Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen von 5. Juni 1958 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der bei dem Aluminiumwerk Göttingen-Weende beschäftigte Metalldrücker Günter Z. (Z.) hatte in der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester 1954 Urlaub genommen. Am 30. Dezember 1954 fuhr er mit seinen Motorrad von seinem Wohnort Germershausen Kreis Duderstadt nach Weende, um auf der Arbeitsstätte seinen Lohn abzuholen und sich zugleich nach der Schichteinteilung für die nächste Joche zu erkundigen. Diese Auskunft konnte er nicht sofort beim Lohnempfang erhalten, da der Betriebsleiter zunächst nicht zu erreichen war. Um die Zeit bis zu dessen Eintreffen auszunutzen fuhr Z. etwa um 14.00 Uhr nach Göttingen hinein, wo er bei der etwa 600 m von Aluminiumwerk entfernten Tankstelle M. deren ständiger Kunde er war, tanken wollte. Als Z. gerade an der etwa 300 m näher zur Arbeitsstätte gelegenen Tankstelle N. vorbeifuhr, wurde er von einem Lastzug angefahren und erlitt einen Unterschenkelbruch. Die Beklagte lehnte durch Bescheid von 24. November 1955 den Entschädigungsanspruch des Z. ab. Gegen diesen Bescheid erhoben Z. und die für ihn zuständige Allgemeine Ortskrankenkasse Klage, letztere mit dem Antrag auf Feststellung, daß Z. am 30. Dezember 1954 einen Arbeitsunfall erlitten habe. Das Sozialgericht hat beide Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 113 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verbunden und sie durch. Urteil vom 24. April 1957 abgewiesen; Unfallversicherungsschutz habe zwar bestanden für die Fahrt des Z. vom Wohnort zur Arbeitsstätte und während seines betriebsbedingten Aufenthalts im Aluminiumwerk, nicht aber für seine Fahrt von dort zur Tankstelle M. Auch sei das für die Wege von und nach der Arbeitsstätte benutzte Motorrad nicht als Arbeitsgerät in Sinne des § 543 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzusehen.
Z. hat seine hiergegen eingelegte Berufung zurückgenommen. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 801,05 DM geltend gemacht und beantragt, die Beklagte zur Zahlung dieses Betrags zu verurteilen; die Beklagte hat Widerklage erhoben und einen Ersatzanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 1.293,41 DM geltend gemacht. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 5. Juni 1958 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und sie verurteilt, der Beklagten den Betrag von 1.293,41 DM zu zahlen; Der Weg zur Tankstelle habe auch nicht deshalb unter Versicherungsschutz gestanden, weil Z. seinen Heimweg möglicherweise ohne Brennstoffergänzung nicht hätte beenden können. Wege, die der Bereithaltung des Beförderungsmittels dienten, hingen nicht mit der Betriebstätigkeit zusammen, sondern seien nur als vorbereitende, dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnende Verrichtungen anzusehen, welche – einerlei ob sie vor Beginn, während einer Unterbrechung oder nach Abschluß der versicherten Tätigkeit ausgeführt würden – grundsätzlich nicht versichert seien. Selbst wenn aber die Fahrt zum Auftanken des Motorrads der versicherten Tätigkeit zugerechnet werde, so habe Z. jedenfalls im Unfallzeitpunkt nicht mehr unter Versicherungsschutz gestanden, denn dieser Schutz habe sich dann nur auf den Weg bis zur nächstgelegenen Tankstelle N. erstreckt, nicht dagegen auf die weitere Fahrt bis zur Tankstelle M. die Z. aus rein privaten. Gründen habe aufsuchen wollen. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 1. August 1958 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. August 1958 „vorsorglich” Revision eingelegt. Einen bestimmten Antrag (§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGG) enthält erst die am 26. September 1958 eingegangene Revisionsbegründung vom 25. September 1958. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, wenn für die Wege im Sinne des § 543 Abs. 1 RVO ein Kraftfahrzeug benutzt werde, sei jede zur Erhaltung der Fahrbereitschaft erforderliche Maßnahme als versicherte Tätigkeit anzusehen. Die Hilfsbegründung des angefochtenen Urteils, Z. habe jedenfalls im Augenblick des Vorbeifahrens an der nächstgelegenen Tankstelle den Versicherungsschutz eingebüßt, schränke die persönliche Freiheit des Beschäftigten ein; der mit dem gestiegenen Kraftfahrzeugverkehr verbundene Kundendienst liege nicht nur im Interesse der die Tankstelle aufsuchenden Arbeitnehmer, sondern komme auch ihren Arbeitgebern zugute.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Wegeunfall des Z. als Arbeitsunfall anzuerkennen und die Beklagte zur Erstattung der Aufwendungen zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise, sie zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, daß die Revisionsschrift keinen bestimmten Antrag enthält. Im übrigen pflichtet sie dem angefochtenen Urteil bei.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist statthaft durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht ist sie auch form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig, obgleich der nach § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG erforderliche bestimmte Antrag erst nach Ablauf eines Monats seit der Zustellung des angefochtenen Urteils gestellt worden ist. Hierbei bedarf es keiner näheren Darlegung, daß in der noch innerhalb der Monatsfrist eingegangenen Erklärung der Klägerin, sie lege gegen das Urteil des LSG vorsorglich Revision ein, keinesfalls ein bestimmter Antrag zu erblicken ist (vgl. BSG 1, 47, 50; SozR SGG § 164 Bl. Da 3 Nr. 14); die Klägerin hat auch nicht – wie sie meint – in ihrer Revisionsschrift zum Ausdruck gebracht, daß sie das Berufungsurteil „in vollem Umfang” anfechten wolle, was den Formerfordernis noch genügen würde (vgl. BSG 1, 98). Trotzdem ist der in der Revisionsbegründungsschrift enthaltene bestimmte Antrag rechtzeitig gestellt, da die im angefochtenen Urteil erteilte Rechtsmittelbelehrung unzureichend und deshalb die Jahresfrist gemäß § 66 Abs. 2 SGG maßgebend gewesen ist (vgl. SozR SGG § 164 Bl. Da 6 Nr. 19). Die Rechtsmittelbelehrung enthält einen Hinweis auf den Vertretungszwang gemäß § 166 Abs. 1 SGG. Das war überflüssig, da es sich bei beiden Beteiligten um Versicherungsträger handelt. Wenn aber dieser Hinweis trotzdem in die Belehrung aufgenommen wurde, so bedurfte es jedenfalls des weiteren Hinweises auf die für Behörden sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Hechts geltende Ausnahme von Vertretungszwang; da die Rechtsmittelbelehrung dies nicht enthält, ist sie unrichtig; zwar dürfte dieser Fehler kaum irgendwelchen Einfluß darauf gehabt haben, daß die Klägerin die fristgerechte Antragstellung versäumte, jedoch hängt die Anwendung des § 66 Abs. 2 SGG von einer solchen Ursächlichkeit nicht ab (vgl. BSG 1, 254).
Die Revision ist unbegründet.
Gegen die vom LSG vertretene Auffassung, die Klägerin sei zulässigerweise von der Feststellungsklage zur Leistungsklage übergegangen, bestehen keine verfahrensrechtlichen Bedenken, desgleichen nicht gegen die Annahme des LSG, die Widerklage der Beklagten sei statthaft und formgerecht erhoben (vgl. BSG 3, 136, SozR SGG § 100 Bl. Da 1 Nr. 3).
In der Sache selbst geht der von der Klägerin vertretene Standpunkt, bei Beschäftigten, die zur Arbeitsstätte mit eigenem Kraftfahrzeug zu fahren pflegen, müsse jede zur Erhaltung der Fahrbereitschaft erforderliche Verrichtung als unfallversichert gelten, fehl. Ein so weitreichender Versicherungsschutz läßt sich weder aus § 542 noch aus § 543 RVO herleiten, selbst wenn das Kraftfahrzeug ausschließlich für die Zurücklegung der Wege nach und von der Arbeitsstätte benutzt wird. Zwar kann das Auftanken – zumal wenn der Beschäftigte mangels sonstiger Verkehrsverbindungen zwischen Wohnort und Arbeitsstätte allein auf das ihm gehörende Kraftrad angewiesen ist – durchaus eine Verrichtung darstellen, mit welcher letztlich die Erfüllung der aus dem Beschäftigungsverhältnis folgenden Pflichten ermöglicht wird. Es handelt sich jedoch hierbei, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, um vorbereitende Tätigkeiten, welche der Betriebstätigkeit zu fernstehen, als daß sie schon dem persönlichen Lebensbereich des Beschäftigten entzogen und der unter Versicherungsschutz stehenden betrieblichen Sphäre zuzurechnen wären. Zu diesem Ergebnis nötigt insbesondere die Erwägung, daß das Aufsuchen einer Tankstelle durch den motorisierten Arbeitnehmer in der Kegel nicht – wie etwa die Zurücklegung der Wege zur Arbeitsaufnahme und der Heimwege nach Schichtschluß – zeitlich und örtlich einigermaßen genau festgelegt ist, sondern daß der Arbeitnehmer hierfür zumeist über vielfache Auswahlmöglichkeiten verfügt, indem er das Tanken während der Freizeit an seinem Wohnort, während einer Arbeitspause am Ort des Betriebs oder schließlich auch unterwegs an irgendeiner ihm geeignet erscheinenden Stelle vornehmen kann. Weiterhin müßte aber der Versicherungsschutz, den die Klägerin den motorisierten Arbeitnehmern zugebilligt wissen will, entsprechend auch denjenigen Beschäftigten gewährt werden, die auf die Benutzung Öffentlicher Verkehrsmittel zur Erreichung der Arbeitsstätte angewiesen sind. Insoweit wäre dem Auftanken des eigenen Kraftrads durchaus vergleichbar das Besorgen einer Arbeiterwochenkarte durch den Beschäftigten, der mit der Bundesbahn zur Arbeit fahren muß; hierfür hat der erkennende Senat aber in seinem Urteil vom 26. Juni 1958 (BSG 7, 255) den Versicherungsschutz aus §§ 542, 543 RVO verneint.
Im vorliegenden Fall deutet nichts darauf hin, daß das Auftanken des Kraftrades ausnahmsweise etwa doch in einer näheren Beziehung zur Betriebstätigkeit gestanden haben könnte. Z. unternahm den Weg zur Tankstelle während der Mittagszeit, die er in Weende verbringen mußte, um das Eintreffen des Betriebsleiters abzuwarten; die Fahrt führte in eine andere Richtung als der für später beabsichtigte Heimweg nach Germershausen. Ob Versicherungsschutz gegeben wäre, wenn Z. während der Zurücklegung des Heimwegs hätte tanken müssen, braucht aus Anlaß dieses Rechtsstreits nicht entschieden zu werden.
Da mithin die Fahrt des Z. zum Auftanken von vornherein nicht unter Versicherungsschutz stand, kommt es auf den Umstand, daß er an der nächstgelegenen Tankstelle Nötzel vorbeifuhr, nicht entscheidend an.
Schließlich kann der Versicherungsschutz für Z. auch nicht aus § 543 Abs. 2 RVO hergeleitet werden, da das für die Fahrten nach und von der Arbeitsstätte benutzte Kraftrad kein Arbeitsgerät im Sinne dieser Vorschrift darstellt (vgl. RVA, EuM 30, 320; LSG Niedersachsen aaO; Hess. LSG, Breith. 1959, 713; 1961, 226; Podzun, ZfS 1960, 147).
Das LSG hat hiernach mit Recht den von der Klägerin geltend gemachten Ersatzanspruch als unbegründet, den mit der Widerklage erhobenen Ersatzanspruch der Beklagten hingegen als gerechtfertigt angesehen. Hinsichtlich des mit der Widerklage verfolgten Anspruchs sind keine Revisionsrügen erhoben worden gegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils, soweit sie den Betrag und die aus §§ 1509, 1509 a RVO sich ergebenden Erfordernisse der Anspruchsgeltendmachung betreffen; der Senat ist somit an diese Feststellungen gebunden (§ 163 SGG).
Die Revision war hiernach zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Brackmann, Hunger, Dr. Baresel
Fundstellen