Beteiligte
Deutsche Angestellten Krankenkasse |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Versorgung des Klägers mit einem sog Rollstuhl-Bike.
Der im Jahre 1958 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Ersatzkasse und querschnittgelähmt. Er arbeitet vollschichtig im Labor des Kreiskrankenhauses in M.. Die Beklagte hat ihn bisher stets mit einem handbetriebenen Rollstuhl versorgt (zuletzt 1987, 1989, 1993 und 1996). Außerdem besitzt der Kläger einen behindertengerecht ausgestatteten Pkw.
Im Januar 1996 beantragte der Kläger die Versorgung mit einem sog Rollstuhl-Bike, das ihm der behandelnde Arzt verordnet hatte. Es handelt sich dabei um eine Handkurbel in Brusthöhe mit Kette oder Kupplungsgestänge zur Kraftübertragung auf die Räder (auch „Rolli-Bike” bzw „Handy-Bike” genannt), wodurch ein effektiverer Antrieb als mit den Greifreifen möglich ist. Nach dem vom Kläger beigefügten Kostenvoranschlag der Firma R. Reha-Fachhandel GmbH sollte das Gerät vom Typ BASIC III 5.560,25 DM incl Mehrwertsteuer kosten. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Versorgung mit diesem Gerät sei aus medizinischer Sicht nicht geboten. Die Aktivierung des Muskelapparats sowie die Verbesserung der Herz-Kreislauf-Funktion und der Lungenaktivität könnten durch gezielte Krankengymnastik und sportliche Übungen (zB Hanteltraining) ebenfalls erreicht werden. Das Rollstuhl-Bike werde auch nicht zur Lebensbewältigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt. Der Kläger sei mit dem handbetriebenen Rollstuhl ausreichend und zweckmäßig versorgt (Bescheid vom 28. März 1996, Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 1996).
Die hiergegen gerichtete Klage hatte erstinstanzlich Erfolg (Urteil des Sozialgerichts vom 1. Dezember 1997). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage jedoch abgewiesen (Urteil vom 22. Januar 1999): Die das allgemeine Wohlbefinden fördernde und zur Erhaltung der Gesundheit beitragende Wirkung des Bike-Trainings mache das Gerät nicht medizinisch erforderlich iS des § 33 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Ausstattung mit einem „Rollstuhl-Bike” sei auch nicht erforderlich, um dem Kläger eine Lebensbewältigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse zu ermöglichen. Soweit das Bedürfnis nach Mobilität dazugehöre, werde es durch die Versorgung mit dem handbetriebenen Rollstuhl und die Möglichkeit, jederzeit den eigenen Pkw zu benutzen, befriedigt. Ein auf die Gleichstellung mit Radfahrern abzielendes und auf die Ermöglichung von Rollstuhl-Ausflügen in bergigem Gelände gerichtetes Mobilitätsbedürfnis sei nicht als Grundbedürfnis anzusehen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 33 Abs 1 SGB V. Er benötige dieses Hilfsmittel zum Ausgleich der körperlichen Zwangshaltung beim normalen Rollstuhlfahren und auch zur Lebensbewältigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse. Hierzu gehöre ein körperlicher Freiraum, in dem sich nichtbehinderte Menschen entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewegen. Dieser auch Ausflüge in bergiges Gelände nahe der Wohnung einschließende Freiraum werde durch den handbetriebenen Rollstuhl nur teilweise, nämlich für kurze Wegstrecken bis etwa 1000 m, abgedeckt. Auf die Benutzung seines Pkw könne ihn die Beklagte zumindest bei Wegstrecken bis zu 2500 m Länge nicht verweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 1999 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Dezember 1997 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike.
1. Die Klage ist zulässig. Es verstößt nicht gegen die auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Prozeßvoraussetzung eines bestimmten Klageantrags (BSGE 60, 87, 90 = SozR 1200 § 53 Nr 6), daß der Kläger in den Vorinstanzen lediglich allgemein beantragt hat, ihm ein „Handy-Bike” zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist im Sinne der Verurteilung zur Verschaffung einer Sachleistung zu verstehen. Diesem Erfordernis genügt der gestellte Klageantrag, obgleich er offenläßt, welcher Gerätetyp begehrt wird und ob das Gerät übereignet oder nur leihweise zur Verfügung gestellt werden soll. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden ihre Leistungspflicht schon dem Grunde nach verneint. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, daß eine Klage auf eine nur allgemein umschriebene Leistung zulässig ist, wenn die Entscheidung über die Art der Gewährung (Leihe oder Übereignung) und auch die Spezifizierung der geschuldeten Leistung im Zusammenwirken der Behörde mit dem Leistungsempfänger erfolgt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 16 und 27). Dies gilt zumindest dann, wenn kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß die Beteiligten im Falle einer Verurteilung der Behörde über die Auswahl streiten werden, wie dies hier der Fall ist. Dem steht auch nicht entgegen, daß damit ungewiß bleibt, ob die Beklagte ihrer Sachleistungspflicht im Wege der Übereignung oder im Wege der leihweisen Überlassung nachkommt.
2. Das LSG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike ergibt sich nicht bereits aus der nach den Feststellungen des LSG vorliegenden vertragsärztlichen Verordnung vom 5. September 1995 (vgl Urteil des 8. Senats des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ vom 29. September 1997 - 8 RKn 27/96 – SozR 3-2500 § 33 Nr 25). Dies folgt schon daraus, daß nach § 275 Abs 3 Nr 2 SGB V die Krankenkassen vor Bewilligung eines Hilfsmittels in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) prüfen lassen können, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Hiermit steht in Einklang, daß nach den die Verordnungstätigkeit regelnden Bundesmantelverträgen (§ 30 Abs 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte ≪BMV-Ä≫, Stand: 1. Januar 1996; ebenso § 16 Abs 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen ≪EKV-Ä≫, Stand: 1. Januar 1996) die Abgabe von Hilfsmitteln einer Genehmigung durch die Krankenkasse bedarf, soweit – wie hier – in ihren Bestimmungen nichts anderes vorgesehen ist.
Auch die befürwortende Stellungnahme des MDK vom 5. Februar 1996 ist nicht geeignet, den Anspruch des Klägers zu begründen. Die gutachterliche Stellungnahme des MDK hat lediglich beratenden bzw empfehlenden Charakter, bindet die Krankenkasse in ihrer Entscheidung aber nicht (§ 275 Abs 1 SGB V).
3. Der Anspruch scheitert nicht schon daran, daß das Rollstuhl-Bike die Funktion eines Fahrrads ausfüllt und Fahrräder zu den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehören. Versicherte haben im Rahmen der Krankenbehandlung (vgl § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V) ua Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit es sich nicht um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens handelt (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V). Das Rollstuhl-Bike ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Darunter fallen nur Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 5; SozR 2200 § 182b Nr 6). Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden sind und von diesem Personenkreis ausschließlich oder ganz überwiegend benutzt werden, sind nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (zB Brillen, Hörgeräte). Die Frage, ob ein Mittel als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen ist, stellt sich für einen Gegenstand, der von der Konzeption her vorwiegend für Kranke oder Behinderte gedacht ist, erst dann, wenn er in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen benutzt wird (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 19). Das Rollstuhl-Bike kann bauartbedingt nur in der Kombination mit einem Rollstuhl genutzt werden. Es kommt damit für Gesunde nicht in Betracht (so bereits BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27).
4. Der Anspruch des Klägers ist aber ausgeschlossen, weil ein Rollstuhl-Bike für Erwachsene kein Hilfsmittel iS des § 33 SGB V ist. Das Gesetz definiert sächliche Mittel nur dann als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie „im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen” (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V). Ein Hilfsmittel ist nach der Rechtsprechung (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 3 und 5) bei der zweiten Alternative im vorgenannten Sinne nur dann „erforderlich”, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dazu gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) und zum anderen die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfaßt. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittels wieder aufschließen soll (vgl BSGE 66, 245, 246 = SozR 3-2500 § 33 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 7, 13 und 16 sowie die Rechtsprechung zur Reichsversicherungsordnung: BSG SozR 2200 § 182b Nrn 29, 34 und 37).
Nach diesen Abgrenzungskriterien ist ein Rollstuhl-Bike für Personen im Erwachsenenalter kein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung. Nur bei Kindern und Jugendlichen kann das Rollstuhl-Bike als „Hilfsmittel” iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V eingestuft werden; der Versorgungsanspruch hängt insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27). Die Unterscheidung beruht darauf, daß die bisherige Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, auch das Grundbedürfnis der Erschließung „eines gewissen körperlichen Freiraums” nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden verstanden hat. So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1994 - 3/1 RK 13/93 – (SozR 3-2500 § 33 Nr 7 ≪Rollstuhlboy≫) zwar die „Bewegungsfreiheit” als Grundbedürfnis bejaht, dabei aber lediglich auf diejenigen Entfernungen abgestellt, die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklegt. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind zusätzliche qualitative Momente verlangt worden. In seiner Entscheidung vom 16. April 1998 - B 3 KR 9/97 R – (SozR 3-2500 § 33 Nr 27) zum Rollstuhl-Bike für Jugendliche hat der Senat zwar auch Entfernungen berücksichtigt, die ein Jugendlicher mit dem Fahrrad zurücklegt. Das Hilfsmittel ist aber nicht wegen dieser Erweiterung des Freiraums, sondern nur wegen der dadurch geförderten Einbeziehung des behinderten Klägers in den Kreis der – laufenden und Fahrrad fahrenden – gleichaltrigen Jugendlichen (soziale Integration in der jugendlichen Entwicklungsphase) zugesprochen worden. Ebenso war schon in der Entscheidung vom 2. August 1979 - 11 RK 7/78 – (SozR 2200 § 182b Nr 13 ≪Faltrollstuhl≫) nicht die angesprochene „Fortbewegung auch in Orten außerhalb seines Wohnortes”, sondern die Ermöglichung des Schulbesuchs der maßgebliche Gesichtspunkt gewesen (vgl auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22 zum Anspruch eines Schülers auf Ausstattung mit einem Computer).
Der so umgrenzte Basisausgleich der – im Verlust der Gehfähigkeit bestehenden – Behinderung ist durch die Versorgung des Klägers mit dem handbetriebenen Rollstuhl in ausreichender Weise erfolgt. Zum Grundbedürfnis gehbehinderter Menschen auf Erschließung bzw Sicherung „eines gewissen körperlichen Freiraums” zählt nicht das Zurücklegen längerer Wegstrecken gleich einem Radfahrer, Jogger oder Wanderer.
a) Das Radfahren gehört zwar in breiten Bevölkerungsschichten zum normalen Lebensstandard; existenznotwendig war und ist der Besitz eines Fahrrads hingegen nicht. Wenn es die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dem durch eine Krankheit oder Behinderung beeinträchtigten Menschen die eigenständige und unabhängige Erfüllung seiner vitalen Lebensbedürfnisse zu ermöglichen, kann ihre Leistungspflicht nicht an den üblichen Besitz eines Fahrrads anknüpfen und dazu führen, es für den Behinderten nutzbar zu machen oder – wie hier – eine dem Radfahren vergleichbare Fortbewegungsmöglichkeit mit dem Rollstuhl zu eröffnen. Die grundlegenden Organfunktionen der Beine, um deren Ausfall es hier allein geht, sind das Gehen und Stehen. Diese Funktionen sind bei Gehbehinderten im Rahmen des technisch Machbaren und wirtschaftlich Vertretbaren, ua durch Hilfsmittel, ganz oder teilweise herzustellen oder zu ersetzen, nicht hingegen die Fähigkeit, mittels der Beine ein schnelleres und bequemeres Fortbewegungsmittel zu betreiben (so bereits Urteil vom 6. August 1998 - B 3 KR 3/97 R – SozR 3-2500 § 33 Nr 29 zur behindertengerechten Umrüstung eines Kfz). Die Möglichkeit, sich als Rollstuhlfahrer mit dem Rollstuhl-Bike wie ein Radfahrer zu bewegen und zB Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen, zählt daher nicht zu den Grundbedürfnissen.
b) Soweit es die Geschwindigkeit, die Streckenlänge und die körperliche Dauerleistung betrifft, kann das Fahren mit dem Rollstuhl-Bike unter Umständen auch ausgedehntes Jogging ersetzen. Dies kann den geltend gemachten Anspruch indes ebenfalls nicht rechtfertigen. Das Jogging ist eine sportliche Betätigung im Freizeitbereich. Freizeitbeschäftigungen – welcher Art auch immer – werden vom Begriff des vitalen Lebensbedürfnisses bzw des allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens nicht erfaßt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 5 und 27; BSG SozR 2200 § 182b Nrn 12, 30, 34 und 37). Auch die Einordnung des Jogging als Sonderform des „Laufens” führt zu keinem anderen Ergebnis. Das „Laufen” bzw „Rennen” zählt nur bei Kindern und Jugendlichen (so bereits BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 zum Rollstuhl-Bike für Jugendliche), nicht aber bei Erwachsenen zu den Vitalfunktionen.
c) Das allgemeine Grundbedürfnis, selbständig zu gehen, kann den Anspruch gleichfalls nicht begründen. Dieses Grundbedürfnis kann nämlich nicht dahin verstanden werden, daß die Krankenkasse einen Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln in die Lage versetzen muß, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen, die ein Nichtbehinderter bei normalem Gehen zu Fuß bewältigen kann. Auch hier ist zu berücksichtigen, daß die gesetzliche Krankenversicherung bei dem Verlust der Gehfähigkeit nur für einen Basisausgleich zu sorgen hat. Zu den insoweit maßgeblichen vitalen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens gehört jedoch nur die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang „an die frische Luft zu kommen” oder um die – üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden – Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. In diesem Sinne ist die in früheren Entscheidungen verwandte Formulierung zu präzisieren, es sei auf diejenigen Entfernungen abzustellen, die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 7, 27 und 29). Ein über den vorgenannten Rahmen hinausgehendes Bedürfnis zu gehen kann nicht als Grundbedürfnis anerkannt werden. Der Senat hält daher seine im Urteil vom 8. Juni 1994 - 3/1 RK 13/93 – (SozR 3-2500 § 33 Nr 7) enthaltene Andeutung, er tendiere dazu, „daß zwischen dem durch einen Selbstfahrerrollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder auch bei eingeschränktem Gesundheitszustand vor allem im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklegt, eine Lücke besteht, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen ist”, nicht aufrecht. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall die genannten Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich der Wohnung liegen, also dafür längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen. Besonderheiten der Wohnlage können für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgeblich sein. Dem Grundbedürfnis auf freie Bewegung in der eigenen Wohnung und in deren Nahbereich hat die Beklagte durch die Versorgung des Klägers mit dem handbetriebenen Rollstuhl hinreichend Rechnung getragen.
d) Maßgebend kann auch nicht sein, daß das Rollstuhl-Bike zur Stärkung der noch vorhandenen Muskulatur, des Herz-Kreislauf-Systems und der Lungenfunktion beiträgt. Dieses Ziel läßt sich durch weniger aufwendige Geräte oder durch entsprechende krankengymnastische und sportliche Übungen mit geringerem Kostenaufwand erreichen.
e) Die Versorgung des Klägers mit dem Rollstuhl-Bike kommt auch nicht unter dem Aspekt in Betracht, daß die ausschließliche Benutzung des Rollstuhls über die Greifreifen möglicherweise zu körperlichen Beschwerden des Klägers führt. Nach der Bescheinigung des Chefarztes Dr. F. vom Kreiskrankenhaus M. vom 16. Februar 1996 treten beim Kläger schon „seit längerer Zeit zunehmende Beschwerden im Bereich beider Schultern auf, die durch die einseitige körperliche Anstrengung bei der Benutzung der konventionellen Rollstühle und die dadurch bedingte Fehlstellung der Wirbelsäule sowie die Innenrotationsfehlstellung der Schultern hervorgerufen” werden. Durch den Kurbelantrieb des Rollstuhl-Bikes komme es zu „einer besseren Belastung der Schultern und einer weniger einseitigen Beanspruchung der Rotatorenmanschette”. Im Klageverfahren hat der Kläger hierzu erklärt, er könne mit dem handbetriebenen Rollstuhl lediglich Strecken von etwa 1000 m zurücklegen, bevor es zu Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich komme (Sitzungsniederschrift vom 1. Dezember 1997). Im Berufungsverfahren sprach er sogar von „starken permanenten Schulterschmerzen” (Schriftsatz vom 1. April 1998).
Das LSG hat zu Art und Ausmaß der Beschwerden des Klägers keine näheren Feststellungen getroffen. Dies ist jedoch unschädlich. Selbst wenn die Richtigkeit des Vorbringens des Klägers unterstellt wird, ist der geltend gemachte Anspruch nicht begründet. Bei Schmerzzuständen als Folge des normalen Rollstuhlfahrens stellt sich allenfalls die Frage, ob ein Betroffener mit einem Elektrorollstuhl zu versorgen ist, der die schmerzverursachenden körperlichen Belastungen vermeidet. Zwar mag das Fahren mit einem Rollstuhl-Bike dem Auftreten solcher Schmerzzustände ebenfalls entgegenwirken. Dennoch kommt die Versorgung eines Erwachsenen mit einem Rollstuhl-Bike nicht in Betracht, weil es nicht dem Ausgleich der fehlenden Gehfähigkeit, sondern dem Ersatz des Radfahrens dient, also – anders als der Elektrorollstuhl – nicht auf die Lebensbewältigung eines Erwachsenen im Rahmen eines allgemeinen Grundbedürfnisses abzielt. Daher ist es auch unerheblich, daß ein Rollstuhl-Bike in der Regel preisgünstiger ist als ein Elektrorollstuhl. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung (§§ 33 Abs 1 Satz 1, 12 Abs 1 SGB V) gilt nur dann, wenn zwei in gleicher Weise geeignete Hilfsmittel zur Wahl stehen. Es greift nicht ein, wenn sich zwei Geräte gegenüberstehen, von denen nur eines ein Hilfsmittel iS des § 33 SGB V ist.
5. Da nach allem Erwachsene keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike haben, weil das Gerät für diesen Personenkreis nicht als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung einzustufen ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger darauf verwiesen werden könnte, daß er über einen behindertengerecht ausgestatteten Pkw verfügt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen