Beteiligte
Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 2. November 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist der Beginn der dem Kläger zustehenden Verletztenrente streitig.
Der im Jahre 1944 geborene Kläger war bis zum 31. Dezember 1991 als Müller beschäftigt. Im März 1995 erstattete der ihn behandelnde Lungenarzt eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit (BK). Desgleichen machte der Kläger selbst im Mai 1995 bei der Beklagten Ansprüche wegen einer BK nach Nr 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) geltend. Diese lehnte den Antrag des Klägers zunächst durch Bescheid vom 19. Dezember 1995 und Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 1996 ab. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 69 U 442/96) kam es, nachdem weitere medizinische Unterlagen eingereicht worden waren, zum Abschluß eines Vergleichs, durch den sich die Beklagte verpflichtete, umgehend in ein Feststellungsverfahren einzutreten und nach dessen Abschluß rechtsbehelfsfähig zu entscheiden. Nach Einholung zweier fachärztlicher Gutachten erkannte die Beklagte sodann mit Bescheid vom 5. August 1997 das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung als BK nach Nr 4301 der Anlage zur BKVO an und bewilligte dem Kläger ab 1. März 1995 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH. Zur Begründung des Rentenbeginns war in dem Bescheid unter Bezugnahme auf § 1546 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeführt, der Versicherungsfall sei zwar am 1. Januar 1992, dem Tag nach der Aufgabe der Berufstätigkeit, eingetreten, die Anmeldung sei jedoch erst im März 1995, also nicht innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls, bei ihr eingegangen. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser unter Berufung auf die Übergangsregelung in § 214 Abs 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Rentenzahlung ab 1. Januar 1992 forderte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 1998 zurück. Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften habe in einem Rundschreiben vom 4. März 1998 empfohlen, bei Altfällen, bei denen – wie hier – der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1995 eingetreten sei, die zweijährige Anmeldefrist des früheren § 1546 RVO weiter anzuwenden.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2. November 1998). Beim Kläger sei die in § 1546 RVO normierte Ausschlußfrist abgelaufen, so daß sein Anspruch auf einen früheren Rentenbeginn unabhängig davon, wann der Unfallversicherungsträger die Leistungsfeststellung vornehme, untergegangen sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2. November 1999). Nach § 212 SGB VII sei hier noch das alte Recht und mithin § 1546 RVO anzuwenden, weil sich aus den §§ 213 ff SGB VII nichts anderes ergebe. Insbesondere komme § 214 Abs 4 SGB VII nicht zur Anwendung; denn der den § 1546 RVO ausschließende § 72 SGB VII sei keine Vorschrift über das Verwaltungsverfahren. Desgleichen werde die Anwendung des § 1546 RVO nicht durch § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. In Übereinstimmung mit der einhelligen Meinung im Schrifttum sei die darin verwendete Formulierung „erstmals festzusetzen sind” nicht auslegungsbedürftig. Eine Leistung sei erstmals festzusetzen, wenn die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt seien und die Beklagte zur Gewährung der Leistung – gesetzlich – verpflichtet sei. Sofern die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztenrente vor dem 1. Januar 1997 erfüllt seien, habe der Versicherte vor diesem Tage einen mit der Verpflichtung der Beklagten zur Leistungsfestsetzung korrespondierenden Leistungsanspruch erworben. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Feststellung komme es nicht an. Soweit man aus der amtlichen Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/2204 S 121 zu § 219 des Entwurfs), auf die sich der Kläger für seine gegenteilige Auffassung berufe, überhaupt, was sehr zweifelhaft erscheine, von der darin verwendeten Formulierung auf einen bestimmten Willen des Gesetzgebers schließen könne, habe dieser jedenfalls in der Gesetzesfassung des § 214 Abs 3 SGB VII keinen Ausdruck gefunden und sei daher für die Auslegung nicht ausschlaggebend. Für die Anwendbarkeit des alten Rechts auf die vor dem 1. Januar 1997 entstandenen Leistungsansprüche iS des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII spreche auch, daß kein sachlicher Grund dafür ersichtlich sei, die Anwendung des alten oder des neuen Rechts von den Zufälligkeiten der Verfahrensdauer abhängig zu machen und einen Versicherten für einen zurückliegenden streitigen Zeitraum besser zu behandeln als jemanden, dessen Anspruch auf Verletztenrente noch vor dem Außerkrafttreten des § 1546 RVO bescheidmäßig festgestellt worden sei.
Beim Kläger seien die Voraussetzungen für die Verletztenrente gemäß den §§ 580, 581 RVO vor dem Inkrafttreten des SGB VII erfüllt gewesen, nämlich bereits am 1. Januar 1992. Der Antrag sei im März 1995 und damit nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 1546 Abs 1 RVO erstmals gestellt worden. Die Ausnahmeregelung des § 1546 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 RVO finde zugunsten des Klägers keine Anwendung; denn für das Vorliegen einer schuldlosen Versäumung der Frist gebe es weder aufgrund des Vortrages des Klägers noch aus dem Inhalt der Akten Anhaltspunkte.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 212, 214 Abs 3 und 4 SGB VII. Das LSG habe § 1546 RVO zu Unrecht in seinem Falle angewendet. § 214 Abs 4 SGB VII bestimme, daß ua Vorschriften über das Verfahren auch für Altfälle gälten. Schon aus der Überschrift des Sechsten Buches der RVO „Verfahren” ergebe sich, daß § 1546 Abs 1 Satz 1 RVO eine Bestimmung darstelle, die das Verfahren regele. Zwar sei § 72 SGB VII keine Verfahrensregelung. Der Gesetzgeber habe mit der Schaffung des § 214 Abs 4 SGB VII jedoch zum Ausdruck gebracht, daß alte Verfahrensregelungen für Feststellungen ab dem 1. Januar 1997 nicht mehr gelten sollten. Das LSG habe verkannt, daß das Verfahrensrecht hier gerade durch die Abschaffung des Antragserfordernisses in § 1546 Abs 1 Satz 1 RVO geändert worden sei. Da die RVO am 31. Dezember 1996 außer Kraft getreten und eine dem § 1546 Abs 1 RVO entsprechende Vorschrift im SGB VII nicht geschaffen worden sei, lasse sich für eine Leistungsverweigerung keine Rechtsgrundlage finden.
Für die Frage des Rentenbeginns sei ausschließlich auf § 72 Abs 1 Nr 2 SGB VII abzustellen, der über § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII anwendbar sei. Die in letzterer Vorschrift enthaltenen Worte „erstmals festzusetzen sind” seien so zu verstehen, daß damit der Zeitpunkt der Erteilung des Verwaltungsaktes über die erstmalige Festsetzung der Rente gemeint sei. Das ergebe sich aus dem Wortsinn der Vorschrift und aus den Gesetzesmaterialien. Wenn es dort heiße „erst nach dem Inkrafttreten festgesetzt werden”, sei damit dasselbe gemeint wie mit der Gesetzesformulierung „erstmals festzusetzen sind”. Für die von ihm, dem Kläger, vertretene Auslegung des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII spreche auch die vom Gesetzgeber bezweckte Verwaltungsvereinfachung bei Bescheiderteilungen ab dem 1. Januar 1997. Daß es dabei hinsichtlich des anzuwendenden Rechts unter Umständen zu Zufälligkeiten komme, sei angesichts des Regelungszwecks der Vorschrift hinzunehmen. Manipulationen der an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung seien nicht zu befürchten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 2. November 1999 und den Gerichtsbescheid des SG vom 2. November 1998 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 1998 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm die von ihr wegen der Folgen einer anerkannten Berufskrankheit nach Nr 4301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung festgesetzte Verletztenrente bereits vom 1. Januar 1992 an zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, hat er keinen Anspruch auf Zahlung der Verletztenrente für die Zeit vor dem 1. März 1995.
Streitgegenstand ist lediglich der Beginn der Verletztenrente. Nur insoweit ist der Bescheid der Beklagten vom 5. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 1998 angefochten worden. Soweit dieser Feststellungen über die Höhe der MdE, den Rentenanspruch selbst und den Tag enthält, an dem der Versicherungsfall eingetreten ist, ist er gemäß § 77 SGG in der Sache bindend geworden.
Der Rentenbeginn richtet sich beim Kläger noch nach § 1546 Abs 1 Satz 1 RVO. Diese Vorschrift, die in der hier maßgebenden, seit dem 1. Juli 1963 geltenden Fassung (vgl Art 2 Nr 15, Art 4 § 16 Abs 1 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 ≪BGBl I 241≫) galt, ist mit Wirkung vom 1. Januar 1997 ersatzlos aufgehoben worden (vgl Art 35 Nr 1 und Art 36 Satz 1 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫ vom 7. August 1996 ≪BGBl I 1254≫). Die Vorschrift bestimmte, daß dann, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wurde, der Anspruch spätestens zwei Jahre nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden war; wurde der Anspruch später angemeldet, so begannen die Leistungen mit dem Ersten des Antragsmonats, es sei denn, daß die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet war, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen.
§ 1546 Abs 1 Satz 1 RVO ist auf den Rentenanspruch des Klägers gemäß § 212 SGB VII noch anzuwenden, weil der Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII (1. Januar 1997) eingetreten war und die Vorschriften des SGB VII, die dem § 212 SGB VII folgen, insbesondere § 214 SGB VII, nichts anderes bestimmen.
Nach § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen sind. Eine hierunter fallende Vorschrift über Renten ist § 72 Abs 1 SGB VII, wonach Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt werden, der auf den Tag folgt, an dem der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist. Wäre diese Vorschrift auf die Verletztenrente des Klägers anwendbar, würde seine Rente am 2. Januar 1992 beginnen. Das ist jedoch nicht der Fall, weil hier seine Rente iS des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII vor dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals festgesetzt worden ist.
Nach der in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung, der sich auch das LSG angeschlossen hat, sind iS des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII Leistungen „erstmals festzusetzen”, wenn die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, auch wenn die tatsächliche Festsetzung erst später erfolgt (Brackmann/Krasney, SGB VII, § 214 RdNr 7; Hauck/Graeff, SGB VII, § 214 RdNr 7; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl, § 214 SGB VII RdNr 13.2; Wannagat/Hans, SGB VII, § 214 RdNr 15; Schmitt, SGB VII, § 214 RdNr 11; Jahn/Groß, SGB VII, § 214 RdNrn 9, 10). Darüber hinaus wird „erstmals festzusetzen sind” in dem Sinne verstanden, daß es auf den Zeitpunkt ankommt, in dem der jeweilige Leistungsanspruch entstanden und fällig geworden ist (KassKomm-Ricke, § 214 SGB VII RdNr 10; Kater/Leube, SGB VII, § 214 RdNr 9). Diese im wesentlichen übereinstimmenden Auffassungen werden damit begründet, die Anwendung des neuen Rechts dürfe nicht von den Zufälligkeiten der Verfahrensdauer abhängen (Brackmann/Krasney, aaO, RdNr 7; Hauck/Graeff, aaO, RdNr 7; Mehrtens, aaO, RdNr 13.2; Wannagat/Hans, aaO, RdNr 15; Schmitt, aaO, RdNr 11; Kater/Leube, aaO, RdNr 9; Jahn/Groß, aaO, RdNr 9, 10), was Manipulationen ermögliche (KassKomm-Ricke, aaO, RdNr 10). Nach dieser Auffassung wäre § 1546 Abs 1 Satz 1 RVO hier schon deshalb anzuwenden und die Anwendung des § 72 SGB VII ausgeschlossen, weil der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente nach dem insoweit bindenden Bescheid der Beklagten vom 5. August 1997 am 1. Januar 1992, also vor Inkrafttreten des SGB VII, entstanden ist.
Nach der von der Revision vorgetragenen Auslegung des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII sind die in der Vorschrift enthaltenen Worte „erstmals festzusetzen sind” so zu verstehen, daß damit der Zeitpunkt der Erteilung des Verwaltungsaktes über die erstmalige Festsetzung der Leistung gemeint ist. Dies wird vor allem mit den Gesetzesmaterialien der Vorschrift begründet. So heißt es in der Begründung zu Art 1 § 219 Abs 3 des Entwurfs eines UVEG (dem jetzigen § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII): „Die Vorschrift bestimmt, daß die Neuregelung über Renten (einschließlich der Renten als vorläufige Entschädigung), Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen für alte Versicherungsfälle dann gelten, wenn diese Leistungen erst nach dem Inkrafttreten dieser Vorschriften festgesetzt werden. Andernfalls müßten abgeschlossene Sachverhalte erneut überprüft werden” (BT-Drucks 13/2204 S 121). Weiterhin spricht das in § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII enthaltene Nebeneinander von Pflichtleistungen (Renten nach den §§ 56 bis 70 SGB VII, Beihilfen nach § 71 Abs 1 bis 3 SGB VII sowie Abfindungen bei Wiederheirat nach § 80 SGB VII) und Ermessensleistungen (Beihilfen nach § 71 Abs 4 SGB VII, Abfindungen nach den §§ 75, 76 und 78 SGB VII sowie in der Regel Mehrleistungen nach § 94 SGB VII) für die Auffassung der Revision, weil bei den Pflichtleistungen der Anspruch mit Erfüllung ihrer normativen Voraussetzungen (§ 40 Abs 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫), bei Ermessensleistungen – sofern nichts besonderes bestimmt ist – mit der Bekanntgabe der Entscheidung über sie entsteht (§ 40 Abs 2 SGB I) und nicht erkennbar ist, inwiefern die beiden Anspruchsarten bei der Frage, welches Recht anzuwenden ist, grundlegend unterschiedlich zu behandeln sind.
Der Senat brauchte jedoch nicht zu entscheiden, welche der genannten Auslegungen des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII er für zutreffend hält. Denn selbst wenn man zugrunde legt, daß mit „erstmals festzusetzen sind” die erste Verwaltungsentscheidung über den geltend gemachten Anspruch gemeint ist, ist § 72 SGB VII hier noch nicht anzuwenden, § 1546 RVO mithin noch maßgebend. Dann nämlich kann der Begriff der erstmaligen Festsetzung nur so ausgelegt werden, daß es auf die erste tatsächliche Verwaltungsentscheidung über die Leistung durch Bescheid ankommt, unabhängig davon, ob darin die Leistung antragsgemäß zugesprochen oder ganz oder teilweise abgelehnt wird, und unabhängig davon, ob und wann dieser Bescheid bindend (§ 77 SGG) oder ganz oder teilweise zurückgenommen oder aufgehoben wird.
Faßte man unter die in § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII verwendete Formulierung „wenn … Leistungen … erstmals festzusetzen sind” nur die Fälle, in denen eine Leistung bewilligt wird, wären die Fälle, in denen der Unfallversicherungsträger die Bewilligung von Leistungen ablehnt, nicht erfaßt. Daß der Gesetzgeber für solche Negativentscheidungen und die mit ihnen verbundenen Verwaltungsverfahren keine Übergangsregelung hat treffen wollen, ist weder der genannten amtlichen Begründung der Vorschrift noch dem Vorbringen der Revision zu entnehmen. Ein derartiges Ergebnis wäre auch mit dem wesentlichen Zweck einer Übergangsvorschrift – wie der des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII und der übrigen Übergangsvorschriften des SGB VII (§§ 212 bis 220) – nicht zu vereinbaren, der darin liegt, daß in allen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, in denen über die in diesen Vorschriften genannten Leistungen oder Leistungsvoraussetzungen zu entscheiden ist, unabhängig von ihrem Ausgang Rechtssicherheit über das anzuwendende Recht besteht. So muß vom ersten Tage des Inkrafttretens neuer Vorschriften namentlich bei „Altfällen” Klarheit darüber bestehen, ob noch das alte oder bereits das neue Recht anzuwenden ist. Hiermit wäre nicht vereinbar, wenn für die Fallgruppe der vor Inkrafttreten des SGB VII erlassenen, in diesem Zeitpunkt aber noch nicht bindend gewordenen ablehnenden Bescheide, in denen streng wörtlich genommen keine Leistung festgesetzt wird, überhaupt nicht gesetzlich bestimmt wäre, ob auf sie das alte oder das neue Recht Anwendung findet. Ebensowenig mit dem Zweck der Übergangsvorschrift des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII vereinbar wäre aber auch, wenn sich erst lange Zeit nach Inkrafttreten des SGB VII herausstellte, welches Recht unmittelbar nach dem Inkrafttreten hätte angewendet werden müssen. Solches wäre der Fall, wenn bei der Auslegung der Vorschrift auf die Bindungswirkung des Bescheides oder die Rechtskraft der Entscheidung über die Leistung abgestellt würde. Das folgt daraus, daß bei Eintritt der Bindungswirkung der – vor Inkrafttreten des SGB VII ergangenen – ersten Verwaltungsentscheidung der Zeitpunkt, in dem diese Entscheidung getroffen worden ist, nach § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII auch dann maßgebend wäre, wenn die Bindungswirkung Jahre später, etwa durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts, eintritt. Wird dagegen die erste Verwaltungsentscheidung im Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren mit bindender Wirkung aufgehoben, wäre für § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII der nach der Aufhebung liegende Zeitpunkt maßgeblich, in dem die zu treffende neue Verwaltungsentscheidung erlassen wird. Dies würde letztlich darauf hinauslaufen, daß bei allen vor dem Inkrafttreten des SGB VII erlassenen erstmaligen Ablehnungsbescheiden, die in diesem Zeitpunkt noch nicht bindend sind, Gewißheit über das ab 1. Januar 1997 anzuwendende Recht erst mit Eintritt der Bindungswirkung dieser Bescheide oder mit deren bindend gewordener Rücknahme oder Aufhebung einträte. Demgegenüber ist bei einer Auslegung des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII, die unabhängig von Bindungswirkung oder Rechtskraft auf die erste (positive oder negative) Verwaltungsentscheidung abstellt, vom ersten Tage des Inkrafttretens des SGB VII sichergestellt, welches Recht anzuwenden ist. Diese Auslegung steht auch in Einklang mit den genannten Gesetzesmaterialien zu § 214 Abs 3 SGB VII. Sie stellt insbesondere sicher, daß – nach altem Recht – abgeschlossene Sachverhalte nicht erneut überprüft werden müssen.
Den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, daß der Kläger bereits im Mai 1995 bei der Beklagten Ansprüche wegen der BK nach Nr 4301 der Anlage 1 zur BKVO geltend gemacht hat. Über diesen Antrag, der die Forderung von Verletztenrente seit dem 1. Januar 1992 einschloß, wurde durch Bescheid vom 19. Dezember 1995 erstmals entschieden. Die Rente war daher iS des § 214 Abs 3 Satz 1 SGB VII nicht nach Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen.
Den Rentenbeginn ab Januar 1992 kann der Kläger auch nicht über § 214 Abs 4 SGB VII erreichen. Die hier maßgebliche Neufassung dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom 7. Mai 1997 durch Art 3 Nr 19 Buchst b des 3. Wahlrechtsverbesserungsgesetzes (3. WRVG) vom 29. April 1997 (BGBl I 968) in das SGB VII eingefügt worden ist, lautet: „Soweit sich die Vorschriften über das Verfahren, den Datenschutz sowie die Beziehungen der Versicherungsträger zueinander und zu Dritten auf bestimmte Versicherungsfälle beziehen, gelten sie auch hinsichtlich der Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind.” Durch diese Neufassung sollte klargestellt werden, daß die neuen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren und den Datenschutz auch auf Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des SGB VII anzuwenden sind (vgl amtliche Begründung zu Art 3 Nr 18 Buchst b des Entwurfs eines 3. WRVG, BT-Drucks 13/7144 S 11).
Selbst wenn – wie die Revision meint – § 1546 RVO insgesamt dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist, würde dies nicht zu dem vom Kläger begehrten Rentenbeginn führen. Denn § 214 Abs 4 SGB VII bezieht sich nach Wortlaut und Gesetzesmaterialien nur auf die Vorschriften des SGB VII, nicht etwa auf die außerhalb des SGB VII ergangenen Vorschriften des UVEG wie etwa Art 35 Nr 1 und Art 36 UVEG, durch die § 1546 RVO mit Wirkung vom 1. Januar 1997 ersatzlos aufgehoben worden sind. Die nach neuem Recht maßgebliche Vorschrift über den Beginn von Versichertenrenten ist allein § 72 SGB VII. Sie enthält keine Regelungen über das Verfahren, sondern über das materielle Recht der Verletztenrente der Versicherten. Die Anwendung dieses Rechts richtet sich jedoch allein nach § 212 und § 214 Abs 3 SGB VII.
Die in § 1546 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 RVO vorgesehene Ausnahmeregelung vom Erfordernis der Fristeinhaltung greift hier – wie das LSG zutreffend entschieden hat – nicht zugunsten des Klägers ein. Danach beginnen die Leistungen bei einer später als zwei Jahre nach dem Unfall erfolgten Anmeldung des Anspruchs mit dem Ersten des Antragsmonats, es sei denn, daß die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen. Diese Regelung ist praktisch identisch mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch bzw § 67 Abs 1 SGG, so daß die dortigen Grundsätze hier entsprechend gelten (BSG Urteil vom 26. Oktober 1998 – B 2 U 26/97 R – HVBG-Info 1998, 3381 – mwN). Die Versäumung einer Frist ohne Verschulden iS des § 67 Abs 1 SGG wird angenommen, wenn der Säumige diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozeßführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 67 RdNr 3 mwN). Wie bereits das LSG im angefochtenen Urteil ausgeführt hat, gibt es für das Vorliegen dieser Voraussetzungen weder aufgrund des Vortrages des Klägers noch aus dem Inhalt der Akten Anhaltspunkte.
Ein Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente steht dem Kläger nach § 1546 Abs 1 Satz 1 RVO daher erst ab dem Ersten des Antragsmonats zu, hier also ab 1. März 1995.
Die Revision war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen