Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehungszeit. überwiegende Erziehung. keine gemeinsame Erklärung. Zuordnung zur Mutter. hälftige Aufteilung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Lässt sich die überwiegende Erziehung durch den Vater nicht feststellen und haben die Eltern keine gemeinsame Erklärung zu seinen Gunsten abgegeben, ist die Kindererziehungszeit der Mutter zuzurechnen. Eine hälftige Aufteilung sieht das Gesetz nicht vor; sie ist jedenfalls für Geburten der Jahrgänge bis 1983 auch verfassungsrechtlich nicht gefordert.
Normenkette
SGB 6 § 56 Abs. 2 Sätze 3, 8-9; SGB 6 § 57; SGB 6 § 249 Abs. 6 Fassung: 1993-06-24; GG Art. 3 Abs. 1-2, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Vormerkung hälftiger Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in seinem Versicherungsverlauf.
Er war mit der Beigeladenen von 1979 bis 2000 verheiratet; aus der Ehe sind die am 1979 geborene Tochter C. und der am 1983 geborene Sohn P. hervorgegangen. Die Beklagte erkannte im Versicherungskonto der Beigeladenen Kindererziehungszeiten zwischen September 1979 und August 1980 bzw März 1983 und Februar 1984 sowie Berücksichtigungszeiten von August 1979 bis August 1989 und von Februar 1983 bis November 1992 an. Im Rahmen des anlässlich der Scheidung eingeleiteten Versorgungsausgleichsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9.8.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.1.2001 den Versicherungsverlauf des Klägers für die Zeit zwischen April 1965 und Dezember 1993 ohne Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten fest. Mit dem während des Klageverfahrens ergangenen weiteren Bescheid vom 12.6.2002 lehnte sie den Antrag des Klägers auf Berücksichtigung dieser Zeiten ausdrücklich ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die ua auf Anrechnung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 29.9.2005); eine überwiegende Erziehung durch den Kläger in den jeweils ersten zwölf Kalendermonaten nach der Geburt der Kinder und auch in deren ersten zehn Lebensjahren könne nicht festgestellt werden. Überwiegend erziehe der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind aufgenommen sei und der sich in zeitlich größerem Umfang der Kindererziehung widme. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung, mit der der Kläger lediglich noch die hälftige Berücksichtigung der kinderbezogenen Zeiten beantragt hat, zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Mangels anderslautender Erklärung der Eltern sei die Kindererziehungszeit gemäß § 56 Abs 2 Satz 9 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) demjenigen Elternteil zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen habe. Sei eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht feststellbar, sei die Erziehungszeit nach § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI der Mutter zuzuordnen. Da der Kläger hinsichtlich der tatsächlichen Grundlage die Feststellung nicht (mehr) angreife, dass die Beigeladene die gemeinsamen Kinder überwiegend erzogen habe, sei letztlich nur die Verfassungsmäßigkeit von § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI im Streit. Das sich hieraus ergebende Alles-oder-Nichts-Prinzip verstoße jedoch nicht gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG). Da Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung als entscheidender Beitrag zu einer Verbesserung in der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau gedacht gewesen seien (Beitrag zu einer Gleichbewertung der Tätigkeit in der Familie und der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit), sei die typisierende Zuordnung der Kindererziehungszeiten zur Mutter, wenn keine anderslautende Erklärung der Ehegatten vorliege, nicht verfassungswidrig. Eine solche Typisierung gewährleiste nicht nur Verwaltungspraktikabilität; von ihr profitiere im Regelfall auch der Ehemann, der bei weiterem Zusammenleben der Ehegatten an höheren Rentenzahlungen im Alter ebenso teilhabe wie im Falle einer Scheidung durch Anrechnung der Kindererziehungszeiten im Versorgungsausgleich. Überdies stehe dem Gesetzgeber bei der Leistungsgewährung auch im Hinblick auf Art 3 GG ein größerer Gestaltungsfreiraum zu, als wenn Freiheitsgrundrechte tangiert wären (Urteil vom 8.6.2007, veröffentlicht in NZS 2008, 153).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger den Verstoß von § 56 Abs 2 SGB VI gegen Art 3, 6, 14 und 19 GG und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Es habe eine gemeinsame Erziehung stattgefunden; falsch sei die Feststellung des LSG hinsichtlich einer überwiegenden Erziehung durch die Beigeladene. Die Vorgerichte hätten unberücksichtigt gelassen, dass Erziehungsarbeit in ihrem Wert und ihrer zeitlichen Komponente keiner Beweisaufnahme zugänglich sei, weil es hierfür an Beurteilungskriterien und damit an einer gesetzlich ausreichend bestimmten Regelung fehle. Grundsätzlich hätten die Wert- und Normvorstellungen der Gesellschaft besonders im Sozialrecht einen Wandel dahin vollzogen, dass von der überkommenen Struktur von Ehe und Familie abgegangen worden sei. Mit der demografischen Entwicklung, die der Gesetzgeber gerade im Bereich der Daseinsvorsorge seinen Überlegungen zugrunde gelegt habe, gehe eine immer kürzere Dauer der Ehen einher; nur noch "ganz wenige" Ehen hätte bis zum Rentenalter Bestand. Sollten häusliche Erziehungsarbeit und außerhäusliche Erwerbstätigkeit für den Familienunterhalt gleich bewertet werden, verbiete es sich in jedem Fall, quasi automatisch dem weiblichen Elternteil die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zuzuweisen. Bei durchgängig maschineller Erfassung der Rententatbestände und Berechnung der Rente sei auch das Ziel einer Verwaltungsvereinfachung praktisch nicht mehr relevant. Im Steuerrecht wie beim Kindergeld erfolge bei gemeinsamer Erziehung jeweils eine hälftige Zurechnung. Überdies sei er, der Kläger, vor einer Zuweisung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zur Mutter nicht gehört worden; eine überprüfbare Verwaltungsentscheidung, auf die er nach Art 19 GG Anspruch habe, habe die Beklagte vor Durchführung des Versorgungsausgleichsverfahrens nicht herbeigeführt. Art 6 GG sei verletzt, weil Kindererziehung und Erwerbstätigkeit nach den gesetzgeberischen Vorstellungen gleich zu bewerten seien. Einen sachlichen Grund, in § 56 SGB VI "eine Insel zu erhalten", während im gesamten anderen Rechtsleben sich die hälftige Teilung praktisch durchgesetzt habe, gebe es nicht. Art 14 GG sei tangiert, weil ihm, dem Kläger, eine Zeit der Anwartschaft vorenthalten werde. Eine einseitige Begünstigung der Frauen durch Zuerkennung kinderbezogener Zeiten sei nicht verfassungskonform; den Männern müsse der gleiche Zugang gewährt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8.6.2007 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29.9.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 9.8.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.1.2001 sowie des weiteren Bescheids vom 12.6.2002 zu verurteilen, die Hälfte der Kindererziehungszeiten vom 1.9.1979 bis 31.8.1980 bzw vom 1.3.1983 bis 29.2.1984 sowie die Hälfte der Kinderberücksichtigungszeiten vom 2.8.1979 bis 1.8.1989 und vom 26.2.1983 bis 30.11.1992 als rentenrechtliche Zeiten vorzumerken.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen (sinngemäß),
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entschieden.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben rechtsfehlerfrei die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 9.8.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.1.2001 sowie im Bescheid vom 12.6.2002 bestätigt, dass Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten beim Kläger nicht - auch nicht hälftig - anzurechnen sind. Die Feststellung des Versicherungsverlaufs ohne entsprechende Zeiten ist rechtmäßig.
Das auf Antrag des Klägers vom 14.7.2000 durchgeführte Kontenklärungsverfahren hat die Beklagte gemäß § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI durch Feststellungsbescheid abgeschlossen, der mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann. Bei der Feststellung des Versicherungsverlaufs des Klägers sind der Beklagten jedoch Rechtsfehler nicht unterlaufen.
Gemäß § 56 Abs 2 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird nach § 56 Abs 2 Satz 2 SGB VI die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben sie ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist (§ 56 Abs 2 Satz 3 SGB VI) . Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, so ist die Erziehungszeit nach § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI der Mutter zuzuordnen. Haben mehrere Elternteile das Kind erzogen, ist die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat, soweit sich aus Satz 3 (übereinstimmende Erklärung) nicht etwas anderes ergibt (§ 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI) .
Diese Grundregelung ist nach § 300 Abs 1 SGB VI auch dann anzuwenden, wenn sie sich auf einen bereits vor dem Inkrafttreten, (soweit hier relevant: 1.1.1992) bestehenden Sachverhalt oder Anspruch bezieht. Sie wurde durch die Übergangsvorschrift des § 249 Abs 6 SGB VI (idF des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24.6.1993, BGBl I 1038) für die Zeit einer gemeinsamen Erziehung vor dem 1.1.1986 im ersten Lebensjahr des Kindes (nach § 249 Abs 1 SGB VI endete die Kindererziehungszeit insoweit zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt) dahingehend ergänzt, dass die Eltern bis zum 31.12.1996 übereinstimmend erklären konnten, dass der Vater das Kind überwiegend erzogen habe; die Kindererziehungszeit wurde dann insgesamt dem Vater zugeordnet.
Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (§ 57 Satz 1 SGB VI) .
Da keine übereinstimmende Erklärung des Klägers und der Beigeladenen vorliegt, kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (s zuletzt BSG vom 31.8.2000 - B 4 RA 28/00 R, Die Beiträge Beilage 2001, 67, 70 ff; BSG vom 16.12.1997, SozR 3-2600 § 56 Nr 10 S 46 ff) eine Zuordnung der Kindererziehungszeit an ihn (als Vater) nur dann in Betracht, wenn er das Kind allein oder überwiegend erzogen hat.
Auf dieser Grundlage aber kann der Kläger die Berücksichtigung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit zu seinen Gunsten nicht - auch nicht hälftig - verlangen. Weder SG noch LSG haben die alleinige oder überwiegende Erziehung durch ihn (als Vater) in den maßgeblichen Zeiträumen des ersten Lebensjahres und der ersten zehn Lebensjahre beider oder eines der Kinder festgestellt. Dies gilt auch dann, wenn man mit der Revision meint, die Ausführungen des LSG, wonach die Beigeladene die gemeinsamen Kinder überwiegend erzogen habe, beruhten auf einem Missverständnis, und sie deshalb unberücksichtigt ließe. Selbst wenn insoweit Entscheidungsgrundlage (nur) wäre, dass "eine überwiegende Erziehung durch den Kläger" nicht festzustellen ist (so das SG, auf dessen tatsächliche Feststellungen sich die Revision beruft), erfüllt er die og Voraussetzung nicht. Diese Feststellung beruht auch nicht auf einem unrichtigen Verständnis des Gesetzes, also des § 56 Abs 2 SGB VI. Zu Recht hat das SG angeführt, erheblich sei insoweit, in wessen Haushalt das Kind aufgenommen sei und wer sich in zeitlich größerem Umfang dem Kind widme; nicht erheblich hingegen, welcher Elternteil erzieherisch den größeren Einfluss ausübe. Auch dies entspricht der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 31.8.2000 - B 4 RA 28/00 R, Die Beiträge Beilage 2001, 67, 75; BSG vom 16.12.1997, SozR 3-2600 § 56 Nr 10 S 47; BSG vom 28.2.1991, BSGE 68, 171, 177 = SozR 3-2200 § 1227a Nr 7), wonach die Erziehungsbeiträge nach objektiven Maßstäben gegenüberzustellen sind, nicht jedoch ein "Wert" der Erziehungsarbeit festzustellen ist.
Da der Kläger die tatsächlichen Feststellungen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen (vgl Meyer-Ladewig in ders/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 163 RdNr 3) angegriffen hat, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG) .
Wie das LSG ferner zutreffend entschieden hat, verstößt die sich aus § 56 Abs 2 Satz 8 und 9 (im vorliegenden Fall iVm § 249 Abs 6) SGB VI ergebende und im Zweifel die Mutter bevorzugende Regelung nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip nicht gegen Verfassungsrecht. Als Gründe für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nennt die Begründung zum Entwurf des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes (HEZG; BT-Drucks 10/2677 S 28 unter B I) ua, dass damit in der Rentenversicherung ein "entscheidender Beitrag zu einer Verbesserung der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau" geleistet werde. Der Gesetzgeber hat dem Umstand Rechnung getragen, dass in Familien mit kleinen Kindern vielfach ein Ehegatte - in den weitaus häufigsten Fällen die Ehefrau - während der Kindererziehung gar nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, eigene Rentenansprüche aufzubauen. Dieser Zielsetzung wäre die vom Kläger befürwortete Lösung zuwidergelaufen, die kinderbezogenen Zeiten von vornherein beiden Ehegatten hälftig zukommen zu lassen. Dem Gesetzgeber war es nicht verwehrt, die Zuordnung der Erziehungs- und Berücksichtigungszeiten nach dem Überwiegen der Erziehungstätigkeit typisierend und unter Berücksichtigung der Verwaltungspraktikabilität zu regeln. Ausgehend von der gemeinsamen Elternverantwortung geht das Gesetz davon aus, dass sich die einverständlich zusammenwirkenden Eltern auch darüber einig werden, ob sie das Kind gemeinschaftlich erziehen und wer von ihnen dann versichert sein soll. Nur für den Fall des Fehlens einer solchen Vereinbarung und der Nichtfeststellbarkeit einer überwiegenden Erziehung durch den Vater - wie vorliegend - trifft das Gesetz in § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI eine "Auffangregelung", die der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau Rechnung trägt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat keinen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 (allgemeiner Gleichheitssatz) und Abs 3 GG (Verbot einer Benachteiligung wegen des Geschlechts) darin gesehen, dass Väter der Geburtsjahrgänge vor 1921 von vornherein keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz (KLG) haben, weil sie nach dem für die damalige Zeit typischen Rollenbild der Familie keine Nachteile in der Altersversorgung infolge Kindererziehung hätten hinnehmen müssen (BVerfG vom 7.7.1992, BVerfGE 87, 1, 47 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1) . Dann aber kann auch die dargestellte Lösung des Gesetzgebers (in ihrer Auslegung durch das BSG) für später geborene Väter und die hier streitigen Zeiträume (s zB für die Inanspruchnahme von Erziehungsgeld seit dessen Einführung 1986: Karuth, Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, 2000, S 67, 70 f, 89) keinen Bedenken unterliegen. Denn ihre differenzierende Ausgestaltung gibt in weiten Bereichen Raum dafür, die kinderbezogenen Zeiten auch zugunsten des Vaters anzurechnen.
Eine zusätzliche Legitimation für die sich zugunsten der Mütter auswirkenden Regelungen leitet sich aus dem Gleichberechtigungsgrundsatz (Art 3 Abs 2 GG) ab. Auch schon für die Zeit vor Ergänzung dieser Vorschrift durch ihren Satz 2 mit Wirkung ab 15.11.1994 (durch das Gesetz zur Änderung des GG vom 27.10.1994, BGBl I 3146) galt, dass der Gesetzgeber berechtigt ist, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen (BVerfG vom 24.1.1995, BVerfGE 92, 91, 109; BVerfG vom 28.1.1992, BVerfGE 85, 191, 207) .
Wenn der Kläger meint, die Grundvoraussetzungen, von denen der Gesetzgeber bei Schaffung der Regelung des § 56 Abs 2 SGB VI ausgegangen sei, hätten sich verändert, weil inzwischen (spätestens mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes im Jahre 2006) auch Frauen die Möglichkeit hätten, gleichwertig beschäftigt zu sein, verkennt er, dass die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten, über die hier gestritten wird, zwischen 1979 und 1992 liegen.
Soweit der Kläger mit der Revision einen Verstoß auch gegen Art 6, Art 14 und Art 19 GG rügt, vermochte der Senat einen Grundrechtsverstoß ebenfalls nicht zu erkennen. Dem Schutz von Ehe und Familie (Art 6 GG) trägt die Möglichkeit der Erziehenden, sich hinsichtlich der Kindererziehungszeiten zu vereinbaren, hinreichend Rechnung. Die - bereits schwer nachvollziehbare - Argumentation des Klägers, dass mit der "demografischen Entwicklung" eine immer kürzere Dauer der Ehen einhergehe und es deshalb umso wichtiger sei, die Fälle zu erfassen, bei denen eine Partnerschaft nur auf Zeit bestehe, verkennt, dass § 56 Abs 2 SGB VI nur von "Eltern" spricht, nicht aber zwischen Ehegatten und unverheirateten Eltern differenziert, sodass diese Vorschrift von vornherein beider Belange berücksichtigt.
Ebenso wenig ersichtlich ist, in welcher Weise Art 14 Abs 1 GG tangiert sein könnte. Soweit der Kläger in der dem § 56 Abs 2 SGB VI entsprechenden Entscheidung der Beklagten eine Entziehung von "mit den Kinderzeiten erworbenen Anwartschaften in der Rente" sieht, fehlt es bereits an der "Entziehung", weil er - wie dargelegt - derartige Anwartschaften nie erworben hatte. Rentenrechtliche Positionen, die der Gesetzgeber nie eingeräumt hat, können nicht Gegenstand des grundrechtlichen Eigentumsschutzes sein (s Ebsen in Schulin ≪Hrsg≫, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 3, Rentenversicherungsrecht, 1999, § 4 RdNr 63; vgl auch Senatsurteil vom 12.12.2006, SozR 4-2400 § 70 Nr 1 RdNr 29) .
Soweit der Kläger schließlich einen Verstoß gegen "Art 19 GG" rügt (da er die Rechtsweggarantie anspricht, meint er offenbar Art 19 Abs 4 GG), weil die Beklagte die kinderbezogenen Zeiten schlicht im Versicherungsverlauf der Beigeladenen vorgemerkt habe, ohne ihn zu beteiligen, verkennt er, dass im vorliegenden Rechtsstreit gerade überprüft wird, ob die streitigen Zeiten von Rechts wegen ihm - und nicht der Beigeladenen - zuzuordnen sind. Hieraus ergibt sich jedoch von vornherein kein Verstoß gegen das Verfassungsgebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) . Die Beklagte hat zwar im Bescheid vom 12.6.2002 auch darauf hingewiesen, dass die Erziehungszeiten bereits im Versicherungskonto der Beigeladenen anerkannt worden seien. Hätte sich dies jedoch als unrichtig herausgestellt, wären die Gerichte bei einer Entscheidung zugunsten des Klägers nicht an frühere Feststellungen zum Versicherungsverlauf der Beigeladenen gebunden gewesen (vgl zB für die Aufteilung zweier Hinterbliebenenrenten BSG vom 25.10.1984, SozR 2200 § 1265 Nr 73 S 248) .
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2014533 |
DStR 2008, 1740 |