Beteiligte
Land Mecklenburg-Vorpommern |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. April 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 2. Dezember 1996 aufgehoben.
Der Bescheid des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 17. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1993 wird aufgehoben.
Das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger aus dem Rentenbewilligungsbescheid vom 21. Dezember 1990 vom 1. Oktober 1991 bis 30. April 1998 Übergangsrente in Höhe von monatlich 301,50 DM zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Das beklagte Land trägt die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.
Gründe
I
Streitig ist ein Recht des Klägers auf Gewährung einer Übergangsrente aus der Versorgungsordnung (VersorgO) der Volkspolizei der DDR ab Oktober 1991.
Der 1945 geborene Kläger war in der DDR seit Mai 1965 bei der Volkspolizei, zuletzt ab 1. März 1990 als Polizeidirektor Chef der Bezirkspolizeibehörde der Deutschen Volkspolizei R. (im folgenden BPB) bzw nach Umstrukturierung der Landespolizei ab Januar 1991 weiterhin als Polizeidirektor Leiter der Polizeidirektion R.. Mit Schreiben vom 26. September 1990 kündigte die BPB R. den Dienstvertrag vom 3. Mai 1965 mit Wirkung vom 30. September 1990 mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 1990. Mit Rentenbescheid vom 21. Dezember 1990 bewilligte sie dem Kläger im voraus ab 1. Januar 1991 als dem Zeitpunkt seines (voraussichtlichen) Ausscheidens aus dem Dienst der Volkspolizei eine Übergangsrente (monatlich 603,00 DM) nach den Bestimmungen der – amtlich nicht veröffentlichten – „Ordnung über die soziale Leistungsgewährung an die Angehörigen der Deutschen Volkspolizei” ua vom 1. Juli 1954 idF vom 1. Dezember 1985 (VersorgO Volkspolizei). Der Kläger wandte sich hierauf an den Innenminister des Landes M. -V. Dr. D. mit der Bitte, ihm „eine Chance zu geben”. Am 28. Dezember 1990 kam es sodann zu einem persönlichen Gespräch zwischen dem Innenminister und dem Kläger, bei dem vereinbart wurde, daß der Kläger im Polizeidienst des beklagten Landes verbleiben und er zum Leiter der Polizeidirektion R. bestellt werden sollte. Dies wurde noch am selben Tag der Rentenstelle der BPB mitgeteilt; die Sachbearbeiterin vereinbarte ebenfalls an diesem Tag mit dem Kläger, daß die bereits angewiesene Übergangsrente für Januar 1991 sowie eine einmalige Abfindung in Höhe von 2.500,00 DM (ursprünglich: mit dem kommenden Gehalt verrechnet, später, daß sie) vom Kläger zurücküberwiesen werden sollten. Am 15. Januar 1991 wurde der Kläger von seiner bisherigen Funktion als Chef der BPB R. entbunden und zum Leiter der Polizeidirektion R. bestellt. Nach Einsicht in die Akten der sog Gauck-Behörde kündigte die Polizeidirektion das Dienstverhältnis mit dem Kläger zum 30. September 1991.
Der Kläger beantragte beim Innenministerium des beklagten Landes M. -V. unter dem 17. Juni 1992 die „Wiederinkraftsetzung” seiner Übergangsrente nach dem Ausscheiden aus dem Polizeidienst. Der Innenminister lehnte diesen Antrag ab, weil die Gewährung einer Übergangsrente nur bei einem Ausscheiden aus dem Dienst bis zum 31. Dezember 1990 in Betracht komme; der Kläger sei jedoch (erst) aufgrund der Kündigung zum 30. September 1991 aus dem Polizeidienst ausgeschieden (Bescheid vom 17. September 1993, Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1993).
Das SG Rostock hat den Bescheid des Beklagten vom 17. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1993 aufgehoben und das beklagte Land „dem Grunde nach verurteilt”, dem Kläger Übergangsrente ab dem 1. Oktober 1991 auf der Grundlage des Rentenbescheides vom 21. Dezember 1990 zu zahlen. Das SG führte aus, der Anspruch des Klägers auf Übergangsrente ergebe sich aus dem bestandskräftigen Rentenbescheid vom 21. Dezember 1990. Dieser sei durch das Telefongespräch zwischen dem Kläger und der Sachbearbeiterin K. vom 28. Dezember 1990 nicht aufgehoben worden. Zudem hätte eine solche Aufhebung nur schriftlich erfolgen können. Eine Umdeutung des Ablehnungsbescheides vom 17. September 1993 in einen Aufhebungsbescheid sei nicht möglich. Der Rentenbewilligungsbescheid sei weder nichtig noch habe der Kläger auf die bewilligte Übergangsrente verzichtet oder das Recht auf Zahlung verwirkt (Urteil vom 2. Dezember 1996).
Auf die Berufung des beklagten Landes hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern das Urteil des SG aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 17. September 1993 abgewiesen. Die in der Berufungsschrift enthaltene Aufhebungsentscheidung des Beklagten vom 21. Januar 1997 hat das LSG aufgehoben. Es hat ausgeführt, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf Übergangsrente gehabt, da er nicht bis zum 31. Dezember 1990 aus dem Polizeidienst ausgeschieden sei. Bei einer späteren Entlassung könne der Rentenanspruch nicht mehr entstehen (Urteil vom 28. April 1998).
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und vorgetragen, nach der Kündigung seines ursprünglichen Dienstverhältnisses zum 31. Dezember 1990 sei von ihm mit dem Innenminister Dr. D. am 28. Dezember 1990 nicht die Fortsetzung des „originären Dienstverhältnisses in gleicher Position und zu gleichen materiellen Bedingungen”, sondern eines neuen Dienstverhältnisses in untergeordneter Funktion und zu (unwesentlich) geringeren Bezügen vereinbart worden; eine Rücknahme der Kündigung durch Dr. D. habe nicht stattgefunden. Der – vom LSG verwendete – Begriff der „Selbsterledigung” entziehe sich mangels Rechtsgrundlage einer entsprechenden Beurteilung und werde „ausdrücklich gerügt”. Das LSG habe den „Inhalt des” § 40 SGB X zu Unrecht nicht angewandt und sich statt dessen ausschließlich auf die Vorschriften der VersorgO bezogen. Weder durch die Rückzahlung der Übergangsrente für Januar 1991 noch durch die Vereinbarung vom 28. Dezember 1990 habe er auf das der Zahlung zugrundeliegende Recht verzichtet und dieses auch nicht verwirkt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. April 1998 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 2. Dezember 1996 zurückzuweisen.
Das beklagte Land beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das beklagte Land hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig und zum Teil begründet. Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG insgesamt aufgehoben und die Klage gegen den ablehnenden Bescheid des beklagten Landes vom 17. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1993 in vollem Umfang abgewiesen. Diese Bescheide sind zum Teil rechtswidrig und verletzten den Kläger insoweit in seinen Rechten, als mit ihnen ein Recht auf Übergangsrente auch für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 30. April 1998 uneingeschränkt abgelehnt worden ist. Soweit das LSG den Bescheid des beklagten Landes vom 21. Januar 1997 (Aufhebung der Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft) aufgehoben hat, hat das beklagte Land, das allein durch den Ausspruch des LSG beschwert sein könnte, keine (Anschluß-)Revision eingelegt.
Der Senat hatte eine Billigkeitsentscheidung zu treffen, weil die strikte Anwendung des zwingenden Rechts ohne inneren Wertungswiderspruch nicht möglich war. Der Kläger konnte sich auf einen ihn begünstigenden rechtswidrigen Bewilligungsbescheid berufen, den die zuständige Behörde des Beklagten, deren Leiter er war, gesetzwidrig nicht zurückgenommen hatte. Die Berufung hierauf war jedoch für Bezugszeiten nach dem Urteil des LSG in vollem Umfang, für den streitigen Zeitraum davor zur Hälfte rechtsmißbräuchlich; denn der Kläger war bezüglich des bindend zuerkannten Rechts bösgläubig und trug für die Verzögerung der Rücknahme der Bewilligung Mitverantwortung. Der rechtsstaatliche Grundsatz der Rechtssicherheit, dessen Folge die Bindungswirkung auch rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakte bis zu ihrer wirksamen Rücknahme ist, sprach – bei isolierter Befolgung – für einen vollen Erfolg des Begehrens des Klägers; dem widerstreitend sprach der rechtsstaatliche Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit, in dem das Prinzip von Treu und Glauben begründet ist, – ebenfalls bei isolierter Befolgung – für ein Obsiegen des Beklagten.
1. Der Kläger hatte zwar aufgrund des materiell rechtswidrigen, jedoch bindend gewordenen Rentenbewilligungsbescheides vom 21. Dezember 1990 gegen das beklagte Land ein Recht auf Gewährung einer Übergangsrente:
Mit Bescheid vom 21. Dezember 1990 wurde dem Kläger eine Übergangsrente bewilligt. Grundlage der Rentenbewilligung war vorliegend Teil C X der VersorgO Volkspolizei. Danach erhielten Angehörige der Volkspolizei, die nach einer vollendeten 25jährigen Dienstzeit aus dem Dienstverhältnis ausscheiden, eine Übergangsrente. Diese Bestimmung ist sekundäres Bundesrecht geworden, zumal sie für die Durchführung des im Einigungsvertrag (EV) Nr 9 festgelegten Programms erforderlich war (vgl Urteil des Senats vom 25. März 1997, BSGE 80, 149, 152 zur VersorgO des Ministeriums für Staatssicherheit ≪MfS≫).
Der Bewilligungsbescheid vom 21. Dezember 1990 hat zum 1. Januar 1991 innere Wirksamkeit erlangt, insbesondere war er nicht auflösend bedingt. Er ist nach der Wiedervereinigung, jedoch noch vor Inkrafttreten des für das Verwaltungsverfahren maßgeblichen SGB X und auch vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) des Bundes im Beitrittsgebiet am 1. Januar 1991 ergangen (zum Inkrafttreten des SGB X für den Bereich der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung am 1. Januar 1991 vgl Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990, BGBl II, 885 iVm EV Anlage 1 Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nr 2 – im folgenden EV). Bis zu diesem Zeitpunkt sind für das Verwaltungsverfahren die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der VersorgO Volkspolizei maßgeblich; diese sind ebenso wie das in dieser VersorgO geregelte materielle Recht insoweit sekundäres Bundesrecht geworden, als sie 1. für die Durchführung des im EV Nr 9 festgelegten Programms erforderlich sind und sie 2. mit den allgemeinen rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätzen vereinbar sind. Soweit die VersorgO keine oder keine mit einem rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrensrecht vereinbarten Verfahrensbestimmungen enthält, ist unmittelbar auf die ungeschrieben rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrensgrundsätze zurückzugreifen, wie sie in Rechtsprechung und Literatur vor Inkrafttreten des SGB X bzw des VwVfG auch für das Bundesgebiet entwickelt worden sind (vgl Urteil des Senats vom 15. Dezember 1994, BSGE 75, 262, 266) und diesen Bundesgesetzen zugrunde liegen. Für die Auslegung des sekundären Bundesrechts kommt es im Bereich der „Rentenversicherung” iS des EV nicht auf das Verständnis und die Praxis der DDR, sondern auf die bundesrechtlichen Vorgaben für ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren an.
Demgemäß erlangte der Bescheid vom 21. Dezember 1990 äußere Wirksamkeit, als er dem Kläger bekanntgegeben wurde. Er traf die zum 1. Januar 1991 maßgeblich werdende Regelung, daß der Kläger nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst (frühestens) zum 1. Januar 1991 ein Recht auf eine (monatliche) Übergangsrente in Höhe von 603,00 DM erhalte. Diese Regelung erlangte zum 1. Januar 1991 innere Wirksamkeit und wurde nach allgemeinen rechtsstaatlichen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen auch nicht dadurch (ohne weiteres) gegenstandslos, daß der Kläger mit dem Innenminister des beklagten Landes sein Verbleiben im Polizeidienst vereinbarte und auch nach dem 31. Dezember 1990 noch bis zum 30. September 1991 im Polizeidienst des beklagten Landes verblieb. Eine die Wirksamkeit der Rentenbewilligung auflösende Bedingung (zB Nichtausscheiden aus dem Polizeidienst) konnte nicht „konkludent” mitgeteilt werden, da eine derartige Bedingung auch vor Inkrafttreten des SGB X im Beitrittsgebiet nach allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts der Schriftform bedurfte. Diese war hier nicht eingehalten.
Mit der Vereinbarung über das Verbleiben des Klägers im Dienst auch über den 31. Dezember 1990 ist allerdings ein für die Rentenbewilligung maßgeblich gewesenes Tatbestandsmerkmal entfallen. Die Voraussetzung für die im Bewilligungsbescheid getroffene Regelung, das Ausscheiden aus dem Polizeidienst des Landes, war auch bei Beginn der inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes nicht erfüllt; dadurch hat sich die Bewilligung allerdings nicht „auf sonstige Weise erledigt”. Das anfängliche Fehlen oder der nachträgliche Wegfall der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals bei einer uneingeschränkt getroffenen Regelung bewirken nur ausnahmsweise die Erledigung des Verwaltungsakts, zumal die Voraussetzungen für eine Aufhebung von Verwaltungsakten (vgl § 48 SGB X) unterlaufen würde, wenn die Fortdauer des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen allgemein als stillschweigende Bedingung der Bewilligung eines Rechts auf eine Dauerleistung angesehen würde (BSGE 67, 104, 114 ff = SozR 1300 § 32 Nr 2 mwN; vgl Schneider-Danwitz in: GesamtKomm, Bd 4, § 39 Anm 67). Erledigungsgründe lagen aber nicht vor. Das bedeutet, daß die Rentenbewilligung bindend geworden und – weil das LSG deren Aufhebung rechtskräftig aufgehoben hat – bestandskräftig geblieben ist. Grundsätzlich konnte der Kläger sich also auf sie berufen.
2. Der Beklagte mußte die Bewilligung allerdings ab 1. Januar 1991 aufheben: Der Verwaltungsakt war von Anfang an rechtswidrig, der Kläger bösgläubig und kein Grund vorhanden, ihm die rechtswidrige Begünstigung zu belassen:
a) Der Bewilligungsbescheid war von Anfang an rechtswidrig. Dies ergibt sich aus folgendem: Im EV wurde die Grundentscheidung getroffen, die Rentenansprüche wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod aus den Sonderversorgungssystemen der Deutschen Volkspolizei, der Feuerwehr, des Strafvollzuges, der Zollverwaltung und des MfS ausschließlich in nur eine (Voll-)Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder in nur eine hiermit vergleichbare Versorgungsleistung einmünden zu lassen (vgl EV Kapitel VIII Sachgebiet H – Gesetzliche Rentenversicherung – Nr 9 Buchst b). Weiter wurde bestimmt, daß die in den Sonderversorgungssystemen enthaltenen Regelungen über Versorgungsleistungen aufgrund vorzeitiger Entlassung bei Erreichen besonderer Altersgrenzen oder bestimmter Dienstzeiten (erweiterte Versorgung, Übergangsrenten oder vergleichbare Leistungen) am 31. Dezember 1990 außer Kraft treten und Ansprüche auf solche Versorgungsleistungen nur Personen haben, die am 3. Oktober 1990 die Voraussetzungen für die Versorgungsleistungen erfüllt haben und bis zum 31. Dezember 1990 entlassen worden sind (vgl EV aaO Nr 9 Buchst e Sätze 1 und 2). Im EV (aaO Nr 9 Buchst f) wurde die Bundesregierung zudem ermächtigt, das Nähere hierzu durch Rechtsverordnung zu regeln. Diese Konkretisierung erfolgt nicht durch Rechtsverordnung, sondern durch das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG, verkündet als Art 3 des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991, BGBl I, 1606). Das AAÜG setzt das genannte bundesrechtliche Normprogramm des EV vor allem in seinen §§ 4 und 11 um (Urteile des Senats vom 10. Mai 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 1 S 4 f; vom 29. September 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 3 S 28 f und vom 25. März 1997, BSGE 80, 149, 151 f = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 13). Es überführt die in Sonderversorgungssystemen erworbenen Ansprüche auf „anpaßbare” Leistungen (Invalidenvollrenten, Alters- und Hinterbliebenenrenten) in die Rentenversicherung, wie sie am 1. August 1991 im Beitrittsgebiet bestand (vgl § 4 Abs 2 und 3 AAÜG) und bestimmt andererseits, daß Ansprüche auf Übergangsrente, Vorruhestandsgeld, Invalidenrente bei Erreichen besonderer Altersgrenzen und befristete erweiterte Versorgungen nicht in die Rentenversicherung überführt werden (§ 11 Abs 1 Satz 1 AAÜG); derartige Leistungen werden (seit 1. Januar 1992 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ≪BfA≫ nach den Bestimmungen der VersorgO des Ministeriums für Innere Angelegenheiten vom 1. Juli 1954 idF vom 1. Dezember 1985 von der BfA als Zahlstelle in der vom Versorgungsträger mitgeteilten Höhe) nur dann gezahlt, wenn am 31. Dezember 1991 Anspruch auf diese Leistungen bestand (vgl § 11 Abs 2 AAÜG).
Nach EV Nr 9 Buchst e Satz 2 haben nur solche Personen Anspruch ua auf Übergangsrente, die am 3. Oktober 1990 die Voraussetzungen für diese Versorgungsleistung erfüllt haben und die zum 31. Dezember 1990 entlassen worden sind. Zwar trat der Kläger im Mai 1965 in den Dienst der Deutschen Volkspolizei ein, so daß er am 3. Oktober 1990 auf eine 25jährige Dienstzeit bei der Volkspolizei zurückblicken konnte und er damit – was offen bleiben kann – mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Dienstzeit von 25 Jahren iS von Teil C X VersorgO Volkspolizei vollendet hatte. Er ist jedoch nicht bis – spätestens – zum 31. Dezember 1990 iS von EV Nr 9 Buchst e Satz 2 „entlassen worden”.
Zwar wurde dem Kläger zunächst mit Schreiben der BPB R. vom 26. September 1990 zum 31. Dezember 1990 gekündigt. Aufgrund einer Vereinbarung vom 28. Dezember 1990 zwischen dem Kläger und dem Innenminister des beklagten Landes wurde jedoch die Beschäftigung bei seiner bisherigen Dienststelle über den 31. Dezember 1990 hinaus vereinbart; dabei kann es dahingestellt bleiben, ob mit dieser Vereinbarung die Kündigung vom 26. September 1990 ausdrücklich zurückgenommen wurde. Jedenfalls fand keine Beendigung des Dienstverhältnisses bei der Polizei des beklagten Landes statt. Allein auf das Erlöschen des die Versorgungsberechtigung begründenden Dienstverhältnisses mit dem Funktionsnachfolger vor dem 1. Januar 1991, nicht dagegen auf den bloßen Ausspruch einer – letztlich nicht realisierten/vollzogenen – Kündigung, kommt es im Rahmen des EV Nr 9 Buchst e an. Diese Vorschrift gewährt Personen Bestandsschutz, die mit Wirksamwerden des Beitritts der DDR die Voraussetzungen für einen Anspruch auf bestimmte – nicht überführte – Versorgungsleistungen erfüllten (vgl oben) und spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1990 aus dem das Recht auf die nicht überführte Versorgung begründenden Dienst ausgeschieden sind. Dabei soll die Übergangsrente einen – wenngleich nur begrenzten – Ausgleich für diejenigen Einkommensminderungen bieten, die durch den Übergang von einer in der ehemaligen DDR ausgeübten staatlichen Beschäftigung in eine zivilberufliche Tätigkeit entstanden sind (vgl zur entsprechenden Funktion einer Übergangsrente nach der VersorgO des MfS: Urteile des Senats vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 2 S 17 und vom 29. Juli 1997, SozR 3-8750 § 16 Nr 1 S 10). Damit liegt auf der Hand, daß für einen Bestandsschutz nach EV Nr 9 Buchst e Satz 2 kein Raum in denjenigen Fällen ist, in denen es – wie vorliegend – an einem endgültigen und vollständigen Ausscheiden aus dem Dienst bis zum Ablauf des maßgeblichen Stichtags des 31. Dezember 1990 und damit auch an einem auszugleichenden Einkommensausfall fehlt. Erfolgte die Beendigung des Dienstverhältnisses – wie hier – nach dem 31. Dezember 1990, können Rechte auf nicht in die Rentenversicherung überführte Versorgungsleistungen schlechthin nicht entstehen.
b) Der Kläger war von Anfang an bösgläubig, weil er wußte, daß ihm das Recht auf Übergangsrente zum Januar 1991 nicht zustand; irgendein Sachgrund, der es rechtfertigen könnte, ihm dieses Recht gleichwohl ausnahmsweise zu belassen, ist weder dargetan noch ersichtlich (dazu unter 3.).
Deshalb hätte das beklagte Land die Rentenbewilligung sowohl nach den Vorschriften des SGB X (§§ 45 ff) als auch nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts zurücknehmen müssen. Dies ist jedoch vor dem 21. Januar 1997 – pflichtwidrig – nicht erfolgt. Ob die Aufhebung in der Berufungsbegründungsschrift mit Wirkung für die Zukunft wirksam ausgesprochen wurde, ist vom BSG nicht zu prüfen, weil das LSG diese Aufhebung aufgehoben und das hierdurch allein beschwerte Land hiergegen Revision nicht eingelegt hat. Es liegt mithin keine wirksame Aufhebung der Rentenbewilligung vor. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen darf sich sogar ein bösgläubig Berechtigter – also grundsätzlich auch der Kläger – auf eine solche rechtswidrige Rentenbewilligung berufen; gleichfalls rechtsstaatliche Schranke hierfür ist allerdings, daß er sich dadurch nicht selbst treuwidrig verhält.
3. Der Kläger war von Anfang an bösgläubig. Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG wußte er nämlich im Januar 1991, daß ihm eine Übergangsrente nicht zustand. Er ging davon aus, daß der Rentenbewilligungsbescheid „hinfällig” geworden war. Er wußte ferner, daß er Übergangsrente nur erhalten konnte, wenn er aus dem Dienst ausgeschieden war. Ihm war bekannt, daß er materiell kein Recht auf Übergangsrente hatte; eine Aufhebung der Bewilligung hatte er weder erwartet noch für notwendig gehalten. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen darf ein Bürger sich zwar – wie gesagt – auf den Inhalt eines wirksamen Verwaltungsaktes, den ihm die zuständige Behörde erteilt hat, verlassen und sich darauf einrichten. Andererseits ist aber der – gleichfalls – rechtsstaatliche Grundsatz maßgeblich, daß jemand gegen Treu und Glauben im Verkehr mit der zuständigen Behörde handelt, soweit er sich auf eine Rechtsposition beruft, die ihm zwar zuerkannt ist, von der er aber weiß, daß sie ihm „eigentlich”, dh nach materieller Rechtslage, nicht zusteht. Dies gilt erst recht, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Aufhebung der Rentenbewilligung ab 1. Januar 1991 von einer dem Kläger bis September 1991 untergeordneten Bediensteten seiner Behörde zu verfügen gewesen wäre; schon kraft seiner Stellung als Behördenleiter war er vor dem streitigen Zeitraum in der Lage, auch mit Blick auf seine eigene Rechtsstellung die Herstellung rechtmäßiger Zustände zu veranlassen. Als das LSG in seinem Urteil geklärt hatte, daß dem Kläger Übergangsrente nicht zustand, gab es für ihn endgültig keinen Grund mehr, für die Zukunft auf die Gewährung dieser Leistung zu vertrauen.
Zwischenzeitlich, nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst des Landes, dh ab Oktober 1991 bis zur Entscheidung des LSG, hatte der Beklagte die gebotene Rücknahme weiterhin nicht ausgesprochen und dadurch das Urteil des SG vom 2. Dezember 1996 mit veranlaßt, in dem – isoliert betrachtet – die rechtsstaatlich verwaltungsrechtliche Lage folgerichtig zugrunde gelegt worden war. Ferner hat das Land gegen die Aufhebung seiner Rücknahmeverfügung vom 21. Januar 1997 durch das LSG Revision nicht eingelegt. Der Beklagte hat also in dieser Zeit wesentlich dazu beigetragen, daß der Bewilligungsakt bestehen blieb. Insoweit ist die Berufung des Klägers auf ihn nicht in gleichem Ausmaß rechtsmißbräuchlich wie für die Zeit ab Mai 1998.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat im Wege einer Billigkeitsentscheidung im Einzelfall das Recht des Klägers auf Übergangsrente, das sich aus dem rechtswidrig begünstigenden, aber bindend gewordenen Rentenbescheid vom 21. Dezember 1990 ergab, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben für die Zeit von Oktober 1991 (Geltendmachung der Zahlungsansprüche) bis April 1998 (endgültige „Zerstörung” der durch den Bewilligungsbescheid staatlich gesetzten Vertrauensgrundlage durch das LSG-Urteil) auf die Hälfte seines Wertes beschnitten und für die Zeit danach – zur Vermeidung einer gegen die guten Sitten verstoßenden vorsätzlichen Schädigung des beklagten Landes – als erloschen und damit den Verwaltungsakt als „erledigt” bewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen