die Beklagte durfte § 20 Abs 3 ihrer Satzung mit Wirkung vom 1.1.2002 aufheben und Krg generell erst ab dem 29. Tag der AU gewähren, ohne gegen Gesetzes- (dazu 1.) und Verfassungsrecht (dazu 2.) zu verstoßen.
1. § 44 Abs 2 SGB V ermächtigte die Beklagte als Satzungsgeber, § 20 Abs 3 ihrer Satzung zum 1.1.2002 mit Wirkung für die Zukunft zu streichen.
a) Nach § 44 Abs 2 SGB V kann die Satzung für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krg ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen. Diese Bestimmung, von deren Verfassungsmäßigkeit der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeht ( vgl BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 7; BSGE 76, 1, 4 = SozR 3-2500 § 45 Nr 1 S 4; im Ergebnis ebenso BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 2 RdNr 9 ), lässt satzungsrechtlich wegen der geringeren Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter ( vgl BSGE 70, 13, 19 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6 ), die typischerweise bei Eintritt einer Arbeitsverhinderung den Wegfall des Arbeitseinkommens aus eigenen Mitteln jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum überbrücken können ( vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4; BSGE 76, 1, 5 = SozR 3-2500 § 45 Nr 1 S 6 ), den völligen Ausschluss des Krg-Anspruchs zu. Sie ermächtigt den Krankenversicherungsträger auch dazu, Satzungsregelungen unter Berücksichtigung allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsätze mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen. Denn die bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten freiwilligen Mitglieder mussten - jedenfalls solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war - seit jeher ( vgl bereits § 215 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung idF vom 19. Juli 1911, RGBl I 509, 550 ) damit rechnen, dass der Versicherungsträger von seiner ihm gesetzlich speziell für das Krg eingeräumten Befugnis ggf auch zu ihren Ungunsten Gebrauch macht, autonomes Recht zu setzen und dabei sogar den Anspruch auf Krg mit Wirkung für die Zukunft vollständig auszuschließen. Daran knüpft auch die Regelung in § 44 Abs 2 SGB V an ( vgl Begründung zum Entwurf der Bundesregierung des Gesundheits-Reformgesetzes ≪GRG≫, BT-Drucks 11/2237 S 180 "Zu § 43 ... Zu Absatz 2" ). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann generell kein Schutz des Vertrauens darauf anerkannt werden, dass das Satzungsrecht für alle Zukunft unverändert so bestehen bleiben wird, wie es bei der Begründung der freiwilligen Mitgliedschaft bestand ( vgl BSGE 42, 244, 246 = SozR 2200 § 213 Nr 2 S 7; BSG, Urteil vom 4.11.1992 - 1 RK 12/92; BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 11; zum Ganzen vgl zuletzt BSG, Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 15/05 R ).
b) Demgemäß durfte auch die Beklagte § 20 Abs 3 ihrer Satzung streichen. Diese Vorschrift führte dazu, dass bei wiederholter krankheitsbedingter AU die sofortige Entstehung eines Krg-Anspruchs von der Art der Erkrankung abhing. War ein Versicherter auf Grund einer bestimmten Krankheit bereits innerhalb der letzten sechs Monate arbeitsunfähig und erhielt er deswegen ab dem 29. Tag der AU Krg, so erhielt er bei erneuter Erkrankung wegen derselben Krankheit bereits ab dem ersten Tag der AU Krg, während bei einer AU auf Grund einer anderen Krankheit der Krg-Anspruch erst ab dem 29. Tag der AU entstand. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar, zumal es nach dem Gesetz für den Wegfall des Arbeitseinkommens, den das Krg ausgleichen soll auf den Grund der jeweiligen Erkrankung nicht ankommt. Diese Ungleichbehandlung wurde durch die Streichung des § 20 Abs 3 der Satzung der Beklagten beseitigt. Die genannte Satzungsregelung konnte, weil der Beginn des Krg-Anspruchs von der Art der Erkrankung abhing, zudem zu schwierigen, verwaltungsintensiven und beim Erfordernis ärztlicher Begutachtung auch zu kostenträchtigen Abgrenzungsproblemen führen. Versicherte konnten nämlich ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran haben, dass als Grund der AU die bereits früher zur AU führende Krankheit festgestellt bzw anerkannt wurde. Unbeschadet der Frage, ob die Beklagte überhaupt berechtigt gewesen war, das gesetzlich geregelte Krg-Recht in ihrer Satzung derart auszugestalten, stellten sich solche Abgrenzungsfragen für den Zeitpunkt der Entstehung des Krg-Anspruchs nach Streichung des § 20 Abs 3 jedenfalls nicht mehr. Die Streichung der Vorschrift führt auch nicht zu einer Verkürzung der gesetzlichen Anspruchsdauer, denn auch für chronisch und langfristig kranke Versicherte wird der Krg-Anspruch zeitlich nicht verkürzt, sondern die Entstehung des Krg-Anspruchs zeitlich nur hinausgeschoben (vgl § 48 SGB V).
Schließlich durfte sich die Beklagte auf ihre Erfahrungen mit der vom Kläger gewählten Versicherung stützen. Sie war zu der Überzeugung gelangt, die Häufigkeit der Krg-Zahlungen gerade in der Versichertengruppe der Selbstständigen mit einem Krg-Anspruch ab dem 29. Tag der AU habe sich gegenüber anderen Versichertengruppen überproportional entwickelt; eine Deckung der Krg-Kosten innerhalb der ersten 28-Tage-Frist sei zudem durch den erhöhten Beitrag dieser Versicherten nicht gedeckt. Mit der Streichung des § 20 Abs 3 wollte die Beklagte somit verhindern, dass diese Gruppe der freiwillig versicherten Selbstständigen mit dem an sie gezahlten Krg bei typisierender und pauschalierender Betrachtung dauerhaft durch andere Versichertengruppen "subventioniert" wurde.
2. Entgegen der Auffassung des LSG widerspricht die Aufhebung des § 20 Abs 3 der Satzung mit Wirkung vom 1.1.2002 nicht dem Verfassungsrecht, insbesondere verstößt die Neuregelung weder gegen den Schutz des Eigentums noch gegen das Rechtsstaatsprinzip.
a) Die Satzungsänderung zum 1.1.2002 hat die Eigentumsrechte des Klägers (Art 14 Abs 1 GG) nicht verletzt ( zum Ganzen vgl zuletzt bereits BSG, Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 15/05 R ). Es bedarf keiner Vertiefung, inwieweit freiwillig versicherte Krankenkassenmitglieder auf Grund der gesetzlichen und satzungsrechtlichen Regelungen einer Anwartschaft auf Krg überhaupt eine durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG geschützte sozialversicherungsrechtliche Position erwerben ( vgl grundsätzlich bejahend Senat SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 9 unter Hinweis auf Vorlagebeschluss des Senats vom 10.12.1991 - 1/3 RK 9/90 - SGb 1992, 508, betreffend das Wiederaufleben des Krg-Anspruchs eines Pflichtversicherten; offen gelassen von BVerfG SozR 3-2500 § 47 Nr 8 und BVerfGE 97, 378 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7; vgl allgemein zur Erfassung sozialversicherungsrechtlicher Positionen von der Eigentumsgarantie zuletzt Senat, Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 4/05 R - SozR 4-2500 § 58 Nr 1, RdNr 13 mwN - Sterbegeld ). Zweifel an der Eigentumsqualität einer Anwartschaft freiwillig Versicherter auf Krg könnten daraus erwachsen, dass der Gesetzgeber - wie dargelegt - diese Anwartschaft mit Blick auf die geringere Schutzbedürftigkeit Selbstständiger verfassungskonform zur Disposition des Satzungsgebers gestellt hat. Er darf sie - im Wege der Satzungsänderung - mit Wirkung für die Zukunft gesetzeskonform (vgl oben) vollständig beseitigen. Es könnte mithin fraglich erscheinen, ob der Gesetzgeber dieser Anwartschaft auf Krg überhaupt eine existenzsichernde Funktion unter Berücksichtigung der typischerweise anderweitig vorhandenen Vorsorgemöglichkeiten freiwillig Versicherter beimisst.
Geht man trotz dieser Bedenken vom Schutz der Anwartschaft freiwillig Versicherter auf Krg durch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG aus, hat die Beklagte indes mit ihrer Satzungsregelung für die freiwilligen Mitglieder nicht in verfassungswidriger Weise in die Rechtsposition des Klägers eingegriffen.
Nach der Rechtsprechung des Senats ergibt sich in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums aus der Bestimmung von dessen Inhalt und Schranken ( BVerfGE 53, 257, 292 = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 58, 81, 109 = SozR 2200 § 1255a Nr 7; BVerfGE 74, 203, 214 = SozR 4100 § 120 Nr 2; 75, 78, 97 = SozR 2200 § 1246 Nr 142; BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 9 mwN ). Die Inhalts- und Schrankenbestimmung ist nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers. Er kann grundsätzlich auch sozialversicherungsrechtliche Ansprüche beschränken und umgestalten ( BVerfGE 74, 203, 214 = SozR 4100 § 120 Nr 2; BVerfG SozR 3-2500 § 47 Nr 8 S 19; BVerfGE 97, 378, 385 ff = SozR 3-2500 § 48 Nr 7 S 31 ff; vgl auch BSG, Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 4/05 R, RdNr 18 mwN zur grundsätzlichen Veränderbarkeit sozial-versicherungsrechtlicher Positionen ), wobei ihm eine beträchtliche Gestaltungsfreiheit zusteht. Denn in sozialversicherungsrechtlichen Positionen ist von vornherein in gewissen Grenzen die Möglichkeit von Änderungen angelegt. So hat die Rechtsprechung des BVerfG herausgestellt, dass selbst derjenige, welcher als Pflichtversicherter Mitglied der GKV wird, von Beginn an nicht erwarten darf, die gesetzlichen Vorschriften über die Leistung bestünden auf Dauer unverändert fort und er werde bei notwendigen Änderungen besser gestellt sein als andere Pflichtversicherte. Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind Solidargemeinschaften auf Dauer, die sich im Laufe der Zeit vielfachen Veränderungen anpassen müssen. Wer Mitglied einer so geprägten Gemeinschaft ist, erwirbt nämlich nicht nur die damit verbundenen Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken ( BVerfGE 69, 272, 314 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 135 ). Erst recht gilt dies für sozialversicherungsrechtliche Positionen, die der Gesetzgeber - wie hier - von Anfang an zur Disposition des Satzungsgebers gestellt hat.
Aber selbst wenn man es als erforderlich ansähe, dass auch bei einschränkenden Änderungen satzungsrechtlicher Positionen legitimierende Gründe gegeben sind ( vgl zur Reform eines gesetzlich ausgestalteten Rechtsgebiets BVerfGE 31, 275, 290; BSG SozR 3-2500 § 47 Nr 3 und Urteil des Senats vom 4.11.1992 - 1 RK 12/92 - ), genügt die Satzungsänderung - Aufhebung des § 20 Abs 3 Satzung aF - den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Gesetzliche Regelungen iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind ( vgl BVerfGE 31, 275, 290; 36, 281, 293; 58, 81, 121 f = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 18 ). Solche liegen hier mit den oben aufgeführten Gründen (vgl II 1 b) vor.
b) Die Satzungsänderung verstößt auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG). Die Satzungsänderung wirkte allein für die Zukunft, sodass die Prüfmaßstäbe anzulegen sind, die für die sog unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung gelten. Ein solcher Fall liegt vor, wenn - wie hier - eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet ( BVerfGE 101, 239, 263; BVerfGE 69, 272, 309 f = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 132; BVerfGE 51, 356, 362 = SozR 2200 § 1233 Nr 12 mwN ) oder wenn eine Norm künftige Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht ( BVerfGE 79, 29, 45 f; BVerfGE 72, 141, 154 = SozR 2200 § 1265 Nr 78 ).
Die von der Verfassung für eine solche rechtliche Ausgestaltung gezogene Grenze wurde beim Wegfall der Bestandsschutzregelung des § 20 Abs 3 Satzung aF nicht überschritten. Das durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gesicherte Vertrauen wird bei der unechten Rückwirkung nämlich nur enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Berechtigte nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte ( BVerfGE 69, 272, 309 = SozR aaO mwN; BSGE 69, 76, 79 f = SozR 3-2500 § 59 Nr 1 S 4 mwN; Urteil des Senats vom 13.9.2005 - B 1 KR 4/05 R - RdNr 21 mwN ). Ein schützenswertes Vertrauen in die dauerhafte Aufrechterhaltung der genannten Satzungsregelung konnte beim Kläger nicht entstehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 1752072 |
ZfSSV 2007, 116 |