Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Verfassungsmäßigkeit unterschiedlicher Beitragssätze der Krankenkassen und dadurch bedingter verschieden hoher Beiträge der Versicherten.
2. Zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage wegen der Höhe des Beitrags zur Krankenversicherung, wenn ein Verwaltungsverfahren stattgefunden, die Aufhebungsklage aber nicht zu einer Sachentscheidung geführt hat (Abgrenzung zu BSG 22.5.1985 12 RK 30/84 = SozR 1500 § 55 Nr 27).
Orientierungssatz
Aufbau der Krankenversicherung - Beitragssatzunterschied - Ausgleichsbedürftigkeit:*
1. Das GG enthält keine ausdrücklichen Vorschriften über die Organisation der Sozialversicherung, insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung. Hinweise ergeben sich insoweit auch nicht aus der Kompetenzvorschrift des Art 74 Nr 12 GG, aus der Vorschrift über die Bundesunmittelbarkeit bestimmter Sozialversicherungsträger (Art 87 Abs 2 GG) oder aus dem Gebot des sozialen Rechtsstaats (Art 20 Abs 1 GG).
2. Ungleiche Beitragssätze sind die - notwendige - Folge eines gegliederten, dh dezentralen Aufbaus der gesetzlichen Krankenversicherung; wollte man sie vermeiden, müßte der Aufbau der Krankenversicherung grundlegend - in Richtung auf eine Einheitsversicherung - geändert werden. Ob dies zu wünschen wäre, ob insbesondere die Vorzüge einer Einheitsversicherung deren Nachteile überwiegen, hat in erster Linie der Gesetzgeber zu entscheiden. Dieser braucht aber bei seiner Entscheidung nicht allein oder vorrangig die Herstellung der Beitragssatzgleichheit zum Ziel zu haben, sondern kann im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit auch anderen sachlichen Erwägungen Raum geben und ihnen damit die Einheit der Versicherung und die Gleichheit der Beitragssätze bis zu einem gewissen Grade "opfern".
3. Der Gesetzgeber darf im übrigen bei der gebotenen langfristigen Betrachtung, die besonders für Ausgleichsregelungen im Bereich der Krankenversicherung angemessen ist, die Wirkung seiner bisher getroffenen Vorkehrungen abwarten. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung, der vielfältigen Ursachen für die Beitragssatzunterschiede und ihrer verschiedenen Ausgleichsbedürftigkeit können jedenfalls die aufgetretenen ungleichen Beitragsbelastungen für vergleichbare Versicherte verschiedener Kassen noch nicht als schlechterdings unzumutbar bezeichnet werden, auch wenn sie vorübergehend einen erheblichen Umfang erreichten.
4. Sind Beitragsunterschiede durch eine regional unterschiedliche medizinische Überversorgung entstanden, so sind sie nicht in der gleichen Weise ausgleichsbedürftig wie Faktoren des Grundlohns, des Familienlastenausgleichs und der Risikostruktur.
5. Ist im Verwaltungsverfahren der Widerspruch nicht gegen einen Verwaltungsakt, sondern gegen einen Akt der Normsetzung (hier: Beschluß der Vertretersammlung) eingelegt worden, so ist die Klage eines krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmers vor dem Sozialgericht auf Feststellung, in welchem Umfang Krankenversicherungsbeiträge zu berechnen sind, zulässig.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 1 Fassung 1949-05-23, Art. 74 Nr. 12 Fassung 1949-05-23, Art. 87 Abs. 2 Fassung 1949-05-23; SGG § 55 Abs. 2 Fassung 1975-09-23; RVO § 385 Abs. 1 Fassung 1979-12-15, § 225 Abs. 1 Fassung 1972-08-10
Verfahrensgang
SG Münster (Entscheidung vom 19.01.1982; Aktenzeichen S 14 Kr 98/80) |
Nachgehend
BVerfG (Entscheidung vom 08.02.1994; Aktenzeichen 1 BvR 1237/85) |
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Höhe seines Beitrags zur Krankenversicherung, den die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) während der streitigen Zeit nach Beitragssätzen von 14,2 und 14,9 vH des Grundlohns erhoben hat. Er ist bei der beigeladenen Firma als Arbeiter beschäftigt und bei der Beklagten pflichtversichert. Deren Vertreterversammlung beschloß am 19. November 1979 für Versicherte wie den Kläger, die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für mindestens sechs Wochen haben, mit Wirkung vom 1. Januar 1980 eine Erhöhung des Beitragssatzes von 13,2 vH auf 14,2 vH.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 13. Oktober 1980 "Widerspruch gegen die Beitragserhöhung vom 19.11.1979"; sie verstoße, da der Beitragssatz von 14,2 vH erheblich über dem aller anderen Kassen liege, gegen den Gleichheitssatz und das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes (GG). Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch zurück: Der Beitragssatz von 14,2 vH sei dem Gesetz entsprechend festgesetzt, die seit dem 1. Januar 1980 erhobenen Beiträge seien richtig berechnet worden. Solange die Rechtsgrundlagen, auf denen die Unterschiedlichkeit der Beiträge beruhe, nicht geändert seien, müsse die Verwaltung von ihrer Gültigkeit ausgehen (Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 1980).
Der Kläger hat beim Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben. Während des Klageverfahrens erhöhte die Vertreterversammlung der Beklagten durch Beschluß vom 19. Mai 1981 den Beitragssatz zum 1. Juli 1981 weiter auf 14,9 vH. Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß seine Heranziehung zur Zahlung eines Krankenkassenbeitrages von 14,2 vH des Grundlohns gemäß Beschluß der Vertreterversammlung vom 19. November 1979 und von 14,9 vH gemäß Beschluß vom 19. Mai 1981 rechtswidrig ist. Das SG hat durch Urteil vom 19. Januar 1982 den Widerspruchsbescheid aufgehoben, im übrigen aber die Klage abgewiesen: Der Widerspruchsbescheid habe aufgehoben werden müssen, da die Widerspruchsstelle nur einen - hier nicht ergangenen - Verwaltungsakt der Beklagten habe überprüfen dürfen, nicht aber, wie geschehen, einen Beschluß der Vertreterversammlung. Die Feststellungsklage sei zulässig, weil der Kläger seine Beitragspflicht gegenüber der Beklagten geklärt wissen wolle. In der Sache sei die Klage jedoch unbegründet. Unterschiedliche Beitragssätze verletzten noch nicht den Gleichheitssatz und das Sozialstaatsprinzip. Sie seien Folge der dezentralen Organisation der Krankenversicherung, die auch dem föderativen Prinzip der Bundesrepublik entspreche; danach seien die Auswirkungen ungünstiger sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse im Zuständigkeitsbereich einzelner Krankenkassen von deren Mitgliedern bis zu einem gewissen Grade hinzunehmen, eine Einheitsversicherung würde Versicherte in Gebieten mit guter Wirtschafts- und Sozialstruktur benachteiligen. Die Mehrbelastung, zu der die Abweichung des Beitragssatzes der Beklagten vom durchschnittlichen Beitragssatz aller Krankenkassen führe, sei noch nicht unzumutbar und auch "nicht für alle Zeit festgeschrieben".
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Sprungrevision des Klägers. Mit ihr macht er geltend, die derzeitigen, auf der Organisationsstruktur der gesetzlichen Krankenversicherung beruhenden Grundlagen der Beitragserhebung seien verfassungswidrig und deshalb nichtig. Das gelte besonders für § 380, § 381 Abs 1 Satz 1, § 389 Abs 2 Satz 2 iVm § 225 Abs 1, § 234, § 517, § 520 Abs 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO), die mit Art 3 Abs 1 und Art 20 Abs 1 GG unvereinbar seien. Abweichungen bis zu etwa 10 % vom durchschnittlichen Beitragssatz aller Kassen seien möglicherweise noch hinzunehmen, wenn man bedenke, daß die bestehende Gliederung der gesetzlichen Krankenversicherung historisch gewachsen sei, die Verhältnisse in einzelnen Regionen und Wirtschaftszweigen verschieden seien und der Gesetzgeber in gewissem Umfang typisieren dürfe. Untragbar sei es aber, daß die Beitragssätze einzelner Kassen den durchschnittlichen Beitragssatz um 20 bis 25 % unter- oder (wie bei der Beklagten) überschritten, was zu erheblichen Unterschieden in der Beitragsbelastung der Versicherten und ihrer Arbeitgeber führe. Bei solchen Abweichungen müsse ein - im übrigen nicht "verfassungsfestes" - Versicherungssystem, das ungeachtet seiner vielfach von Zufälligkeiten bestimmten Gliederung eine Einheit bilde und für alle Mitglieder im wesentlichen gleiche Leistungen vorsehe, um einen Finanzausgleich ergänzt werden. Andernfalls hätten die Versicherten und ihre Arbeitgeber, da sie die ungünstigen Faktoren nicht beeinflussen und sich den hohen Beiträgen zumeist nicht entziehen könnten, für die strukturellen Schwächen einzelner Regionen oder Wirtschaftszweige einzustehen. Auf Schwächen dieser Art beruhten im wesentlichen auch die überdurchschnittlichen Beitragssätze der Beklagten. Durch solche Sätze würden Schwierigkeiten, mit denen ein Raum oder eine Branche zu kämpfen habe, noch verschärft, weil die dort unterdurchschnittlichen Grundlöhne mit überdurchschnittlich hohen Beiträgen belastet und die Versicherten damit doppelt benachteiligt würden. Auch nähmen Versicherte mit günstigen Risiken dann um so eher die Gelegenheit wahr, zu Ersatzkassen abzuwandern. Unter diesen Umständen sei die unterschiedliche Höhe der Beitragssätze selbst unter Berücksichtigung eines weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht mehr vertretbar, weil ein einleuchtender Grund für die Differenzierung fehle. Nach dem Gleichheitssatz müßten im Abgabenrecht die Pflichtigen entsprechend ihrer individuellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der Lasten der Gemeinschaft herangezogen werden; das gelte auch für Sozialversicherungsbeiträge. Da die derzeitige Regelung gerade die sozial Schwächeren mit überdurchschnittlich hohen Beiträgen belaste, sei sie auch mit dem Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG unvereinbar.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 19. Januar 1982 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und festzustellen, daß seine Heranziehung zur Zahlung eines Beitrags von 14,2 vH des Grundlohns ab 1. Januar 1980 und von 14,9 vH des Grundlohns ab 1. Juli 1981 rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält Beitragssatzunterschiede in einer gewissen Bandbreite für zulässig, auch um den einzelnen Versichertengemeinschaften die Motivation zu sparsamem Verhalten nicht zu nehmen. Bei großen Abweichungen seien jedoch ausgleichende Maßnahmen geboten, die Ausdruck der "Gesamtsolidarität" seien. Ob dazu ein lediglich fakultatives Gemeinlastverfahren ausreiche, sei fraglich. Weitergehend kämen etwa eine Strukturangleichung unter den Krankenkassen oder ein Finanzausgleich in Betracht, wie er in der Krankenversicherung der Rentner bestehe und wie er - in Anlehnung an den "Generationenvertrag" in der Rentenversicherung - insbesondere bei unterschiedlich hohen Familienlastquoten erwägenswert sei. - Die Beklagte hat dem Senat Auskunft ua über ihre Beitragssätze und die Zahl ihrer Mitglieder seit 1950 sowie deren Grundlöhne gegeben und mitgeteilt, daß der Beitragssatz für die Gruppe der Versicherten, zu der der Kläger gehört, seit dem 1. Januar 1983 13,9 vH beträgt.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, hält die Revision jedoch für unbegründet: Der Gesetzgeber habe bei der Gliederung der Krankenversicherung an historische Vorbilder angeknüpft und gesellschaftlich homogene Bevölkerungsgruppen zu kleinen, überschaubaren Versichertengemeinschaften mit ortsnahen Versicherungsträgern zusammengefaßt. Dieses System habe gegenüber einer Einheitsversicherung manche Vorzüge. Es führe allerdings dazu, daß sich der Solidarausgleich nur innerhalb der jeweiligen Kasse vollziehe und es zu unterschiedlichen Beitragssätzen der Kassen kommen könne. Daß hohe Beitragssätze aber gerade wirtschaftlich Schwache träfen, sei nicht nachzuweisen. Durch einen Finanzausgleich würde Ungleiches gleich behandelt, sofern auch Aufwendungen ausgeglichen würden, die durch ein überdurchschnittliches Versorgungsangebot bedingt seien. Die Ungleichbehandlung, zu der die unterschiedlichen Beitragssätze führten, sei in dem vorhandenen Ausmaß jedenfalls nicht evident unsachlich und verletze auch nicht das Sozialstaatsprinzip.
Der Senat hat Auskünfte von den Bundesverbänden der Ortskrankenkassen, der Betriebskrankenkassen und der Innungskrankenkassen eingeholt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das SG hat die Feststellungsklage zutreffend als zulässig angesehen. Mit einer solchen Klage kann nach § 55 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses verlangt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter diese Vorschrift fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen und anzurechnen sind (§ 55 Abs 2 SGG).
Der Kläger steht als versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu ihr in einem Rechtsverhältnis des öffentlichen Rechts. Zu dessen Inhalt gehört auch die Höhe des Beitrags, den er und der Arbeitgeber nach § 381 Abs 1 Satz 1 RVO jeweils zur Hälfte zu tragen haben. Hieran ändert es nichts, daß der Arbeitgeber den gesamten Beitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) bei der Beklagten einzuzahlen hat und der Kläger sich lediglich den Arbeitnehmeranteil vom Lohn abziehen lassen muß (§ 393 Abs 1 Satz 1, § 394 Abs 1 Satz 1 RVO). Diese Regelung betrifft nur die - mehr "technische" - Frage des Beitragseinzugs (der auch anders geregelt sein könnte, vgl § 1398 RVO); sie schließt nicht aus, die Höhe des - letztlich von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam zu tragenden - Beitrags dem Rechtsverhältnis des Versicherten zu seiner Kasse zuzurechnen. Selbst wenn aber insoweit nur ein Rechtsverhältnis zwischen Kasse und Arbeitgeber angenommen würde, könnte der Kläger die Beitragshöhe im Rechtswege klären lassen. Daran hat er schon deshalb ein berechtigtes Interesse, weil der vom Arbeitgeber bei der Kasse einzuzahlende Beitrag zur Hälfte von seinem Lohn einbehalten wird. Bei einer solchen Interessenlage braucht der Kläger an dem Rechtsverhältnis, das festgestellt werden soll, nicht selbst beteiligt zu sein (vgl BSG SozR 1500 § 55 Nr 22).
Unzulässig ist die Feststellungsklage in Streitigkeiten der vorliegenden Art allerdings, wenn ihr nicht ein Verwaltungsverfahren vorangegangen ist (vgl Urteil des Senats vom 22. Mai 1985, 12 RK 30/84, zur Veröffentlichung bestimmt). Im vorliegenden Fall hat indessen ein Verwaltungsverfahren stattgefunden, auch wenn es unvollständig und mangelhaft war. Der Kläger hat - anders als der Kläger in dem Verfahren 12 RK 30/84 - nicht unmittelbar Klage erhoben, sondern zunächst Widerspruch gegen den Beschluß der Vertreterversammlung der Beklagten vom 19. November 1979 eingelegt. Dieser Widerspruch war zwar unzulässig, da er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt (vgl jetzt § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - SGB 10), sondern gegen einen Akt der Normsetzung (vgl § 321 Nr 3 RVO) richtete. Gleichwohl hat die Beklagte das Begehren des Klägers in der Sache beschieden und ihm einen Widerspruchsbescheid erteilt. Dieser ist nicht nur äußerlich in der Form eines Verwaltungsaktes ergangen, sondern erfüllt auch inhaltlich dessen Anforderungen. Nachdem ihn das SG - wenn auch ohne einen entsprechenden Antrag des Klägers und unter Verstoß gegen § 106 Abs 1 und § 123 SGG - aufgehoben hat, der Kläger dadurch nicht beschwert ist und die insoweit unterlegene Beklagte keine Revision eingelegt hat, kann der Kläger die Beitragshöhe im Wege einer Aufhebungsklage nicht mehr klären lassen. Das ist ihm im anhängigen Verfahren nur noch über eine Feststellungsklage möglich. In Fällen dieser Art muß der Grundsatz, daß die Feststellungsklage hinter einer Leistungs- oder Gestaltungsklage, hier: einer Aufhebungsklage, zurücktritt, diese also den Vorrang hat, den Bedürfnissen der Prozeßökonomie weichen. Würde der Kläger, nachdem es infolge von Mängeln des bisherigen Verfahrens in diesem nicht mehr zu einer gerichtlichen Sachentscheidung über eine Aufhebungsklage kommen kann, darauf verwiesen, ein neues Verwaltungsverfahren einzuleiten, so würde sein Rechtsschutz unzumutbar erschwert (so schon BSGE 57, 184, 186 zu einem verfahrensmäßig ähnlichen Fall).
Die - somit zulässige - Feststellungsklage ist nicht begründet. Der vom Kläger zu tragende Beitrag ist in seiner Höhe nicht rechtswidrig.
Der Beitrag eines bei einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Beschäftigten errechnet sich aus seinem Grundlohn und dem Beitragssatz der Kasse (§ 385 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 RVO). Der Kläger beanstandet allein die Höhe des Beitragssatzes. Wäre dieser nicht rechtmäßig festgesetzt worden und damit nicht wirksam, dann wären auch die von der Beklagten geforderten Beiträge nicht rechtmäßig.
Nach § 385 Abs 1 Satz 2 RVO (idF des Art 1 Nr 5 Buchst a des Gesetzes vom 15. Dezember 1979, BGBl I, 2241) haben die Krankenkassen die Beitragssätze so festzusetzen, daß die für den Zeitraum des Haushaltsjahres erhobenen Beiträge zuzüglich der sonstigen Einnahmen die im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben und die vorgeschriebene Auffüllung der Rücklage decken (zum Haushaltsplan der Versicherungsträger vgl §§ 67 ff Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB 4). Die Vertreterversammlung der Beklagten hat dementsprechend einen Beitragssatz von 14,2 vH ab 1. Januar 1980 und von 14,9 vH ab 1. Juli 1981 beschlossen. Der Kläger sieht in dieser - allein nach den Verhältnissen seiner Kasse erfolgten - Festsetzung einen Verstoß gegen das GG, weil sie bei ihm zu erheblich höheren Beiträgen als bei anderen Krankenkassen führe. Seine Bedenken richten sich mithin gegen die rechtlichen Grundlagen für die Festsetzung des Beitragssatzes, insbesondere gegen die Vorschriften über die Gliederung der gesetzlichen Krankenversicherung in selbständige Versicherungsträger (vgl namentlich §§ 225 Abs 1, 505 Abs 1 RVO); sie erfüllen als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie maßgebenden Rechts ihre Aufgaben in eigener Verantwortung (§ 29 Abs 1 und 3 SGB 4), wobei jeder Versicherungsträger, auch was die Festsetzung des Beitragssatzes betrifft, autonom ist.
Der Senat hält die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers, soweit sie die Festsetzung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung betreffen, für unbegründet (ebenso Jaeger und wohl auch Soell in Soell/Jaeger/Geißler, Verfassungsrechtliche Aspekte der Beitragssatzunterschiede in der gesetzlichen Krankenversicherung, herausgegeben vom Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkassen, 1980, S 63 ff bzw S 43 ff).
Die Krankenversicherung ist von allen Zweigen der Sozialversicherung am stärksten gegliedert. Das gilt sowohl für die Zahl der Versicherungsträger als auch für ihre Gliederungsmerkmale. Nach dem Stand vom 1. Januar 1985 bestehen 1.215 Krankenkassen. Sie sind für bestimmte Bezirke errichtet (Allgemeine Ortskrankenkassen), aber auch für einzelne Berufsgruppen (Innungskrankenkassen, Ersatzkassen, Bundesknappschaft, See-Krankenkasse), Betriebe (Betriebskrankenkassen) und Wirtschaftszweige (Landwirtschaftliche Krankenkassen).
Diese Vielfalt geht bis in die Anfänge der gesetzlichen Krankenversicherung zurück. Das Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 (RGBl, 73), sah Ortskrankenkassen vor, die grundsätzlich innerhalb einer Gemeinde und dort in der Regel getrennt für die in einem Gewerbezweig oder in einer Betriebsart tätigen Personen zu errichten waren, ferner Betriebs-(Fabrik-)Krankenkassen, Bau-Krankenkassen, Innungs-Krankenkassen, Knappschaftskassen und "Hülfskassen". Ersatzweise trat die Gemeinde- Krankenversicherung ein (vgl dazu BSGE 47, 148, 149/150). Der Gesetzgeber knüpfte damit zum Teil an bereits vorhandene Einrichtungen an. Er hielt nach der dem Gesetz beigegebenen Begründung die Bildung größerer Kassen nicht für erforderlich, weil das Risiko der Krankheit nicht so groß sei, "daß es nicht von kleineren Kreisen getragen werden könnte"; das entsprach dem damals geringen Umfang der vorgesehenen Leistungen. Kassen mit kleinen Bezirken hätten, so hieß es weiter, den Vorteil, daß in einer großen Zahl von Fällen ohne "Erledigung weitläufiger Verhandlungen" sofort Unterstützung geleistet werden könne und die Voraussetzungen des Unterstützungsanspruchs durch Organe festgestellt und überwacht werden könnten, die mit den in Betracht kommenden Verhältnissen vertraut seien. Die gegenseitige Krankenversicherung der Berufsgenossen sei bei der relativen Gleichheit der Krankheitsgefahr die rationellste, übe durch die bei ihr am leichtesten durchzuführende Selbstverwaltung "einen wohltätigen moralischen Einfluß" aus und erleichtere durch die nahen Beziehungen der Kassenmitglieder zueinander "die zur Bekämpfung der Simulation unentbehrliche Kontrolle" (Entwurf eines Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, Anlagen zu den Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperiode, II. Session 1882/83, S 142/143 - Aktenstück 14).
Die gesetzlichen Regelungen führten indessen auch zu einer starken Zersplitterung des Kassenwesens. So gab es im Jahre 1908 über 23.000 Gemeindekrankenversicherungen, Orts-, Betriebs-(Fabrik-), Bau- und Innungskrankenkassen sowie Hilfskassen mit mehr als 12 Millionen Versicherten (vgl die Übersicht, auch für die spätere Zeit, bei Buttler/von Leszczynski/Seffen, Zur Differenzierung der Beitragssätze und Problematik von Finanzausgleichen in der gesetzlichen Krankenversicherung, Materialien des Instituts der deutschen Wirtschaft 4, 1982, S 17). Dabei hatten - im Jahre 1903 - von den Kassen einschließlich der Gemeindekrankenversicherungen 44,6 vH weniger als 100 Mitglieder, 92,1 vH weniger als 1.000 und nur 1,1 vH mehr als 5.000. Dies weckte Zweifel an dem ursprünglich verfolgten Prinzip, das Krankenkassenwesen unter tunlichster Dezentralisation auf berufsgenossenschaftlicher Grundlage und unter Wahrung schon bestehender Einrichtungen zu organisieren: Die Zersplitterung habe Unübersichtlichkeit zur Folge; die Leistungsfähigkeit kleinster Kassen sei nicht hinreichend gewährleistet; Versicherte müßten wegen der Vielzahl der Kassen oft die Kasse wechseln, was vor allem wegen der Leistungsunterschiede lästig sei. Diesen Nachteilen einer "übertriebenen Dezentralisation" wollte man nun durch eine gewisse Zentralisierung entgegenwirken, ohne jedoch durch ein "schablonenhaftes Zusammenwerfen von Organisationen" Einheitskassen zu schaffen. Von den in Aussicht genommenen Maßnahmen waren vor allem die Abschaffung der Gemeindekrankenversicherung, die weitgehende örtliche Verschmelzung von Ortskrankenkassen unter Aufgabe des berufsgenossenschaftlichen Prinzips, die Schaffung von Mindestgrößen der Kassen und die Erschwerung der weiteren Zulassung besonderer Kassenarten (Betriebs- und Innungskrankenkassen) von Bedeutung. Hiervon versprach man sich eine Abnahme der Zahl der Kassen um mehr als die Hälfte (zum Ganzen: Anlagen zum Entwurf einer RVO, RT-Drucks zu Nr 340, 12. Legislaturperiode, II. Session 1909/10, S 106 bis 118, 641).
Diese Erwartungen erfüllten sich auch. Im Jahre 1932 bestanden nur noch 6.611 gesetzliche Krankenkassen und 51 Ersatzkassen, die zusammen rund 18,7 Millionen Versicherte betreuten (Begründung des Gesetzes über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5. Juli 1934, abgedruckt bei Krohn/Zschimmer/Eckert/Knoll/Sauerborn, Die Gesetzgebung über den Aufbau der Sozialversicherung, Handkommentar, Stand: 1. April 1943, Teil II, S 22 unter A.I.1). Im Zuge der Aufbaugesetzgebung, an deren Beginn das Für und Wider einer dezentralen Struktur der Krankenversicherung erneut abgewogen wurde (Begründung aaO S 19 ff, insoweit auch abgedruckt bei Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Vorbem 4 zu § 225 RVO), verringerte sich die Zahl der Kassen weiter. Sie betrug Ende 1938 bei rund 30 Millionen Versicherten nur noch 4.510.
Nach dem Kriege setzte sich diese Entwicklung fort. Während es 1950 in der Bundesrepublik noch 1.996 Kassen mit 20,2 Millionen Versicherten gab, waren es nach den vom Senat eingeholten Auskünften am 1. Januar 1985 nur noch 1.215 Kassen mit rund 36 Millionen Mitgliedern. Das Sinken der Kassenzahl ist vor allem auf eine deutliche Abnahme der Zahl der Betriebskrankenkassen zurückzuführen (von 1.320 im Jahre 1950 auf 754 am 1. Januar 1985), ferner auf die Vereinigung von Allgemeinen Ortskrankenkassen im Zuge der Kommunalreform und weiterhin darauf, daß das Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10. August 1972 (BGBl I, 1433) die etwa 100 Landkrankenkassen durch 19 Landwirtschaftliche Krankenkassen ersetzte.
Insgesamt hat sich demnach in der gesetzlichen Krankenversicherung eine zunächst rasche, später langsamere Entwicklung zu immer weniger, aber größeren Versicherungsträgern vollzogen. Dabei ist die durchschnittliche Mitgliederzahl je Kasse von gut 500 im Jahre 1908 (einschließlich der Gemeindekrankenversicherung) auf fast 30.000 im Jahre 1985 gestiegen. Die Merkmale, nach denen die gesetzliche Krankenversicherung gegliedert ist, sind demgegenüber bis heute weitgehend unverändert geblieben.
Die dadurch bedingte Verschiedenheit der Kassenarten und die je besonderen Verhältnisse bei den einzelnen Versicherungsträgern haben dazu geführt, daß die Beitragssätze in der Krankenversicherung, anders als zB in der Rentenversicherung, nicht einheitlich sind, sondern von Kasse zu Kasse mehr oder weniger stark voneinander abweichen. Ihre Streubreite war (und ist) dabei seit jeher erheblich. So gab es im Jahre 1900 - bei einem durchschnittlichen Beitragssatz von 1,9 vH - Beitragssätze von einerseits weniger als 1,5 vH und andererseits mehr als 3 vH, im Jahre 1950 bei einem durchschnittlichen Beitragssatz von 5,7 vH Beitragssätze von weniger als 4,5 vH und mehr als 7,5 vH (Geißler in Soell/Jaeger/Geißler, aaO, S 17). Nach den vom Senat eingeholten Auskünften schwankten die Beitragssätze für Mitglieder mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für mindestens sechs Wochen am 1. Januar 1985 zwischen 7 vH und 14,4 vH (bei einem Durchschnittssatz von 11,73 vH). Schon diese Zusammenstellung zeigt, daß die Beitragssätze im Laufe der Zeit zwar erheblich gestiegen sind und auch die Spanne zwischen den niedrigsten und höchsten Beitragssätzen absolut gesehen größer geworden ist, daß sich jedoch die relative Abweichung vom Mittelwert gegenüber früher verringert hat. Die Gründe dafür liegen vor allem in der ausgleichend wirkenden Entwicklung zu weniger zahlreichen, aber größeren Kassen und in einer weitgehenden Vereinheitlichung des Leistungsrechts.
Dennoch sind die - wenn auch relativ geminderten - Unterschiede in den Beitragssätzen weiterhin erheblich geblieben. Daran haben alle gesetzlichen Maßnahmen, die auf einen gewissen Ausgleich unter den Kassen zielten oder den Beitragssatz an bestimmte Höchstgrenzen binden sollten, bisher nichts Entscheidendes geändert.
Die durch Abschnitt E des Gesetzes zur Erhaltung leistungsfähiger Krankenkassen vom 27. März 1923 (RGBl I, 225) als §§ 367a bis 367e in die RVO eingefügten Vorschriften, wonach die Krankenkassen im Bezirke jedes Oberversicherungsamts im Verhältnis zueinander einen Teil ihrer Aufwendungen (Wochenhilfe, Krankenpflege weiblicher Versicherter) gemeinschaftlich zu tragen hatten (Gemeinlast), fielen schon 1926 wieder weg (Art 11 des Zweiten Gesetzes über Abänderung des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung vom 9. Juli 1926, RGBl I, 407). Das Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung -AufbG- vom 5. Juli 1934 (RGBl I, 577) sah "zum Ausgleich ungerechtfertigter Verschiedenheiten in der Höhe der Beiträge und Leistungen" erneut die Einführung einer Gemeinlast vor, wobei die "wirtschaftliche Selbstverantwortung" der Krankenkassen unberührt bleiben sollte. Die neue Regelung wurde jedoch nie angewendet, weil die zu ihrer Durchführung erforderliche Verordnung nicht erlassen wurde (vgl Peters, aa0, Vorbem 3 zu § 363 a.E.). Das gleiche Schicksal hatte § 13 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAnpG) vom 17. Juni 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, S 99), wonach unter bestimmten Voraussetzungen stufenweise zunächst innerhalb einer Kassenart und eines Bezirks ein Ausgleich stattfinden sollte, und wenn dieser nicht ausreichte, kassenartenübergreifend eine gegenseitige finanzielle Hilfe und im äußersten Fall der Erlaß behördlicher Vorschriften vorgesehen war (vgl Peters, aaO, Vorbem 4 zu § 363).
Im Jahre 1977 traten neue Ausgleichsregelungen in Kraft. So wurde zunächst durch Art 1 § 1 Nr 21 des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28. Dezember 1976 (BGBl I, 3871) dem § 414b Abs 2 RVO ein Satz 2 angefügt, der die Landesverbände ermächtigt, eine Umlage der Mitgliedskassen vorzusehen, um die Kosten insbesondere für aufwendige Leistungsfälle ganz oder teilweise zu decken. Ferner wurde durch Art 1 § 1 Nr 50 Buchst b des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I, 1069) dem § 414b RVO ein Absatz 2a angefügt. Danach "können" die Landesverbände einen Finanzausgleich für solche Kassen durchführen, bei denen der Bedarfssatz, der sich im wesentlichen nach dem Verhältnis des Aufwandes für die Regelleistungen zur Summe der Grundlöhne bemißt, den durchschnittlichen Bedarfssatz aller beteiligten Mitgliedskassen um mehr als 5 vH überschreitet; die weitergehende, im Regierungsentwurf vorgeschlagene Regelung, den Ausgleich zur Pflicht zu machen, wenn der Bedarfssatz einer Kasse den durchschnittlichen Bedarfssatz um mehr als 15 vH übersteigt (BT-Drucks 8/166, Art 1 § 1 Nr 44, S 11/12, Begründung S 31/32), ist nicht Gesetz geworden. Nicht für den Bedarfssatz berücksichtigt werden dabei die Ausgaben für die versicherten Rentner, ferner die von Dritten zu erstattenden Ausgaben, die Ausgaben für Mehrleistungen, für Zahnersatz und Zahnkronen sowie für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Das Nähere über die Durchführung des Finanzausgleichs, für den eine Umlage erhoben wird, bestimmt die Satzung des Landesverbandes, der auch Feststellungen darüber treffen kann, auf welche Ursachen die Überschreitung des durchschnittlichen Bedarfssatzes zurückzuführen ist (Sätze 3 bis 5 aaO). Das - fakultative - Ausgleichsverfahren nach § 414b Abs 2a RVO ist dabei in gewisser Weise an die Stelle der früheren Garantiehaftung der Gemeindeverbände nach § 389 Abs 2 Satz 2 RVO aF getreten, die für die Ortskrankenkassen formell bis zum 30. Juni 1977 galt, jedoch schon damals ihre Funktion, bei Erreichen eines bestimmten Beitragssatzes durch Zuschüsse der öffentlichen Hand das weitere Steigen des Beitragssatzes abzuwenden, weitgehend verloren hatte (vgl BSGE 34, 177; 47, 148; ferner zur Garantiehaftung bei Betriebs- und Innungskrankenkassen § 390 Satz 2 RVO). Ein - obligatorischer - Finanzausgleich wurde schließlich im Jahre 1977 in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) für die insoweit von den Krankenkassen zu erbringenden Leistungen (außer Sterbegeld) eingeführt (§ 393b RVO idF des Art 1 § 1 Nr 46 KVKG). Dadurch sollten jedenfalls für den Bereich der KVdR die unterschiedlichen Belastungen gleichmäßig auf alle Kassen verteilt werden (Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks 8/166, S 31, zu Art 1 § 1 Nr 41).
Das GG enthält keine ausdrücklichen Vorschriften über die Organisation der Sozialversicherung, insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung. Hinweise ergeben sich insoweit auch nicht aus der Kompetenzvorschrift des Art 74 Nr 12 GG, aus der Vorschrift über die Bundesunmittelbarkeit bestimmter Sozialversicherungsträger (Art 87 Abs 2 GG) oder aus dem Gebot des sozialen Rechtsstaats (Art 20 Abs 1 GG). Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mehrfach entschieden, zunächst zur gesetzlichen Unfallversicherung (BVerfGE 23, 12, 22/23; 36, 383, 393; vgl auch Nipperdey/Säcker, Zur verfassungsrechtlichen Problematik von Finanzausgleich und Gemeinlast in der Sozialversicherung, 1969, S 13 - 28), später auch zur gesetzlichen Krankenversicherung (BVerfGE 39, 302, 314/315; ebenso zu Art 87 Abs 2 Maunz/Dürig/ Herzog, Komm zum GG, Art 87 RdNr 73). In den Verfahren, die dem BVerfG vorlagen, ging es um die Übernahme von Lasten der Unfallversicherung des Bergbaus auf andere Berufsgenossenschaften (BVerfGE 23, 12; 36, 383) und um die Vereinigung von mehreren Allgemeinen Ortskrankenkassen (BVerfGE 39, 302). Das BVerfG hat die entsprechenden Regelungen, die eine solche Lastenübernahme bzw Vereinigung vorsahen, für unbedenklich gehalten, weil der überkommene Aufbau der Sozialversicherung keinen Verfassungsrang habe. Ebensowenig wie nach dieser Rechtsprechung die bestehende Organisation der Versicherungsträger einem verfassungsrechtlichen Änderungsverbot unterliegt, kann dem GG umgekehrt ein Gebot entnommen werden, die Organisationsstruktur in einem bestimmten Sinne, etwa in Richtung auf eine Einheitsversicherung, zu ändern oder sie durch einen obligatorischen Finanzausgleich zu ergänzen.
Die Vorschriften über den Aufbau der gesetzlichen Krankenversicherung sind, soweit sie sich auf die Höhe der Beitragssätze auswirken, auch mit Art 3 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich und wesentlich Ungleiches ohne solche Gründe gleich zu behandeln; damit enthält Art 3 Abs 1 GG über ein Willkürverbot hinaus die an Gesetzgebung und Rechtsprechung gerichtete Verpflichtung, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders ("ungleich") zu behandeln, falls zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl BVerfGE 55, 72, 88 f). Welche Elemente des zu regelnden Sachverhalts dabei so bedeutsam sind, daß ihrer Gleichheit oder Verschiedenheit bei der Ausgestaltung der Regelung Rechnung getragen werden muß, hat grundsätzlich der Gesetzgeber zu entscheiden, sofern nicht schon die Verfassung selbst Wertungen enthält, die dann auch den Gesetzgeber binden. Im übrigen kann nur die Einhaltung bestimmter äußerster Grenzen überprüft und ihre Überschreitung beanstandet werden. Der Gesetzgeber hat demnach weitgehende Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 49, 260, 271; 61, 138, 147).
Dieser Freiraum kann sich allerdings dadurch verengen, daß das Gesetz, wie in der Krankenversicherung, mehrere Strukturprinzipien nebeneinander verwendet. Ein derartiges System bedarf wegen der Fülle von - häufig rein zufälligen - Überschneidungen, zu deren Erklärung auf jeweils andere Kriterien zurückgegriffen werden muß, eher als ein homogen gegliedertes System eines Ausgleichs. Das gilt besonders für Unterschiede in den Beitragssätzen der Kassen, jedenfalls wenn die Sätze erheblich voneinander abweichen, die Versicherten jedoch in vieler Hinsicht Gemeinsamkeiten aufweisen, und zwar gerade solche versicherungsrechtlich bedeutsamer Art (etwa in der Höhe des Grundlohns oder in örtlicher oder beruflicher Beziehung).
Ein Ausgleich kann hier allerdings entgegen der Ansicht des Klägers nicht schon mit der Begründung gefordert werden, der Gleichheitssatz sei, wie im Steuerrecht, strikt anzuwenden, so daß die Beitragspflichtigen auch hier allein nach ihrer individuellen Leistungsfähigkeit, dh im wesentlichen nach ihrem Grundlohn und damit relativ gleichmäßig, zur Finanzierung der Lasten der Gemeinschaft heranzuziehen seien. Abgesehen davon, daß innerhalb der bestehenden Versichertengemeinschaften durchaus nach diesem Prinzip verfahren wird, ist der Beitrag eine Abgabe eigener Art (vgl BVerfGE 14, 312, 317, besonders zum Rentenrecht), in der sich - anders als in der Steuer - auch der Umfang des versicherten Risikos niederschlägt. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß der Grundlohn nicht der einzige Faktor ist, der den Beitragssatz beeinflußt. Soweit der Kläger ferner einen Finanzausgleich unter Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) fordert, würde dieser bei den ausgleichsberechtigten Kassen nicht nur deren leistungsschwache Mitglieder, sondern auch die leistungsstarken begünstigen und bei den ausgleichspflichtigen Kassen außer den leistungsstarken zugleich die leistungsschwachen Mitglieder belasten. Es würden also neben bestimmten Wirkungen, die im Sinne des Sozialstaatsprinzips positiv zu werten wären, auch negative eintreten; das wesentliche Ergebnis wäre deshalb weniger eine soziale "Umverteilung" als vielmehr eine breitere Streuung des Risikos.
Die vom Senat zu prüfenden Regelungen führen dazu, daß Mitglieder verschiedener Krankenkassen - trotz gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, die in gleich hohen Grundlöhnen ihren Ausdruck findet - unterschiedlich mit Beiträgen belastet werden. Das gilt auch dann, wenn die Mitglieder der Landwirtschaftlichen Krankenkassen wegen der andersartigen Beitragsbemessung insoweit außer Betracht bleiben und unter den übrigen Kassen (Allgemeine Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Ersatzkassen für Angestellte, Ersatzkassen für Arbeiter, Bundesknappschaft und See-Krankenkasse) nur die Pflichtmitglieder der drei erstgenannten Kassenarten miteinander verglichen werden, soweit sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung für mindestens sechs Wochen haben; zu dieser größten Gruppe unter den Versicherten gehört der Kläger.
Die für diese Versicherten geltenden Beitragssätze weisen auch nach den erwähnten, seit 1977 bestehenden Ausgleichsregelungen deutliche Unterschiede auf, wenn man die Extremwerte gegenüberstellt. Eine besonders große Spannweite von 8 Prozentpunkten (zwischen 7 vH und 15 vH) ergab sich zum 1. Juli 1981. Vorher war sie am 1. Januar 1980 mit 7,2 Prozentpunkten (zwischen 7 vH und 14,2 vH) geringer gewesen, auch später verringerte sie sich wieder und lag am 1. Januar 1985 zwischen 7 vH und 14,4 vH. Extrem hohe Beitragssätze finden sich allerdings nur bei verhältnismäßig wenigen Kassen und bei diesen oft auch nur vorübergehend; sehr niedrige Beitragssätze gibt es vor allem bei einigen Betriebskrankenkassen. Klammert man die stärksten Ausschläge nach oben und unten aus, so liegen fast alle Beitragssätze im Bereich von 2,5 Prozentpunkten über oder unter dem Mittelwert, konzentrieren sich also in dessen Nähe. Demgemäß gelten für rund 80 vH aller Versicherten Beitragssätze, die nur bis zu etwa 10 % nach oben und unten um den Durchschnitt schwanken (Buttler/von Leszczynski/Seffen, aaO, S 45 ff; Geißler, aaO, S 12, 14/15).
Die aus unterschiedlichen Beitragssätzen folgende Ungleichheit der wirtschaftlichen Belastung könnte höchstens bis zum durchschnittlichen Beitragssatz ausgeglichen werden; ein darüber hinausgehender, etwa an dem niedrigsten Beitragssatz orientierter Ausgleich wäre schon deshalb nicht möglich, weil dann die Deckung der Gesamtausgaben der Krankenversicherung gefährdet wäre. Im übrigen verringern sich die Belastungsunterschiede dadurch, daß die Versicherten selbst lediglich die Hälfte des Beitrags und damit auch nur die Hälfte der Differenz "ihrer" Beitragssätze zu den Durchschnittssätzen zu tragen haben; die andere Hälfte tragen die Arbeitgeber, für die sich allerdings - je nach Kassenzugehörigkeit ihrer Beschäftigten - entsprechende Belastungsunterschiede ergeben. Auch die Hälfte der Differenz kann indes schon ins Gewicht fallen, und zwar sowohl absolut wie im Verhältnis zu vergleichbaren Versicherten anderer Kassen. So zahlt zB ein Versicherter mit einem Grundlohn von 3.000 DM bei einem Beitragssatz der Kasse von 15 vH einen Arbeitnehmeranteil von 225 DM im Monat und damit 45 DM oder 25 vH mehr als der entsprechende Versicherte einer Kasse mit durchschnittlichem Beitragssatz (12 vH), bei dem der Arbeitnehmeranteil nur 180 DM beträgt. Gegenüber Versicherten, für die ein niedrigerer Beitragssatz als der durchschnittliche gilt, ist die Benachteiligung noch größer.
Ungleiche Beitragssätze sind indessen die - notwendige - Folge eines gegliederten, dh dezentralen Aufbaus der gesetzlichen Krankenversicherung; wollte man sie vermeiden, müßte der Aufbau der Krankenversicherung grundlegend - in Richtung auf eine Einheitsversicherung - geändert werden. Ob dies zu wünschen wäre, ob insbesondere die Vorzüge einer Einheitsversicherung deren Nachteile überwiegen, hat in erster Linie der Gesetzgeber zu entscheiden. Dieser braucht aber bei seiner Entscheidung nicht allein oder vorrangig die Herstellung der Beitragssatzgleichheit zum Ziel zu haben, sondern kann im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit auch anderen sachlichen Erwägungen Raum geben und ihnen damit die Einheit der Versicherung und die Gleichheit der Beitragssätze bis zu einem gewissen Grade "opfern". Wie schon dargelegt, hat er die Gründe für und gegen einen zentralen oder einen dezentralen Aufbau wiederholt gegeneinander abgewogen, so anläßlich der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahre 1883, vor der Verabschiedung der RVO im Jahre 1911 und bei der Aufbaugesetzgebung im Jahre 1934. Dabei hat er sich aus jedenfalls vertretbaren Gründen für eine dezentrale Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden, um die Versicherten in möglichst homogenen Versichertengemeinschaften zusammenzuschließen. Ihnen sollte insbesondere für die häufigen und oft rasche Hilfe erfordernden Versicherungsfälle der Krankenversicherung ein versichertennahes und leistungsfähiges System mit Selbstverwaltung zur Verfügung stehen, das gleichzeitig einer übermäßigen oder gar mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen vorbeugt. Diese Gründe haben auch heute noch Gewicht (zu den Vorzügen und Nachteilen einer zentralen oder dezentralen Struktur aus finanzwissenschaftlicher Sicht vgl Huppertz/Siedenberg, Organisations- und Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung unter besonderer Berücksichtigung von Verteilungsaspekten, Gutachten im Auftrag des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, veröffentlicht als dessen Forschungsbericht 26 Gesundheitsforschung, 1980, S 157 ff Nrn 102, 103; aus sozialpolitischer Sicht Köhrer, Zum Problem der Gliederung in der gesetzlichen Krankenversicherung, in "Der Mensch im sozio-ökonomischen Prozeß", Festschrift für Wilfried Schreiber, 1969, S 339 ff).
Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß die gesetzliche Krankenversicherung trotz ihres dezentralen Aufbaus ein einheitliches System darstellt. Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung sind bundeseinheitlich geregelt, die Versicherten sind mit nur geringen Wahlmöglichkeiten bestimmten Kassen zugeordnet. Die Ansprüche auf Leistungen sind heute im wesentlichen gleich; Mehrleistungen haben nur noch geringe Bedeutung. Auf viele kostenwirksame Vorgänge haben die einzelnen Kassen keinen oder keinen entscheidenden Einfluß mehr.
Hat der Gesetzgeber in dieser Weise die Rahmenbedingungen für die gesetzliche Krankenversicherung selbst geregelt, so ist dadurch der Spielraum, der der Selbstverwaltung der Krankenkassen für eigenverantwortliche Entscheidungen verbleibt, entsprechend eingeengt. Das kann für die Finanzierung der Leistungen, insbesondere was die Festsetzung unterschiedlicher Beitragssätze betrifft, nicht ohne Auswirkung bleiben. Auch wenn solche Unterschiede, solange an dem System der gegliederten Krankenversicherung aus den angeführten Gründen festgehalten wird, grundsätzlich als systembedingt hingenommen werden müssen, ist damit die Frage, welches Ausmaß die Unterschiede erreichen dürfen, nicht beantwortet. Der Gesetzgeber ist sich offenbar auch seiner Mitverantwortung dafür, daß die Spanne zwischen den Beitragssätzen der einzelnen Krankenkassen nicht zu groß wird, zunehmend bewußt worden. Das gilt besonders für die Zeit nach dem letzten Krieg, in der er, wie ausgeführt, auf verschiedenen Wegen versucht hat, die Folgen, die sich aus der dezentralen Struktur der Krankenversicherung für die Beitragssätze ergeben, zu mildern und die Solidarität innerhalb der bestehenden Versichertengemeinschaften durch eine Solidarität unter ihnen zu ergänzen.
Ob nun die Unterschiede, die zur Zeit in den Beitragssätzen der einzelnen Krankenkassen bestehen, zu ungerechtfertigten Benachteiligungen oder Begünstigungen der von ihnen Betroffenen führen, hängt vor allem davon ab, auf welchen Ursachen die Unterschiede beruhen. So wichtig deren Untersuchung und Feststellung hiernach ist, wird sie andererseits dadurch erschwert, daß die Ursachen von Kasse zu Kasse sehr verschieden sein können, auch zum Teil nicht eindeutig "beweisbar" sind und sich insbesondere in ihrem Zusammenwirken kaum ihrem jeweiligen Anteil nach abgrenzen lassen (vgl dazu Appelt/Kreifelts, Die Ursachen der Beitragssatzunterschiede in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Auswirkungen alternativer Finanzausgleichsmodelle, Untersuchung der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH Bonn -GMD- im Auftrag des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, 1976, veröffentlicht als "GMD-Mitteilungen Nr 36", S 11 ff; Buttler/von Leszczynski/Seffen, aaO, S 71 ff; Geißler in Soell/Jaeger/Geißler aaO S 19 ff; Henke, Beitragssatzunterschiede in der gesetzlichen Krankenversicherung aus allokativer und distributiver Sicht, in "Staatsfinanzierung im Wandel", Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Neue Folge Band 134, 1983, S 463, 466 ff; Huppertz/Jaschke/Kops, Beitragssatzdifferenzen und adäquate Finanzausgleichsverfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung, Gutachten im Auftrag des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, veröffentlicht als dessen Forschungsbericht 52 Gesundheitsforschung, 1981, S 25 ff).
Als Faktoren, die den Beitragssatz einer Kasse vor allem bestimmen, kommen - beitragssatzerhöhend - auf der Einnahmenseite ein relativ niedriges Grundlohnniveau und auf der Ausgabenseite eine ungünstige Risikostruktur sowie ein überdurchschnittlich hohes medizinisches Versorgungsangebot in Betracht, das von den Versicherten auch entsprechend genutzt wird. Eine ungünstige Risikostruktur kann namentlich durch einen ungünstigen Altersaufbau der Versicherten, ihre stärkere gesundheitliche Belastung durch Arbeit und Umwelt, einen hohen Anteil von Frauen oder von mitversicherten Familienangehörigen bedingt sein. Daneben werden eine Reihe weniger bedeutsamer Ursachen genannt, wie etwa Unterschiede bei den ärztlichen Honoraren, bei den satzungsmäßigen Mehrleistungen, bei den Verwaltungskosten und - was kurzfristig allerdings besonders zu Buche schlagen kann - bei der Kalkulation der Beitragssätze im Rahmen einer - auch von Erwartungen hinsichtlich der künftigen Wirtschaftsentwicklung mitbestimmten - "Beitragssatzpolitik".
Dabei können sich mehrere ungünstige Faktoren häufen und gegenseitig verstärken. Andererseits können Faktoren, die als solche durchaus wesentlich sind, wegen ihrer Wechselwirkung mit anderen an Bedeutung verlieren. So geht beispielsweise ein - an sich beitragssatzsenkendes - hohes Grundlohnniveau meist mit entsprechenden Ansprüchen an die allgemeine Lebenshaltung einschließlich der medizinischen Versorgung und daher in der Krankenversicherung mit überdurchschnittlichen Leistungsausgaben einher. Bei einem hohen, versicherungsmäßig ungünstigen Anteil von Frauen unter den Mitgliedern kann ein teilweiser Ausgleich durch eine niedrige Familienlastquote eintreten. Ungünstige Einflüsse können auf diese Weise durch die Gegenwirkung von anderen gemildert oder sogar aufgehoben werden; das Gleiche kann geschehen durch (zufällig) günstige Werte in Bereichen, mit denen kein Zusammenhang besteht.
Alle Faktoren unterliegen schließlich - für sich und im Verhältnis zueinander - einem ständigen Wandel, und zwar sowohl bundesweit wie auch im Einzugsbereich der einzelnen Kassen, was bei ihnen dazu führen kann, daß auf Perioden mit unterdurchschnittlichem Beitragssatz solche mit überdurchschnittlichem folgen und umgekehrt. Erhebliche Schwankungen des Beitragssatzes im Verhältnis zum Mittelwert werden sich allerdings in der Regel nur langfristig vollziehen. Immerhin ist nach der dem Senat erteilten Auskunft des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen bei mehreren, zum Teil sogar größeren Kassen der Beitragssatz im Vergleich zum Durchschnittssatz innerhalb von nur zehn Jahren um 2 bis 3 Prozentpunkte gestiegen bzw gefallen. Das bestätigt, daß sich das Beitragssatzgefüge der Kassen in ständiger Bewegung befindet, und gebietet Zurückhaltung bei der Beurteilung vorübergehend auftretender Extremwerte.
Was schließlich die - für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidende - Frage nach der Ausgleichsbedürftigkeit unterschiedlicher Beitragssätze (und der damit verbundenen unterschiedlichen Belastung der einzelnen Krankenkassen und ihrer Mitglieder) betrifft, so sind die Unterschiede nicht sämtlich in gleicher Weise ausgleichswürdig. Vielmehr gibt es Abstufungen:
Ein Ausgleichsbedarf ist am ehesten dort anzuerkennen, wo der hohe Beitragssatz auf Ursachen zurückzuführen ist, zu deren Ausgleich die soziale Krankenversicherung gerade geschaffen worden ist. Das gilt namentlich für Unterschiede bei den Grundlöhnen (Ausgleich zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Versicherten), bei der Zahl der mitversicherten Angehörigen (Familienlastenausgleich) und in der Risikostruktur (Ausgleich zwischen gesunden und kranken Personen bzw je nach Alter, Geschlecht stärker krankheitsanfälligen). Findet insoweit kein genügender Ausgleich innerhalb des bestehenden dezentralen Krankenversicherungssystems, dh bei der einzelnen Kasse, statt, so muß dem Ausgleichsbedürfnis in anderer Weise - innerhalb der jeweiligen Kassenart oder sogar kassenartenübergreifend - Rechnung getragen werden, ohne daß allerdings ein vollständiger Ausgleich gefordert werden kann. Soweit ein solcher dennoch verlangt wird, weil der Gesetzgeber dem selbstgewählten System der auszugleichenden Risiken treu bleiben müsse, ist dem nicht zu folgen. Denn der Gesetzgeber hat für die gesetzliche Krankenversicherung zu keiner Zeit ein System gewählt, in dem die erwähnten Risiken von allen Versicherten vollständig und gleichmäßig getragen werden.
Nicht in gleichem Maße ausgleichsbedürftig sind die Auswirkungen, die eine regional hohe medizinische Versorgung ("Überversorgung") für den Beitragssatz hat. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Bundestages hat deswegen auch den im Regierungsentwurf des KVKG vorgesehen gewesenen obligatorischen Finanzausgleich nicht übernommen; er hat damit verhindern wollen, "daß aufgrund struktureller Unterschiede in der gesundheitlichen Versorgung Krankenkassen in Gebieten mit durchschnittlicher medizinischer Versorgung und Inanspruchnahmehäufigkeit die Krankenkassen in Gebieten mit hohem medizinischen Versorgungsniveau mitfinanzieren" (BT-Drucks 8/338, S 66, zu Art 1 § 1 Nr 44). Zwar findet bei den überregionalen (bundesweit zuständigen) Kassen auch insofern ein Ausgleich statt. Richtig ist ferner, daß die Kassen den Grad der medizinischen Versorgung als solchen kaum zu beeinflussen vermögen; allenfalls können sie die Versicherten dazu anhalten, von dem vorhandenen Versorgungsangebot einen sparsamen Gebrauch zu machen. Zu berücksichtigen ist aber, daß ein hohes Maß an medizinischer Versorgung, zumal bei ihrer vollen (oder gar übermäßigen) Inanspruchnahme, nur den betreffenden Versicherten selbst zugute kommt. Auch der Umstand, daß der Leistungskatalog für alle Kassen inzwischen im wesentlichen gleich ist, rechtfertigt allein noch keinen Ausgleich zwischen Kassen mit relativ hohen und solchen mit geringeren Leistungsaufwendungen; denn darüber, inwieweit Leistungen tatsächlich gewährt werden, entscheiden weniger die Ansprüche als vielmehr ihre Realisierbarkeit aufgrund der bestehenden medizinischen Versorgungslage sowie die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen. Das bedeutet allerdings nicht, daß der Gesetzgeber, wenn er einer medizinischen Überversorgung nicht in anderer Weise begegnet, Beitragssatzunterschiede, die aus diesem Grunde entstehen, unbegrenzt dulden dürfte. Sein Gestaltungsspielraum ist hier jedoch größer als in anderen für einen Belastungsausgleich in Frage kommenden Bereichen.
Es gibt schließlich Ursachen, die geradezu "ausgleichsfeindlich" sind. Hierhin gehören vor allem hohe Verwaltungskosten, eine zu großzügige Leistungsgewährung seitens der Kassenverwaltung, ungenügende Kontrollen, namentlich was die Wirtschaftlichkeit der erbrachten Leistungen betrifft, sowie ein übersteigertes Anspruchsverhalten der Versicherten. Würde auch insofern ein Ausgleich erfolgen, so könnten Mitglieder von Kassen, die fremde Lasten dieser Art mit zu übernehmen hätten, ihrerseits geltend machen, Art 3 Abs 1 GG sei verletzt, weil Ungleiches zu Unrecht gleich behandelt werde; sie müßten dann nämlich die Folgen des unwirtschaftlichen Verhaltens anderer mittragen. Ein solcher Einwand wäre vor allem dann beachtlich, wenn sich der Beitragssatz bei den potentiell ausgleichspflichtigen Kassen bisher nur deshalb im Rahmen gehalten hat, weil die medizinische Versorgung ihrer Mitglieder besonders sparsam war.
Die Schwierigkeiten, die sich hiernach allgemein einer Erforschung der Ursachen besonders hoher Beitragssätze entgegenstellen und die es erschweren, die Ausgleichsbedürftigkeit dieser Ursachen angesichts ihrer wechselseitigen Verflechtung richtig zu bewerten, gelten auch für die Beklagte. Sie ist eine Kasse im nördlichen Westfalen, ist 1977 aus der Vereinigung zweier Kassen (mit Sitz in Burgsteinfurt und Ibbenbüren) entstanden und hat zur Zeit rund 60.000 Mitglieder. Ihr Bezirk ist vorwiegend ländlich und kleinstädtisch geprägt, mit einer im wesentlichen mittelständischen Textilindustrie, die in eine Strukturkrise geraten ist.
Die beanstandeten Beitragssätze der Beklagten - von 14,2 vH ab 1. Januar 1980 und von 14,9 vH ab 1. Juli 1981 - wichen in diesem Ausmaß nur vorübergehend von den durchschnittlichen Beitragssätzen in der gesetzlichen Krankenversicherung (11,36 vH bzw 11,79 vH) ab. So hielten sich die von der Beklagten angegebenen Beitragssätze derjenigen Kassen, aus denen die Beklagte hervorgegangen ist, in den Jahren 1950 und 1960 etwa im Durchschnitt. Später zog der Beitragssatz der Beklagten allerdings an. Dennoch lag er bis Ende 1978 "erst" bei 12,5 vH (Durchschnitt am 1. Januar 1978: 11,47 vH), entwickelte sich dann aber sprunghaft nach oben, und zwar über 13,2 vH vom 1. Januar 1979 (Durchschnitt: 11,27 vH) und 14,2 vH vom 1. Januar 1980 auf schließlich 14,9 vH vom 1. Juli 1981 an. Zum 1. Januar 1983 wurde er wieder auf 13,9 vH herabgesetzt, während der durchschnittliche Beitragssatz annähernd gleich blieb (am 1. Juli 1981 11,79 vH und am 1. Januar 1985 11,73 vH); in dieser Höhe (13,9 vH) gilt er noch heute. Der Abstand zum Durchschnittssatz war also bis 1979 und ist ab 1983 wieder deutlich geringer als in den Jahren 1980 bis 1982 (zu den durchschnittlichen Beitragssätzen aller Kassen vgl Buttler/von Leszczynski/ Seffen, aaO S 35, 38; Geißler in Soell/Jaeger/Geißler, aaO, S 15, 17).
Die Ursachen für den überdurchschnittlichen Anstieg der Beitragssätze der Beklagten in der fraglichen Zeit konnten auch in gezielten, ihre besonderen Verhältnisse berücksichtigenden Untersuchungen nur zum Teil ermittelt und auch, soweit dies möglich war, in ihren Auswirkungen auf die Höhe der Beiträge nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden (vgl Gonto/Stuppardt, Beitragssätze in Steinfurt: Ein regionalspezifisches Strukturproblem, herausgegeben vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen, Referat Statistik und Sozialökonomie; Jaschke/Kops, Die Ursachen der überdurchschnittlich hohen Beitragssätze der gesetzlichen Krankenkassen im Münsterland und die Möglichkeiten einer Beitragssatzverringerung mit Hilfe von Finanzausgleichsverfahren, Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, Sonderveröffentlichung Nr 6, 1981).
Unzutreffend ist insoweit die Behauptung des Klägers, ein wesentlicher Grund für die überhöhten Beitragssätze liege - auf der Einnahmeseite - in der schwachen Wirtschaftsstruktur des Kassenbezirks, die sich in niedrigen Grundlöhnen äußere. Die Grundlohnsumme je Mitglied, die die Beklagte in ihren Geschäftsberichten nennt (zB 22.170,88 DM für 1979 und 25.549,47 DM für 1982), unterschreitet die durchschnittliche Grundlohnsumme der Ortskrankenkassen (22.177,86 DM für 1979 und 25.772,64 DM für 1982) nur geringfügig und auch die Grundlohnsumme aller Kassen (23.325,17 DM im Jahre 1979 und 26.945,19 DM im Jahre 1982) nur um etwa 5 Prozent (vgl die Übersicht bei Stollenwerk, KrV 1983, 241, 258).
Als beitragssatzerhöhend fällt eher - auf der Ausgabenseite - die hohe Familienlastquote ins Gewicht (Jaschke/Kops aaO S 87/90). Denn bei der Beklagten kommen auf ein Mitglied 1,07 mitversicherte Angehörige, bei allen Ortskrankenkassen dagegen nur 0,8 und bei sämtlichen Kassen sogar nur 0,67 (Gonto/Stuppardt aaO, Tabelle 4 der Anlagen). Damit lassen sich die überdurchschnittlichen Beitragssätze zwar zu einem Teil, aber nicht voll erklären, weil die Familienlastquote sich allenfalls langsam verändert, der Beitragssatz der Beklagten jedoch in wenigen Jahren sprunghaft gestiegen und später wieder gefallen ist. Für seine Höhe kommen vielmehr auch eine Reihe anderer Ursachen in Betracht, insbesondere eine überdurchschnittlich aufwendige Behandlungs- und Verordnungspraxis der im Bereich der Beklagten tätigen Ärzte und Zahnärzte, die den Mitgliedern der Beklagten in entsprechend umfangreichen Leistungen zugute gekommen ist. Ihre Aufwendungen pro Mitglied betrugen nach ihrem Geschäftsbericht 2.673,71 DM im Jahre 1979 (Durchschnitt aller Ortskrankenkassen: 2.301,81 DM) und 3.239,67 DM im Jahre 1983 (Durchschnitt: 2.820,97 DM). Die Überschreitungen der Durchschnittswerte waren gerade in den größten Leistungsbereichen (Krankenhauspflege, Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, ärztliche und zahnärztliche Behandlung), die zusammen rund drei Viertel aller Ausgaben ausmachen, besonders hoch. Nur in wenigen Ausgabenbereichen, wie bei Zahnersatz, Barleistungen und Verwaltungskosten, lag die Beklagte ungefähr beim Durchschnitt.
Daß der Gesetzgeber gegenüber der Entwicklung der Beitragssätze nicht untätig geblieben ist, daß seine Vorkehrungen aber bisher nicht zu einer spürbaren Verringerung der Beitragssatzunterschiede geführt haben, ist schon dargelegt worden. Abgesehen von der weiterhin bestehenden Möglichkeit, Ortskrankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen zu vereinigen (§ 389 Abs 2 Satz 1 RVO), und von der Befugnis der Landesverbände, einen Teil der Ausgaben zu übernehmen (§ 407 Nr 5 RVO), hat daran auch der im Jahre 1977 in der KVdR eingeführte obligatorische Lastenausgleich nichts Entscheidendes geändert. Das gleiche gilt für die ebenfalls 1977 in die RVO eingefügten Vorschriften in § 414b Abs 2 Satz 2 und § 414b Abs 2a, mit denen Rechtsgrundlagen für einen weiteren, fakultativen Finanzausgleich innerhalb der Landesverbände geschaffen worden sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber zwar der unterschiedlichen Ausgleichsbedürftigkeit von Ausgaben für bestimmte Risiken und Leistungsarten zum Teil Rechnung getragen und dabei an historische Vorbilder (§ 367b Abs 1 RVO idF des Gesetzes vom 27. März 1923; Abschnitt II Art 8 § 3 AufbG) angeknüpft. Wenn er es gleichwohl - § 13 SVAnpG entsprechend - in § 414b RVO den Landesverbänden überlassen hat, unter gewissen Voraussetzungen für einen Ausgleich zu sorgen, und davon abgesehen hat, über die KVdR hinaus einen Finanzausgleich zwingend vorzuschreiben, so hat er damit auf den gegliederten, dezentralen Aufbau der Krankenversicherung und das Selbstverwaltungsrecht der Krankenkassen in besonderem Maße Rücksicht genommen.
Diese wesentlichen Strukturelemente der Krankenversicherung müssen sich nach Auffassung des erkennenden Senats auch dann bewähren, wenn es gilt, zu großen Beitragssatzunterschieden entgegenzuwirken. Dafür gibt es - trotz der weitgehenden Vereinheitlichung des Leistungsrechts und anderer, die Selbstverwaltung der Kassen einschränkender gesetzlicher Regelungen (vgl den Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, BT-Drucks 7/4244, S 5/6 unter 2.1) - für die Krankenkassen und ihre Verbände eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, seit 1977 auch solche des Finanzausgleichs. Daß hiervon ein verantwortungsbewußter Gebrauch gemacht wird, dient dem Erhalt und Ausbau wesentlicher Merkmale der gesetzlichen Krankenversicherung, namentlich den Grundsätzen der Dezentralisation und der Selbstverwaltung, denen heute wieder erhöhte Bedeutung zukommt (Hendler, Selbstverwaltung als Organisationsprinzip, 1984, S 345 ff).
Der Gesetzgeber darf im übrigen bei der gebotenen langfristigen Betrachtung, die besonders für Ausgleichsregelungen im Bereich der Krankenversicherung angemessen ist, die Wirkung seiner bisher getroffenen Vorkehrungen abwarten. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung, der vielfältigen Ursachen für die Beitragssatzunterschiede und ihrer verschiedenen Ausgleichsbedürftigkeit können die aufgetretenen ungleichen Beitragsbelastungen für vergleichbare Versicherte verschiedener Kassen jedenfalls nicht als schlechterdings unzumutbar bezeichnet werden, auch wenn sie - wie bei der Beklagten während der fraglichen Zeit - vorübergehend einen erheblichen Umfang erreichten.
Nach allem sind die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers unbegründet, die er gegen die Höhe der Beitragssätze der Beklagten (14,2 vH vom 1. Januar 1980 an und von 14,9 vH vom 1. Juli 1981 an) erhoben hat. Seine Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE 58, 134-150 (LT1-2) |
BSGE, 134 |
RegNr, 15823 |
KVRS, A-3060/13 (LT1) |
BR/Meuer RVO § 385, 22-05-85, 12 RK 15/83 (T) |
VdKMitt 1985, Nr 10, 24-26 (SP1-2) |
BKK 1986, 357-363 (T) |
EzS, 55/70 (LT1-2) |
HV-INFO 1986, 1264-1274 (LT1-2, OT1-3) |
SozR 2200 § 385, Nr 14 (LT1-2) |