Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Verletztenrente aufgrund Wehrdienstbeschädigung als Wehrpflichtiger der Nationalen Volksarmee. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Verletztenrente aufgrund einer Wehrdienstbeschädigung als Wehrpflichtiger der Nationalen Volksarmee ist bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in vollem Umfang als Einkommen zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
1. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung stellt unter keinen Umständen privilegiertes Einkommen iS des § 11 SGB 2 dar (vgl BSG vom 29.3.2007 - B 7b AS 2/06 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 4, vom 5.9.2007 B 11b AS 15/06 R = BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5 und vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R).
2. Eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.
Normenkette
SGB 2 § 11 Abs. 1 S. 1; SGB 2 § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2; AGB DDR § 220 Abs. 1, 4; SozPflVRV § 23 Abs. 1; RVO § 1150 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1991-07-25; SGB 7 § 56; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2007.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger erlitt im Jahre 1971 bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR als Wehrpflichtiger eine Wehrdienstbeschädigung in Form einer dauernden Lärmschwerhörigkeit. Deshalb erhielt er vom Träger der Sozialversicherung der DDR bis zum Jahre 1990 eine Rente in Höhe von 456 Mark, ab dem 1. Januar 1991 in Höhe von 526 DM nebst Kinderzuschlag in Höhe von 91,20 DM. Diese Rente wurde in die gesetzliche Unfallversicherung überführt, sodass der Kläger im streitigen Zeitraum von der nunmehr zuständigen Verwaltungs-Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente in Höhe von monatlich 647,35 Euro bezog.
Für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Juli 2006 bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 14. Februar 2006 dem Kläger zunächst Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 239,39 Euro monatlich. Dabei wurde die Rente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen berücksichtigt. Durch Änderungsbescheid vom 8. Juni 2006 setzte die Beklagte die Leistungshöhe für den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 31. Juli 2006 auf 191,39 Euro monatlich und mit Änderungsbescheid vom 26. Juni 2006 für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis 31. Juli 2006 auf 173,39 Euro monatlich neu fest. Den Widerspruch betreffend die Leistungshöhe für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Juli 2006 wies die Beklagte durch Bescheid vom 17. August 2006 zurück. Hiergegen hat der Kläger am 5. September 2006 Klage zum Sozialgericht Altenburg (SG) ≪Az: S 27 AS 2447/06≫ erhoben.
Für den Leistungszeitraum vom 1. August 2006 bis 31. Januar 2007 bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 7. August 2006 Leistungen in Höhe von ebenfalls 173,39 Euro monatlich. Durch Änderungsbescheid vom 1. September 2006 wurde für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31. Januar 2007 der monatliche Zahlbetrag auf 158,39 Euro monatlich herabgesetzt. Durch Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der Leistungshöhe für den Zeitraum vom 1. August 2006 bis 31. Januar 2007 zurück. Danach erging ein Änderungsbescheid vom 13. Dezember 2006, mit dem die Leistungshöhe für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 31. Januar 2007 auf 166,05 Euro monatlich festgesetzt wurde. Am 22. Dezember 2006 erhob der Kläger hiergegen Klage zum SG Altenburg (S 27 AS 3551/06).
Das SG hat durch Beschluss vom 27. Februar 2007 beide Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und durch Urteil vom 14. Januar 2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit des Klägers komme es darauf an, ob die Verletztenrente ganz oder teilweise als privilegiertes Einkommen anzusehen sei. Dies sei zu verneinen. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sei lediglich die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, privilegiert. Der Kläger beziehe hingegen eine Teilverletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese werde nicht von § 11 Abs 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB II erfasst. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ≪Hinweis auf das Urteil vom 5. September 2007 - B 11b AS 15/06 R und Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 2/06 R≫. Eine Ausnahme von der Berücksichtigung der Verletztenrente als Einkommen folge auch nicht aus § 11 Abs 3 SGB II. Die Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch sei keine Einnahme, die wegen ihres Charakters und ihrer Zweckbestimmung aus der Einkommensberechnung auszunehmen wäre. Es komme bei der Auslegung des § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II lediglich darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dienten. Die Verletztenrente stelle schließlich auch keine Entschädigung iS des § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II dar, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden sei, nach § 253 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch geleistet werde.
Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger die Rente auf Grund einer Wehrdienstbeschädigung beziehe, die er in der DDR erlitten habe. Auch insofern scheide eine analoge Anwendung des § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II aus. Nach § 5 Abs 1 der Verordnung über die Besoldung der Wehrpflichtigen für die Dauer des Dienstes in der Nationalen Volksarmee vom 24. Januar 1962 (GBl II Nr 7 S 49/WPflBesVO) und nach § 220 Abs 4 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl I Nr 18 S 185) seien die Dienstschäden von Wehrpflichtigen generell Arbeitsunfällen bzw Berufskrankheiten gleichgestellt und entsprechend entschädigt worden. Der Gesetzgeber habe sich im Einigungsvertrag in Anknüpfung an die Regelungen der ehemaligen DDR bewusst dafür entschieden, Ansprüche von Wehrpflichtigen der NVA in die gesetzliche Unfallversicherung zu überführen. Dies stelle auch keine Verletzung des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) dar. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Entschädigungsansprüche von Wehrpflichtigen der ehemaligen NVA in die gesetzliche Unfallversicherung zu überführen, sei nicht sachwidrig, denn der Gesetzgeber knüpfe insoweit an die Gegebenheiten im Beitrittsgebiet an. Hinzu komme, dass dem Gesetzgeber bei der Gestaltung sozialer Sicherungsrechte ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Bestünden gegen die Überführung der Dienstbeschädigungsrenten in die gesetzliche Unfallversicherung keine durchgreifenden Bedenken, so müssten diese genauso wie alle anderen Verletztenrenten gemäß § 11 SGB II als Einkommen berücksichtigt werden. Eine Ungleichbehandlung wäre insofern auch nicht zu rechtfertigen und würde ihrerseits einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG bedeuten. Dem stehe auch nicht der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. November 2001 (1 BvL 19/93 ua) entgegen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom SG zugelassenen Sprungrevision. Er rügt eine Verletzung des § 11 SGB II sowie des Art 3 Abs 1 GG. Die Verletztenrente, die er - der Kläger - erhalte, werde zwar nicht unmittelbar von der Privilegierung des § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II erfasst, müsse aber aus Gründen der Gleichbehandlung der vorgenannten Regelung gleichgestellt werden. Der Kläger habe einen Dienstunfall bei der ehemaligen NVA erlitten. Hätte er seine Dienstbeschädigung in den alten Bundesländern erlitten, wäre diese nach § 80 Soldatenversorgungsgesetz in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG entschädigt worden und die zu gewährende Leistung wäre bei Zusammentreffen mit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG anrechnungsfrei. Eine Ungleichbehandlung könne hier nicht darauf gestützt werden, dass er seinen Wehrdienst in der ehemaligen DDR abgeleistet habe. Er habe durch die im Wehrdienst erlittene Hörschädigung ein Sonderopfer erbracht, das materiell den Wehrdienstschäden nach dem BVG gleichstehe. Schließlich habe auch das BVerfG in seinem Beschluss vom 21. November 2001 festgestellt, es läge eine Ungleichbehandlung vor, wenn es von Zufälligkeiten abhängig gewesen sei, ob bei im öffentlichen Dienst erlittenen Verletzungen eine Unfallrente aus der Sozialversicherung der DDR oder eine Dienstbeschädigungsteilrente aus einem Sonderversorgungssystem gewährt worden sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum die Zahlung einer Dienstbeschädigungsteilrente im Gegensatz zu einer Unfallrente, die auf Grund einer Wehrdienstbeschädigung gezahlt worden sei, im SGB II eine Privilegierung erfahren habe. Letztendlich sei hier von gleichartigen Lebenssachverhalten auszugehen, wenn ein Wehrpflichtiger in Ausübung seines Dienstes eine Schädigung erlitten habe. Es komme allein auf die zum Unfall führende Tätigkeit als solche an. Die Art der in der DDR gewährten Entschädigungsleistungen und ihre Überführung in die gesetzliche Unfallversicherung rechtfertige keine Berücksichtigung der Verletztenrente als Einkommen im SGB II.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Januar 2008 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 14. Februar 2006, 8. Juni 2006 und 26. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2006 sowie den Bescheid vom 7. August 2006 und 1. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2006 sowie den Änderungsbescheid vom 13. Dezember 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Januar 2007 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Grundfreibetrages nach dem BVG zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Ergänzend weist sie darauf hin, dass ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht erkennbar sei. Es handele sich um unterschiedliche Sachverhalte, sodass der Gesetzgeber berechtigt gewesen sei, diese Sachverhalte unterschiedlichen Regelungen zu unterwerfen. Die Unfallrente, die der Kläger beziehe, sei nicht mit der in § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II privilegierten Rente nach dem BVG vergleichbar. Eine Ungleichbehandlung wäre nur dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, Dienstbeschädigungen von Wehrdienstleistenden der DDR rückwirkend neu zu bewerten, nämlich nicht als Schädigungen auf Grund eines Arbeitsunfalles, sondern als Wehrdienstbeschädigung im Sinne des BVG, mit dem der Geschädigte ein Sonderopfer erbracht habe. Die Überführung der Dienstbeschädigungsrente ehemaliger Wehrdienstleistender der DDR in die gesetzliche Unfallversicherung sei jedoch rechtlich zulässig gewesen, denn der Gesetzgeber habe insoweit in zulässiger Weise an die Gegebenheiten in der DDR angeknüpft.
Entscheidungsgründe
Die statthafte und im Übrigen zulässig eingelegte Sprungrevision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Der Senat hat insofern von seinem Ermessen Gebrauch gemacht und den Rechtsstreit aus Zweckmäßigkeitsgründen an das zuständige Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen (§ 170 Abs 4 Satz 1 SGG).
Auf Grund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen des SG ist der Senat nicht in der Lage, über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II zu entscheiden. Das SG hat keinerlei Feststellungen zur Höhe des Bedarfs des Klägers (insbesondere zu den Kosten der Unterkunft) und zu dessen zu berücksichtigendem Einkommen im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 SGB II getroffen. Das SG hat insofern lediglich den monatlichen Zahlbetrag an Leistungen nach dem SGB II wiedergegeben. Durch den bloßen Verweis auf den Inhalt der in den Verwaltungsakten enthaltenen Bescheide der Beklagten wird der Senat aber nicht in die Lage versetzt, die Höhe der Leistungen, die von der Beklagten zudem mehrfach, bisweilen monatlich, geändert wurde, nachvollziehen bzw auf ihre Richtigkeit überprüfen zu können, wobei ggf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch zu berücksichtigen wäre.
Soweit sich das SG auf die Prüfung der Rechtsfrage beschränkt hat, inwieweit die Verletztenrente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen iS des § 11 SGB II zu berücksichtigen ist, ist diese Entscheidung allerdings im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die dem Kläger gewährte Verletztenrente stellt im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II in vollem Umfang zu berücksichtigendes Einkommen dar. Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, dass die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt privilegiertes Einkommen iS des § 11 SGB II darstellt (angedeutet zunächst in: Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 2/06 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 4; sodann Urteil vom 5. September 2007 - B 11b AS 15/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 5; Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 62/06 R; hiergegen Verfassungsbeschwerde anhängig beim BVerfG unter dem Az 1 BvR 591/08). Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf den Inhalt dieser Entscheidungen verwiesen werden, in denen im Einzelnen begründet wird, wieso eine Privilegierung der Verletztenrente sowohl gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II als auch gemäß § 11 Abs 3 Nr 1 und Nr 2 SGB II ausscheidet.
Auch aus den Besonderheiten des vorliegenden Falles folgt keine andere (verfassungs-)rechtliche Bewertung der Verletztenrente des Klägers im Rahmen des SGB II. Es liegt keine gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung des Klägers vor. Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er bei Regelungen, die Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 102, 41, 54 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 18; stRspr). Der Kläger fühlt sich gegenüber Soldaten ungleich behandelt, die in der Bundesrepublik Deutschland ihren Wehrdienst bei der Bundeswehr abgeleistet haben. Diese würden gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II bis zur Höhe der Grundrente nach dem BVG privilegiertes Einkommen erzielen, wenn sie eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hätten. Der Kläger verkennt jedoch, dass zwischen ihm und dieser Gruppe Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Der Kläger erlitt hier als ehemaliger Bürger der DDR während seines Wehrdienstes bei der NVA im Jahre 1971 eine Wehrdienstbeschädigung. Diese Wehrdienstbeschädigung wurde nach dem Recht der DDR wie ein Arbeitsunfall behandelt (vgl § 220 Abs 1 Arbeitsgesetzbuch DDR) und entsprechend den Vorschriften der Rentenverordnung (§ 23 Abs 1 RentVO) der DDR von der Sozialversicherung entschädigt (vgl Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ≪BMA≫ vom 6. April 1992 - abgedruckt in Rundschreiben des Hauptverbandes VB 43/92 vom 23. April 1992; zur Rechtslage vgl auch BVerfGE 104, 126, 146 = SozR 3-8570 § 11 Nr 5 S 49 f = juris RdNr 61). Nach Herstellung der deutschen Einheit wurden diese Unfallrenten der DDR in die Unfallversicherung überführt. Insofern bestimmte § 1150 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), dass Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches (der RVO) gelten.
Anders war die Rechtslage für Berufs- und Zeitsoldaten in der ehemaligen DDR. Zum 1. Juli 1968 trat die endgültige Versorgungsordnung der ehemaligen NVA mit der Folge in Kraft, dass unabhängig vom beitrittspflichtigen Bruttoeinkommen alle Dienstbeschädigungs-Teil- und Vollrenten, die ab diesem Zeitpunkt eingetreten sind, aus der Versorgungsordnung entschädigt wurden (vgl Schreiben des BMA vom 6. April 1992, aaO). Mithin bestand auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zum Zeitpunkt des Schadensereignisses (1971) eine klare und berechenbare Rechtslage. Der Berufs- und Zeitsoldat der NVA wurde nach der Versorgungsordnung der NVA entschädigt und später in der Bundesrepublik Deutschland in das System Versorgung überführt. Der "normale" Wehrpflichtige fiel hingegen in den Zuständigkeitsbereich der Sozialversicherung und die Wehrdienstbeschädigungen wurden insofern wie Arbeitsunfälle behandelt. Das BVerfG hat selbst klargestellt, dass dem Gesetzgeber bei der Harmonisierung der Sozialversicherungssysteme im wiedervereinigten Deutschland, bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und insbesondere bei der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften ein weiter Gestaltungsspielraum zustand (vgl BVerfGE 95, 143, 157 ff; 100, 1, 38 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 52 ff). Es war dem Gesetzgeber insbesondere verfassungsrechtlich nicht verwehrt, die Entschädigung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten in die gesetzliche Unfallversicherung überzuleiten, bei den Dienstunfallentschädigungen der Sonderversorgungsberechtigten dagegen davon abzusehen (so explizit BVerfGE 104, 126, 147 = SozR, aaO, S 50 = juris RdNr 63).
Mithin ist kein Grund dafür ersichtlich, wieso der Kläger, der dem System Unfallversicherung zugeordnet wurde, anders - und dies würde in seinem Fall bedeuten: besser - behandelt werden sollte, als andere Bezieher von Verletztenrente. Bei diesen wird - wie ausgeführt - die Verletztenrente in vollem Umfang als Einkommen im Rahmen des SGB II berücksichtigt. Jedenfalls ist kein Grund ersichtlich, den ehemaligen Bürger der DDR insoweit gegenüber Beziehern von Verletztenrenten in der Bundesrepublik Deutschland zu privilegieren.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des BVerfG vom 21. November 2001 (BVerfGE 104, 126, insbesondere 144 ff). Das BVerfG hat es dort als Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG erachtet, dass Dienstbeschädigungsteilrenten, die neben Alters- oder Invalidenrenten im Sonderversorgungssystem der DDR gewährt wurden, ab 1. August 1991 auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit anzurechnen oder einzustellen waren, während dies bei Verletztenrenten nicht der Fall gewesen sei. Insofern gehörte der Kläger als Bezieher einer Verletztenrente gerade zum Kreis der damals privilegierten Personen. Dies kann jedoch dahinstehen. Maßgebend für den gerügten Gleichheitsverstoß war für das BVerfG, dass es seiner Ansicht nach allein vom Zufall abhing, ob ein Unfallbeschädigter im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Anwartschafts- und Anspruchsüberführungsgesetzes eine Unfallrente oder eine Dienstbeschädigungsteilrente erhielt. Dieser Gesichtspunkt, dass es ausschließlich auf Zufällen beruhte, inwiefern ein Mitglied der NVA in die Systeme Versorgung oder Unfallversicherung überwiesen wurde, war auch für das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 12. Dezember 2006 (L 14 AS 668/06) unter Berufung auf das BVerfG maßgebend. Der Senat kann auf Grund der ihm vorliegenden rechtlichen Erkenntnisse nicht davon ausgehen, dass es hier auf bloßem Zufall beruhte, dass die Wehrdienstbeschädigung des Klägers als Arbeitsunfall entschädigt wurde. Vielmehr entsprach dies der insofern eindeutigen Rechtslage in der DDR, die Grundwehrdienstleistende generell dem System Unfallversicherung zuwies. Insofern kann auch nicht von Willkür gesprochen werden, sondern von einer systematischen Entscheidung des DDR-"Gesetzgebers", die der Gesetzgeber des wiedervereinigten Deutschlands nachvollzogen hat.
Der Nachvollzug dieser Systementscheidungen der DDR durch den gesamtdeutschen Gesetzgeber lag auch in dessen Gestaltungsspielraum. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Frage der Einordnung des Klägers in das System Unfallversicherung oder in das System Versorgung erstmals mit Inkrafttreten des SGB II zum 1. Januar 2005 relevant wurde. Zuvor war in der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (vgl etwa § 11 Nr 4 Alhi-V vom 7. August 1974, BGBl I 1929 oder § 2 Nr 2 Alhi-V 2002 vom 13. Dezember 2001, BGBl I 3734) die Verletztenrente beim Bezug von Arbeitslosenhilfe noch privilegiert gewesen. Letztlich geht das Begehren des Klägers deshalb darauf hinaus, dass ihm mit Inkrafttreten des SGB II zum 1. Januar 2005 eine Sondervorschrift als Unfallversicherungsrentner auf Grund einer Wehrdienstschädigung in der NVA eingeräumt hätte werden müssen. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, dass der Gesetzgeber des SGB II - eines aus Steuermitteln finanzierten staatlichen Fürsorgesystems - diese Sondervorschrift für ehemalige NVA-Soldaten, die im Grundwehrdienst eine Schädigung erlitten haben und deren rechtliche Einordnung als Unfallrentner vom gesamtdeutschen Gesetzgeber nachvollzogen worden war, hätte in das SGB II einfügen müssen, ist nicht ersichtlich. Auch aus der von der Revision angeführten Entscheidung des BSG vom 5. September 2007 (B 11b AS 49/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 7) folgt nichts anderes. Das BSG hat es dort lediglich für möglich erachtet, dass eine britische Kriegsopferrente von der Privilegierung des § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II erfasst werden könnte. Diese britische Rente müsste dann aber nach Grund und Höhe einer anrechnungsfreien Grundrente iS des § 31 BVG vergleichbar sein. Demgegenüber ist der Kläger hingegen Bezieher einer Verletztenrente, an deren formellen Zuordnung zur Unfallversicherung er sich festhalten lassen muss.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben. |
Fundstellen
FEVS 2010, 5 |
NZS 2009, 683 |
SGb 2009, 290 |
ZfF 2010, 137 |
ZfSH/SGB 2009, 342 |