Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Befreiung. Versicherungspflicht. Ehegatte. Landwirt. Änderung der Einkommensverhältnisse. Entgeltgrenze. notwendige Beiladung
Leitsatz (amtlich)
1. Ob die für eine Befreiung von der Versicherungspflicht maßgebende Entgeltgrenze von einem Siebtel der Bezugsgröße überschritten wird, richtet sich nicht rückblickend nach den kalenderjährlich erzielten, sondern vorausschauend nach den regelmäßig (ggf monatlich) gezahlten Bezügen.
2. In einem Rechtsstreit über die Befreiung des Ehegatten eines Landwirts von der Versicherungspflicht ist der Landwirt notwendig beizuladen.
Normenkette
SGG § 75 Abs 2, § 168 S. 3; ALG § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 70 Abs. 1 S. 1 Hs. 1; SGB X § 48 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. August 1999 zu Recht aufgehoben hat.
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1995 nach § 1 Abs 3 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) als Ehegattin eines Landwirts versicherungspflichtig (Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 28. Dezember 1994). Von dieser Versicherungspflicht wurde sie auf ihren Antrag durch Bescheid der Beklagten vom 30. August 1995 von Beginn an nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG befreit, weil ihr außerlandwirtschaftliches Arbeitsentgelt (als Arzthelferin) ein Siebtel der Bezugsgröße überschritt. Nachdem die Klägerin im November 1998 mitgeteilt hatte, sie werde ihr Beschäftigungsverhältnis ab Dezember für neun Monate unterbrechen, hob die Beklagte die Befreiung mit Wirkung ab 1. Dezember 1998 auf (Bescheid vom 11. März 1999). Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei weiterhin, wenn auch geringfügig, beschäftigt. Außerdem entrichte sie freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, zu der ab 1. April 1999 auch Pflichtbeiträge wegen geringfügiger Beschäftigung gezahlt würden. Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück und lehnte gleichzeitig einen neuen Befreiungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 22. April 1999).
Während des anschließenden Klageverfahrens befreite die Beklagte die Klägerin durch Bescheid vom 4. November 1999 mit Wirkung ab 1. September 1999 erneut von der Versicherungspflicht, da diese ihre Beschäftigung wieder im alten Umfang ausübte. Das Sozialgericht München (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. Dezember 1999). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat diese Entscheidung und die angegriffenen Bescheide der Beklagten im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen aufgehoben (Urteil vom 18. Oktober 2000). Bei der Klägerin hätten durchgehend die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG vorgelegen. Die Beklagte habe deshalb - mangels einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - den Befreiungsbescheid vom 30. August 1995 nicht aufheben dürfen. Die Forderung des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG nach einem regelmäßigen außerlandwirtschaftlichen Arbeitsentgelt, das "ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet", beziehe sich auf das Kalenderjahr. Denn die Bezugsgröße des § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei ein jährlicher Betrag und das ALG knüpfe daran an, nicht wie zahlreiche andere Gesetze - ausdrücklich - an die "monatliche" Bezugsgröße. Das Arbeitsentgelt der Klägerin habe sowohl 1998 (mit 21.000,- DM) als auch 1999 (mit 11.840,- DM) die danach maßgebliche Grenze überschritten.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.
Während des Revisionsverfahrens haben sich die Beteiligten über etwaige Beitragsrückstände für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. August 1999 und darauf zu zahlende Säumniszuschläge verglichen und damit diese Punkte aus dem Rechtsstreit ausgeklammert. Mit Beschluss vom 2. Oktober 2002 hat der Senat den Ehemann der Klägerin - mit seinem Einverständnis - beigeladen.
Zur Begründung ihrer Revision macht die Beklagte geltend: Das LSG habe § 3 Abs 1 Nr 1 ALG verletzt. Nach dem Wortlaut der Regelung, ihrer Entstehungsgeschichte und Zweckbestimmung sei eine auf den Kalendermonat abstellende Betrachtung ("Monat für Monat") geboten. Der Befreiungsbescheid vom 30. August 1995 habe auch rückwirkend (durch Bescheid vom 11. März 1999 für die Zeit ab 1. Dezember 1998) aufgehoben werden dürfen. Insoweit sei § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entsprechend anzuwenden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 18. Oktober 2000 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 2. Dezember 1999 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht im Rahmen des außergerichtlichen Teilvergleichs für erledigt erklärt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Beide halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, soweit die Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht und die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin für die Zeit bis 18. März 1999 betroffen ist. Im Übrigen - für die Zeit ab 19. März 1999 - führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.
Das Urteil des LSG leidet zwar an einem in der Revisionsinstanz fortwirkenden prozessualen Mangel; denn das Berufungsgericht hat es unterlassen, den Ehemann der Klägerin gemäß § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - notwendig - beizuladen (vgl zB BSG SozR 1500 § 75 Nr 1). Der Senat hat die Beiladung jedoch - mit Zustimmung des beizuladenden Ehemannes - nachholen können (vgl § 168 Satz 3 SGG) und den prozessualen Mangel damit in der Revisionsinstanz beseitigt.
Der Streit darüber, ob die Klägerin von der Versicherungspflicht befreit ist, betrifft ein Rechtsverhältnis, an dem nicht nur die Klägerin, sondern auch ihr Ehemann - in seiner Eigenschaft als Landwirt (vgl § 1 Abs 2 ALG) - iS von § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Nach § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 ALG trägt der Landwirt die Beiträge für die Versicherungspflichtigen (vgl dazu Senatsurteil vom 25. Juli 2002 - B 10 LW 40/00 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Vor allem wegen dieser (grundsätzlichen) Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen ist der Ehemann der Klägerin - vergleichbar einem Arbeitgeber (vgl dazu allgemein BSG SozR Nr 32 zu § 75 SGG) - an dem diese betreffenden, auf § 1 Abs 3 ALG beruhenden Versicherungsverhältnis in einer von § 75 Abs 2 SGG vorausgesetzten Weise beteiligt (zur notwendigen Beiladung des Arbeitgebers beim Rechtsstreit über eine Befreiung des Arbeitnehmers von der Versicherungspflicht vgl BSG, Urteile vom 23. Februar 1977 - 12 RK 14/76 - USK 7736, vom 23. Februar 1977 - 12/3 RK 30/75 - USK 7739, und vom 17. März 1981 - 12 RK 33/80 - USK 8135).
Im Hinblick auf den zwischen den Beteiligten geschlossenen Teilvergleich ist Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1999, soweit darin der Befreiungsbescheid vom 30. August 1995 mit Wirkung ab 1. Dezember 1998 aufgehoben und von diesem Zeitpunkt an eine Versicherungspflicht der Klägerin festgestellt worden ist. Dieser Feststellung der Versicherungspflicht kommt insofern keine eigenständige Bedeutung zu, als damit lediglich die mit Bescheid vom 28. Dezember 1994 getroffene Regelung wiederholt wird. Nicht im Streit ist die Zeit ab 1. September 1999, da insoweit mit Bescheid der Beklagten vom 4. November 1999 eine (erneute) Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt ist.
Als Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht kommt allein § 48 SGB X in Betracht. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Ob die Beklagte ihre angegriffenen Bescheide zu Recht hierauf gestützt hat, lässt sich nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen nur für die Zeit bis zum 18. März 1999 abschließend beurteilen.
Der Befreiungsbescheid vom 30. August 1995 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl BSGE 80, 215, 217 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 mwN). Die bei seinem Erlass vorliegenden Einkommensverhältnisse der Klägerin haben sich ab 1. Dezember 1998 geändert, weil diese von da an nur noch in geringerem Umfang erwerbstätig und ihr Arbeitsentgelt deshalb abgesunken war. Diese Änderung war aber nur dann iS von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X wesentlich, dh rechtserheblich, wenn damit der in § 3 Abs 1 Nr 1 ALG geregelte, bis dahin vorliegende Befreiungstatbestand entfallen war. Nach dieser Vorschrift werden ua Landwirte auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet. Das LSG hat die Änderung des Arbeitsentgelts der Klägerin für unwesentlich gehalten, weil diese im Jahre 1998 (von Januar bis November 20.400,00 DM und im Dezember 600,00 DM =) 21.000,00 DM (Bezugsgröße 1998: 52.080,00: 7 = 7.440,00 DM) und im Jahre darauf 11.840,00 DM (Bezugsgröße 1999: 52.920,00: 7 = 7.560,00 DM) verdient habe. Diese Beurteilung vermag der erkennende Senat nicht zu teilen.
Zwar weist das LSG zutreffend darauf hin, dass es sich bei dem in § 3 Abs 1 Nr 1 ALG genannten Grenzwert von einem Siebtel der Bezugsgröße (vgl § 18 SGB IV) um einen Jahresbetrag handelt. Diesem darf jedoch nicht einfach das im jeweiligen Kalenderjahr insgesamt erzielte Arbeitsentgelt gegenübergestellt werden. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die landwirtschaftlichen Alterskassen über die Befreiungsvoraussetzung nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG nicht rückwirkend für einen abgelaufenen Zeitraum zu entscheiden, sondern vorausschauend (ohne Bindung an das Kalenderjahr) zu beurteilen haben, ob die Entgeltgrenze überschritten werden wird. Das ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien. Der Entwurf zu § 3 Abs 1 ALG bezog sich zunächst nicht auf "regelmäßiges" Einkommen und enthielt nach dem Wort "überschreitet" noch den erläuternden Satz: "Maßgebend ist der Jahresbetrag der Einkommen im laufenden Kalenderjahr" (BT-Drucks 12/5700, S 9). Die später Gesetz gewordene, diesen Zusatz nicht mehr enthaltende Fassung des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG wurde vom zuständigen Bundestagsausschuss dann damit begründet, dass - wie in der gesetzlichen Krankenversicherung im Hinblick auf die Versicherungsfreiheit - im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise das regelmäßige Einkommen maßgeblich sein solle (BT-Drucks 12/7599, S 8). Danach wurde ebenso wie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung der Begriff "regelmäßig" zur Klarstellung dafür gewählt, dass eine vorausschauende und nicht eine rückschauende Betrachtung anzuwenden ist (vgl für die Krankenversicherung BT-Drucks 7/4122, S 43 ff).
Der somit maßgebende Begriff der Regelmäßigkeit setzt eine gewisse Stetigkeit, Dauer und Gesetzmäßigkeit voraus (vgl dazu allgemein BSG SozR 2200 § 1241 Nr 30; BAG AP Nr 4 zu § 611 BGB Lohnzuschläge; BAG AP Nr 8 zu § 2 EntgeltFG). Da er hier iVm dem Beziehen von Arbeitsentgelt verwendet wird, kommt es auf die Art und Weise der Zahlung an. Wird das Gehalt - wie hier - monatlich geleistet, so ist dieser Rhythmus für die Frage eines regelmäßigen Bezuges bestimmend. Längere Unterbrechungen sind demnach schädlich (vgl BSGE 35, 126, 128 = SozR Nr 57 zu § 182 RVO). Nur ein in diesem Sinne regelmäßiges Arbeitsentgelt ist an dem Grenzwert des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG zu messen. Wird es (voraussichtlich) nicht während des ganzen Kalenderjahres erzielt, ist es mit einem entsprechenden Anteil des Grenzbetrages zu vergleichen (so auch GLA-Komm, Stand: 8/01, § 3 ALG S 3.2).
Bei der im vorliegenden Fall gegebenen monatlichen Gehaltszahlung können zur Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts nur diejenigen Beträge berücksichtigt werden, die für den jeweiligen Monat gezahlt werden (vgl dazu BSGE 25, 69, 71 = SozR Nr 7 zu § 13 MuSchG). Gehaltserhöhungen (oder -absenkungen), die erst für spätere Zeiträume wirksam werden, haben dabei folglich außer Betracht zu bleiben; sie können nur für die Zukunft eine neue regelmäßige Entgelthöhe begründen (vgl BSGE 66, 124, 127 = SozR 2200 § 165 Nr 97; s dort auch zur abweichenden Behandlung schwankender Arbeitsentgelte und rückwirkender Gehaltserhöhungen). Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld), die sich auf das ganze Kalenderjahr beziehen, sind allerdings den laufenden Bezügen anteilig hinzuzurechnen (vgl BSG SozR 2100 § 8 Nr 4; BSG SozR 2100 § 17 Nr 3).
Gemessen an diesen Kriterien ist nach den Tatsachenfeststellungen des LSG davon auszugehen, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. August 1999 ein gegenüber den Zeiträumen vorher und nachher abweichendes regelmäßiges Arbeitsentgelt iS von § 3 Abs 1 Nr 1 ALG bezogen hat. Dabei kann der Senat offen lassen, für welchen Zeitraum ein vorübergehendes Unterschreiten der Grenze von einem Siebtel der Bezugsgröße für eine zuvor ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht unschädlich ist. Nach der Praxis der landwirtschaftlichen Alterskassen gilt dies in Anlehnung an § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV für eine Dauer von bis zu zwei Monaten (vgl GLA-Komm, Stand: 8/01, § 3 ALG, S 3.2; zum Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung vgl auch § 34 Abs 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch). Jedenfalls handelt es sich im vorliegenden Fall, bei dem es um einen laufenden Minderverdienst in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. August 1999 (also für die Dauer von neun Monaten) geht, nicht mehr um eine unschädliche Ausnahme von der bis November 1998 gegebenen Regel.
Die danach erforderlichen Feststellungen zum monatlichen Arbeitsentgelt der Klägerin im streitigen Zeitraum hat das LSG in dem angefochtenen Urteil nicht getroffen. Lediglich für Dezember 1998 sind als Einkommen der Klägerin 600,00 DM angegeben. Selbst wenn man aus den Akten der Beklagten, auf deren Inhalt das LSG Bezug genommen hat, iVm den im Revisionsverfahren vorgelegten Gehaltsabrechnungen entnehmen könnte, dass die Klägerin in der fraglichen Zeit laufend 620,00 DM im Monat verdient hat, wäre weiter zu prüfen, ob nicht zusätzlich - wie die Klägerin geltend macht - ein anteiliges Weihnachtsgeld zu berücksichtigen ist. Insoweit lässt sich ohne ergänzende Ermittlungen nicht klären, ob das regelmäßige Arbeitsentgelt der Klägerin ab 1. Dezember 1998 den maßgeblichen Grenzbetrag überschritten hat.
Unabhängig davon sind die angegriffenen Bescheide rechtswidrig, soweit sie die Zeit bis zum 18. März 1999 betreffen. Die Beklagte durfte den Befreiungsbescheid vom 30. August 1995 nur mit Wirkung für die Zukunft aufheben. Insoweit ist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides vom 11. März 1999 und nicht - wie die Beklagte offenbar annimmt - auf den Beginn des der Bekanntgabe folgenden Monats (hier 1. April 1999) abzustellen. Da die Befreiung gemäß § 3 Abs 2 ALG (taggenau) vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an wirkt, muss Entsprechendes auch für die Aufhebung einer Befreiung gelten. Der am 16. März 1999 mit der Post abgesandte Aufhebungsbescheid der Beklagten gilt gemäß § 37 Abs 2 SGB X als am 19. März 1999 bekannt gegeben.
Eine rückwirkende Aufhebung der Befreiung kam hier nicht in Betracht; denn es lag keiner der in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X genannten Fälle vor, in denen ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit (hier für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 18. März 1999) aufgehoben werden soll. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte insoweit auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X. Danach soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Die Beklagte meint, diese auf Leistungen zugeschnittene Regelung sei darüber hinaus immer dann anzuwenden, wenn sich die Einkommensprognose, auf der der Dauerverwaltungsakt über die Befreiung von der Versicherungspflicht beruhe, im Laufe der Zeit als nicht mehr haltbar erweise. Das trifft nicht zu. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, Doppelleistungen zu vermeiden (vgl BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 37; BSG SozR 3-2500 § 56 Nr 2). Leistungen sind hier aber nicht im Streit. Deshalb verbietet es sich, die Vorschrift entsprechend anzuwenden.
Da nach alledem (nur) für die Zeit ab 19. März 1999 ein weiterer Sachaufklärungsbedarf besteht, dem der erkennende Senat im Revisionsverfahren nicht nachkommen kann (vgl § 163 SGG), ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 869419 |
SozR 3-5868 § 3, Nr. 5 |