Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe von Arbeitslosengeld
Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsklägerin |
Bundesanstalt für Arbeit,Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Nachgehend
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Die Klägerin meldete sich im August 1986 arbeitslos und beantragte Alg, nachdem ihr der Arbeitgeber zum 31. August 1986 wegen Stillegung des Konfektionsbetriebs, in dem sie seit 1977 als Näherin beschäftigt war, gekündigt hatte. Das Arbeitsamt Konstanz bewilligte Alg ab 1. September 1986 in Höhe von 164,40 DM wöchentlich, und zwar unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe A (Steuerklasse IV, keine Kinder) und einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 375,-- DM (Bescheid vom 10. September 1986). Dieses Arbeitsentgelt ist aus den Angaben der Arbeitsbescheinigung errechnet worden, denen zufolge die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 1986 in 519 bezahlten Arbeitsstunden bei einer tariflichen Arbeitszeit von 40 Stunden ein Bruttoentgelt von 4.866,53 DM erzielt hat (4.866,53 DM: 519 x 40 = 375,07 DM). Die Bewilligung wurde bestandskräftig.
Noch während des Beschäftigungsverhältnisses, nämlich mit Schreiben vom 28. Mai und 28. Juli 1986, hatte die Gewerkschaft Textil-Bekleidung für ihre Mitglieder, ua für die Klägerin, die Lohnabrechnungen beanstandet, diese berücksichtigten nicht, daß nach dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie vom 17. Mai 1979, der allgemeinverbindlich erklärt worden sei, der Akkordrichtsatz als Mindestlohn garantiert sei, der im Durchschnitt des Lohnabrechnungszeitraums erzielt werden müsse. Der Arbeitgeber bestritt die Anwendbarkeit des Tarifvertrages, da sein Betrieb nicht zur Bekleidungs-, sondern zur Textilindustrie gehöre. Im September und im Oktober 1986 erhob die Klägerin, vertreten durch einen Gewerkschaftssekretär, Klagen auf Lohnnachzahlung für die Zeit von April bis August 1986. Das Arbeitsgericht Ulm hat den Arbeitgeber verurteilt, insgesamt 801,42 DM brutto nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen (Urteil vom 12. Februar 1987).Die 801,42 DM konnten allerdings nicht beigetrieben werden; mangels Masse hatte schon am 7. Januar 1987 das Amtsgericht Überlingen die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers abgelehnt.
Die Anregung der Gewerkschaft, das Alg nun nach einem höheren Bemessungsentgelt zu gewähren, lehnte das Arbeitsamt mit der Begründung ab, die Bemessung sei zutreffend erfolgt; der nachträglich zugesprochene Anspruch bleibe nach den gesetzlichen Vorschriften unberücksichtigt (Bescheid vom 30. Juni 1987, Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1987).
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 30. Juni 1987 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 1987 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 10. September 1986 Alg nach einem tariflichen Arbeitsentgelt von 9,94 DM in der Stunde zu gewähren (Urteil vom 20. Mai 1988). Auf die - vom SG zugelassene -Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Februar 1990).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, die Weigerung der Beklagten, das Alg auf der Grundlage des Tariflohns zu berechnen, sei nicht zu beanstanden. Der Bemessung des Alg sei das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt habe. Zu diesem Zwecke sei das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt mit der Zahl der Arbeitsstunden zu vervielfachen, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Bemessungszeitraum ergebe (§ 112 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Das dem Lohnfaktor des Bemessungsentgelts zugrunde zu legende Arbeitsentgelt müsse hiernach erzielt worden sein. Das sei nicht schon dann der Fall, wenn das Arbeitsentgelt erarbeitet sei, ein einklagbarer Anspruch auf das Arbeitsentgelt bestehe, ein Anspruch durch den Arbeitgeber anerkannt oder dieser Anspruch anderweit festgestellt sei. Erzielt sei Entgelt erst dann,wenn es dem Arbeitnehmer zugeflossen sei, so daß er darüber verfügen könne. Erarbeitetes Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer nicht zufließe, sei nicht erzielt. Hiernach sei es unerheblich, daß der Klägerin der einschlägige Tariflohn vorenthalten worden sei. Eine hoheitliche Aufsicht über tarifliche Lohnansprüche bestehe nicht. Die Vorenthaltung des Tariflohnes begründe daher keine Durchbrechung des Zuflußprinzips. Müsse die Beklagte für die Bemessung den richtigen Lohn heranziehen, würde sie letztlich auf hoheitlichem Wege eine Lohnhöhe festsetzen, die der Arbeitnehmer nicht durchgesetzt habe. Dies verhindere nicht nur eine rasche Feststellung der Leistungen aufgrund des tatsächlichen Entgeltzuflusses, eine Neufestsetzung nach Erlaß des arbeitsgerichtlichen Urteils würde vielmehr auch gegen das Versicherungsprinzip verstoßen. Die gerichtliche Durchsetzung des richtigen Lohns nach Eintritt des Versicherungsfalles unterscheide sich, was den zeitlichen Ablauf bis zur Ermittlung des erarbeiteten Lohns betreffe, nicht von einer rückwirkend für den Bemessungszeitraum vereinbarten tariflichen Lohnerhöhung; diese werde aber zugunsten des Arbeitnehmers selbst dann nicht mehr berücksichtigt, wenn die Erhöhung noch vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis vereinbart, aber noch nicht vollzogen worden sei. Etwas anderes folge nicht aus der vom SG herangezogenen Härteklausel des § 112 Abs 7 AFG. Die dort angesprochene unbillige Härte beziehe sich nur auf eine Sachlage, die sich aus der gesetzlichen Festlegung des Bemessungszeitraums ergebe, etwa bei einem über mehrere Jahre zuvor erzielten hohen und nur zufällig im Bemessungszeitraum wesentlich niedrigeren Verdienst. Die Anwendung der Härteklausel verbiete sich schon deshalb, da sich das der Klägerin ungünstige Ergebnis in keiner Weise auf Schwankungen in der beruflichen Tätigkeit der vorhergegangenen Jahre zurückführen lasse. Etwas anderes ergebe sich auch nicht, weil die Klägerin ihren tariflichen Anspruch bereits im Bemessungszeitraum schriftlich geltend gemacht habe. Auch dieser Umstand berechtige nicht dazu, das Zuflußprinzip zu durchbrechen oder aufzulockern. Der Klägerin sei einzuräumen, daß sie ungünstiger als diejenigen Arbeitslosen dastehe, bei denen im Bemessungszeitraum die Zahlung des Arbeitsentgelts wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gänzlich ausgefallen sei und daher § 112 Abs 7 AFG Anwendung finde. Die Härteregelung des § 112 Abs 7 AFG rechtfertige indessen nicht, in jedem Falle wegen drohender Ungleichbehandlung das tarifliche Entgelt als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Unbillig erscheinende Ergebnisse ließen sich im Bereich der Bemessung des Alg häufig nicht vermeiden. Daß aus dem erstrittenen Tariflohn Beiträge zur Beklagten abzuführen gewesen seien, sei unerheblich. Im Recht der Arbeitslosenversicherung komme der Äquivalenzgedanke als zumindest vorrangiger Maßstab für die Bemessung des Alg nicht in Betracht. Die hier gerügte Äquivalenzstörung sei im übrigen so geringfügig, daß sie nicht schon die Aufgabe des Zuflußprinzips rechtfertige. Die Höhe des Alg habe das Arbeitsamt insgesamt richtig errechnet.
Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 AFG. Nach dieser Vorschrift sei das erzielte Arbeitsentgelt der Berechnung des Lohnfaktors des Bemessungsentgelts zugrunde zu legen. Richtig sei, daß nach der Rechtsprechung generell nur das Arbeitsentgelt erzielt sei, wenn es dem Arbeitnehmer zugeflossen sei, so daß er darüber verfügen könne. Das gelte jedoch nicht uneingeschränkt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe den Zuflußbegriff für Fallgestaltungen, in denen die Lohnabrechnungen einer Berichtigung bedürften, erweitert und insoweit zum Ausdruck gebracht, daß das für den abgerechneten Zeitraum geltende Gehaltsniveau zwar auch dann maßgebend bleibe, wenn es falsch abgerechnet sei, jedoch nicht in der fehlerhaft berechneten Höhe, sondern in der richtigen (BSG SozR 4100 § 112 Nr 5). In diesen Fällen sei eine zweite Berechnung des Alg nach der berichtigten Abrechnung des Arbeitgebers erforderlich, wobei der Zufluß nicht im Bemessungszeitraum erfolgen müsse. Entscheidend sei, daß es zur Nachzahlung hätte kommen können. Nichts anderes gelte, wenn der Arbeitgeber sich bei der Lohnabrechnung nicht verrechne, sondern den Lohn zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichend von für allgemeinverbindlich erklärten tariflichen Vorschriften errechne. In einem solchen Falle sei die Rechtswidrigkeit der Abrechnung nicht nur vom Arbeitgeber, sondern auch von der Arbeitsverwaltung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Alg-Anspruch klar erkennbar und ohne zeitraubende Prüfung feststellbar. Wenn der Arbeitgeber der Auffassung gewesen sei, daß er untertariflich bezahlen könne, so handele es sich nicht um eine richtige, sondern um eine falsche Abrechnung. Es könne nicht hingenommen werden, daß die Höhe des Alg willkürlich davon abhänge, was der Arbeitgeber in einer offenkundig fehlerhaften Lohnabrechnung eingetragen habe. Dies habe zur Folge, daß die Beklagte eine erneute Berechnung vornehmen müsse. Das gelte hier erst recht, weil die Klägerin den ihr zustehenden tarifvertraglichen Lohn schon während des Bemessungszeitraums schriftlich geltend gemacht habe. Mit der anschließenden Klage beim Arbeitsgericht habe sie alles getan, um den ihr zustehenden Lohn zu erhalten.
Dieses Ergebnis entspreche der Gesetzeslage. Der § 112 AFG stelle auf das Lohnniveau des Versicherten vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ab. Dieses sei unabhängig von Fehlern des Arbeitgebers in der Lohnabrechnung. Auch aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) lasse sich eine unterschiedliche Behandlung der tatsächlich ausbezahlten Tarifentgelte und denjenigen, die der Arbeitgeber rechtswidrig nicht gewähre, nicht rechtfertigen. Wenn das Alg für die Dauer der Arbeitslosigkeit in einem bestimmten Umfange die Beibehaltung des Lebensstandards sichern solle, so dürfe dieser Standard nicht dadurch gesenkt werden, daß die Arbeitsverwaltung an einer tarifwidrigen Lohnabrechnung festhalte. Zumindest sei die Beklagte nach § 112 Abs 7 AFG gehalten, das Alg nach dem für die Klägerin in Betracht kommenden Tariflohn zu bemessen. Die dort angesprochene unbillige Härte sei immer dann anzunehmen, wenn gerade im Bemessungszeitraum die Zahlung des Arbeitgebers tarifvertragswidrig gekürzt werde.
Die Klägerin beantragt,
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unter Aufhebung des Urteils des LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, daß es für die von der Klägerin erstrebte Verurteilung der Beklagten zu einer rückwirkenden Neubemessung des Alg an einer Rechtsgrundlage fehle, da eine rückwirkende Zugunstenentscheidung im Ermessen der Arbeitsverwaltung stehe. Im übrigen sei die vorgenommene Bemessung nicht rechtswidrig. Dem LSG sei auch angesichts des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des BSG vom 9. August 1990 - 11 RAr 47/89 - zuzustimmen, daß eine unbillige Härte iS des § 112 Abs 7 AFG nicht vorliege, weil sich eine solche Härte nicht aus der gesetzlichen Festlegung des Bemessungszeitraums ergebe. Im Hinblick auf das in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung erzielte Arbeitsentgelt habe die Klägerin im Bemessungszeitraum nicht ein wesentlich niedrigeres Arbeitsentgelt erzielt.
II
Die Revision, mit der die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des SG beansprucht, ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, daß diese ihr das Alg unter Rücknahme des Bescheids vom 10. September 1986 nach einem tariflichen Arbeitsentgelt von 9,94 DM in der Stunde gewährt, wie das SG entschieden hat.
Nachdem die Klägerin den gegen den Bescheid vom 10. September 1986 gegebenen Widerspruch nicht bzw nicht rechtzeitig eingelegt hat, ist die seinerzeit ausgesprochene Gewährung von Alg ab 1. September 1986 in Höhe von 164,40 DM wöchentlich gemäß § 77 SGG für die Klägerin bindend geworden, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt worden ist. Letzteres wäre der Fall, wenn der Tatbestand des § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) oder der Tatbestand des § 48 SGB X gegeben wäre. Hieran fehlt es jedoch.
Ein Tatbestand des § 44 SGB X ist nicht gegeben. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist die Rücknahme erfolgt, werden Sozialleistungen für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme bzw vor dem Antrag auf Rücknahme erbracht (§ 44 Abs 4 SGB X). Abweichend von § 44 Abs 1 SGB X ist der Verwaltungsakt in Angelegenheiten des Arbeitsförderungsrechts lediglich mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (§ 152 Abs 1 AFG). Die zu Unrecht nicht erbrachten Sozialleistungen sind dann folgerichtig nur für die Zukunft zu erbringen. Für die Vergangenheit kommt also, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, eine Rücknahme nur im Ermessenswege in Betracht (§ 152 Abs 1 2. Halbs AFG in der seit dem 1. Januar 1988 geltenden Fassung des Achten Gesetzes zur Änderung des AFG [8. AFG-ÄndG] vom 14. Dezember 1987, BGBl I 2602; für die Zeit davor § 44 Abs 2 SGB X; vgl BSGE 61, 184 = SozR 1300 § 44 Nr 26), was das SG bei seinem Urteil und möglicherweise die Klägerin bei der Formulierung ihres Klagantrags übersehen hat. Indessen hat die Klägerin weder unter Rücknahme des Bescheides vom 10. September 1986, soweit ihr dieser Bescheid nachteilig ist, für die Zukunft höheres Alg noch eine Ermessensentscheidung über die Rücknahme der Ablehnung von mehr Alg für die Zeit davor zu beanspruchen; denn bei Erlaß des Bescheides vom 10. September 1986 ist weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich jetzt als unrichtig erweist.
Die Höhe des der Klägerin ab 1. September 1986 zustehenden Alg, dessen Anspruchsgrundlagen nicht zweifelhaft sind, richtet sich nach § 111 AFG in der zuletzt durch das Siebte Gesetz zur Änderung des AFG (7. AFG-ÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) geänderten Fassung. Nach § 111 Abs 1 Nr 2 AFG beträgt das Alg für einen Arbeitslosen ohne Kinder, dessen Ehegatte auch kein Kind hat, 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Die Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1986 vom 2. Januar 1986 (BGBl I 40), in der für die verschiedenen Arbeitsentgelte nach Minderung um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge und unter Berücksichtigung der Nettolohnersatzquoten die jeweiligen Leistungssätze ausgewiesen sind, sieht in der Leistungsgruppe A, der die Klägerin gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst a AFG angehört (Lohnsteuerklasse IV), für ein (wöchentliches) Arbeitsentgelt von 375,-- DM als Alg nach § 111 Abs 1 Nr 2 AFG die bewilligten 164,40 DM wöchentlich vor. Eine höhere Leistung hätte die Klägerin daher nur zu beanspruchen, wenn ihr Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt als 375,-- DM zu zahlen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
Arbeitsentgelt in diesem Sinne ist nach § 112 Abs 2 AFG (in der hier noch maßgebenden Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes -AFKG- vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1497) grundsätzlich das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Den Bemessungszeitraum, dh die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten, insgesamt 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume (vgl § 112 Abs 3 AFG in der hier maßgebenden Fassung des 7. AFG-ÄndG), bilden nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG die Monate Mai, Juni und Juli 1986. In dieser Zeit erzielte die Klägerin ein Bruttoarbeitsentgelt von 4.866,53 DM, das der Arbeitgeber nach seiner - dem Urteil des Arbeitsgerichts zufolge mit einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nicht übereinstimmenden - Lohnordnung abgerechnet und der Klägerin nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben netto ausgezahlt hat. Da die Klägerin hierfür 519 Stunden gearbeitet hat, erzielte sie im Bemessungszeitraum durchschnittlich etwa 9,38 DM in der Stunde. Vervielfältigt mit 40, der Anzahl der tariflichen Arbeitsstunden in der Woche, und gerundet auf den nächsten durch fünf teilbaren DM-Betrag (§ 112 Abs 9 AFG), ergibt das ein Arbeitsentgelt von 375,-- DM (4.866,53 DM: 519 x 40 = 375,07 DM).
Zutreffend hat das Arbeitsamt hiernach das Alg nach einem Arbeitsentgelt von 375,-- DM gewährt. Daß der Klägerin, wie das Arbeitsgericht später entschieden hat, für die Zeit von April bis August 1986 noch weitere 801,42 DM (brutto) zustanden, die Klägerin also einen bislang nicht spezifizierten zusätzlichen Betrag im Bemessungszeitraum erarbeitet hatte, ist unerheblich. Denn der Berechnung des Alg wird nur dasjenige Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das erzielt und abgerechnet worden ist.
Mit § 112 Abs 2 und 3 AFG verfolgt das Gesetz das Ziel, das Alg an einem zeitnahen Lohnniveau auszurichten und außerdem eine rasche, einfache und endgültige Bestimmung des Bemessungsentgelts zu ermöglichen (BSG SozR 4100 § 112 Nr 5). Indem der Gesetzgeber prinzipiell das erzielte Arbeitsentgelt der letzten vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume als maßgebend bezeichnet, hat er dafür Sorge getragen, daß der letzte auf Arbeitseinkommen gegründete Lebensstandard des Arbeitnehmers als Maßstab gilt (BSG aaO). Zugunsten des Bestrebens, unmittelbar nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis eine endgültige Feststellung des Alg vornehmen zu können, hat es der Gesetzgeber für gerechtfertigt gehalten, jene Teile des Arbeitseinkommens unberücksichtigt zu lassen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgerechnet sind; er hat es für ausreichend angesehen, von dem Stand des Arbeitseinkommens auszugehen, der in die bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erteilten Lohnabrechnungen eingegangen war (BSG aaO).
Ist hiernach von dem Arbeitseinkommen auszugehen, das in die bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erteilten Lohnabrechnungen eingegangen war, kommt es auf ein höheres Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer von Rechts wegen für den Bemessungszeitraum zugestanden hat, nicht an. Deshalb wirken sich Lohnerhöhungen, die den Bemessungszeitraum erfassen, aber erst nach dem Ausscheidden des Arbeitslosen aus dem Beschäftigungsverhältnis von den Tarif- bzw Arbeitsvertragsparteien vereinbart worden sind, auf die Höhe des Alg nicht aus (vgl RVA AN 1930, 48; BSGE 12, 55 = SozR Nr 2 zu § 90 AVAVG; BSG SozR 4100 § 112 Nr 3). Selbst Lohnerhöhungen, die noch vor dem Bemessungszeitraum vereinbart worden sind, sich in der letzten vor dem Ausscheiden vorgenommenen Lohnabrechnung aber nicht mehr niedergeschlagen haben, bleiben unberücksichtigt (BSG SozR 4100 § 112 Nr 5). Gleiches gilt, wenn nach dem Ausscheiden rückwirkend eine andere Lohnordnung zugrunde gelegt wird, der Arbeitgeber zB nachträglich einräumt, anstelle der auch nach erfolgreicher Gesellenprüfung gewährten und abgerechneten Lehrlingsvergütung den Tariflohn zu schulden, und diesen zur Auszahlung bringt (Urteil des Senats vom 16. März 1983 - 7 RAr 25/82 - Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit - Rechtsprechung - AFG § 112 Nr 2847).
Die bislang offen gelassene Frage, ob etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Bezahlung noch im Laufe des Bemessungszeitraums die ihm zustehende Entlohnung vergeblich verlangt hat, wie das nach Maßgabe des Urteils des Arbeitsgerichts hier der Fall ist, ist zu verneinen. Nach § 112 Abs 2 und 3 AFG hat das Arbeitsamt im Regelfall lediglich den Bemessungszeitraum zu ermitteln, das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt, allerdings abzüglich von Mehrarbeitszuschlägen und bestimmten Zuwendungen, die Anzahl von Arbeitsstunden, in denen der Arbeitslose das Arbeitsentgelt erarbeitet hat und die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Ob das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt anhand der tatsächlich geleisteten Arbeit nach Maßgabe des Arbeitsvertrages und einschlägiger Tarifverträge richtig ermittelt worden ist, hat das Arbeitsamt hiernach nicht zu prüfen. Das ist auch bei anderen Sozialleistungen nicht Aufgabe von Sozialleistungsträgern und Sozialgerichten (BSGE 53, 58, 62 = SozR 2200 § 182 Nr 79).
Gegen die Rechtsauffassung der Revision spricht auch, daß § 112 Abs 2 Satz 1 AFG voraussetzt, daß das der Berechnung des Lohnfaktors des Bemessungsentgelts zugrunde zu legende Arbeitsentgelt erzielt worden ist. Erzielt ist das Arbeitsentgelt indes nicht schon dann, wenn es erarbeitet ist, ein einklagbarer Anspruch auf das Arbeitsentgelt besteht oder ein Anspruch auf Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber anerkannt oder dieser Anspruch anderweit festgestellt ist. Die Bestimmung des § 112 Abs 2 AFG stellt vielmehr auf den Bezug ab. Erzielt ist nach der Rechtsprechung des Senats das Entgelt, wenn es dem Arbeitnehmer zugeflossen ist, so daß er darüber verfügen kann (vgl Urteil vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 - USK 78203; SozR 4100 § 112 Nr 11; Urteil vom 7. August 1979 - 7 RAr 17/78 - USK 79159; Urteil vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 - USK 81302). Erarbeitetes Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer nicht zufließt, ist hiernach nicht erzielt (vgl SozR 4100 § 44 Nr 10; Urteil vom 14. August 1980 - 7 RAr 103/79 - USK 80169; SozR 4100 § 112 Nr 30; BSGE 64, 179, 181 = SozR 4100 § 112 Nr 43). Das trifft aber für die 801,42 DM brutto zu, zu deren Zahlung der Arbeitgeber verurteilt worden ist; denn diesen Betrag hat die Klägerin nicht beitreiben können.
Daß nur das erzielte Arbeitsentgelt der Alg-Bemessung zugrunde gelegt wird, das abgerechnet ist, entspricht der Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit den Regelungen des § 112 Abs 2 und 3 AFG ua verfolgt hat, das Alg als Lohnersatzleistung nach dem tatsächlichen Lohnniveau der Versicherten, dem wirklich bezogenen Arbeitsentgelt, auszurichten. Das ausgezahlte Arbeitsentgelt, nicht der Lohnanspruch, den der Arbeitnehmer nicht durchsetzt, bestimmt aber den Lebensstandard, dessen Beibehaltung in dem durch die Nettolohnersatzquote bestimmten Umfang das Alg sichern soll. Gleichzeitig werden hierdurch Manipulationsversuche unterbunden, bei denen der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitsamt einen höheren Arbeitsentgeltanspruch ausweist, als er tatsächlich leistet und zu leisten bereit ist.
Von jeher sind in der Arbeitslosenversicherung die tatsächlichen Lohn- und Gehaltsverhältnisse im Bemessungszeitraum maßgebend gewesen (vgl RVA AN 1928, 119 und 1930, 48; BSGE 12, 55 = SozR Nr 2 zu § 90 AVAVG), die durch das Bruttoentgelt bestimmt werden, das dem Arbeitnehmer nach Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge zur Verfügung gestellt wird. Hieran hat das AFG nichts geändert (vgl Begründung zu § 101 Abs 2 bis 4 AFG-Entwurf, BT-Drucks V/2291 S 80 f). Auch die durch das AFKG wieder aufgehobene Regelung des § 112 Abs 2 Sätze 3 und 4 durch Art II § 2 Nr 10 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469), nach der bestimmte wiederkehrende Zuwendungen mit dem auf eine Woche entfallenden Anteil auch dann berücksichtigt wurden, wenn die Zuwendung nicht im Bemessungszeitraum zu zahlen war, ging davon aus, daß an sich nach § 112 Abs 2 AFG nur solches Arbeitsentgelt erzielt ist, das dem Arbeitnehmer im bzw für den Bemessungszeitraum gezahlt worden ist (vgl Begründung zu § 112 Abs 2 Sätze 3 und 4 AFG, BT-Drucks 8/4022 S 90). Ebenso hat die anläßlich der Erweiterung des Bemessungszeitraums für Sonderfälle im Interesse der Rechtsklarheit vorgenommene redaktionelle Neufassung des § 112 AFG durch das 8. AFG-ÄndG auf das Arbeitsentgelt abgestellt, das der Arbeitslose im - zuletzt vor dem Ausscheiden abgerechneten - Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche "erzielt" hat (§ 112 Abs 1 AFG nF). Angesichts der Kritik an der Rechtsprechung des Senats zu § 112 AFG, die meint, daß nicht das zugeflossene, sondern das erarbeitete Arbeitsentgelt, also der bloße Anspruch, maßgebend sein soll (so insbesondere Gagel, AFG, Stand Januar 1990, § 112 Rz 108 ff), und angesichts des Umstands, daß die Rechtsprechung zu der Frage, wann iS des § 115 AFG Arbeitseinkommen erzielt wird (vgl BSG SozR 4100 § 115 Nr 1), den Gesetzgeber veranlaßt hat, im 7. AFG-ÄndG den § 115 AFG unter Vermeidung des Wortes erzielen neu zu fassen, um bei der Anrechnung von während der Arbeitslosigkeit erarbeiteten Arbeitsentgelt auf das Alg sozialpolitisch unerwünschte Ergebnisse zu verhindern (vgl Begründung zur Neufassung des § 115 AFG, BT-Drucks 10/3923 S 23), kann dies nur dahin verstanden werden, daß auch künftig der Bemessung des Alg nur abgerechnetes und erzieltes, nicht auch schon erarbeitetes Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist.
Daß das Bemessungsentgelt wegen der Anbindung an die Lohnbedingungen in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum und dessen Bestimmung nach den zuletzt abgerechneten Lohnabrechnungszeiträumen von Zufälligkeiten abhängen kann, berücksichtigt das Gesetz. Es hat nämlich durch § 112 Abs 7 AFG für den Fall Vorsorge getroffen, daß der Arbeitnehmer gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es seiner eigentlichen, während eines längeren Zeitraums ausgeübten beruflichen Tätigkeit entsprochen hätte.
Auch in anderen Zusammenhängen, in denen es bei der Bemessung von Sozialleistungen auf die Höhe des Arbeitsentgelts ankommt, hat das BSG übrigens nur auf das abgerechnete und im Bemessungszeitraum tatsächlich gezahlte Arbeitseinkommen abgestellt und nicht auf bloß errechnete Ansprüche (vgl BSGE 52, 102 = SozR 2200 § 182 Nr 75; SozR 2200 § 1241 Nrn 3, 4, 15, 18, 30). Dabei ist ua betont worden, eine Bemessung der lohnersetzenden Sozialleistung an errechneten Arbeitsentgeltansprüchen an Stelle des effektiv erzielten Arbeitslohns werde der Unmittelbarkeit des Lohnersatzes nicht mehr Rechnung tragen; eine solche Systemänderung sei dem Gesetzgeber vorbehalten (BSGE 52, 102, 105 = SozR 2200 § 182 Nr 75).
Die Auffassung, bei der Bemessung von Alg sei jedweder Fehler in der Lohnabrechnung des Arbeitgebers zu berichtigen (vgl Pitschas SGb 1990, 208, 209), kann sich hiernach nicht auf das Gesetz und dessen Maßstäbe stützen, nach denen Alg bemessen wird. Sie berücksichtigt zudem im Tatsächlichen nicht, daß dem Arbeitsamt im Regelfall die Lohnabrechnung nicht vorgelegt wird. Ließe man in Fällen vorliegender Art eine Ausnahme zu, wäre dem Arbeitsamt weder die einfache, allein nach Maßstäben des AFG zu erfolgende Bestimmung des Bemessungsentgelts möglich, noch könnte diese rasch erfolgen, weil das Arbeitsamt den richtigen Lohn ermitteln müßte. Die Auffassung der Revision, daß dann, wenn der Arbeitgeber den Lohn zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichend von für allgemein verbindlich erklärten tariflichen Vorschriften errechne, dies auch von der Arbeitsverwaltung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Alg-Anspruch klar erkennbar und ohne zeitraubende Prüfung feststellbar sei, trifft ebenfalls so nicht zu. Das zeigt gerade der vorliegende Fall, in dem die Klägerin nicht einmal im Zeitpunkt der Entscheidung über den Alg-Anspruch im September 1986 beim Arbeitsamt geltend gemacht hat, daß die vom Arbeitgeber bescheinigte Lohnsumme tarifliche Ansprüche unberücksichtigt lasse. Möglicherweise war selbst die davon betroffene Klägerin seinerzeit nicht davon überzeugt, daß die Abrechnungen tarifwidrig waren. Bei Zulassung einer Ausnahme muß ferner befürchtet werden, daß die anläßlich der ersten Alg-Bewilligung vorgenommene Bestimmung des Bemessungsentgelts nicht endgültig wäre; jedenfalls wenn der Arbeitnehmer wegen seines Arbeitsentgeltanspruchs das Arbeitsgericht angerufen hat und dieses zu einem anderen Ergebnis als das Arbeitsamt gekommen ist, muß mit Versuchen gerechnet werden, nachträglich die Höhe des Alg neu zu bestimmen. Gegen eine Ausnahme spricht schließlich, daß auch der Arbeitnehmer, in dessen letzten Abrechnungen eine beschlossene Lohnerhöhung nicht mehr eingegangen ist, in Kauf nehmen muß, daß das Alg nach einem Arbeitsentgelt bemessen wird, das seinem wahren Anspruch auf Arbeitsentgelt im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem letzten Beschäftigungsverhältnis nicht entsprach (BSG SozR 4100 § 112 Nr 5). Etwas anderes ergibt sich nicht in Fällen, in denen der tarifgebundene Arbeitgeber gegenüber dem tarifgebundenen Arbeitnehmer eine tarifliche Vorschrift nicht beachtet hat oder wenn eine tarifliche Vorschrift unbeachtet geblieben ist, die für allgemeinverbindlich erklärt worden ist.
Zu Unrecht meint die Klägerin, im vorliegenden Fall müßten die Ausführungen gelten, die der Senat in SozR 4100 § 112 Nr 5 hinsichtlich der Berücksichtigung einer falschen Lohnabrechnung gemacht hat. Dort ist ausgeführt worden, daß das für den abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum geltende Gehaltsniveau maßgebend sei, auch wenn es fehlerhaft berechnet worden sei, dann allerdings in der richtig berechneten Höhe. Es kann dahingestellt bleiben, ob hieran uneingeschränkt festzuhalten ist. Gemeint waren seinerzeit lediglich einfache Fehler der Abrechnung, die der Arbeitgeber alsbald berichtigt, nicht Korrekturen, zu deren Vornahme der Arbeitgeber erst durch einen Rechtsstreit über die Anwendbarkeit tariflicher Vorschriften veranlaßt werden muß.
Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des LSG, daß § 112 Abs 7 AFG im vorliegenden Falle keine Anwendung findet. Nach dieser Vorschrift ist von dem am Wohnsitz des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts in Betracht kommt, wenn es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem nach § 112 Abs 2 bis 6 AFG ermittelten Arbeitsentgelt auszugehen. Eine solche Härte liegt dann vor, wenn das nach § 112 Abs 2 bis 6 AFG ermittelte Bemessungsentgelt in einem Mißverhältnis zu dem Entgelt steht, das der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung in der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit erzielt hat. Einen solchen Sachverhalt hat das LSG nicht festgestellt. Eine entsprechende Anwendung, wie sie das SG bejaht hat, kommt nicht in Betracht. Sie widerspräche dem Grundgedanken der Härteklausel. Diese besteht nämlich darin, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitnehmer gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es seiner eigentlichen, während des längeren Zeitraums ausgeübten beruflichen Tätigkeit entsprochen hätte (BSG SozR Nr 5 zu § 90 AVAVG; BSGE 53, 186, 191 = SozR 4100 § 112 Nr 20). Daß die - geringe - Höhe des Bemessungsentgelts vorliegend auf Besonderheiten im Bemessungszeitraum zurückzuführen ist, hat das LSG nicht festgestellt; in Sonderheit ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht, daß der Arbeitgeber seine Zahlungen nur im Bemessungszeitraum tarifvertragswidrig gekürzt hat, während die Klägerin in der überwiegenden Zeit höhere Arbeitsentgelte erzielte, weil der Arbeitgeber die Tarifvorschriften beachtete.
Erweist sich hiernach, daß das Arbeitsamt durch den Bescheid vom 10. September 1986 das Alg in der richtigen Höhe bewilligt hat, liegen die Voraussetzungen des § 44 SGB X nicht vor. Auch auf die Vorschrift des §§ 48 SGB X kann die Klägerin einen Anspruch, ihr abweichend von dem bindend gewordenen Bescheid höheres Alg zu bewilligen, nicht stützen. In den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei der Bewilligung des Alg vorgelegen haben, sind wesentliche Änderungen durch die Verurteilung des Arbeitgebers, der Klägerin ua für den Bemessungszeitraum Arbeitsentgelt nachzuzahlen, nicht eingetreten. Wie ausgeführt, ist nur das erzielte Arbeitsentgelt maßgebend, das vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechnet worden ist; spätere Änderungen sind unerheblich. Das gilt erst recht, wenn es, wie hier, nicht einmal zu ergänzenden Zahlungen des Arbeitgebers (und damit auch nicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die ergänzenden Zahlungen) gekommen ist.
Hiernach muß die Revision ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen