Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Württemberg |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 1999 - L 9 RJ 3432/97 - wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin beansprucht von der Beklagten 505,80 DM.
Die beklagte Landesversicherungsanstalt bewilligte der 1911 geborenen R. das Altersruhegeld (ARG) mit Bescheid vom 9. Juli 1976 ab 1. August 1976. Sie ging zunächst davon aus, daß die Rentnerin nicht Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) sei, weil es sich bei der Rente um eine sogenannte Artikel-Rente iS des Art 2 § 51a Abs 4 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes handelte. Die Rechtsvorgängerin der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse, die AOK Ulm, hatte die Rentnerin jedoch aufgrund des Rentenantrags als Rentenantragstellerin aufgenommen und führte sie seit Rentenbeginn als Mitglied in der KVdR.
Nach einer Abgleichung des Datenbestandes im Jahr 1994 teilte die AOK der Beklagten mit, R. sei seit dem 1. August 1976 als Rentnerin bei ihr pflichtversichert. Die Beklagte berechnete mit Bescheid vom 27. Juli 1994 die Rente der R. neu, wobei sie die Aufwendungen für die Krankenversicherung seit dem 1. Januar 1990 berücksichtigte. Mit einem weiteren Schreiben teilte sie der Rentnerin unter anderem mit, sie erhalte einen Beitragszuschuß zu ihrer Rente. Gleichzeitig werde der Krankenversicherungsbeitrag von der Rente einbehalten. Für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. August 1994 könne nur der Beitragszuschuß an die Klägerin abgeführt werden. Beiträge für die Zeit vor dem 1. Januar 1990 seien verjährt. Eine Aufrechnung der rückständigen Krankenversicherungsbeiträge sei entsprechend § 51 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil (SGB I) nicht zulässig.
Die AOK, die eine Mehrfertigung dieses Schreibens erhielt, verlangte mit Schreiben vom 17. November 1994 von der Beklagten 505,80 DM für das Jahr 1989. Sie vertrat die Ansicht, die Beklagte hafte nach § 255 Abs 2 Satz 3 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) mit diesem Betrag. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab.
Die Klägerin hat im September 1995 Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einen Beitragszuschuß in Höhe von 505,80 DM zu zahlen. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Berufung zugelassen (Urteil vom 23. September 1997). Die Beklagte hafte nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V als Träger der Rentenversicherung mit dem von ihr zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Dieser Anspruch sei nicht verjährt. § 25 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) finde keine Anwendung, weil es sich nicht um einen Anspruch auf Beiträge handele, sondern um einen Haftungsanspruch. Auch die Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I sei nicht anwendbar. Es handele sich nicht um einen Anspruch auf Sozialleistungen. Die Beitragspflicht der Versicherten auf der einen und der Beitragszuschuß der Beklagten auf der anderen Seite seien nicht akzessorisch. Könne der Beitrag der Versicherten nicht mehr erhoben werden, so entfalle deswegen nicht der Anspruch auf den Beitragszuschuß gegen die Beklagte.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 1999). Der allein in Betracht kommende Anspruch nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V sei nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV verjährt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt die Verletzung des § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V. Der Anspruch aus § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V sei nicht verjährt. Es handele sich nicht um einen Anspruch auf Beiträge, sondern um einen Haftungsanspruch. Es gebe auch Gründe, den haftenden Rentenversicherungsträger in der Verjährungsfrage anders zu behandeln als den beitragspflichtigen Rentner. Die Haftungsvorschrift ergebe nur einen Sinn, wenn der Rentenversicherungsträger über die allgemeinen Regelungen hinaus in Anspruch genommen werden könne. Für die Krankenversicherung stelle § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V eine Art Garantiehaftung des Rentenversicherungsträgers dar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 19. Oktober 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 23. September 1997 mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, an die BfA 505,80 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der geltend gemachte Anspruch sei jedenfalls verjährt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klage ist als Leistungsklage zulässig. Der Senat hat allerdings bereits wiederholt entschieden, daß Krankenversicherungsbeiträge auch gegenüber anderen Versicherungsträgern durch Verwaltungsakt festzusetzen sind (vgl zuletzt BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 22 S 53, 54 mwN). Ist ein Anspruch durch Verwaltungsakt festzusetzen, ist die Leistungsklage in der Regel unzulässig. Abweichend von diesem Grundsatz ist die Leistungsklage jedoch zulässig, wenn zweifelhaft ist, ob der geltend gemachte Anspruch durch Verwaltungsakt festgesetzt werden könnte (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 22 S 53, 56 mwN). Hier bestehen solche Zweifel. Für die erhobene Forderung kommen verschiedene Rechtsgrundlagen in Betracht. Sie kann ein Beitragsanspruch nach § 255 Abs 1 SGB V sein, der durch Verwaltungsakt zu verfolgen wäre. Es kann sich aber auch um einen Schadensersatzanspruch nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V handeln, den ein Versicherungsträger gegen einen anderen Versicherungsträger nur mit der Leistungsklage geltend machen könnte.
Die Klage ist unbegründet. Der Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des SGB V in der vom 1. Januar bis 31. Dezember 1989 geltenden Fassung. Beitragsansprüche für bestimmte Monate eines Versicherungsverhältnisses sind grundsätzlich nach denjenigen Rechtsvorschriften zu beurteilen, die während des betreffenden Zeitraums gelten oder – bei Beitragsnachforderungen für die Vergangenheit – während des Nachforderungszeitraums gegolten haben (BSGE 61, 79, 81 = SozR 5491 Art 2 § 13 Nr 1). Dies gilt auch, wenn, wie es hier möglich erscheint, ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung an die Stelle eines Beitragsanspruchs getreten ist.
Im Jahre 1989, um das es hier geht, hatten die versicherungspflichtigen Rentner ihre Beiträge aus der Rente allein zu tragen (§ 250 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes ≪GRG≫ vom 20. Dezember 1988 ≪BGBl I 2477≫) und erhielten zu ihrer Rente einen Zuschuß zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung (§ 1304e Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫). Nach § 255 Abs 1 SGB V (idF des Art 1 GRG ≪§ 255 Abs 1 SGB V aF≫) hatte der Träger der Rentenversicherung die Beiträge aus der Rente bei deren Zahlung einzubehalten und an die BfA zu zahlen (Satz 1). Dabei waren die Beiträge von den Zuschüssen des Trägers der Rentenversicherung und, soweit sie diese Zuschüsse überstiegen, von der Rente einzubehalten (Satz 2). Mit dem GRG ist in § 255 Abs 2 SGB V dann erstmals geregelt worden, was zu geschehen hat, wenn die Beiträge bei Zahlung der Rente nicht einbehalten und abgeführt worden sind. Der Träger der Rentenversicherung hat in diesem Fall die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; hierfür gilt § 51 Abs 2 SGB I entsprechend (§ 255 Abs 2 Satz 1 SGB V). Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug der rückständigen Beiträge der zuständigen Krankenkasse (Satz 2). § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V (idF des Art 1 GRG ≪§ 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF≫) schließlich sah vor, daß der Träger der Rentenversicherung mit dem Zuschuß zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung haftet. Mit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) am 1. Januar 1992 ist die Rechtslage geändert worden. Nunmehr sind die Beiträge der versicherungspflichtigen Rentner aus der Rente von diesen und den Trägern der Rentenversicherung je zur Hälfte zu tragen (§ 249a SGB V, eingefügt durch Art 4 Nr 17 des Rentenreformgesetzes 1992 ≪RRG 1992≫ vom 18. Dezember 1989 ≪BGBl I 2261≫). § 255 Abs 1 SGB V (idF des Art 4 Nr 20 Buchst a RRG 1992) wurde dementsprechend geändert und ordnet nunmehr an, daß Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die BfA für die Krankenkassen zu zahlen sind. § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V (idF des Art 4 Nr 20 Buchst b RRG 1992) schreibt vor, daß der Träger der Rentenversicherung mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung haftet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von Beiträgen oder einem Beitragszuschuß aus der Versicherung der R. für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1989 in Höhe von 505,80 DM nicht mehr verlangen, denn der geltend gemachte Anspruch ist verjährt. Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Anspruch auf § 255 Abs 1 SGB V aF oder aber auch oder ausschließlich auf § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF gestützt werden kann.
Geht man davon aus, daß der Anspruch sich schon aus § 255 Abs 1 SGB V aF ergibt, weil der Träger der Rentenversicherung nach Satz 1 auch bei unterlassener Einbehaltung und Abführung der Beiträge verpflichtet war, jedenfalls in Höhe der nach Satz 2 einzubehaltenden Beitragszuschüsse die Beiträge nachträglich zu zahlen, so handelt es sich um einen Beitragsanspruch. Ansprüche auf Beiträge verjähren nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Die bis zum 31. Dezember 1989 aus der Rente zu zahlenden Beiträge waren Ende 1993 und damit nicht erst im Zeitpunkt der Erhebung der Klage im Jahr 1995, sondern schon 1994 verjährt, als die Beklagte auf die unterbliebene Beitragszahlung aufmerksam wurde. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte vor diesem Zeitpunkt die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat und deshalb vor 1994 für Beiträge des Jahres 1989 die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV begonnen hatte. Dies wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Aber auch wenn man den Anspruch auf Zahlung in Höhe des Beitragszuschusses in Fällen wie dem vorliegenden zusätzlich oder allein in § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF begründet sieht, ist er verjährt. Auch für diesen Anspruch gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Sieht man § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF in allen Fällen, in denen Beiträge nicht zeitgleich mit der Rente abgeführt werden, als eigene Anspruchsgrundlage an, so handelt es sich um einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Ein solcher Anspruch verjährt in der Regel in der Frist, die für die Verjährung des Erfüllungsanspruchs gilt. Dieses hat der Senat für den Schadensersatzanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen die Einzugsstelle nach § 1436 Abs 1 RVO bereits entschieden (Urteil vom 30. März 2000 - B 12 KR 15/99 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Es ist nicht ersichtlich, daß für einen Schadensersatzanspruch nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF etwas anderes gelten könnte. Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird, der Anspruch auf den Beitragszuschuß (seit dem 1. Januar 1992: Anspruch auf den Beitragsanteil) nach § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V verjähre nicht wie der Beitragsanspruch (vgl etwa Peters, Handbuch der Krankenversicherung, RdNr 16 zu § 255, Stand August 1995; Vieß, GK-SGB V, RdNr 14 zu § 255, Stand Februar 1996), wird dies lediglich damit begründet, daß es sich nicht um einen Beitragsanspruch handele. Allein dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, für die Verjährung des Anspruchs gelte keine oder eine von der Verjährung des Erfüllungsanspruchs abweichende längere Frist. Im übrigen spricht auch der Umstand, daß nach § 45 SGB I der Anspruch des Versicherten auf den Beitragszuschuß in vier Jahren verjährt, dafür, daß der Anspruch der Krankenkasse auf diesen beim Träger der Rentenversicherung verbliebenen Beitragszuschuß ebenfalls in vier Jahren verjährt. § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF – aber auch § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V idF des RRG 1992 – ist in dieser Auslegung nicht überflüssig. Durch diese Vorschrift wird klargestellt, daß der Träger der Rentenversicherung nach Unterlassen von Einbehalt und Abführung des Beitrags in Höhe des Beitragszuschusses (jetzt: in Höhe des Beitragsanteils) verpflichtet bleibt. Ob sich dies nicht möglicherweise schon aus § 255 Abs 1 SGB V aF und jetzt aus § 255 Abs 1 SGB V ergibt, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man dies, wie anscheinend das SG, annimmt, wird eine klarstellende Regelung dadurch weder überflüssig noch kann sie iS eines Ausschlusses der Verjährung gedeutet werden. Die Verjährung des Anspruchs aus § 255 Abs 2 Satz 3 SGB V aF ist auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn man mit der Klägerin der Ansicht ist, hierbei handele es sich um eine Art Garantiehaftung. Bei einer Garantiehaftung mögen dem Haftenden bestimmte Einwendungen abgeschnitten sein (vgl Palandt, Heinrichs, 59. Aufl 2000, § 306 RdNr 11). Die Verjährungsfrist wird dadurch aber nicht geändert.
Da jeder in Betracht kommende Anspruch verjährt ist, kann offenbleiben, ob die Klägerin als Krankenkasse den Anspruch auf Zahlung an die BfA überhaupt geltend machen konnte oder ob dazu nicht nur die BfA befugt gewesen wäre. Unter der Geltung der Vorschriften über den Finanzausgleich in der KVdR (§§ 268 bis 273 SGB V) und vor Einführung des Risikostrukturausgleichs hatte die einzelne Krankenkasse möglicherweise kein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Zahlung der Beiträge aus der Rente der bei ihr Pflichtversicherten. Diese Beiträge dienten vielmehr allen ausgleichsberechtigten Krankenkassen gleichermaßen zur Deckung des nicht von ihrem jeweiligen Finanzierungsanteil gedeckten Aufwandes für die KVdR.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen