Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenberechnung. Mindestbewertung von Ersatzzeiten. Gesamtleistungsbewertung. Verfassungsmäßigkeit. Rechtsverbindlichkeit von Rentenauskünften
Leitsatz (amtlich)
Es ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, daß die Mindestbewertung von Ersatzzeiten nach der Übergangsregelung des § 263 Abs 5 SGB 6 nur solchen Versicherten zugute kommt, die mindestens 48 Kalendermonate beitragsfreie Ersatzzeiten zurückgelegt haben.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB VI § 70 Abs. 3 Fassung: 1989-12-18, §§ 71-74, 250 Abs. 1 Nr. 1, § 263 Abs. 5 Fassung: 1994-07-26RRG 1992; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 1996 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Altersrente des Klägers.
Der am 26. November 1927 geborene Kläger wohnt in Kanada. Unter dem 9. September 1985 erhielt er von der Beklagten eine Rentenauskunft. Auf der Grundlage eines Versicherungsverlaufes, der für die Zeit vom 1. April 1942 bis 2. April 1955 insgesamt 109 Pflichtbeitragsmonate, 43 Monate Ersatzzeiten und fünf Monate (pauschale) Ausfallzeiten enthielt, errechnete sich eine zu erwartende Rente in Höhe von 419,00 DM.
Auf seinen Antrag vom 15. Juni 1992 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab 1. Dezember 1992 in Höhe von monatlich 395,49 DM. Dabei legte sie dieselbe Anzahl von Versicherungsmonaten zugrunde wie bei der 1985 erteilten Rentenauskunft, bewertete jedoch die ersten fünf Versicherungsjahre sowie die Ersatzzeiten (Juni 1945 bis Dezember 1948) und Ausfallzeiten niedriger als zuvor. Die Summe aller Entgeltpunkte betrug 9,2772.
Den auf eine höhere Rente gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1993 zurück. Zur Begründung heißt es darin ua: Die Berechnung der Rente sei nach den ab 1. Januar 1992 geltenden Bestimmungen des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erfolgt, während die Rentenauskunft vom 9. September 1985 nach den damals geltenden Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) berechnet worden sei. Soweit sich dabei rechtliche Unterschiede ergäben, habe der Gesetzgeber von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht. Der Bundestag habe es aus sozialpolitischen Gründen für notwendig gehalten, bekannte Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten des bisherigen Rechts zu beseitigen.
Nach altem Recht sei für die Pflichtbeitragsmonate der ersten fünf Kalenderjahre der Versicherung des Klägers ein Monatsdurchschnitt von 7,8 Werteinheiten (aus den Beitragszeiten bis zum 31. Dezember 1964 ohne Berücksichtigung der Pflichtbeiträge der ersten fünf Kalenderjahre) berücksichtigt worden. Nach § 70 Abs 3 SGB VI seien hingegen die ersten 48 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen jeweils mit 0,075 Entgeltpunkten bewertet worden.
Für beitragsfreie Ersatz- und Ausfallzeiten gelte nunmehr die sog Grundbewertung. Danach sei die Bewertung nicht nur von der Höhe der geleisteten Beiträge abhängig, sondern auch von der Dauer der Zugehörigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung. Teile man beim Kläger die aus allen Beitragszeiten ermittelten 8,4948 Entgeltpunkte durch den belegungsfähigen Gesamtzeitraum von 520 Monaten, so errechne sich für jeden zu berücksichtigenden Monat an beitragsfreier Zeit ein Wert von 0,0163 Entgeltpunkten. Während die 43 Monate Ersatzzeit und fünf Monate pauschale Anrechnungszeit nach der Rentenauskunft mit (umgerechnet) 3,7824 Entgeltpunkten bewertet worden seien, würden für diese Zeiten nach neuem Recht nur noch 0,7824 Entgeltpunkte zugrunde gelegt.
Die dagegen erhobene Klage ist durch Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main (SG) vom 6. März 1996 abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen hat das SG im wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: Die neue Regelung der Bewertung der beitragsfreien Zeiten stelle keinen Verfassungsverstoß dar. Dem Gesetzgeber stehe ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Im Rahmen dieses Spielraumes habe der Gesetzgeber hier Regelungen über die Bewertung von beitragsfreien Zeiten geschaffen, die das Gericht zu respektieren habe.
Mit seiner vom SG durch Beschluß vom 25. September 1996 zugelassenen Revision macht der Kläger Verstöße gegen Art 3 und 14 des Grundgesetzes (GG) sowie gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot geltend. Dazu trägt er im wesentlichen vor: Durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) sei in seine durch Art 14 GG geschützte Rentenanwartschaft eingegriffen worden, die am 31. Dezember 1991 einen monatlichen Wert von etwa 527,35 DM gehabt habe. Davon sei insbesondere die Bewertung seiner Ersatzzeit von 43 Monaten betroffen. Es seien insoweit jetzt nur noch 0,7009 Entgeltpunkte berücksichtigt worden. Dieser Eingriff sei auch nicht durch § 263 Abs 5 SGB VI idF des Art 5 Nr 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Änderung anderer Gesetzes vom 26. Juli 1994 (BGBl I S 1792) rückgängig gemacht worden, da er, der Kläger, nicht – wie es der Wortlaut dieser Bestimmung verlange – mindestens 48 Kalendermonate beitragsfreie Ersatzzeiten zurückgelegt habe. Zwar möge das RRG 1992 in seiner Gesamtheit geeignet sein, die Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten, es entspreche jedoch nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit ihm die Übergangsregelung des § 263 Abs 5 SGB VI nicht zugute komme. Die drastische Minderbewertung seiner Ersatzzeit führe zu einer Versorgungslücke.
Zugleich widerspreche es dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG, wenn § 263 Abs 5 SGB VI auf ihn nicht anwendbar sei. In seinem Falle sei zu beachten, daß er bereits am 27. Dezember 1944 zum militärischen Dienst eingezogen worden sei. Die Zeit bis Mai 1945 sei nur deshalb keine beitragsfreie Ersatzzeit, weil sein damaliger Arbeitgeber ihn unter Aufrechterhaltung der Betriebszugehörigkeit und Fortzahlung der Beiträge für den Militärdienst freigestellt habe. Dieser Umstand führe zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten, die mit Beginn des Wehrdienstes aus ihrem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden seien. Darüber hinaus sei das Mindesterfordernis von 48 Monaten Ersatzzeit insoweit sachwidrig, als dadurch – wie seine eigene Renteneinbuße zeige – nicht nur Bagatellfälle ausgeschlossen würden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 1996 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 15. April 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1993 zu verurteilen, seine Regelaltersrente von ihrem Beginn (1. Dezember 1992) an auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechts – hilfsweise unter Berücksichtigung der Übergangsregelung des § 263 Abs 5 SGB VI – neu zu berechnen und ihm diese Rente – für die Vergangenheit unter Anrechnung der bereits geleisteten Beträge – zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Die vom Kläger beanstandeten, zur Rentenberechnung herangezogenen gültigen Vorschriften des SGB VI verstießen nicht gegen das GG. Die gesetzliche Modifikation einzelner, nicht auf eigenen Beiträgen des Versicherten beruhenden Elemente der Anwartschaft auf Regelaltersrente sei eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Entgegen der Auffassung des Klägers würden die Ersatzzeiten weder gleichheitswidrig noch für ihn unzumutbar in die Gesamtleistungsbewertung einbezogen. Wenn der Gesetzgeber für die Anwendung des § 263 Abs 5 SGB VI das Vorliegen von mindestens 48 Kalendermonaten an beitragsfreier Ersatzzeit nach § 250 Abs 1 Nrn 1 bis 4 und 6 SGB VI verlange, habe er damit die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten. Der Kläger sei von seinem damaligen Arbeitgeber nicht ungleich behandelt worden, weil alle Bediensteten der früheren Deutschen Reichsbahn bei der Einberufung zum Wehrdienst nicht aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden seien und den Lohn fortgezahlt erhalten hätten. Gegenüber der Vergleichsgruppe der nicht bei der Deutschen Reichsbahn Beschäftigten ergebe sich ein sachlicher Differenzierungsgrund; der damalige Arbeitgeber habe durch die Weiterzahlung des Lohnes eine Besserstellung der bei ihm Beschäftigten beabsichtigt. Daß sich dies aufgrund des jetzigen komplizierten Rentenrechts für den Kläger ausnahmsweise ungünstig auswirke, ändere an dem damaligen Begünstigungswillen und der sachlich begründeten unterschiedlichen Behandlung gegenüber der Vergleichsgruppe nichts.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit ergibt sich gemäß § 161 Abs 1 Satz 1 SGG aus dem für den erkennenden Senat grundsätzlich bindenden Zulassungsbeschluß des SG vom 25. September 1996 (vgl dazu zB Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 1500 § 161 Nr 31). Die Revision ist auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Dabei kann hier offenbleiben, ob insoweit die Fristen des § 164 SGG iVm § 87 Abs 1 Satz 2 SGG (vgl BSG SozR Nr 42 zu § 164 SGG; BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) gelten oder ob wegen einer unvollständigen Rechtsmittelbelehrung (der Zulassungsbeschluß des SG enthält keine Hinweise auf die bei einer Revisionseinlegung einzuhaltenden Formalien) gemäß § 66 Abs 2 SGG von einer Jahresfrist auszugehen ist (vgl dazu BSG SozR 1500 § 66 Nr 7). Denn jedenfalls hat der Kläger die Revision am 19. Dezember 1996, also innerhalb von drei Monaten nach der am 7. Oktober 1996 in Kanada erfolgten Zustellung des Zulassungsbeschlusses eingelegt und am Montag, dem 17. März 1997, begründet, nachdem ihm der Senatsvorsitzende auf einen Fristverlängerungsantrag vom 14. Januar 1997 unter Hinweis auf § 66 Abs 2 SGG mitgeteilt hatte, der Senat sehe der Begründung der Revision bis zum 15. März 1997 entgegen.
In der Sache ist die Revision des Klägers nicht begründet.
Zunächst stellt das angefochtene Urteil des SG vom 6. März 1996 eine hinreichende Grundlage für eine revisionsgerichtliche Überprüfung dar. Insbesondere genügen die Entscheidungsgründe den formalen Anforderungen des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG. Das SG hat insoweit nämlich gemäß § 136 Abs 3 SGG zulässigerweise auf die insgesamt ausreichende Begründung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 17. November 1993 Bezug genommen.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Rentenbescheid der Beklagten vom 15. April 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1993 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des SG steht dem Kläger keine höhere Rente zu. Insbesondere sind die berücksichtigten Versicherungszeiten zutreffend bewertet worden. Aus der ihm am 9. September 1985 erteilten Rentenauskunft kann der Kläger insoweit keine Rechte herleiten, da diese ausdrücklich eine bloße Information über die Höhe der Rentenanwartschaft nach den damals geltenden Bestimmungen darstellt und zudem gemäß § 1235 Abs 4 Satz 3 RVO, § 109 Abs 4 Satz 2 SGB VI nicht rechtsverbindlich ist (vgl dazu BSGE 78, 138, 139 f = SozR 3-2600 § 71 Nr 1).
Der bereits im Juni 1992 geltend gemachte Rentenanspruch des Klägers richtet sich gemäß § 300 Abs 1 und 2 SGB VI nach der bei Rentenbeginn am 1. Dezember 1992 geltenden Fassung dieses Gesetzbuches, das ab 1. Januar 1992 an die Stelle des gleichzeitig gestrichenen Vierten Buches der RVO getreten ist (vgl Art 1, 6 Nr 24, Art 85 Abs 1 RRG 1992).
Die Grundvoraussetzungen für eine Gewährung von Regelaltersrente liegen gemäß § 35 SGB VI vor: Der am 26. November 1927 geborene Kläger hat im November 1992 das 65. Lebensjahr vollendet. Ferner erfüllt er bereits mit seinen 109 Pflichtbeitragsmonaten die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren anrechenbarer Versicherungszeiten (vgl §§ 50, 51 Abs 1 SGB VI).
Die Höhe einer Rente richtet sich gemäß § 63 Abs 1 SGB VI vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Dabei werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das in Anlage 1 des SGB VI veröffentlichte Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird (vgl § 70 Abs 1 SGB VI). Nach der hier noch anwendbaren Fassung des § 70 Abs 3 SGB VI (vgl dazu Art 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung ≪Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz – WFG -≫ vom 25. September 1996, BGBl I S 1461) erhalten Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung für jeden Kalendermonat 0,075, mindestens jedoch die nach § 70 Abs 1 SGB VI ermittelten Entgeltpunkte. Als Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung gelten stets die ersten 48 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. In rechtsfehlerfreier Anwendung dieser Regelung sind von den ersten 48 Pflichtbeitragsmonaten des Klägers die in der Zeit von April 1942 bis Januar 1949 liegenden, tatsächlich mit niedrigeren Beiträgen belegten 39 Kalendermonate jeweils mit 0,075 Entgeltpunkten bewertet worden.
Gemäß § 250 Abs 1 Nr 1 SGB VI sind Ersatzzeiten ua Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr militärischen oder militärähnlichen Dienst iS der §§ 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aufgrund gesetzlicher Dienstpflicht oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet haben oder aufgrund dieses Dienstes kriegsgefangen gewesen sind oder deutschen Minenräumdienst nach dem 8. Mai 1945 geleistet haben oder im Anschluß an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind. Derartige beitragsfreie Zeiten erhalten gemäß § 71 Abs 1 SGB VI in der hier anwendbaren Fassung (inzwischen geändert durch Art 1 WFG) den Durchschnittswert an Entgeltpunkten, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum (vgl § 72 Abs 2 bis 4 SGB VI) ergibt. Dabei erhalten sie den höheren Durchschnittswert aus der Grundbewertung aus allen Beiträgen (vgl § 72 SGB VI) oder der Vergleichsbewertung aus ausschließlich vollwertigen Beiträgen (vgl § 73 SGB VI).
Diese Bestimmungen hat die Beklagte – wie sich aus der Anlage 4 zum Rentenbescheid vom 15. April 1993 im einzelnen ergibt – im vorliegenden Fall richtig angewandt, indem sie zum Zwecke der Grundbewertung die Entgeltpunkte für alle Beitragszeiten des Klägers (8,4941) durch die Anzahl der belegungsfähigen Kalendermonate (520) geteilt und so den Durchschnittswert von 0,0163 Entgeltpunkten ermittelt hat. Dieser war der Bewertung der beitragsfreien Zeiten des Klägers zugrunde zu legen, da die Vergleichsbewertung nur einen Durchschnittswert von 0,0157 Entgeltpunkten ergeben hatte. Folglich hat die Beklagte zutreffend für die 43 Monate Ersatzzeiten des Klägers (0,0163 × 43 =) 0,07009 Entgeltpunkte und für die fünf Monate Anrechnungszeiten (0,0163 × 5 =) 0,0815 Entgeltpunkte berücksichtigt.
Die Übergangsregelung des § 263 Abs 5 SGB VI, welche im wesentlichen eine Mindestbewertung von Ersatzzeiten unter Heranziehung des im Dezember 1991 geltenden Rechts ermöglicht, kommt dem Kläger nicht zugute, weil er nicht mindestens 48, sondern nur 43 Kalendermonate beitragsfreie Ersatzzeiten zurückgelegt hat. Zwar mag es zutreffen, daß der Kläger – wie er erstmals im Revisionsverfahren vorträgt (vgl dazu § 163 SGG) – bereits am 27. Dezember 1944 zum militärischen Dienst eingezogen worden ist, es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die für die Zeit bis zum 31. Mai 1945 nachgewiesenen Pflichtbeiträge zu Unrecht entrichtet worden sein könnten (vgl dazu BSGE 50, 294 = SozR 5742 Allg Nr 1). Abgesehen davon ist die Frage, ob die Monate Januar bis Mai 1945 zutreffend als Beitragszeit berücksichtigt worden sind, nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind die bei der Berechnung seiner Rente zur Anwendung gekommenen Vorschriften des SGB VI mit dem GG vereinbar (vgl dazu bereits Senatsurteil vom 23. Mai 1995 – 13/4 RA 13/94 –; BSGE 78, 138 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1; BSG, Urteile vom 18. April 1996 – 4 RA 51/94, 4 RA 78/94 und 4 RA 120/94 –; BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 5/4 RA 11/94). Soweit es § 70 Abs 3 und §§ 71 f SGB VI betrifft, hat der 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 18. April 1996 – 4 RA 36/94 – (BSGE 78, 138 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1) Verletzungen von Art 14 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG, dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgebot sowie dem Sozialstaatsprinzip (vgl Art 20 Abs 1 GG) mit eingehender Begründung in einem parallel gelagerten Fall verneint, wo der ebenfalls 1927 geborene Kläger sogar 47 Monate Ersatzzeiten vorweisen konnte. Der erkennende Senat schließt sich diesen Darlegungen aufgrund eigener Überprüfung an und nimmt darauf Bezug. Hinsichtlich der Situation des Klägers wird ergänzend auf folgendes hingewiesen:
Durch die mit dem SGB VI eingetretene Änderung bei der Bewertung der ersten Pflichtbeitragsmonate wird die Rentenhöhe des Klägers nur in geringem Maße beeinträchtigt. Während nach § 1255 Abs 4 Buchst a RVO die vom 1. April 1942 bis 30. Mai 1945 zurückgelegten 38 Pflichtbeitragsmonate jeweils den Wert 7,88 erhielten (entsprechend 94,56 % des Durchschnittsentgelts aller Versicherten), wurden bei der Rentenberechnung nach § 70 Abs 3 SGB VI die ersten 39 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen (also einschließlich Januar 1949) mit jeweils 0,075 Entgeltpunkten bewertet, also immerhin auf 90 % des Durchschnitts angehoben. Erheblich ist hingegen die Einbuße des Klägers bei der Bewertung der 48 beitragsfreien Versicherungsmonate (43 Monate Ersatzzeiten, fünf Monate Ausfall- bzw Anrechnungszeiten). Während insoweit nach § 1255a Abs 2 RVO monatlich ebenfalls 7,88 Werteinheiten (entsprechend 94,56 % des Durchschnitts) zugrunde zu legen waren, ergab die Gesamtleistungsbewertung gemäß §§ 71 ff SGB VI nur 0,0163 Entgeltpunkte pro Monat (entsprechend 19,56 % des Durchschnitts).
Der mit dieser Gesetzesänderung verbundene Eingriff in die durch Art 14 Abs 1 GG geschützte Rentenanwartschaft des Klägers hält sich, wie das BSG in den genannten Parallelfällen bereits entschieden hat (vgl insbesondere BSGE 78, 138 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1), in den Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen. Dabei ist insbesondere der starke soziale Bezug dieser Rechtsposition zu berücksichtigen, der durch den Gedanken der Solidargemeinschaft der Versicherten und des sog Generationenvertrages geprägt wird. Wenn dem Kläger unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse (Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Rentensystems) eine erhebliche Minderung seiner Anwartschaft auf Regelaltersrente zugemutet wird, so beruht dies ganz wesentlich darauf, daß er der Versichertengemeinschaft nur relativ kurz und auch nur bis 1955 aktiv (also insbesondere als Beitragszahler) angehört hat. Im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem aktiven Versicherungsleben galten die Vorschriften über eine für ihn günstige Bewertung der ersten Versicherungsjahre sowie der Ersatz- und Ausfallzeiten noch nicht. Sie sind erst durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter (Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz ≪ArVNG≫) vom 23. Februar 1957 (BGBl I S 45) und nachfolgende Gesetzesänderungen (vgl insbesondere das Erste Rentenversicherungs-Änderungsgesetz ≪1. RVÄndG≫ vom 9. Juni 1965, BGBl I S 476) eingeführt worden. Folglich kann der Kläger insoweit auch keinen besonderen Vertrauensschutz beanspruchen.
Schließlich wird der Kläger auch nicht dadurch in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt, daß er nicht von der Übergangsregelung des § 263 Abs 5 SGB VI erfaßt wird. Insbesondere stellt es keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG dar, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Ersatzzeitbewertung unter Heranziehung des alten Rechts auf Versicherte beschränkt hat, die mindestens 48 Kalendermonate beitragsfreie Ersatzzeiten zurückgelegt haben.
Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, daß dieses Kriterium zur Vermeidung von Bagatellfällen und damit zur Begrenzung des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes dienen soll (vgl Beschlußempfehlung und Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 12/7688 S 9). Zwar mag es nachvollziehbar erscheinen, wenn der Kläger sich dagegen wendet, seine Rentenanwartschaftseinbuße von etwa 25 % als Bagatelle einzustufen, gleichwohl ist das Abgrenzungskriterium von mindestens vier Jahren Ersatzzeiten nicht als sachwidrig anzusehen. Der mit dieser Sonderregelung verbundene Verwaltungsaufwand kann eine derartige Beschränkung des Kreises der Begünstigten rechtfertigen.
Dabei durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, daß grundsätzlich die Gesamtleistungsbewertung iS der §§ 72 ff SGB VI eine angemessene Honorierung beitragsfreier Zeiten sicherstellt, indem sie die insgesamt entrichteten Beiträge zu dem belegungsfähigen Gesamtzeitraum in Beziehung setzt. Je mehr Beitragszeiten ein Versicherter zurückgelegt hat, desto eher entspricht danach die Bewertung seiner beitragsfreien Zeiten dem Durchschnitt seiner Beitragsleistung. Entsprechend verhält es sich bei Versicherten mit langen beitragsfreien Zeiten (vgl § 54 Abs 4 SGB VI), weil diese bei der Berechnung des belegungsfähigen Gesamtzeitraumes nicht mitzählen (vgl § 72 Abs 3 SGB VI). Folglich hat die Ausnahmeregelung des § 263 Abs 5 SGB VI vor allem für solche Versicherte Bedeutung, deren Versicherungsverlauf nicht in diesem Sinne ausgefüllt ist. Dieser ohnehin nicht besonders schutzwürdige Personenkreis durfte nach sachgerechten Kriterien begrenzt werden.
Hätte der Gesetzgeber das Eingreifen des § 263 Abs 5 SGB VI vom Umfang der prozentualen Anwartschaftseinbuße des einzelnen Versicherten abhängig gemacht, so wären dadurch in bedenklicher Weise gerade diejenigen begünstigt worden, die am wenigsten durch Beitragsleistung an der Verwirklichung des sog Generationenvertrages in der gesetzlichen Rentenversicherung mitgewirkt haben. Unter diesen Umständen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Bestimmung des Anwendungsbereiches des § 263 Abs 5 SGB VI ersichtlich die gesetzgeberische Annahme zugrunde liegt, daß gemessen an einem durchschnittlichen Arbeitsleben von über 40 Jahren Zeiträume unter vier Jahren nicht besonders schwer ins Gewicht fallen. Die stärkeren Auswirkungen für den Kläger ergeben sich nur aus der relativ geringen Zahl seiner Beitragsmonate in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1176082 |
SozR 3-2600 § 263, Nr. 2 |
SozSi 1999, 78 |