Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Die 1941 in Jugoslawien geborene Klägerin hat keinen Ausbildungsberuf mit formalem Abschluß erlernt. Sie hat in der Zeit von 1963 bis 1971 und von 1986 bis 1989 in Deutschland verschiedene ungelernte Tätigkeiten als Arbeiterin verrichtet, zuletzt als Buffetkraft in einem Schnellimbiß. Rentenanträge der Klägerin von 1971 und 1980 wurden mangels Vorliegens von EU oder BU abgelehnt.
Im November 1989 beantragte die Klägerin erneut Rente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da EU oder BU nicht gegeben sei (Bescheid vom 18. Juni 1990). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß die Klägerin noch vollschichtig leistungsfähig sei (Urteil vom 14. Oktober 1991).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 16. Dezember 1993). Es hat ausgeführt: Die Klägerin sei ungelernte Arbeiterin und somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Sie könne noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten verrichten, ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen, ohne überwiegendes Stehen und Gehen und ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft und Nässe. Bei Versicherten, die noch vollschichtig arbeiten könnten, sei von einem offenen Arbeitsmarkt auszugehen.
Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie trägt vor: Nach der bisherigen Rechtsprechung sei dem Versicherten der Arbeitsmarkt dann verschlossen, wenn bei ihm atypische gesundheitliche Einschränkungen vorlägen, die seinen Einsatz in Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zusätzlich erschwerten, und nicht mindestens eine Tätigkeit konkret benannt werden könne, die der Versicherte nach seinen Kräften und Fähigkeiten (zumutbar) verrichten könne. Die bisherige Rechtsprechung sei ergänzungsbedürftig. Ob der Versicherte noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt habe, könne letztlich nur an den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes (ArbA) gemessen werden. Die Klägerin sei seit dem Frühjahr 1989 arbeitslos, ohne daß ihr das ArbA eine Stelle habe vermitteln können.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Dezember 1993 und des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Oktober 1991 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 1990 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab dem 21. November 1990 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin keine Rente wegen EU oder BU zusteht.
1. Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da die Klägerin ihren Rentenantrag vor dem 1. April 1992 gestellt hat und der begehrte Rentenbeginn (21. November 1990) vor dem 1. Januar 1992 liegt (§ 300 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - ≪SGB VI≫; Kasseler Komm-Niesel, Stand: 1. März 1995, § 300 SGB VI RdNr 7).
2. Aus den bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG ergibt sich, daß die in §§ 1246 Abs. 1, 1247 Abs. 1 RVO genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung erfüllt sind.
3. Die Klägerin ist aber schon nicht berufsunfähig. Gemäß § 1246 Abs. 2 Satz 1 und 2 RVO ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes zugemutet werden können.
Voraussetzung für das Vorliegen von BU ist zunächst, daß der Versicherte seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. "Bisheriger Beruf" ist in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (Bundessozialgericht ≪BSG≫ Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Nach diesen Grundsätzen ist der bisherige Beruf der Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Buffetkraft. Aus den Feststellungen im angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit den in Bezug genommenen Feststellungen des SG ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Klägerin diese Tätigkeit nicht mehr ausüben kann.
Gleichwohl ist die Klägerin nicht berufsunfähig, weil sie noch zumutbar auf andere Tätigkeiten verwiesen werden kann. Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit bestimmt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zugemutet werden können i.S. von § 1246 Abs. 2 RVO einem Versicherten grundsätzlich alle von ihm - nach seinen gesundheitlichen Kräften und seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten - ausführbaren Tätigkeiten, die nach ihrer Wertigkeit dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (BSG Urteil vom 28. November 1985 - 4a RJ 51/84 - BSGE 59, 201 = SozR § 1246 Nr. 132).
Zur Beurteilung der Wertigkeit der verschiedenen beruflichen Tätigkeiten hat die Rechtsprechung des BSG ein Mehrstufenschema entwickelt, demzufolge die Berufe der Versicherten in vier Gruppen eingeteilt werden können. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Danach werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des "angelernten" Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des "ungelernten"
Arbeiters (Ausbildung von weniger als drei Monaten) charakterisiert (vgl. BSG Urteil vom 9. September 1986 - 5b RJ 82/85 - SozR 2200 § 1246 Nr. 140). Ausschlaggebend für die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Mehrstufenschema ist die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG Urteil vom 8. Oktober 1992 - 13 RJ 49/91 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27). Im vorliegenden Fall hat das LSG die Klägerin zu Recht der Gruppe der "ungelernten" Arbeiter zugerechnet, da sie keine Berufsausbildung durchlaufen, lediglich sog ungelernte Tätigkeiten verrichtet hat und nicht tarifvertraglich höher entlohnt worden ist.
Als i.S. von § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des BSG jeweils den Abstieg zur nächstniedrigeren Stufe angenommen. Um eine Nachprüfung dieser Begrenzung zu ermöglichen, wird verlangt, daß die Tätigkeit, auf die verwiesen wird, in ihren typischen Merkmalen (Anforderungsprofil) bezeichnet wird. Da es sich bei den sog ungelernten Tätigkeiten bereits um die unterste Stufe des Mehrstufenschemas handelt, ist für die "ungelernten" Arbeiter ein unzumutbarer weiterer Abstieg von vornherein nicht möglich (Kasseler Komm-Niesel, § 1246 RVO RdNr 22). Die Überprüfung eines Abstiegs ist hier gegenstandslos. Diese Versicherten sind daher grundsätzlich auf jede erwerbswirtschaftliche Tätigkeitsart verweisbar, die keine formale Ausbildung erfordert (iS der bisherigen Rechtsprechung Tätigkeiten des sog allgemeinen Arbeitsmarktes). In diesen Fällen besteht daher nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch grundsätzlich kein Anlaß zur Benennung einer spezifischen Verweisungstätigkeit, weil auf dem sog allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, daß das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (vgl. BSG Urteile vom 18. April 1978 - 4 RJ 55/77 - SozR 2200 § 1246 Nr. 30 und vom 28. August 1991 - 13/5 RJ 47/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8).
Ausnahmsweise ist jedoch auch für einen auf den sog allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren "ungelernten" Versicherten, der wie die Klägerin nur noch körperlich leichte Arbeiten verrichten kann, die Benennung einer spezifischen Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn seine Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist (BSG Urteile vom 18. Februar 1981 - 1 RJ 124/79 - SozR 2200 § 1246 Nr. 75, vom 1. März 1984 - 4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 Nr. 117, vom 6. Juni 1986 - 5b RJ 42/85 - SozR 2200 § 1246 Nr. 136 und vom 28. August 1991 - 13/5 RJ 47/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8). Sinn der Rechtsprechung zur "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" oder zur "Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen" ist es, dann nicht von vornherein von einem "offenen" Arbeitsmarkt auszugehen, sondern diese Frage anhand bestimmter Verweisungstätigkeiten zu prüfen, wenn die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit so erheblich sind, daß ernste Zweifel aufkommen müssen, ob der Versicherte überhaupt in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG a.a.O.).
Eine derartige Fallgestaltung ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Nach den unangegriffenen und daher den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) Feststellungen des Berufungsgerichts ist das qualitative Leistungsvermögen der Klägerin zwar eingeschränkt; sie kann aber noch (vollschichtig) körperlich leichte Arbeiten verrichten, ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen, ohne überwiegendes Stehen und Gehen und ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft oder Nässe.
Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, für die als Beispiele die Einäugigkeit oder Einarmigkeit des Versicherten genannt worden sind (BSG Urteil vom 27. April 1982 - 1 RJ 132/80 - SozR 2200 § 1246 Nr. 90 m.w.N.), liegt offensichtlich nicht vor. Auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen ist zu verneinen: Ein Teil der oben angeführten Einschränkungen der Klägerin stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen, und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule. Es ist auch davon auszugehen, daß körperlich leichte Tätigkeiten generell keine besonderen Anforderungen an die Steh- und Gehfähigkeit des Versicherten stellen werden (vgl. BSG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Damit ist die gesundheitliche Fähigkeit der Klägerin zur Verrichtung leichter Tätigkeiten nicht in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt.
Die Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem sog allgemeinen Arbeitsmarkt wäre allerdings auch dann zu verneinen, wenn sie entweder nur noch Tätigkeiten verrichten könnte, die in dieser Weise typischerweise in der Arbeitswelt als Erwerbsmöglichkeiten nicht vorhanden sind, oder wenn sie nur noch Vollzeittätigkeiten auszuüben vermöchte, bei denen wegen ihrer Seltenheit zumindest die erhebliche Gefahr einer "Verschlossenheit des Arbeitsmarktes" besteht. In der Rechtsprechung sind folgende Fälle anerkannt (vgl. BSG Urteile vom 25. Juni 1986 - 4a RJ 55/84 - SozR 2200 § 1246 Nr. 137 und vom 9. September 1986 - 5b RJ 50/84 - SozR 2200 § 1246 Nr. 139) ≪sog Seltenheits-oder Katalogfälle≫:
-Tätigkeiten, die nur unter nicht betriebsüblichen Arbeitsbedingungen ausgeübt werden können;
-Arbeitsplätze, die der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht von der Wohnung aus aufsuchen kann;
-Tätigkeiten, bei denen die Zahl der in Betracht kommenden Stellen dadurch nicht unerheblich reduziert ist, daß der Versicherte nur in Teilbereichen des Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann;
-Tätigkeiten, bei denen es sich um typische "Schonarbeitsplätze" handelt, die regelmäßig leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebes vorbehalten bleiben und somit als Eingangsstelle für Betriebsfremde außer Betracht bleiben;
-Tätigkeiten, die auf einem Arbeitsplatz ausgeführt werden, der als Einstiegsstelle für Berufsfremde nicht zur Verfügung steht;
-Arbeitsplätze, die lediglich an bewährte Mitarbeiter als Aufstiegspositionen durch Beförderung oder Höherstufung vergeben werden;
-Fälle besonderer Art, in denen es naheliegt, daß der Arbeitsplatz trotz einer tariflichen Erfassung nur in ganz geringer Zahl vorkommt.
Dafür, daß bei der Klägerin einer dieser Fälle vorliegt, finden sich jedoch nach den Feststellungen des LSG keinerlei Anhaltspunkte. Die Voraussetzungen der BU nach § 1246 Abs. 2 RVO sind somit nicht erfüllt, ein Anspruch auf Rente wegen BU nicht gegeben.
4. Daraus folgt zugleich, daß auch ein Anspruch auf Rente wegen EU nach § 1247 Abs. 1 RVO, der gemäß Abs. 2 der Vorschrift an noch weitergehende Voraussetzungen geknüpft ist, zu verneinen ist.
5. Den vorangegangenen Ausführungen liegt die bisherige Rechtsprechung des BSG zugrunde. Der erkennende Senat sieht sich durch die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats des BSG vom 23. November 1994 an den Großen Senat (GrS) des BSG in vier anhängigen Revisionsverfahren (13 RJ 19/93, 13 RJ 71/93,
13 RJ 73/93 und 13 RJ 1/94) an einer Entscheidung, die auf der bisherigen Rechtsprechung des BSG basiert, nicht gehindert.
a) Der 13. Senat des BSG hat dem GrS des BSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 41 Abs. 4 SGG folgende Fragen vorgelegt, die auch im vorliegenden Fall erheblich sein könnten.
Frage 1:
Ist für die Beurteilung, ob ein Versicherter der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters im unteren Bereich oder der Gruppe mit dem Leitbild des ungelernten Arbeiters berufs- oder erwerbsunfähig ist, die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben und auch sonst nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten kann?
Frage 2:
Sind die Fallgruppen, bei denen das BSG bisher die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, als abschließend anzusehen?
b) Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Münchener Komm, ZPO-Wolf, 1992, § 132 Gerichtsverfassungsgesetz ≪GVG≫ RdNr 10) soll nach Erlaß eines Vorlagebeschlusses die streitige Rechtsfrage in einem Rechtsstreit erst dann wieder entschieden werden dürfen, wenn der GrS durch seine Entscheidung Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit hergestellt habe. Bis dahin müsse auch ein Senat, der an der älteren, durch Vorlegung inzwischen angezweifelten Ansicht festhalte, das Verfahren bis zur Entscheidung des GrS aussetzen und seinerseits vorlegen.
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 41 Abs. 2 SGG entscheidet der GrS, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des GrS abweichen will. Vorliegend ist durch den erkennenden Senat weder eine Abweichung von einer Entscheidung des GrS noch von einer Entscheidung eines anderen Senats beabsichtigt. "Entscheidung" meint ausschließlich verfahrensabschließende Entscheidungen (so zur Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ≪GmSOGB≫ Kopp, VwGO-Komm, 10. Aufl, 1994, § 11 Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫ RdNr 4). Unter diesen Begriff läßt sich ein Vorlagebeschluß jedoch nicht subsumieren, da durch ihn gerade erst eine Entscheidung des GrS herbeigeführt werden soll. Somit entfaltet der Vorlagebeschluß bis zur Entscheidung des GrS keinerlei Sperrwirkung für die anderen Senate des BSG (Kissel, GVG-Komm, 1. Aufl, 1981, § 136 GVG RdNr 16; ebenso zur Vorlage an den GmSOGB Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 10. Oktober 1975, NJW 1976, 1420; Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl, 1993, § 41 SGG RdNr 7). Sollte der GrS zu einer von der bisherigen Rechtsprechung des BSG abweichenden Entscheidung gelangen, so wird die Klägerin, sofern ihr dann nicht eine spezifische Verweisungstätigkeit benannt werden kann, nach Maßgabe der §§ 44ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - geschützt sein.
c) Die Klägerin meint nun, die Rechtsprechung des BSG zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes sei ergänzungsbedürftig. Ob der Arbeitsmarkt für den Versicherten noch offen sei, könne nur an den Vermittlungsbemühungen des ArbA gemessen werden, die in ihrem Fall seit Februar 1989 erfolglos verlaufen seien. Die Klägerin geht somit davon aus, daß bei der Beurteilung, ob EU oder BU vorliegt, die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen sei, und spricht insofern die Problematik an, die Gegenstand der Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ist. Auch im Hinblick auf die in den Vorlagebeschlüssen angestellten Überlegungen ist jedoch keine andere Beurteilung des vorliegenden Falles veranlaßt.
d) Die Begründung zu Frage 1 der Vorlagebeschlüsse geht davon aus, daß die erweiterte Benennungspflicht in etwa der Tendenz entsprechen würde, die der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 25. Januar 1994 (4 RA 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41) erkennen lasse. So ist indessen das Urteil des 4. Senats nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zu verstehen. Nach dieser Entscheidung muß eine spezifische Verweisungstätigkeit jedenfalls dann benannt werden, wenn weitere gesundheitliche Einschränkungen vorliegen, welche die Einsetzbarkeit in körperlich leichten Tätigkeiten auf dem sog allgemeinen Arbeitsmarkt zusätzlich begrenzen. Zwar hat der 4. Senat in seinem Urteil lediglich von "weiteren gesundheitlichen Einschränkungen" gesprochen und damit nicht die sonst übliche Formulierung "Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen" oder "schwere spezifische Leistungsbehinderung" gebraucht. Aufgrund des anschließenden Zitats der Entscheidungen, die sich gerade auf die Fälle der "Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen" oder "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" beziehen, ist aber davon auszugehen, daß der 4. Senat die weiteren gesundheitlichen Einschränkungen i.S. der zitierten Entscheidungen gemeint und nicht beabsichtigt hat, die diesbezügliche Rechtsprechung i.S. der Frage 1 des Vorlagebeschlusses zu erweitern.
Im Ergebnis ist hinsichtlich Frage 1 des Vorlagebeschlusses an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten. Es ist bereits bedenklich, eine Vorschrift spekulativ so auszulegen, daß sie erst nach Schaffung einer heute nicht vorhandenen Arbeitsmarkttransparenz (vom 13. Senat vermutet innerhalb von zwei bis drei Jahren) anwendbar wird. Denn kennzeichnend für die sog ungelernten Tätigkeiten des sog allgemeinen Arbeitsmarktes ist es gerade, daß sie nicht bereits unter ihrer Bezeichnung deutlich einen Komplex charakteristischer beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erkennen lassen, die in einer typischen Kombination zusammenfließen. Demzufolge sind selbst die Tarifpartner zumeist nicht in der Lage, aussagekräftige, Art und Anforderungen der Tätigkeit beschreibende kurze Bezeichnungen der sog ungelernten Tätigkeiten zu finden (vgl. BSG Urteil vom 23. Juni 1981 - 1 RJ 72/80 - SozR 2200 § 1246 Nr. 81). Eine differenzierende und zugleich prägnante Benennung von Verweisungstätigkeiten ist infolge davon ebenfalls nicht möglich. Geht man zudem davon aus, daß - wie der 13. Senat ausführt - die Tätigkeiten des sog allgemeinen Arbeitsmarktes noch weit heterogener sind als bisher angenommen, so erscheint eine Lösung erst recht nicht möglich.
Entscheidend für die Verneinung der Frage 1 der Vorlagebeschlüsse ist jedoch, daß der vom 13. Senat des BSG geltend gemachte Rückgang der Nachfrage nach "ungelernten" Arbeitskräften (zu den in Deutschland gültigen Konditionen) für die beim Berufsschutz bedeutsame Benennungsproblematik ohne Bedeutung ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG darf einem Versicherten, der seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, die Rente grundsätzlich nur versagt werden, wenn ihm wenigstens eine spezifische Verweisungstätigkeit benannt werden kann (BSG Urteile vom 27. April 1982 - 1 RJ 132/80 - SozR 2200 § 1246 Nr. 90 m.w.N. und vom 15. November 1983 - 1 RJ 112/82 - SozR 2200 § 1246 Nr. 109). Dieses Gebot der Benennung spezifischer Verweisungstätigkeiten gilt jedoch nicht ausnahmslos:
Genießt der Versicherte als "ungelernter" Arbeiter oder als "angelernter" Arbeiter des unteren Bereichs keinen Berufsschutz und ist er damit zumutbar auf das gesamte weite Feld des sog allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, so entfällt in der Regel das Erfordernis spezifischer Benennung (BSG Urteile vom 23. Juni 1981 - 1 RJ 72/80 - SozR 2200 § 1246 Nr. 81, vom 27. April 1982 - 1 RJ 132/80 - SozR 2200 § 1246 Nr. 90, vom 1. März 1984 - 4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 Nr. 117 und vom 6. Juni 1986 - 5b RJ 42/85 -SozR 2200 § 1246 Nr. 136). Auch in diesen Fällen ist aber unter einem anderen Gesichtspunkt wiederum ausnahmsweise eine Einzelbenennung erforderlich, nämlich dann, wenn selbst leichte Tätigkeiten des sog allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen möglich sind ("Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen" oder "schwere spezifische Leistungsbehinderung" ≪BSG Urteile vom 18. Februar 1981 - 1 RJ 124/79 - SozR 2200 § 1246 Nr. 75, vom 27. April 1982 - 1 RJ 132/80 - SozR 2200 § 1246 Nr. 90, vom 30. November 1982 - 4 RJ 1/82 - SozR 2200 § 1246 Nr. 104 und vom 6. Juni 1986 - 5b RJ 42/85 - SozR 2200 § 1246 Nr. 136).
Damit werden grundsätzlich zwei Fallgruppen des Benennungserfordernisses unterschieden: zum einen die Fälle, in denen der Versicherte Berufsschutz genießt, d.h. bei Zugehörigkeit zu den Leitberufen der beiden ersten Stufen sowie dem oberen Bereich der dritten Stufe des Mehrstufenschemas, zum anderen die Konstellation, in der zwar eine Verweisung auf den sog allgemeinen Arbeitsmarkt stattfindet, also kein Berufsschutz besteht, der Versicherte aber unter einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" leidet. Wie sich aus der mit der spezifischen Benennung jeweils verfolgten Zielsetzung ergibt, sind diese beiden Fallgruppen (Berufsschutz einerseits, besondere Leistungseinschränkungen andererseits) nicht gleichzuordnen, sondern verschiedenen Prüfungsbereichen innerhalb der Frage der Verweisbarkeit eines Versicherten zuzuteilen.
Beiden Arten des Erfordernisses, eine Verweisungstätigkeit zu benennen, ist lediglich gemeinsam, daß es sich um Fallgruppen handelt, bei denen die Notwendigkeit besteht, die Entscheidung nachprüfbar zu machen: Wer Berufsschutz genießt und auf eine Tätigkeit verwiesen wird, die sich von seiner bisherigen Arbeit unterscheidet, soll nachprüfen können, ob die ihm angesonnene Tätigkeit ihm wirklich zumutbar ist (1. Fallgruppe). Wenn bei einem Versicherten wegen besonderer gesundheitlicher Einschränkungen fraglich wird, ob er überhaupt noch auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar ist, soll eine Verweisungstätigkeit benannt werden, damit nachgeprüft werden kann, ob es die Tätigkeit, die er angeblich noch ausüben kann, der Art nach auch wirklich gibt (2. Fallgruppe).
Der bisherigen Rechtsprechung ist zu entnehmen, daß die Notwendigkeit der Benennung zumindest einer spezifischen Verweisungstätigkeit in der 1. Fallgruppe mit der Notwendigkeit der Zumutbarkeitsprüfung (Abstieg im Beruf) zusammenhängt. Letztere entfällt bei der zulässigen Verweisung auf den sog allgemeinen Arbeitsmarkt, da ein unzumutbarer Abstieg i.S. von § 1246 Abs. 2 RVO insofern nicht zu befürchten ist, als es sich bei der hiervon betroffenen Personengruppe der "ungelernten" Arbeiter ohnehin bereits um die unterste Stufe des Mehrstufenschemas handelt. Bei dieser Gruppe hat die Rechtsprechung bisher stets angenommen, daß für Versicherte, die vollschichtig nur noch körperlich leichte Tätigkeiten verrichten können, grundsätzlich Erwerbsmöglichkeiten in nennenswerter Zahl vorhanden sind.
Bezüglich der 2. Fallgruppe der "Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" geht die Rechtsprechung des BSG davon aus, daß bei derartigen zusätzlichen Einschränkungen des Leistungsvermögens eine spezifische Benennung deshalb erforderlich ist, weil in einem solchen Fall von vornherein ernste Zweifel daran aufkommen müßten, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen überhaupt noch in einem Betrieb einsetzbar sei (BSG Urteile vom 27. April 1982 - 1 RJ 132/80 - SozR 2200 § 1246 Nr. 90 und vom 1. März 1984 - 4 RJ 43/83 - SozR 2200 § 1246 Nr. 117). Bei ihr steht anders als bei der 1. Fallgruppe, die auf den Schutz des qualifiziert ausgebildeten Versicherten vor einer Verweisung auf eine sozial unzumutbare Tätigkeit abzielt und sich allein aus dem Mehrstufenschema erklärt, der Schutz des Versicherten davor im Vordergrund, auf eine Tätigkeit verwiesen zu werden, die es ihrer Art nach praktisch nicht (mehr) gibt - in der Rechtsprechung bisher ausgedrückt mit der Wendung: "Arbeitsplätze, die es - sei es frei oder besetzt - nicht in hinreichender Zahl gibt".
Hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherter nur auf eine spezifisch benannte Tätigkeit verwiesen werden kann, sind demnach zwei Prüfungsebenen auseinanderzuhalten.
Die Benennung ist im Rahmen der BU-Prüfung ein Element des Mehrstufenschemas und dient der Feststellung zumutbarer Verweisungstätigkeiten. Hier geht es darum, eine erforderlich werdende Verweisung auf eine qualitativ geringerwertige Tätigkeit durch Begrenzung der Absenkung um eine Stufe in den Grenzen des Zumutbaren zu halten und damit den sozialen Abstieg erträglich zu machen. Eine Prüfung dieser Art findet lediglich bei Versicherten statt, die Berufsschutz genießen.
Auf der zweiten Prüfungsebene ist demgegenüber zu klären, ob der Versicherte in Anbetracht von Grad und Maß der Verminderung seines Leistungsvermögens allein noch zu Tätigkeiten in der Lage ist, die als Erwerbsmöglichkeiten in der Berufswelt ihrer Eigenart nach nicht jedem Erwerbswilligen zugänglich sind. Es handelt sich hierbei um die Frage der sog Verschlossenheit des Arbeitsmarktes, die anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Seltenheits- oder Katalogfälle (BSG Urteile vom 25. Juni 1986 - 4a RJ 55/84 - SozR 2200 § 1246 Nr. 137 und vom 9. September 1986 - 5b RJ 50/84 - SozR 2200 § 1246 Nr. 139) zu beantworten ist (Schmidt-Preuß, SGb 1992, 431, 434). Für Versicherte, die keinen Berufsschutz genießen, ist lediglich die zweitgenannte Prüfungsebene relevant. In diesem Zusammenhang ist dann zu prüfen, ob die in den Seltenheits- oder Katalogfällen beschriebenen Einschränkungen vorliegen und nicht zumindest eine Tätigkeit ihrer Art nach benannt werden kann, die der Versicherte tatsächlich noch verrichten kann (Bechmann ua, DRV 1993, 493, 530; Kasseler Komm-Niesel, § 1246 RVO RdNr 48). Nur auf dieser Prüfungsebene kann für "ungelernte" Versicherte überhaupt die Benennung einer Verweisungstätigkeit in Betracht kommen.
Aus dem Vorangegangenen ergibt sich, daß dogmatisch korrekt der Fall der "Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen" oder der "schweren spezifischen Leistungsbehinderung" nicht dem Bereich des Benennungserfordernisses aus Gründen des sozialen Abstiegs, sondern der Frage der allgemeinen Zugänglichkeit von Erwerbsmöglichkeiten - der sog Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - zuzuordnen ist (der Sache nach gleich: Hauck/Haines/Kamprad, Komm-SGB VI, § 44 SGB VI Rz 36; Bechmann ua, DRV 1993, 493, 530; Kasseler Komm-Niesel, § 1246 RVO RdNr 48; Kamprad, DRV 1992, 583, 584; BSG Urteil vom 6. Juni 1986 - 5b RJ 42/85 - SozR 2200 § 1246 Nr. 136).
Die vom 13. Senat in der Frage 1 der Vorlagebeschlüsse angesprochene Erweiterung des Benennungserfordernisses im wesentlichen mit der Begründung, daß sich die Gegebenheiten des Arbeitsmarktes aufgrund der Einführung neuer Produktions- und Organisationskonzepte innerhalb der letzten zehn bis zwanzig Jahre tiefgreifend verändert hätten und demzufolge der Arbeitskräftebedarf für einfache Arbeiten stark rückläufig sei, ist mit den Kriterien, die auf der ersten Prüfungsebene maßgebend sind, nicht in Einklang zu bringen. Bei der ersten Prüfungsebene geht es um die Zumutbarkeit des sozialen Abstiegs bei Verweisung auf eine andere Tätigkeitsart. Für "angelernte Arbeiter im unteren Bereich" und "ungelernte Arbeiter" ist nach dem Mehrstufenschema ein Abstieg auf eine nächstniedrigere Stufe nicht möglich. Für diese Personengruppe entfällt daher die Notwendigkeit, die Zumutbarkeit eines sozialen Abstiegs zu prüfen. Infolgedessen ist es auch nicht erforderlich, als Mittel der Kontrolle die Benennung einer spezifischen Tätigkeit zu verwenden. Der vom 13. Senat zum Ansatz seiner Überlegungen genommene Gesichtspunkt der Veränderung der Arbeitsmarktstruktur gehört sachlich nicht in diesen Argumentationszusammenhang, sondern kann allenfalls im Rahmen der sog Verschlossenheit des Arbeitsmarktes (dh der Frage 2 der Vorlagebeschlüsse) Berücksichtigung finden.
e) Auch hinsichtlich der Frage 2 der Vorlagebeschlüsse ist an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten. Nach Auffassung des 4. Senats (Beschluß vom 23. März 1993 - 4 BA 121/92 - NZS 1993, 403f. sowie Urteil vom 25. Januar 1994 - 4 RA 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41) handelt es sich bei den richterrechtlich entwickelten Seltenheits- oder Katalogfällen der sog Verschlossenheit des Arbeitsmarktes um abschließend aufgeführte Fallgruppen. Die Vorlagebeschlüsse halten es demgegenüber für denkbar, daß eine Ergänzung des Katalogs im Hinblick auf die neueren Entwicklungen des Arbeitsmarktes erforderlich ist. Insbesondere sei eine Prüfung der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes in den Fällen gerechtfertigt, in denen es um die Frage der EU von älteren, ungelernten, in ihrer Leistungsfähigkeit trotz vollschichtiger Einsatzfähigkeit eingeschränkten, arbeitslosen Versicherten gehe. Damit wird eine Problematik aufgegriffen, die seit einiger Zeit in Literatur und Rechtsprechung diskutiert wird: Angesichts der bestehenden Langzeitarbeitslosigkeit älterer Versicherter wird dafür plädiert, diesem Personenkreis unter bestimmten Umständen trotz vollschichtigen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Rente wegen EU bzw. BU zu gewähren (SG Wiesbaden, 17. September 1987 - S. 10 J 214/86 - NZA 1988, 670 f; SG Münster, 6. Dezember 1990 - S. 10 J 103/89 - DRV 1991, 509 f; LSG Niedersachsen, 25. November 1992 - L 2 J 138/91 - NZS 1993, 406 f; Erlenkämper, NZS 1994, 259 f; weitere Nachweise bei Haneberg, DRV 1995, 327, 328).
Der GrS des BSG hat in seinen Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 (GS 4/69 - BSGE 30, 167 = SozR Nr. 79 zu § 1246 RVO) und vom 10. Dezember 1976 (GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75 und GS 3/76 - BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr. 13) für untervollschichtig einsatzfähige Versicherte entschieden, daß - in Anwendung der konkreten Betrachtungsweise -neben dem die Erwerbsfähigkeit mindernden Gesundheitszustand des Versicherten auch die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG dürfen aber die vom GrS in den og Entscheidungen aufgestellten Grundsätze über die sog Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bei nur noch zur Teilzeitarbeit fähigen Versicherten nicht auf vollschichtig einsetzbare Versicherte übertragen werden (BSG Urteile vom 27. Mai 1977 - 5 RJ 28/76 - BSGE 44, 39 = SozR 2200 § 1246 Nr. 19, vom 21. September 1977 - 4 RJ 131/76 - SozR 2200 § 1246 Nr. 22 und vom 19. April 1978 - 4 RJ 55/77 - SozR 2200 § 1246 Nr. 30). Bei einem noch vollschichtig leistungsfähigen Versicherten ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, daß eine ausreichende Zahl von Erwerbsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Ob Arbeitsplätze für den Versicherten vermittelbar sind oder konkrete Einsatzmöglichkeiten bestehen, ist unerheblich. Das Risiko, einen Arbeitsplatz zu finden, obliegt grundsätzlich nicht der Rentenversicherung, sondern dem Versicherten bzw. der Arbeitslosenversicherung. Das BSG hat in seinen schon genannten Urteilen vom 25. Juni 1986 und 9. September 1986 (4a RJ 55/84 - SozR 2200 § 1246 Nr. 137 und - 5b RJ 50/84 - SozR 2200 § 1246 Nr. 139) die sog Seltenheits- oder Katalogfälle herausgearbeitet, bei denen trotz vollschichtigen Leistungsvermögens der "Arbeitsmarkt" ausnahmsweise als "verschlossen" gilt. Dies bedeutet sachlich treffender ausgedrückt, daß der Versicherte in diesen Fallgruppen nur auf Tätigkeitsarten verwiesen werden darf, deren Vorhandensein in der Berufswelt festgestellt ist.
Bei richtiger Anwendung dieser Grundsätze kann allerdings auch hier nicht davon gesprochen werden, daß in diesen Ausnahmefällen die Rentenversicherung das Risiko der Arbeitsvermittlung trage. Ein solches Ergebnis wäre mit der Aufgabenteilung zwischen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung nicht vereinbar. Die Rentenversicherung kann ihrer Eigenart nach nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Versicherte aus den in § 1246 Abs. 2 RVO genannten Gründen nur noch Tätigkeiten ausüben kann, die ihrer Art nach so selten sind, daß sie ihm realistischerweise nicht mehr angedient werden können (sog Verschlossenheit des Arbeitsmarktes). Das Risiko der Vermittelbarkeit des einzelnen Versicherten auf einen (noch offenen) Arbeitsplatz dagegen ist Sache der Arbeitslosenversicherung.
Eine Erweiterung dieses Fallgruppenkatalogs auf die langzeitarbeitslosen, älteren Versicherten, die trotz ihrer gesundheitsbedingten Leistungsminderung noch vollschichtig arbeiten können, ist nicht geboten. Sowohl § 1246 Abs. 2 RVO als auch § 1247 Abs. 2 RVO setzen voraus, daß die Erwerbsfähigkeit des Versicherten "infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte" in gewissem Maße gemindert ist. Damit sind nur die enumerativ genannten Tatbestände der Krankheit oder Behinderung geeignet, das Risiko einer Erwerbsminderung durch die Gewährung einer Rente wegen EU/BU abzudecken (Kamprad, SGb 1993, 413f.). Nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der wesentlichen Bedingung muß die gesundheitliche Beeinträchtigung zumindest gleichwertig an der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit mitgewirkt haben, um das Vorliegen von BU bzw. EU bejahen zu können. Bei den in den Vorlagebeschlüssen genannten Personengruppen beruht die Erwerbsminderung dagegen auf einer Kombination verschiedener Faktoren: einer generell hohen Arbeitslosenquote, d.h. dem Fehlen eines geeigneten (freien) Arbeitsplatzes, dem fortgeschrittenen Alter des Versicherten, der fehlenden qualifizierten Ausbildung und der spartenweisen Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Wesentlich verursacht wird die Arbeitslosigkeit der in den Vorlagebeschlüssen angesprochenen Personengruppen nicht durch die gesundheitliche Beeinträchtigung, sondern durch die konkrete Arbeitsmarktsituation mit den erschwerenden Bedingungen des fortgeschrittenen Alters und der fehlenden Ausbildung (Haneberg, DRV 1995, 327, 332).
Abzulehnen ist auch die Überlegung, eine Erwerbsminderung sei schon dann durch gesundheitliche Umstände i.S. des § 1246 Abs. 2 RVO verursacht, wenn zwar die in § 1246 Abs. 2 RVO genannten Umstände zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt haben, die darauf folgende Schwierigkeit, wieder ins Arbeitsleben eingegliedert zu werden, aber auf der Lage des Arbeitsmarktes beruht. Eine Rente wegen BU wird nur gewährt, solange die Gründe des § 1246 Abs. 2 RVO wesentlich kausal für den Schaden sind, der durch die Rente ausgeglichen werden soll. Sobald aber der Versicherte trotz vorhandenen Leistungsvermögens keine Arbeit hat, weil er lediglich nicht wieder eingegliedert werden kann, steht ihm nur die Lage des Arbeitsmarktes entgegen. Und dann ist die Arbeitslosenversicherung für ihn zuständig.
Abzulehnen ist es ebenfalls, die genannten Personengruppen deshalb in besonderer Weise zu behandeln, weil sie den Seltenheits- oder Katalogfällen ähnlich oder vergleichbar seien und deshalb der Katalog zu erweitern sei. Bei den bisher anerkannten Seltenheits- oder Katalogfällen handelt es sich hauptsächlich darum, daß der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nur noch Tätigkeiten ausführen kann, die ihrer Art nach typischerweise nicht (mehr) nachgefragt werden, oder daß auf Erwerbsmöglichkeiten wegen ihrer (der Art nach) Seltenheit nicht verwiesen werden kann. Demgegenüber halten die Vorlagebeschlüsse es für möglich, eine auf dem Arbeitsmarkt wegen Rückgangs der Gesamtzahl der Arbeitsplätze - und wegen ihrer verschlechterten Konkurrenzfähigkeit - schwer unterzubringende Gruppe durch Rentengewährung zu begünstigen. Damit wird ein Gesichtspunkt zur Erweiterung des Katalogs angeführt, der mit der Funktion der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu vereinbaren ist.
Die Ablehnung der Einbeziehung des Beschäftigungsrisikos älterer langzeitarbeitsloser Versicherter in die gesetzliche Rentenversicherung entspricht auch dem im Rentenreformgesetz (RRG) 1992 zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. Wie sich aus den Materialien zum Gesetzesentwurf ergibt (BT-Drucks 11/4452 S. 9 zu Art 1 §§ 43, 44 SGB VI), hatte der Gesetzgeber den dringenden Reformbedarf des Bereichs der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durchaus erkannt. Vom Bundesrat wurde in diesem Zusammenhang klargestellt, daß die Verlagerung des Risikos, einen geeigneten Arbeitsplatz zu erhalten, zu Lasten der Rentenversicherung aus ordnungspolitischen Gründen nicht vertretbar ist. Die Erweiterung der Zugangsvoraussetzungen für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 38 SGB VI gegenüber der bisherigen Regelung des § 1248 Abs. 2 RVO macht deutlich, daß der Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigte, älteren arbeitslosen Versicherten den Zugang zu den Leistungen wegen BU oder EU zu erleichtern.
Daneben versucht das RRG 1992 durch eine stufenweise Anhebung der Altersgrenzen (§ 41 SGB VI) die aufgrund der demographischen Entwicklung prognostizierte Mehrbelastung durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu mindern (BT-Drucks 11/4124 S. 144). Dieser gesetzgeberischen Intention würde es zuwiderlaufen, wenn man Versicherten, die aus Gründen der Arbeitsmarktsituation, nicht aber im wesentlichen aus gesundheitlichen Gründen, keine oder nur geringe Vermittlungschancen haben, eine Rente wegen EU gewähren und damit das Arbeitsmarktrisiko der gesetzlichen Rentenversicherung zuweisen würde (Kamprad, SGb 1993, 413, 416; derselbe, DRV 1992, 583, 587; Maier, SozVers 1993, 114, 116).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen