Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse. Korrektur der Schlussrechnung durch ein Krankenhaus innerhalb von sechs Wochen seit Rechnungsstellung. später nur bei Nachforderung über 100 Euro bzw 300 Euro und mindestens 5% des Ausgangsrechnungswerts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Korrektur einer Schlussrechnung durch ein Krankenhaus ist innerhalb von sechs Wochen seit Rechnungsstellung grundsätzlich möglich.
2. Nach Ablauf dieser Frist kann eine Schlussrechnung nach Treu und Glauben - von offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern abgesehen - gegenüber der Krankenkasse nur noch dann korrigiert werden, wenn die Nachforderung über 100 Euro (ab 25.3.2009: über 300 Euro) liegt und zudem mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswerts erreicht.
Normenkette
SGB 5 § 69 S. 3 Fassung: 1999-12-22, § 109 Abs. 4 Sätze 2-3, § 275 Abs. 1c Fassung: 2007-03-26, § 275 Abs. 1c S. 3 Fassung: 2009-03-17; BGB § 242; KHEntgG § 7 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2002-04-23, § 8 Abs. 7 S. 3, § 11 Abs. 1 S. 3; KHG § 7 Fassung: 2002-04-23, § 17b Abs. 1 S. 10 Fassung: 2002-04-23, § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausrechnung um 58,06 Euro.
Die in Schleswig-Holstein ansässige Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassenen Krankenhauses in Rheinland-Pfalz. Dort wurde vom 23.2. bis 2.3.2006 die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Fr. H. (im Folgenden: Versicherte) stationär behandelt. Behandlungsanlass waren ua ein entgleister Diabetes mellitus und eine Bronchopneumonie. In einer als "End-Rechnung" bezeichneten Abrechnung vom 15.3.2006 stützte die Klägerin ihr Zahlungsverlangen von 3.393,45 Euro zunächst auf die DRG-Ziffer K60B ("Diabetes mellitus mit komplizierenden Diagnosen oder äußerst schweren CC oder schwere Ernährungsstörungen"); diese Rechnung beglich die Beklagte nach Prüfung am 21.3.2006. Nach Überprüfung ihrer Abrechnungen korrigierte die Klägerin diese - und andere - Rechnungen und stellte der Beklagten mit Schreiben vom 12.6.2006 eine neue Rechnung aus, nunmehr gestützt auf die DRG-Ziffer E77B ("Andere Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane außer bei Zustand nach Organtransplantation, mit komplexer Diagnose oder äußerst schweren CC"). Daraus ergab sich gegenüber der ursprünglichen Rechnung ein Mehrbetrag in Höhe von 58,65 Euro. Dessen Zahlung lehnte die Beklagte ab, weil das Vertragsverhältnis mit der Zahlung beendet sei; eine Rechnungskorrektur sei vertraglich nicht geregelt und würde dem Sinn der Vertragsvereinbarung widersprechen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte abzüglich eines Abschlages zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung nach § 140d Abs 1 Satz 1 SGB V antragsgemäß zur Zahlung von 58,06 Euro verurteilt (Urteil vom 15.12.2006). Die Berufung hiergegen hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 10.10.2007): Das mit der Inanspruchnahme der Krankenhausleistung entstehende (gesetzliche) Schuldverhältnis erlösche erst mit Bewirken der geschuldeten Leistung. Das sei der tatsächlich durch die Behandlung entstandene Vergütungsanspruch. An dessen nachträglicher Geltendmachung sei das Krankenhaus nach Treu und Glauben nicht gehindert.
Mit ihrer vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe den für die Beziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse prägenden Grundsatz der zeitnahen Abrechnung nicht hinreichend beachtet. Er stehe einer nachträglichen Abrechnungskorrektur entgegen. Das Krankenhaus dürfe durch Nachcodierungen die zügige Rechnungsabwicklung nicht beeinträchtigen. Es belaste die Krankenkassen übermäßig, wenn sie bereits abgearbeitete und abgeschlossene Verfahren wieder aufgreifen müssten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10.10.2007 und des Sozialgerichts Lübeck vom 15.12.2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG der Klägerin einen weiteren Zahlungsanspruch über 58,06 Euro zuerkannt. Zu dieser Korrektur ihrer Schlussrechnung war die Klägerin drei Monate nach Rechnungsstellung unter Berücksichtigung des zusätzlichen Verwaltungsaufwands der Beklagten für die erneute Rechnungsprüfung einerseits und des Werts des Fehlbetrages andererseits nach Treu und Glauben nicht mehr befugt.
1. Rechtsgrundlage des zulässig mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG verfolgten restlichen Vergütungsanspruchs (stRspr, vgl zB BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 18, 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12 RdNr 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13 RdNr 9) ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 7 Satz 1 Nr 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG - (hier anzuwenden idF von Art 2 Nr 5 Buchst a Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2006 sowie - im Hinblick auf den Sitz des Krankenhauses in Rheinland-Pfalz und nicht dem der Klägerin in Schleswig-Holstein (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 8 mwN) - dem Vertrag über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz eV und den Landesverbänden der Krankenkassen idF des Schiedsspruchs vom 19.11.1999 unter Berücksichtigung des Urteils des LSG vom 12.12.2002 (Krankenhausbehandlungsvertrag - nachfolgend: KBV) und dem Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz eV und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 25.3.1991 (Krankenhausüberprüfungsvertrag - nachfolgend: KÜV). Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser iS des § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (vgl BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20) .
2. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass der restliche Vergütungsanspruch der Klägerin durch die Zahlung des zuerst abgerechneten Betrages nicht erloschen ist; insoweit geht die Auffassung der Beklagten fehl. Durch eine mit den maßgeblichen Vorschriften im Einklang stehende Versorgung erwirbt das Krankenhaus einen gesetzlichen Vergütungsanspruch, dessen Höhe gemäß § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V nach Maßgabe des KHG, des KHEntgG und, sofern das Krankenhaus nicht in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist, der Bundespflegesatzverordnung (vgl dort § 1 Abs 1) vertraglich abschließend festgelegt wird. Maßgebend für den Vergütungsanspruch ist danach der Fallpauschalen-Katalog nach §§ 7 iVm § 17b Abs 1 Satz 10 KHG (hier idF von Art 2 Nr 4 Buchst a Doppelbuchst aa und bb des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser - Fallpauschalengesetz - vom 23.4.2002, BGBl I 1412) , der Bindungswirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntG iVm § 18 Abs 2 KHG entfaltet (§ 11 KHEntG iVm § 18 Abs 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) und streng nach dem Wortlaut einschließlich der Operationen- und Prozedurenschlüssel sowie der Codierrichtlinien auszulegen ist (zu den Einzelheiten der Vergütung von Krankenhausleistungen nach dem DRG-System vgl Urteil des erkennenden Senats vom 18.9.2008 - B 3 KR 15/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 11) . Insoweit gewährt der Fallpauschalenkatalog kein Bestimmungsrecht, dessen Ausübung das Krankenhaus abschließend binden und den Zahlungsanspruch auf den zunächst geforderten Betrag beschränken würde. So wie die Krankenkasse auch nach Zahlung der Krankenhausrechnung nachträgliche Korrekturen vornehmen darf (vgl hierzu zuletzt etwa BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 17 mwN) , ist ebenso das Krankenhaus auch noch nach Rechnungsstellung grundsätzlich zur Nachforderung einer offenen Vergütung berechtigt (so auch die Fallgestaltung im Urteil vom 18.9.2008 aaO; ebenso Urteil des 1. Senats des BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 11/09 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 16) .
3. Die Nachforderung eines restlichen Vergütungsanspruchs steht jedoch - ebenso wie die Einzelfallkorrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse - unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben, der über § 69 SGB V (hier § 69 Satz 3 idF von Art 1 Nr 26 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 - GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 - vom 22.12.1999, BGBl I 2626 ) gemäß dem Rechtsgedanken des § 242 BGB auf die Rechtsbeziehungen der Beteiligten einwirkt. Insoweit hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass eine Krankenkasse nach Treu und Glauben mit Einwendungen ausgeschlossen sein kann, wenn sie das zu deren Klärung vorgesehene Verfahren nicht rechtzeitig einleitet (vgl BSGE 89, 104, 110 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 10, 16 - "Berliner Fälle"). Umgekehrt hat der 1. Senat des BSG ausgesprochen, dass ein Krankenhaus nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an der Korrektur einer fehlerhaften Abrechnung gehindert sein kann, wenn sie mehr als zwei Jahre nach Rechnungsstellung und damit außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse vorgenommen wird und dafür keine besondere Rechtfertigung besteht (Urteil vom 8.9.2009, SozR 4-2500 § 109 Nr 19) . Zutreffend hat der 1. Senat darauf hingewiesen, dass die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichten und diese Sonderbeziehung die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenzt (aaO, RdNr 16) . Diesem Ansatz folgt auch der erkennende 3. Senat (kritisch dagegen Korthus, Das Krankenhaus 2010, 49 f) .
4. Mit dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme unvereinbar ist die nachträgliche Korrektur einer geprüften und bezahlten Rechnung dann, wenn das Interesse des Krankenhauses am Ausgleich seines Rechnungsfehlbetrages weniger schutzwürdig ist als das Interesse der Krankenkasse an der Vermeidung des Zusatzaufwands für die erneute Rechnungsprüfung. Das betrifft regelmäßig jedenfalls solche Nachforderungen, die erst nach abschließender Prüfung und Zahlung einer vorbehaltlos erteilten Schlussrechnung erhoben werden und durch deren Prüfung bei der Krankenkasse ein hoher Verwaltungsaufwand anfällt, der den mit der Korrektur begehrten Betrag - rein rechnerisch - übersteigt, oder dessen Wert im Verhältnis zum ursprünglichen Rechnungsbetrag nur von untergeordneter Bedeutung ist. Hiervon geht der Senat nach dem "Prinzip der Waffengleichheit" aus, wenn eine Frist von sechs Wochen verstrichen ist (vgl zur Einleitung einzelfallbezogener Rechnungsprüfungen: § 275 Abs 1c SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ≪GKV-WSG≫ - vom 26.3.2007, BGBl I 378) und die nachgeforderte Summe entweder den Betrag der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V (hier idF des GKV-WSG und ab dem 25.3.2009 idF von Art 3 Nr 8a des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes - KHRG - vom 17.3.2009, BGBl I 534) oder 5 % des Ausgangsrechnungswertes nicht erreicht. Maßgebend dafür sind folgende Erwägungen:
a) Im Rahmen ihrer wechselseitigen Obhutspflichten sind Krankenhäuser und Krankenkassen bei der Geltendmachung von Ansprüchen gehalten, auf einen beiderseits möglichst geringen Verwaltungsaufwand Bedacht zu nehmen. In diesem Sinne hat der Senat das Krankenhaus als verpflichtet gesehen, bei Zahlungsverzug der Krankenkasse jedenfalls in einfach gelagerten Abrechnungsfällen einen offenen Vergütungsanspruch vorgerichtlich mit eigenen Mitarbeitern und ohne anwaltliche Unterstützung geltend zu machen (BSGE 99, 208 = SozR 4-2500 § 69 Nr 3 RdNr 22 ff, 26 f mwN) . Umgekehrt muss ein Leistungserbringer aus ähnlichen Erwägungen heraus kein eigenes Kostenrisiko auf sich nehmen, um im ausschließlichen Interesse der Krankenkasse die Berechtigung einer Umsatzsteuerforderung der Finanzverwaltung zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen (BSGE 101, 137 = SozR 4-2500 § 69 Nr 6 RdNr 15; ebenso 1. Senat des BSG, Urteil vom 3.3.2009, NZS 2010, 154 RdNr 20) . Entsprechend kann in Fällen der vorliegenden Art der Urheber einer fehlerhaften Abrechnung oder Zahlung (hier: Krankenhaus) nicht erwarten, dass die Gegenseite (hier: Krankenkasse) zusätzlichen Verwaltungsaufwand zur Korrektur eines jeglichen Fehlers trägt. Vielmehr muss bei jeder Fehlerkorrektur Rücksicht darauf genommen werden, welchen zusätzlichen Verwaltungsaufwand sie bei der Gegenseite auslöst. Steht dieser nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Ausgleich des selbst verursachten Vermögensnachteils, kann der Gegenseite die erneute Rechnungsprüfung nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden.
b) Nach diesen Grundsätzen muss die Krankenkasse darauf vertrauen können, dass eine vom Krankenhaus als "Schlussrechnung" bezeichnete Abrechnung auf einem ordnungsgemäßen Abrechnungsverfahren beruht und grundsätzlich auf den endgültigen Abschluss des Abrechnungsverfahrens des jeweiligen Behandlungsfalls gerichtet ist. Das liegt immanent den Vorschriften der beschleunigten Rechnungsabwicklung zu Grunde, mit dem in allen landesvertraglichen Abrechnungsbestimmungen - hier: § 9 KBV - im Wesentlichen einheitlich und deshalb revisibel (vgl BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 16 mwN) das Primat der zeitnahen Zahlung der Krankenhausrechnung näher ausgestaltet ist (vgl § 8 Abs 7 Satz 3 und § 11 Abs 1 Satz 3 KHEntgG und nunmehr auch § 275 Abs 1c Satz 1 SGB V) . Demnach kann das Krankenhaus zwar Zwischenrechnungen erstellen und Abschlagszahlungen verlangen (vgl § 8 Abs 7 Satz 2 und § 11 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2 KHEntgG, § 9 Abs 1 Satz 2 und 3 KBV) . Regelmäßig soll es der Krankenkasse aber bereits innerhalb von 14 Kalendertagen nach Entlassung eine "Schlussrechnung" stellen (§ 9 Abs 1 Satz 1 KBV) , worauf diese - auch zur Meidung von Verzugszinsen (§ 9 Abs 7 KBV) - nach weiteren 14 Kalendertagen den Rechnungsbetrag zu bezahlen hat (§ 9 Abs 6 Satz 1 KBV) . Auch danach sind zwar Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art durch die Krankenkasse noch möglich (§ 9 Abs 6 Satz 4 KBV) . Gleichwohl hat sie - zumal unter Berücksichtigung der hohen Zahl von Abrechnungsfällen - demzufolge Sorge zu tragen dafür, dass eine als Schlussrechnung bezeichnete und mit Vorbehalten nicht versehene Krankenhausabrechnung innerhalb kurzer Zeit auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit geprüft wird. Das gilt umso mehr, als nach Einführung des § 275 Abs 1c SGB V durch das GKV-WSG die Entscheidung über die Notwendigkeit der Einleitung eines Prüfverfahrens durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) spätestens sechs Wochen nach Rechnungsstellung getroffen werden muss (§ 275 Abs 1c Satz 1 SGB V;vgl zur zeitnahen Einschaltung des MDK nach der früheren Rechtslage aufgrund des jeweiligen KÜV BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 10 - "Berliner Fälle") .
Pendant für diese wesentlich dem wirtschaftlichen Interesse des Krankenhauses dienende Verfahrensbeschleunigung ist auf Seiten der Krankenkasse die Erwartung, dass das Krankenhaus den Behandlungsfall mit der Schlussrechnung jedenfalls grundsätzlich abschließt und sie demzufolge mit demselben Vorgang nicht mehrfach befasst wird. Damit nicht vereinbar wäre es hingegen, wenn vom Krankenhaus zur späteren Rechnungsoptimierung regelmäßig Nachprüfungen der als "Schlussrechnung" bezeichneten Abrechnungen stattfänden und die so geprüfte Rechnung entgegen ihrer Bezeichnung faktisch nur der Anforderung eines Rechnungsabschlags dienen würde. Eine solche Verfahrensgestaltung wäre mit den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Abrechnungsverhalten unvereinbar, weil von der Krankenkasse die eingehende Prüfung und vollständige Zahlung der geschuldeten Vergütung anstelle des ansonsten zu entrichtenden Vorschusses nach Sinn und Zweck der Abrechnungsbestimmungen nur verlangt werden kann, wenn die "Schlussrechnung" auch aus Sicht des Krankenhauses eine Schlussrechnung iS der Abrechnungsbestimmungen - hier von § 9 Abs 1 Satz 1 KBV - darstellt.
c) Die Korrektur eines dem Krankenhaus im Einzelfall gleichwohl unterlaufenen Abrechnungsfehlers kann hiernach nur verlangt werden, wenn sein Interesse an der Fehlerkorrektur das der Krankenkasse am endgültigen Verfahrensabschluss überwiegt. Das wird im Regelfall zu bejahen sein, wenn der nachgeforderte Betrag den Kostenaufwand der Krankenkasse für die zusätzliche Prüfung übersteigt und die Einleitung eines Korrekturverfahrens auch im Verhältnis zur ursprünglichen Rechnungssumme rechtfertigt; dann muss die Krankenkasse die Zusatzbelastung im Interesse des Krankenhauses hinnehmen. Ist dagegen der Aufwand der Nachprüfung - pauschaliert - höher als der Fehlbetrag oder kommt ihm im Verhältnis zum ursprünglichen Rechnungsbetrag ein nur untergeordnetes Gewicht zu, kann das Krankenhaus nach Treu und Glauben eine erneute Prüfung des Abrechnungsfalles auch dann nicht beanspruchen, wenn seine Leistung ansonsten nicht vollständig vergütet würde. Insoweit sieht der Senat diese Grenze der berechtigten Nachforderung im Allgemeinen als erreicht an, wenn der Nachforderungsbetrag erstens in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V über 100 Euro bzw ab dem 25.3.2009 über 300 Euro liegt und er zweitens mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswertes erreicht.
aa) Bedeutsam für die hier zu entscheidende Fallkonstellation ist zunächst die Bemessung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V, auch wenn sie sich zunächst nur an die Krankenkassen als Normadressaten wendet. Die Aufwandspauschale soll nach dem Regelungsansatz des GKV-WSG einen Anreiz dafür bieten, dass die nach Einschätzung des Gesetzgebers übermäßige Einschaltung des MDK im Rahmen von Einzelfallprüfungen nach § 275 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V zurückgedrängt wird. Unnötige Bürokratie sowie zusätzlicher personeller und finanzieller Aufwand sollen auch dann vermieden werden, wenn keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleistet werden kann (vgl BT-Drucks 16/3100 S 171 f) . Demgemäß muss eine Krankenkasse seit Einführung der Regelung zum 1.4.2007 dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale von früher 100 Euro und nunmehr 300 Euro entrichten, wenn ihr Nachprüfungsauftrag nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Die darin zum Ausdruck kommende Bewertung des bürokratischen Aufwands bei unberechtigten Nachprüfungsverlangen ist nach dem "Prinzip der Waffengleichheit" auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zwar unterscheiden sich die Sachverhalte insofern, als das Prüfbegehren der Krankenkasse im Falle des § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V sich im Nachhinein als unzutreffend erweist, während die Nachforderung des Krankenhauses berechtigt sein kann. Jedoch wäre auch dieser bürokratische Aufwand vermeidbar gewesen, wenn das Krankenhaus bereits die ursprüngliche Schlussrechnung fehlerfrei erstellt hätte. Insofern beansprucht die ökonomische Bewertung des vermeidbaren zusätzlichen Prüfaufwands Geltung auch für solche Korrekturen, die - wie hier - Abrechnungen vor Inkrafttreten des GKV-WSG betreffen. Denn ungeachtet der erst später in Kraft getretenen Zahlungspflicht selbst besteht kein Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber die wirtschaftlichen Folgen der von ihm angestrebten Verfahrensvereinfachung und des Bürokratieabbaus für die Zeit vor Inkrafttreten des GKV-WSG anders beurteilt hätte. Zudem hat der erkennende Senat den Grundsatz der Beschleunigung in Abrechnungsverfahren (vgl SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13 mwN) auch schon früher immer betont und die Regelung des § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V als besonderen Ausdruck des Beschleunigungsgebots angesehen (vgl SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 16) .
bb) Entspricht der zu korrigierende Fehlbetrag mindestens dem Wert der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V alter oder neuer Fassung, so kommt es für die Korrekturbefugnis des Krankenhauses nach Treu und Glauben im Weiteren noch darauf an, ob dieser Betrag auch im Verhältnis zur ursprünglichen Rechnungssumme die Einleitung eines zusätzlichen Prüfverfahrens rechtfertigt. Deshalb muss die nachträgliche Korrektur einer Schlussrechnung auf solche Fälle beschränkt bleiben, die einen Fehler von erheblichem Gewicht auch im Einzelfall betreffen. Maßstab hierfür kann - weil eine zu häufige und marginale Summen betreffende Korrektur von Schlussrechnungen dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme widersprechen würde (vgl oben unter 4.b) - nicht die Gesamtsumme der von einem Krankenhaus möglicherweise verfolgten Nachforderungen sein, sondern nur das Verhältnis zwischen dem Nachforderungs- und dem ursprünglichen Rechnungsbetrag im jeweiligen Einzelfall. Zum Ausschluss von Bagatellfällen besitzt eine Nachforderung die für die Einleitung eines weiteren Prüfverfahrens ausreichende wirtschaftliche Bedeutung nur dann, wenn sie eine Mindestsumme des ursprünglichen Rechnungsbetrages erreicht; der Senat sieht hierfür mindestens 5 % der ursprünglichen Rechnung als erforderlich an. Einzelfallfehler unterhalb dieser Bagatellgrenze rechtfertigen den zusätzlichen Verwaltungsaufwand der Krankenkasse für eine erneute Rechnungsprüfung hingegen nicht.
d) Diese Beschränkungen gelten in zeitlicher Hinsicht allerdings nicht, solange die Krankenkasse ihrerseits die Prüfung der von dem Krankenhaus erstellten Schlussrechnung in der Regel noch nicht abgeschlossen hat und eine Korrektur demzufolge kein weiteres Verwaltungsverfahren auslösen würde. Denn von besonders gelagerten Ausnahmefällen möglicherweise abgesehen - zB Rechnungskorrekturen in großer Zahl, die Sinn und Zweck des beschleunigten Abrechnungsverfahrens widersprechen würden (vgl oben unter 4.b) - muss die Krankenkasse es hinnehmen, wenn eine noch nicht endgültig geprüfte Rechnung vor Abschluss der Rechnungsprüfung im Einzelfall geändert wird und wesentlicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand dadurch nicht anfällt. Deshalb sind Rechnungskorrekturen der Krankenhäuser mit entsprechenden Nachforderungen ohne die zuvor dargelegten Einschränkungen (oben unter 4.c) im Allgemeinen zulässig, soweit sie in die Zeit der regelhaften Prüfung von Schlussrechnungen durch die Krankenkasse fallen und sie deshalb als "zeitnah" iS des § 8 Abs 7 Satz 3 und § 11 Abs 1 Satz 3 KHEntgG sowie § 275 Abs 1c Satz 1 SGB V idF des GKV-WSG gelten. Den maßgeblichen Zeitrahmen bestimmt der Senat anhand der Sechs-Wochenfrist, innerhalb derer eine Krankenkasse nach Vorlage der Schlussrechnung über die Einleitung einzelfallbezogener Rechnungsprüfungen entschieden haben muss (§ 275 Abs 1c Satz 2 SGB V) und die demgemäß eine zeitliche Grenze für den regelmäßigen Verwaltungsablauf bildet. Dies gilt ungeachtet des Inkrafttretens des § 275 Abs 1c SGB V erst zum 1.4.2007 auch schon im vorliegenden Abrechnungsfall aus dem März 2006, weil die Frist von sechs Wochen lediglich eine Präzisierung des auch zuvor geltenden Beschleunigungsgebots darstellt und daher keine Rechtsänderung im Hinblick auf die Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "zeitnah" eingetreten ist; ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art 20 Abs 3 GG liegt nicht vor.
5. Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin mit der Korrektur ihrer Schlussrechnung vom 15.3.2006 durch die Nachforderung vom 12.6.2006 nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Die Schlussrechnung war weder mit einem ausdrücklichen oder sinngemäßen Vorbehalt versehen noch diente die Rechnungsänderung der Korrektur eines offen zutage liegenden Fehlers im Sinne der vom 1. Senat mit Urteil vom 8.9.2009 dargelegten Kriterien (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 18 f) . Auch erfolgte die korrigierende Nachforderung nicht mehr "zeitnah" innerhalb von sechs Wochen, sondern erst nach Ablauf von drei Monaten. Demgemäß hätte die Klägerin zur Korrektur nur befugt sein können, wenn der Nachforderungsbetrag erstens den Wert der Aufwandspauschale in der bis zum Inkrafttreten des KHRG am 25.3.2009 geltenden Fassung des GKV-WSG - 100 Euro - und zweitens mindestens 5 % des ursprünglichen Rechnungsbetrages erreicht hätte. Das ist mit dem Korrekturbetrag von 58,06 Euro und damit ca 1,7 % des Ausgangsrechnungsbetrags von 3.393,45 Euro nicht der Fall. Dies muss die Klägerin auch dann hinnehmen, wenn die Korrektur in der Sache - was die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat - berechtigt gewesen wäre.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 2336645 |
BSGE 2010, 150 |
NZS 2010, 627 |
SGb 2010, 79 |
GesR 2010, 382 |
ZMGR 2010, 292 |