Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Pflegeversicherung. Rentenversicherungspflicht. nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson. Beitragspflicht. Zuständigkeit für Feststellung der Versicherungspflicht. Feststellungsklage gegen beigeladenen Träger
Leitsatz (amtlich)
- Besteht Streit über die Versicherungspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson in der Rentenversicherung, bedarf es bei einer Versicherung des Pflegebedürftigen in der privaten Pflegeversicherung zunächst einer Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Rentenversicherungspflicht.
- Eine Klage der Pflegeperson gegen die private Pflegeversicherung auf Beitragszahlung zur Rentenversicherung ist unzulässig. In einem solchen Rechtsstreit ist eine Sachentscheidung zur Rentenversicherungspflicht auch dann nicht zu treffen, wenn der Rentenversicherungsträger beigeladen ist (Fortführung von BSG vom 22.3.2001 - B 12 P 3/00 R = SozR 3-2600 § 3 Nr 5).
Normenkette
SGB XI § 4 Abs. 2 S. 1, §§ 14, 19, 44 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 3 S. 1 Nr. 1a; SGG § 75 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist ein Anspruch auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson.
Die Klägerin war halbtags versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) rentenversichert. Daneben pflegte sie zusammen mit einer weiteren Pflegekraft ihre Mutter bis zu deren Tod im November 1999. Bei ihrer Mutter war Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I anerkannt. Sie war Mitglied der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB), die sich zur Durchführung der Pflegeversicherung für ihre Mitglieder mit der Postbeamtenkasse zur “Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen” (GPV) zusammengeschlossen hat. Im Mai 1998 und erneut im Juli 1999 beantragte die Klägerin bei der KVB, für sie als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson ab Dezember 1997 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten. Die KVB lehnte dies ab. Nach § 4 Abschnitt E Nr 14 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung – Bedingungsteil (MB/PPV 1996) setze die Beitragsentrichtung einen Pflegeaufwand von mindestens 14 Stunden in der Woche voraus. Der Pflegeaufwand der Klägerin für ihre Mutter liege jedoch unter 14 Stunden. Bei der Klägerin liege daher keine Rentenversicherungspflicht vor.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Bei der Feststellung der Mindeststundenzahl sei nicht nur die Arbeitszeit zu berücksichtigen, die auf die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Betreuung entfalle. Zu berücksichtigen sei ausweislich der Gesetzesbegründung zum Elften Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) auch die Zeit, die für ergänzende Pflege und Betreuung iS des § 4 Abs 2 Satz 1 SGB XI benötigt werde (BT-Drucks 12/5262, S 108 zu Abs 3), also auch der Zeitaufwand für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, zB durch Integration in die Familie, Spaziergänge, Verwandtenbesuche und Begleitung zum Arzt. Das Sozialgericht (SG) ist der Ansicht der Klägerin gefolgt und hat die Beklagte mit Urteil vom 26. Februar 2001 verurteilt, für die Klägerin Beiträge an den zuständigen Träger der Rentenversicherung zu zahlen.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Über die Versicherungspflicht einer Pflegeperson in der Rentenversicherung habe nicht die Pflegeversicherung, sondern der Rentenversicherungsträger zu entscheiden. In der Sache seien nur Pflegeleistungen berücksichtigungsfähig, die auch im Rahmen der Einstufung in die einzelnen Pflegestufen von Bedeutung seien. Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Beiladung der BfA mit Urteil vom 12. Februar 2002 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte berechtigt sei, über die Rentenversicherungspflicht der Klägerin zu entscheiden oder ob sie ohne vorherige Entscheidung des Rentenversicherungsträgers zur Beitragszahlung verurteilt werden könne. Denn die Beklagte habe die Zahlung jedenfalls in der Sache zu Recht abgelehnt. Ergänzende Pflegeleistungen (zB Behandlungspflege, nicht verrichtungsbezogene Anleitung oder Aufsicht, Kommunikation oder nicht verrichtungsbezogene Mobilitätshilfen) seien nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und eine Verletzung des § 19 SGB XI und des § 4 Abschnitt E Nr 14 MB/PPV gerügt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 12. Februar 2002 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 26. Februar 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte und die beigeladene BfA beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG in der Sache für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das LSG hat das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Allerdings war die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobene Klage auf Zahlung von Beiträgen an die beigeladene BfA nicht unbegründet, sondern bereits unzulässig. Voraussetzung der Pflicht zur Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung für eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson ist deren Versicherungs- und Beitragspflicht. Besteht hierüber Streit, entscheidet der zuständige Träger der Rentenversicherung durch Verwaltungsakt. Die Beklagte war zur Beitragszahlung schon deshalb nicht verpflichtet, weil es an dieser Entscheidung der beigeladenen BfA fehlt. Im Übrigen könnte die Klägerin auch nach einer ihr günstigen Entscheidung der BfA zur Rentenversicherungspflicht den Beitragseinzug nur von dieser verlangen, ihr Begehren jedoch nicht mit einer gegen die Beklagte gerichteten Zahlungsklage durchsetzen.
Die Klage richtet sich zu Recht gegen die GPV als Versicherer der Mitglieder der KVB (vgl BSGE 86, 94, 96 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3, BSGE 88, 262, 264 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5). Die Klage ist jedoch unzulässig. Ist umstritten, ob Pflegeleistungen in einem für die Versicherungspflicht erforderlichen Umfang verrichtet werden, fehlt es für die allgemeine Leistungsklage einer Pflegeperson gegen die zur Tragung der Rentenversicherungsbeiträge verpflichtete private Pflegeversicherung am erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Die Pflegeperson hat sich in solchen Fällen an den zuständigen Träger der Rentenversicherung zu halten und dessen Entscheidung über die Versicherungspflicht herbeizuführen.
Nach § 3 Satz 1 Nr 1a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sind Personen in der Rentenversicherung in der Zeit versicherungspflichtig, in der sie einen Pflegebedürftigen iS des § 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat. Diese Versicherungspflicht der Pflegepersonen in der Rentenversicherung konkretisiert die leistungsrechtliche Vorschrift des § 44 Abs 1 SGB XI. Nach dessen Satz 1 entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pflichtversicherung durchgeführt wird, sowie die sonstigen in § 170 Abs 1 Nr 6 SGB VI genannten Stellen zur Verbesserung der sozialen Sicherung einer Pflegeperson iS des § 19 SGB XI Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Näheres dazu regeln nach § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XI die §§ 3, 141, 166 und 170 SGB VI. § 166 Abs 2 SGB VI bestimmt die beitragspflichtigen Einnahmen der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen, § 170 Abs 1 Nr 6 SGB VI die Beitragstragung. Eine dem § 44 Abs 1 SGB XI vergleichbare Regelung enthält § 4 Abschnitt E Nr 14 MB/PPV 1996 für die private Pflegeversicherung; für diese sind die Beiträge ebenfalls nach § 166 Abs 2 SGB VI zu bemessen und von den in § 170 Abs 1 Nr 6 Buchst b und c SGB VI genannten Stellen zu tragen. Dazu gehört auch die KVB.
Halten Pflegekassen, private Versicherungsunternehmen oder sonstige der in § 170 Abs 1 Nr 6 Buchst c SGB VI genannten Stellen ihre Leistungspflicht nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB XI bzw § 4 Abschnitt E Nr 14 MB/PPV 1996 für gegeben, haben sie diese ebenso zu erfüllen wie Arbeitgeber, die bei unstreitiger Versicherungspflicht, Beitragspflicht und Beitragshöhe den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für ihre Beschäftigten ohne vorherige Entscheidung der Einzugsstelle zahlen. Besteht aber – wie vorliegend – Streit über die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, hat hierüber bei nicht erwerbsmäßigen Pflegepersonen, bei denen das Einzugsstellenverfahren nicht gilt, zunächst der zuständige Träger der Rentenversicherung zu entscheiden (vgl BSG SozR 3-2600 § 3 Nr 5 S 7). An einer solchen Entscheidung fehlt es hier.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. März 2001 (BSG SozR 3-2600 § 3 Nr 5 S 6) ausgeführt hat, war für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson in der Rentenversicherung jedenfalls bis Ende 2000 der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig. Art 4 Nr 8 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 1983) hat an dieser Zuständigkeit nichts geändert. Zwar wurde durch diese Bestimmung in § 23 Abs 1 Satz 6 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) geregelt, dass die erstmalige Fälligkeit der Beiträge für Pflegepersonen von dem Zeitpunkt abhängig ist, zu dem die “Pflegekasse, das private Versicherungsunternehmen, die Festsetzungsstelle für die Beihilfe oder der Dienstherr bei Heilfürsorgeberechtigten die Versicherungspflicht der Pflegeperson festgestellt hat oder ohne Verschulden hätte feststellen können”. Dadurch wird jedoch keine Entscheidungskompetenz der genannten Stellen begründet, in Streitfällen über die Versicherungspflicht von Pflegepersonen in der Rentenversicherung zu entscheiden. Hierfür hätte es jedenfalls für Unternehmen der privaten Pflegeversicherung einer Beleihung bedurft, die dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Vielmehr ist die Formulierung “die Versicherungspflicht … festgestellt hat” nicht rechtstechnisch iS des Erlasses eines Verwaltungsaktes in einem Streitfall, sondern untechnisch dahin zu verstehen, dass Beiträge für Pflegepersonen erstmals zu dem Zeitpunkt fällig werden, zu dem für die oben genannten Stellen klar ist oder hätte sein müssen, dass eine Beitragspflicht besteht. Die Träger der Rentenversicherung bleiben somit auch über den 31. Dezember 2000 hinaus für die Feststellung der Versicherungspflicht nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen zuständig, unabhängig davon, ob der Pflegebedürftige privat oder sozial pflegeversichert ist.
Demgemäß hätte die beigeladene BfA durch Verwaltungsakt über die Versicherungspflicht der Klägerin in der Rentenversicherung entscheiden müssen, als sich die KVB auf die 1998 und 1999 gestellten Anträge weigerte, für die Klägerin Beiträge an die beigeladene BfA zu zahlen. Eine solche Entscheidung ist nicht ergangen. Sie hätte sowohl von der Pflegeperson als auch von der nach § 170 Abs 1 Nr 6 SGB VI zuständigen Stelle beantragt werden können. Gegen die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers hätte sodann nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens Anfechtungsklage erhoben werden können, auf die hin nach notwendiger Beiladung der für die Beitragstragung zuständigen Stelle im Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Sache zu entscheiden gewesen wäre. Die von einer Pflegeperson gegen den nach § 170 Abs 1 Nr 6 SGB VI zuständigen Träger unmittelbar erhobene Leistungs- oder Feststellungsklage ist demgegenüber hierzu auch nach Beiladung des Rentenversicherungsträgers nicht geeignet. Für derartige Klagen fehlt es am erforderlichen Feststellungsinteresse (vgl § 55 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) bzw am erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Sie sind unzulässig.
Die verfahrensrechtliche Lage von Pflegepersonen unterscheidet sich insoweit nicht von derjenigen, in denen ein angeblicher Arbeitnehmer unmittelbar gegen seinen angeblichen Arbeitgeber auf Feststellung seiner Versicherungs- und Beitragspflicht oder auf Zahlung von Beiträgen klagt (vgl BSG Urteil vom 22. Juni 1966 – 3 RK 103/63 – USK 6642 S 163) oder wenn ein Strafgefangener geltend macht, das Bundesland habe während des Strafvollzuges Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu entrichten. In beiden Fällen hat der erkennende Senat verlangt, dass zuvor die zuständige Stelle (dort Einzugsstelle) über die Versicherungs- und Beitragspflicht entscheidet. Eine vor dieser Entscheidung gegen das Land oder den angeblichen Arbeitgeber gerichtete Klage auf Beitragszahlung ist unzulässig (vgl BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 4 S 9 f für Strafgefangene; zur Unzulässigkeit der Klage eines Gefangenen gegen das Land als Arbeitgeber auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen auf Grund eines Berufsausbildungsverhältnisses vgl BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 5 S 16, oder eines Beschäftigungsverhältnisses während des Maßregelvollzuges vgl BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 6).
Die Klägerin kann ihr Anliegen auch nicht mit einer Feststellungsklage gegenüber der beigeladenen BfA erreichen. § 75 Abs 5 SGG lässt es hier nicht zu, dass gegenüber der beigeladenen BfA festgestellt wird, die Klägerin sei als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson versicherungs- und beitragspflichtig.
Im sozialgerichtlichen Verfahren richtet sich ein Antrag auch auf die Verurteilung des zuständigen Versicherungsträgers, wenn dieser beigeladen und seine Verurteilung nach § 75 Abs 5 SGG zulässig ist. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, sind sie nach § 75 Abs 2 SGG beizuladen. Nach ihrer Beiladung können der Versicherungsträger oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts das Land verurteilt werden (vgl § 75 Abs 5 SGG). Die Regelfälle dieser Art sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Versicherter bei einem Versicherungsträger (zB Krankenkasse) eine in dessen Zuständigkeitsbereich fallende Sozialleistung (zB Krankengeld) beantragt, und der Versicherungsträger diese nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens durch Verwaltungsakt abgelehnt hat. Stellt sich im sozialgerichtlichen Verfahren heraus, dass statt eines Anspruchs auf die beantragte Leistung (Krankengeld) ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung (zB Verletztengeld) in Betracht kommt, die in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers fällt (zB Unfallversicherungsträger), hat das SG letzteren nach § 75 Abs 2 SGG beizuladen. Hält es den Anspruch auf die andere Sozialleistung (Verletztengeld) für begründet, kann das Gericht den beigeladenen Träger nach § 75 Abs 5 SGG zur Leistung verurteilen.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat § 75 Abs 5 SGG über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich für Leistungs- und Verpflichtungsklagen (vgl “verurteilt werden”) in bestimmten Fällen auf Feststellungsklagen über die Versicherungs- und Beitragspflicht entsprechend angewandt (vgl BSGE 22, 173, 180 = SozR Nr 8 zu § 1399 RVO S Aa11) und der erkennende Senat in seinem Urteil vom 22. März 2001 (SozR 3-2600 § 3 Nr 5 S 7 ff) einen erst im Revisionsverfahren gestellten Antrag, die Versicherungs- und Beitragspflicht gegenüber dem beigeladenen Rentenversicherungsträger festzustellen, als zulässig angesehen. In diesem Fall hatte jedoch zuvor die Pflegekasse eine entsprechende Entscheidung durch Verwaltungsakt erlassen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt geklärt war, ob hierfür der Träger der Rentenversicherung oder die Pflegekasse zuständig ist. Klarheit brachte insoweit erst das genannte Urteil des Senats vom 22. März 2001 (BSG SozR 3-2600 § 3 Nr 5 S 8). Im vorliegenden Verfahren hingegen hat die Klägerin gegen die private Pflegeversicherung unmittelbar Klage erhoben. Ein Verwaltungsverfahren über ihre Versicherungspflicht in der Rentenversicherung war zuvor nicht, auch nicht von einem unzuständigen Träger durchgeführt worden. In vergleichbaren Fällen hat der Senat § 75 Abs 5 SGG nicht angewandt und etwa bei den gegen einen angeblichen Arbeitgeber gerichteten Klagen von Arbeitnehmern die Feststellung der Versicherungspflicht gegenüber den beigeladenen Versicherungsträgern nicht erwogen. Der Senat hat es vielmehr als unzulässig angesehen, das gesetzlich zwingend vorgeschriebene Verwaltungsverfahren vor der Einzugsstelle gemäß § 28h Abs 2 SGB IV durch eine unmittelbare Feststellungsklage gegen den Arbeitgeber zu umgehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 6 S 20).
Hieran hält der Senat auch für Fälle der vorliegenden Art fest. Das gesetzlich vorgeschriebene Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ist insoweit nicht bloße Formalie. Vielmehr sollen durch Anhörungs- und Beteiligungsrechte sowie Ermittlungspflichten des Versicherungsträgers die Rechte und Pflichten der Versicherten in einer formalisierten und damit nachvollziehbaren Entscheidungsfindung festgestellt und damit letztlich die Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungshandelns gewährleistet werden. Ein solches Verfahren konnte von der privaten Pflegeversicherung nicht durchgeführt werden. Auf ein Verwaltungsverfahren des Rentenversicherungsträgers konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Versicherungspflicht nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen nicht ausdrücklich geregelt ist und die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers erst durch das BSG geklärt werden musste (vgl BSG SozR 3-2600 § 3 Nr 5).
Nach allem konnte der Senat keine Sachentscheidung darüber treffen, ob die Klägerin wegen Pflege ihrer Mutter in der Rentenversicherung versicherungspflichtig war. Eine Entscheidung der BfA, die insoweit gerichtlich überprüft werden könnte, liegt bislang nicht vor und kann auch über § 75 Abs 5 SGG nicht als entbehrlich angesehen werden. Für den Fall, dass die Klägerin ihr Begehren durch einen Antrag bei der BfA weiterverfolgen sollte, können für die Lösung der umstrittenen Rechtsfrage außer den bereits vorgetragenen Argumenten die Regelung in § 166 Abs 2 SGB VI und die Begründung dazu (BT-Drucks 12/5920 S 107 und BT-Drucks 12/5952 S 53 zu Nr 10) von Bedeutung sein, die gegen die Ansicht der Klägerin zu sprechen scheinen.
- Im vorliegenden Verfahren hatte die Revision aus formalen Gründen (Unzulässigkeit der Klage) keinen Erfolg und war daher zurückzuweisen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten. Das gilt auch für die außergerichtlichen Kosten der hier im Revisionsverfahren obsiegenden Beklagten. Während sich die Kostenregelung für das Verfahren vor dem SG und dem LSG nach § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung richtete, gilt für das Revisionsverfahren § 193 Abs 4 SGG in seiner am 2. Januar 2002 geltenden Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl I 2144; zur Erstattungsfähigkeit der Kosten privater Pflegeversicherungsunternehmen vgl insoweit BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 9 S 46). Danach sind die Aufwendungen der Behörden, der in § 184 Abs 1 genannten Körperschaften nicht (mehr) erstattungsfähig. Das bedeutet, dass einem privaten Pflegeversicherungsunternehmen – trotz Obsiegens – die Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten sind. Das insoweit neue Recht ist auf eine nach In-Kraft-Treten der Neufassung des § 193 Abs 4 SGG eingelegte Revision anzuwenden, auch wenn der Rechtsstreit als solcher vorher anhängig geworden war (vgl BSG 3. Senat, SozR 3-1500 § 164 Nr 13). Den Interessen der privaten Pflegeversicherungsunternehmen hat der Gesetzgeber durch Art 6 Nr 1 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 24. Juli 2003 (BGBl I 1526) im Wege einer Änderung des § 166 SGG Rechnung getragen.
Fundstellen
FA 2004, 96 |
NZS 2004, 369 |
SozR 4-2600 § 3, Nr. 1 |
GesPol 2005, 55 |