Beteiligte
Kaufmännische Krankenkasse |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. April 1992 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS).
Der am 17. August 1959 geborene Kläger leistete nach der Reifeprüfung von August 1978 bis Oktober 1979 Zivildienst. Vom Wintersemester 1979/80 an studierte er Physik und bestand im Mai 1986 die Diplomprüfung. Nach einem Aufbaustudium in Umweltwissenschaften vom Wintersemester 1986/87 bis zum Sommersemester 1988 an einer belgischen Universität und in Saarbrücken erwarb er im November 1988 das Europäische Diplom. Während des Wintersemesters 1988/89 blieb er in Saarbrücken immatrikuliert, um die Promotion in Heidelberg vorzubereiten. Vom Sommersemester 1989 an war er an der Universität Heidelberg als Doktorand immatrikuliert. Er erhielt für zwei Jahre ein Promotionsstipendium nach dem Graduiertenförderungsgesetz des Landes Baden-Württemberg von monatlich 1.200 DM. Daneben arbeitete er vier Wochenstunden als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Umweltphysik gegen ein Entgelt von monatlich 319 DM.
Der Kläger wurde von der beklagten Ersatzkasse bis zum Ende des Wintersemesters 1988/89 als versicherungspflichtiger Student behandelt und entrichtete zuletzt einen Monatsbeitrag von 65,25 DM. Im April 1989 teilte die Beklagte ihm mit, er könne, da er im Sommersemester 1989 lediglich zur Promotion eingeschrieben sei, nicht mehr als versicherungspflichtiger Student angesehen werden. Der Kläger wandte sich gegen diese Ansicht, trat der Beklagten jedoch vorsorglich als freiwilliges Mitglied bei (monatlicher Beitrag 125 DM). Mit Bescheid vom 30. Mai 1989 und Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1989 lehnte es die Beklagte ab, den Kläger in der KVdS zu belassen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 18. Oktober 1990 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte den Bescheid dahin geändert, daß die Versicherungspflicht erst ab 1. Mai 1989 verneint wurde, und der Kläger daraufhin beantragt, das Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides zu verpflichten, ihn vom 1. Mai 1989 bis zum 31. März 1991 in der KVdS zu versichern. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 10. April 1992 zurückgewiesen, weil der Kläger nicht mehr Student gewesen sei.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 10. April 1992 und das Urteil des SG vom 18. Oktober 1990 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Mai 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 1989 zu verurteilen, ihn vom 1. Mai 1989 bis zum 31. März 1991 in der KVdS weiterzuversichern, hilfsweise das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß der angefochtene Bescheid für die Zeit vom 1. Mai 1989 bis zum 31. März 1991 rechtmäßig ist. Der Kläger war in dieser Zeit nicht als Student versicherungspflichtig.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 1 SGB V sind Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, bis zum Abschluß des 14. Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres versicherungspflichtig. Halbsatz 2 der Vorschrift bestimmt, daß Studenten nach Abschluß des 14. Fachsemesters oder nach Vollendung des 30. Lebensjahres nur versicherungspflichtig sind, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigen. Der Kläger erfüllte diese Voraussetzungen nicht.
Der Kläger war in der Zeit von Mai 1989 bis März 1991 zwar an einer Universität eingeschrieben. Er war dieses jedoch, wie das LSG in tatsächlicher Hinsicht und in Anwendung nicht revisiblen Landesrechts festgestellt hat, nicht, wie Halbsatz 1 ausdrücklich verlangt, als Student, sondern als Doktorand. Wer wie der Kläger das Studium der Physik im 14. Fachsemester (Sommersemester 1986) mit der Diplomprüfung erfolgreich abgeschlossen hat, ist nicht mehr Student, wenn er später während der Anfertigung seiner Dissertation eingeschrieben ist, um die Universitätseinrichtungen benutzen zu können. Die Promotion im Fach Physik ist nicht Teil des Physikstudiums, sondern setzt nach den Feststellungen des LSG ein erfolgreich abgeschlossenes Physikstudium voraus. Sie ist auch kein Aufbau- oder Erweiterungsstudium, sondern dient der wissenschaftlichen Qualifikation nach Abschluß des Studiums. Daß diese Doktoranden nicht zu den Studenten iS des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 1 SGB V gehören, läßt auch Halbsatz 2 der Vorschrift erkennen, wo von „Fachsemestern” und der „Fachstudienzeit” die Rede ist.
Die Ansicht des Klägers, daß jede Einschreibung an einer Universität ausreiche, um die Versicherungspflicht in der KVdS herbeizuführen, trifft nicht zu. Sie beachtet nicht hinreichend, daß noch oder zumindest auch noch studiert werden muß und das Studieren nicht bereits vollständig abgeschlossen sein darf, wenn weiterhin Versicherungspflicht bestehen soll. In diesem Zusammenhang hat der Senat mit Urteilen vom 29. September 1992 (SozR 3-2500 § 5 Nrn 2 und 3) bereits entschieden, daß Teilnehmer an studienvorbereitenden Sprachkursen und Studienkollegiaten, die an einer Universität ein Eignungsverfahren für den Hochschulzugang durchlaufen, trotz Einschreibung nicht zu den krankenversicherungspflichtigen Studenten gehören. Zwar können die Länder in ihrer Hochschulgesetzgebung und die Universitäten im Rahmen ihrer Rechtsetzungsbefugnis regeln, wer (als Student) eingeschrieben wird. Damit können sie jedoch die Entscheidung über die Versicherungspflicht in der KVdS nicht ausnahmslos präjudizieren. Dazu hat vielmehr der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung (Art 74 Nr. 12 Grundgesetz ≪GG≫) in § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V eine Regelung getroffen, über deren Auslegung die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden. Bei Anwendung dieser Vorschrift ist ihr krankenversicherungsrechtlicher Charakter und Zusammenhang von – Bedeutung, wie ihn der Senat in seinem Urteil zur Begrenzung der KVdS vom 30. September 1992 (12 RK 40/91; demnächst in BSGE Bd 71 = SozR 3-2500 § 5 Nr. 4 = NZS 1993, 111) dargestellt hat. Damit sind die Gründe nicht identisch, die hochschulrechtlich Anlaß sein mögen, auch für solche Personen an den Universitäten, die nicht zu den Studenten im engeren Sinne gehören, eine Einschreibung vorzusehen, um sie in die Universitäten einzugliedern und sie hochschulrechtlich zu erfassen.
Abgesehen davon, daß eingeschriebene Doktoranden wie der Kläger nicht mehr zu den versicherungspflichtigen eingeschriebenen Studenten iS des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 1 SGB V gehören, scheitert die Versicherungspflicht bei ihm auch an Halbsatz 2 der Vorschrift, weil die Zeit des Doktorandenverhältnisses keine Zeit mehr ist, die eine längere Fachstudienzeit als 14 Fachsemester rechtfertigt. Ob das vorangegangene Aufbaustudium in Umweltwissenschaften dazu geeignet gewesen wäre, weil es als Teil einer einheitlichen Ausbildung zum Umweltphysiker angesehen werden könnte, bedarf keiner Entscheidung, weil die Versicherungspflicht während dieser Zeit nicht im Streit ist (vgl. zu einem Aufbaustudium in einem Sonderfall BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 6). Jedenfalls konnte das Doktorandenverhältnis eine über 14 Semester hinausgehende „Fachstudienzeit” nicht rechtfertigen, weil der Kläger vorher (im Sommersemester 1986) im 14. Fachsemester einen berufsqualifizierenden Abschluß als Diplom-Physiker erworben hatte und die Promotion für einen erfolgreichen Studienabschluß nicht erforderlich war. Der auch vom Kläger des vorliegenden Verfahrens vertretenen Ansicht, ein Überschreiten der Höchststudiendauer von 14 Fachsemestern oder 30 Jahren sei nur in Mißbrauchsfällen versicherungsschädlich, ist der Senat schon bisher nicht gefolgt. Er hat vielmehr entschieden, daß der Gedanke der Mißbrauchsabwehr zwar den Anstoß für die Begrenzung der KVdS gegeben habe, die gesetzliche Regelung aber nicht auf die Abwehr einer mißbräuchlichen Begründung der Versicherung beschränkt, sondern durch die Einführung allgemeiner Schranken nach der Höchstdauer der Fachstudienzeit und des Alters vorgenommen worden ist, die nur ausnahmsweise überschritten werden dürfen (vgl. das erwähnte Urteil vom 30. September 1992 – 12 RK 40/91; demnächst in BSGE Bd 71 = SozR 3-2500 § 5 Nr. 4 = NZS 1993, 111). Die Ansicht, daß Versicherungspflicht in der KVdS nach einem erfolgreichen Abschluß des Studiums im 14. Fachsemester auch während des Erwerbs mehrerer Zusatzqualifikationen (hier zunächst zum Umweltphysiker, dann zum promovierten Umweltphysiker) noch bestehen müsse, ist jedenfalls für eine Promotion im Fach Physik mit der Gesamtregelung in § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V nicht vereinbar.
Wenn dem Kläger als Doktoranden der Zugang zur KVdS versagt bleibt, so ist das nicht verfassungswidrig. Mit verschiedenen verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegen die Begrenzung der KVdS geäußert worden sind, hat sich der Senat in mehreren seiner Urteile vom 30. September 1992 (SozR 3-2500 § 5 Nrn 4 bis 6 und 8) schon befaßt, die Zweifel jedoch sämtlich nicht für durchgreifend erachtet. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip geltend macht, weil er darauf habe vertrauen können, daß er auch als eingeschriebener Doktorand in der KVdS versicherungspflichtig sei, ist das Vertrauen darauf nicht schutzwürdig, zumal er erst nach Inkrafttreten (1. Januar 1989) des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V Doktorand an der Universität Heidelberg geworden ist und die Zugehörigkeit eingeschriebener Doktoranden zum versicherungspflichtigen Personenkreis auch nach früherem Recht (§ 165 Abs. 1 Nr. 5 RVO) nicht gesichert war. Der Kläger hatte immerhin das Recht, sich in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig weiterzuversichern (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der ab 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477; vgl. ab 1. Januar 1993 die Änderung durch Art 1 Nr. 2 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266). Er hat dieses Recht vorsorglich auch ausgeübt. Die mit der freiwilligen Versicherung verbundene höhere Beitragsbelastung muß ihm zugemutet werden. Ob Personen nach erfolgreichem Abschluß eines Fachstudiums von 14 Semestern noch versicherungspflichtig sein können, wenn sie noch ein Studium absolvieren, ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden. Selbst wenn das möglich sein sollte, würden Personen, die lediglich als Doktoranden eingeschrieben sind, nicht ohne sachlichen Grund benachteiligt, wenn sie nicht mehr zu den versicherungspflichtigen Studenten gehören.
Hiernach erwies sich die Revision des Klägers als unbegründet und war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 517915 |
NJW 1993, 3021 |