Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Streitig ist ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen eines selbstbeschafften Fahrradergometers.
Bei dem Kläger wurde am 30. Juni 1978 wegen einer Herzerkrankung eine dreifache Bypassoperation ausgeführt. Vom 23. August bis 4. Oktober 1978 und vom 12. Dezember 1979 bis 30. Januar 1980 wurde er in der Herzkreislaufklinik W… stationär als Rehabilitand behandelt. In einem Attest des Stationsarztes Dr. G… vom 29. Januar 1980 und im letzten Entlassungsbericht vom 11. Februar 1980 heißt es, daß für das erforderliche individuell dosierte regelmäßige Bewegungstraining die Anschaffung eines Fahrradergometers befürwortet werde. Am 16. Februar 1980 kaufte der Kläger ein solches Fahrradergometer und beantragte, ihm die hierfür aufgewendeten Kosten von 879,- DM zu erstatten. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 7. März 1980) und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 7. Mai 1980 zurück, weil das Fahrradergometer ein reines Übungsgerät sei und als Hilfsmittel i.S. von § 182 b der Reichsversicherungsordnung (RVO) nur ausnahmsweise in Betracht kommen könne, wenn es unverzichtbar benötigt werde. Das sei hier nicht der Fall.
Das Sozialgericht Mainz (SG), hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. November 1980). Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die Beklagte verurteilt, die Kosten des vom Kläger angeschafften Fahrradergometers in Höhe von 879,- DM zu tragen. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 7. Mai 1981).
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 182, 182 b RVO, insbesondere des Sachleistungsgrundsatzes, wonach ein Versicherter wegen Heil- oder Hilfsmitteln lediglich einen Sachleistungsanspruch gegen seine Krankenkasse habe, nicht jedoch auf Kostenerstattung für selbstbeschaffte Heil- oder Hilfsmittel.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom. 7. Mai 1981 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 20. November 1980 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des LSG ist aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil die Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits nicht ausreichen.
Nach dem das Recht der sozialen Krankenversicherung beherrschenden Sachleistungsprinzip haben die Versicherten gegen ihre Krankenkassen, soweit das Gesetz oder zulässigerweise die Satzung nicht ausdrücklich Ansprüche auf Geldleistungen vorsehen, grundsätzlich keinen Anspruch auf Kostenersatz für selbstbeschaffte Leistungen. Das Bundessozialgericht (BSG) vertritt diese Rechtsauffassung in Übereinstimmung mit dem einschlägigen Schrifttum in ständiger Rechtsprechung, (u.a. BSGE 42, 117, 119 für die Gewährung von Krankenhauspflege; BSGE 42, 229, 230 für die Gewährung von Hilfsmitteln; SozR 2200 § 508 Nr. 2 für die Gewährung ärztlicher Behandlung; BSGE 46, 179, 181 für die Gewährung von Arzneien und Hilfsmitteln; Urteil vom 11. Oktober 1979 - 3 RK 72/78 - unveröffentlicht -; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl. 1981, § 184 Anm. 3; Heinze, in RVO GesKomm §§ 182 Anm. 3, 182 b Anm. 2, 184 Anm. 2 RVO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. II, 9. Aufl., Stand Februar 1982, S. 382 f. I u. II, S. 384 i). Der erkennende Senat sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen. Das System der deutschen sozialen Krankenversicherung wird nicht vom Kostenerstattungs-, sondern vom Sachleistungsprinzip geprägt (vgl. dazu die eingehenden Darlegungen unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung in BSGE 19, 21, 23; 42, 117, 119, 120). Was insoweit für die übrigen Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gilt, kann für Heilmittel, Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel (§ 182 Abs. 1 Nr. 1 b und c, 182 b RVO) nicht anders beurteilt werden. Auch hier muß es der Krankenkasse ermöglicht werden zu prüfen, ob solche Mittel geeignet, ausreichend und zweckmäßig sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 182 Abs. 2 RVO). Daraus folgt, daß der Versicherte grundsätzlich einen Antrag auf Gewährung der Leistung an die Krankenkasse richten muß, wenn er Krankenpflege, wozu auch die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln gehört (§ 182 Abs. 1 Nr. 1 b und c RVO), in Anspruch nehmen will oder sich die Krankenpflege von einem Kassenarzt verordnen lassen muß (§ 29 Bundesmantelvertrag - Ärzte). Der Versicherte darf der Entscheidung der Krankenkasse nicht dadurch vorgreifen, daß er sich das Heil- oder Hilfsmittel selbst beschafft und die Prüfung der Eignung, Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit in das Verfahren über die Kostenerstattung verlagert.
Eine Ausnahme von dem Sachleistungsgrundsatz hat die Rechtsprechung zutreffend und dem Sinn und Zweck der Krankenpflege entsprechend nur in Notfällen zugelassen, oder wenn die Krankenkasse den Antrag des Versicherten auf Gewährung der Sachleistung zu Unrecht abgelehnt und ihn dadurch zur Behandlung auf eigene Kosten gezwungen hat (u.a. BSGE 34, 172, 174; SozR 2200 § 194 Nr. 5 u. § 182 Nr. 74). Denn nach den mit § 131 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anerkannten Grundsätzen zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes oder Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes, ist die Krankenkasse zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sie sich rechtswidrig geweigert hat, dem Versicherten die Sachleistung zu gewähren (BSGE 35, 10, 14; Urteil vom 13. Mai 1982 - 8 RK 34/81 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Versicherte war dann durch das rechtswidrige Verhalten des Versicherungsträgers gezwungen, an dessen Stelle sachgerecht zu handeln.
Zutreffend hat das LSG entschieden, daß ein Erstattungsanspruch nicht ausgeschlossen ist, wenn der Versicherte zwar nicht versucht hat, eine Sachleistung zu erlangen, von vornherein aber festgestanden hat, daß ihm diese Leistung verweigert werden würde. Es wäre eine unnötige und sachwidrige Erschwerung, wollte man einem Versicherten, der notwendiger Krankenpflege bedarf, zuzumuten, sich um diese Leistung zu bemühen, wenn dieses Bemühen von vornherein aussichtslos ist. Auch in einem solchen Fall zwingt das "rechtswidrige Verhalten" der Krankenkasse den Versicherten, sich die Krankenpflegeleistung selbst zu beschaffen. Zur Erstattung der aufgewendeten Kosten ist die Krankenkasse allerdings, ebenso wie nach einer vorausgegangen Ablehnung der begehrten Sachleistung, nur verpflichtet, wenn sie die selbstbeschaffte Leistung als Sachleistung hätte gewähren müssen, d.h. die von vornherein feststehende Verweigerung der Leistung rechtswidrig gewesen ist. Ob ein solches ablehnendes Verhalten rechtswidrig war, ist daher im Erstattungsverfahren zu klären.
Die Beklagte hat durchgehend den Standpunkt vertreten, ein Fahrradergometer sei kein Heil- oder Hilfsmittel i.S. der gesetzlichen Krankenversicherung, sie sei deshalb auch nicht verpflichtet, dem Kläger die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Sie hat sich dabei auf das gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der sozialen Krankenversicherungsträger vom 27. Juni 1978 (OKK 1978 S. 683 ff.) und auf den diesem Rundschreiben beigefügten Hilfsmittelkatalog gestützt. Übungsgeräte könnten danach nur ausnahmsweise als Heil- oder Hilfsmittel in Betracht kommen. Ein Fahrradergometer sei jedoch ein Übungsgerät, für das eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Betracht komme. Da die Beklagte ihre Sachleistungspflicht auch jetzt noch verneint, nachdem ihr der Einzelfall bekannt ist, steht fest, daß die Beklagte oder ein Kassenarzt dem Kläger dieses Gerät nicht bewilligt oder verordnet hätten.
Um entscheiden zu können, ob dieses ablehnende Verhalten rechtswidrig gewesen ist, bedarf es weiterer Feststellungen. Das genannte Rundschreiben ist für die Krankenkassen nicht bindend. Auch die neuerdings gemäß § 368 p Abs. 1 RVO vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien vom 26. Februar 1982 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 125 a vom 13. Juli 1982) verweisen in Abschnitt C (sachliche Heilmittel und Hilfsmittel unter Nr. 4 auf die einschlägigen Verlautbarungen der Spitzenverbände der Krankenkassen nur als Entscheidungshilfen für die Zuordnung zu den Heilmitteln und Hilfsmitteln. In den Richtlinien selbst ist ein Fahrradergometer als nicht verordnungsfähiges Heil- oder Hilfsmittel nicht genannt. Es ist auch kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, dessen Anschaffung in den eigenwirtschaftlichen Bereich des Versicherten fällt (§ 182 b Satz 1 letzter Satzteil RVO i.d.F. des Art 1 Nr. 4 des Kostendämpfungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 - BGBl. I 1578 -; Abschnitt A Nr. 4.8. und Abschnitt C Nr. 2 der genannten Richtlinien; Nr. 4.3.3 des gemeinsamen Rundschreibens; BSG, Urteil vom 26. Oktober 1982 - 3 RK 16/81 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens kann ein Gerät nicht allein deshalb bezeichnet werden, weil es nicht nur zur gezielten heilenden Einwirkung auf einen krankhaften Körper- oder Geisteszustand geeignet ist, sondern auch zu anderen Zwecken verwendet wird (z.B. Gesunderhaltung). Schon der Begriff selbst steht einer solchen ausweitenden Interpretation entgegen und würde auch nicht der damit beabsichtigten sinnvollen Einschränkung der Leistungen der sozialen Krankenversicherung entsprechen. Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet werden, müssen nicht nur allgemein für jedermann zugänglich sein, sie müssen auch allgemein verwendet werden, d.h. üblicherweise von einer großen Zahl von Personen regelmäßig benutzt werden. Nicht entscheidend für die Heil- oder Hilfsmitteleigenschaft ist dabei, daß die Benutzung allgemein gesundheitsfördernd ist oder dafür als geeignet angesehen wird. Denn es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, krankheitsbedingt notwendige Hilfen zur allgemeinen Lebensführung zu bieten (zutreffend Nr. 4.3.3. des gemeinsamen Rundschreibens). Fahrradergometer sind zwar für jedermann im Handel käuflich zu erwerben. Sie sollen als Übungs- oder Sportgeräte dienen. Sie sind aber weder allgemein verbreitet und werden nicht regelmäßig von einem erheblich großen Personenkreis benutzt. Dem stehen schon die nicht unerheblichen Anschaffungskosten wie auch der Umstand entgegen, daß sie in der Regel nur zur sportlichen Ertüchtigung in Anstalten und Vereinen verwendet werden.
Entscheidend für den streitigen Erstattungsanspruch ist daher, ob das von dem Kläger selbst beschaffte Gerät für ihn ein ausreichendes, zweckmäßiges und das Maß des Notwendigen nicht übersteigendes Heil- oder anderes Hilfsmittel ist (§ 182 Abs. 1 b und c Abs. 2 RVO).
Das LSG ist zwar an Hand der beiden Entlassungsberichte vom 12. Oktober 1978 und 11. Februar 1980 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger müsse die Möglichkeit haben, sich regelmäßig täglich gezielt zu belasten, um seine Herzleistungsfähigkeit zu steigern. Hierfür biete allein ein Fahrradergometer die Gewähr. Das LSG hat sich nur auf die Feststellungen und Befunde in den beiden Entlassungsberichten und dem Attest von Dr. G… vom 29. Januar 1980 gestützt, in denen die Anschaffung eines Fahrradergometers befürwortet oder empfohlen wird. Es hat jedoch keine Feststellungen über die tatsächliche Beschaffenheit des vom Kläger angeschafften Geräts getroffen, insbesondere nicht die Frage geprüft, ob zur medizinisch sinnvollen Nachbehandlung des Klägers die Möglichkeit ausreicht, die Belastung zu regulieren und zu kontrollieren oder ob es nicht etwa erforderlich ist, daß der Kläger auch seine Belastbarkeit selbst überprüfen kann, um Überbelastungen zu vermeiden. Hierzu wäre schon deshalb Anlaß gewesen, weil das LSG aus den Entlassungsberichten eine schwankende Belastbarkeit entnommen hatte. Ferner wird zu klären sein, ob allein die Benutzung eines solchen Gerätes dem Heilerfolg dient, oder ob das nur bei regelmäßiger ärztlicher Kontrolle und Beratung möglich ist. Ferner wäre zu erwägen, ob nicht auch die leihweise Überlassung eines solchen oder eines anderen geeigneten Gerätes den Zweck notwendiger Heilbehandlung wenigstens in gleicher Weise erfüllen würde. Schließlich auch noch, ob der Heilerfolg unter Beachtung von Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auf andere Weise zu erreichen wäre.
Es erscheint dem Senat erforderlich, daß sich das LSG bei erneuter Beweisaufnahme eines ärztlichen Sachverständigen bedient.
Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.8 RK 23/81
Bundessozialgericht
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des LSG ist aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil die Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits nicht ausreichen.
Nach dem das Recht der sozialen Krankenversicherung beherrschenden Sachleistungsprinzip haben die Versicherten gegen ihre Krankenkassen, soweit das Gesetz oder zulässigerweise die Satzung nicht ausdrücklich Ansprüche auf Geldleistungen vorsehen, grundsätzlich keinen Anspruch auf Kostenersatz für selbstbeschaffte Leistungen. Das Bundessozialgericht (BSG) vertritt diese Rechtsauffassung in Übereinstimmung mit dem einschlägigen Schrifttum in ständiger Rechtsprechung (ua BSGE 42, 117, 119 für die Gewährung von Krankenhauspflege; BSGE 42, 229, 230 für die Gewährung von Hilfsmitteln; SozR 2200 § 508 Nr 2 für die Gewährung ärztlicher Behandlung; BSGE 46, 179, 181 für die Gewährung von Arzneien und Hilfsmitteln; Urteil vom 11. Oktober 1979 - 3 RK 72/78 - unveröffentlicht -; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl 1981, § 184 Anm 3; Heinze, in RVO GesKomm §§ 182 Anm 3, 182b Anm 2, 184 Anm 2 RVO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd II, 9. Aufl, Stand Februar 1982, S 382 f I u II, S 384 i). Der erkennende Senat sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen. Das System der deutschen sozialen Krankenversicherung wird nicht vom Kostenerstattungs-, sondern vom Sachleistungsprinzip geprägt (vgl dazu die eingehenden Darlegungen unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung in BSGE 19, 21, 23 ; 42, 117 , 119, 120). Was insoweit für die übrigen Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gilt, kann für Heilmittel, Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel (§ 182 Abs 1 Nr 1b und c, 182b RVO) nicht anders beurteilt werden. Auch hier muß es der Krankenkasse ermöglicht werden zu prüfen, ob solche Mittel geeignet, ausreichend und zweckmäßig sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten ( § 182 Abs 2 RVO ). Daraus folgt, daß der Versicherte grundsätzlich einen Antrag auf Gewährung der Leistung an die Krankenkasse richten muß, wenn er Krankenpflege, wozu auch die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln gehört ( § 182 Abs 1 Nr 1b und c RVO ), in Anspruch nehmen will oder sich die Krankenpflege von einem Kassenarzt verordnen lassen muß (§ 29 Bundesmantelvertrag - Ärzte). Der Versicherte darf der Entscheidung der Krankenkasse nicht dadurch vorgreifen, daß er sich das Heil- oder Hilfsmittel selbst beschafft und die Prüfung der Eignung, Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit in das Verfahren über die Kostenerstattung verlagert.
Eine Ausnahme von dem Sachleistungsgrundsatz hat die Rechtsprechung zutreffend und dem Sinn und Zweck der Krankenpflege entsprechend nur in Notfällen zugelassen, oder wenn die Krankenkasse den Antrag des Versicherten auf Gewährung der Sachleistung zu Unrecht abgelehnt und ihn dadurch zur Behandlung auf eigene Kosten gezwungen hat (ua BSGE 34, 172, 174 ; SozR 2200 § 194 Nr 5 u § 182 Nr 74). Denn nach den mit § 131 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anerkannten Grundsätzen zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes oder Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes, ist die Krankenkasse zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sie sich rechtswidrig geweigert hat, dem Versicherten die Sachleistung zu gewähren ( BSGE 35, 10, 14 ; Urteil vom 13. Mai 1982 - 8 RK 34/81 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Versicherte war dann durch das rechtswidrige Verhalten des Versicherungsträgers gezwungen, an dessen Stelle sachgerecht zu handeln.
Zutreffend hat das LSG entschieden, daß ein Erstattungsanspruch nicht ausgeschlossen ist, wenn der Versicherte zwar nicht versucht hat, eine Sachleistung zu erlangen, von vornherein aber festgestanden hat, daß ihm diese Leistung verweigert werden würde. Es wäre eine unnötige und sachwidrige Erschwerung, wollte man einem Versicherten, der notwendiger Krankenpflege bedarf, zumuten, sich um diese Leistung zu bemühen, wenn dieses Bemühen von vornherein aussichtslos ist. Auch in einem solchen Fall zwingt das "rechtswidrige Verhalten" der Krankenkasse den Versicherten, sich die Krankenpflegeleistung selbst zu beschaffen. Zur Erstattung der aufgewendeten Kosten ist die Krankenkasse allerdings, ebenso wie nach einer vorausgegangen Ablehnung der begehrten Sachleistung, nur verpflichtet, wenn sie die selbstbeschaffte Leistung als Sachleistung hätte gewähren müssen, dh die von vornherein feststehende Verweigerung der Leistung rechtswidrig gewesen ist. Ob ein solches ablehnendes Verhalten rechtswidrig war, ist daher im Erstattungsverfahren zu klären.
Die Beklagte hat durchgehend den Standpunkt vertreten, ein Fahrradergometer sei kein Heil- oder Hilfsmittel iS der gesetzlichen Krankenversicherung, sie sei deshalb auch nicht verpflichtet, dem Kläger die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Sie hat sich dabei auf das gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der sozialen Krankenversicherungsträger vom 27. Juni 1978 (OKK 1978 S 683 ff) und auf den diesem Rundschreiben beigefügten Hilfsmittelkatalog gestützt. Übungsgeräte könnten danach nur ausnahmsweise als Heil- oder Hilfsmittel in Betracht kommen. Ein Fahrradergometer sei jedoch ein Übungsgerät, für das eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Betracht komme. Da die Beklagte ihre Sachleistungspflicht auch jetzt noch verneint, nachdem ihr der Einzelfall bekannt ist, steht fest, daß die Beklagte oder ein Kassenarzt dem Kläger dieses Gerät nicht bewilligt oder verordnet hätten.
Um entscheiden zu können, ob dieses ablehnende Verhalten rechtswidrig gewesen ist, bedarf es weiterer Feststellungen. Das genannte Rundschreiben ist für die Krankenkassen nicht bindend. Auch die neuerdings gemäß § 368p Abs 1 RVO vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien vom 26. Februar 1982 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr 125a vom 13. Juli 1982) verweisen in Abschnitt C (sachliche Heilmittel und Hilfsmittel unter Nr 4 auf die einschlägigen Verlautbarungen der Spitzenverbände der Krankenkassen nur als Entscheidungshilfen für die Zuordnung zu den Heilmitteln und Hilfsmitteln. In den Richtlinien selbst ist ein Fahrradergometer als nicht verordnungsfähiges Heil- oder Hilfsmittel nicht genannt. Es ist auch kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, dessen Anschaffung in den eigenwirtschaftlichen Bereich des Versicherten fällt (§ 182b Satz 1 letzter Satzteil RVO idF des Art 1 Nr 4 des Kostendämpfungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1578 -; Abschnitt A Nr 4.8. und Abschnitt C Nr 2 der genannten Richtlinien; Nr 4.3.3 des gemeinsamen Rundschreibens; BSG, Urteil vom 26. Oktober 1982 - 3 RK 16/81 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens kann ein Gerät nicht allein deshalb bezeichnet werden, weil es nicht nur zur gezielten heilenden Einwirkung auf einen krankhaften Körper- oder Geisteszustand geeignet ist, sondern auch zu anderen Zwecken verwendet wird (zB Gesunderhaltung). Schon der Begriff selbst steht einer solchen ausweitenden Interpretation entgegen und würde auch nicht der damit beabsichtigten sinnvollen Einschränkung der Leistungen der sozialen Krankenversicherung entsprechen. Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet werden, müssen nicht nur allgemein für jedermann zugänglich sein, sie müssen auch allgemein verwendet werden, dh üblicherweise von einer großen Zahl von Personen regelmäßig benutzt werden. Nicht entscheidend für die Heil- oder Hilfsmitteleigenschaft ist dabei, daß die Benutzung allgemein gesundheitsfördernd ist oder dafür als geeignet angesehen wird. Denn es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, krankheitsbedingt notwendige Hilfen zur allgemeinen Lebensführung zu bieten (zutreffend Nr 4.3.3. des gemeinsamen Rundschreibens). Fahrradergometer sind zwar für jedermann im Handel käuflich zu erwerben. Sie sollen als Übungs- oder Sportgeräte dienen. Sie sind aber weder allgemein verbreitet und werden nicht regelmäßig von einem erheblich großen Personenkreis benutzt. Dem stehen schon die nicht unerheblichen Anschaffungskosten wie auch der Umstand entgegen, daß sie in der Regel nur zur sportlichen Ertüchtigung in Anstalten und Vereinen verwendet werden.
Entscheidend für den streitigen Erstattungsanspruch ist daher, ob das von dem Kläger selbst beschaffte Gerät für ihn ein ausreichendes, zweckmäßiges und das Maß des Notwendigen nicht übersteigendes Heil- oder anderes Hilfsmittel ist ( § 182 Abs 1b und c Abs 2 RVO ).
Das LSG ist zwar an Hand der beiden Entlassungsberichte vom 12. Oktober 1978 und 11. Februar 1980 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger müsse die Möglichkeit haben, sich regelmäßig täglich gezielt zu belasten, um seine Herzleistungsfähigkeit zu steigern. Hierfür biete allein ein Fahrradergometer die Gewähr.
Das LSG hat sich nur auf die Feststellungen und Befunde in den beiden Entlassungsberichten und dem Attest von Dr. G. vom 29. Januar 1980 gestützt, in denen die Anschaffung eines Fahrradergometers befürwortet oder empfohlen wird. Es hat jedoch keine Feststellungen über die tatsächliche Beschaffenheit des vom Kläger angeschafften Geräts getroffen, insbesondere nicht die Frage geprüft, ob zur medizinisch sinnvollen Nachbehandlung des Klägers die Möglichkeit ausreicht, die Belastung zu regulieren und zu kontrollieren oder ob es nicht etwa erforderlich ist, daß der Kläger auch seine Belastbarkeit selbst überprüfen kann, um Überbelastungen zu vermeiden. Hierzu wäre schon deshalb Anlaß gewesen, weil das LSG aus den Entlassungsberichten eine schwankende Belastbarkeit entnommen hatte. Ferner wird zu klären sein, ob allein die Benutzung eines solchen Gerätes dem Heilerfolg dient, oder ob das nur bei regelmäßiger ärztlicher Kontrolle und Beratung möglich ist. Ferner wäre zu erwägen, ob nicht auch die leihweise Überlassung eines solchen oder eines anderen geeigneten Gerätes den Zweck notwendiger Heilbehandlung wenigstens in gleicher Weise erfüllen würde. Schließlich auch noch, ob der Heilerfolg unter Beachtung von Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auf andere Weise zu erreichen wäre.
Es erscheint dem Senat erforderlich, daß sich das LSG bei erneuter Beweisaufnahme eines ärztlichen Sachverständigen bedient.
Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 518342 |
Breith. 1983, 660 |