Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsverfahren. unrichtige Rechtsanwendung. unzulässige Beschränkung der Überprüfung auf einzelne Elemente eines Leistungsanspruchs -Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges. Berücksichtigung des zur Schuldentilgung einbehaltenen Arbeitsentgelts als Einkommen. bereite Mittel
Leitsatz (amtlich)
1. Die Überprüfung eines Bescheids über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen unrichtiger Rechtsanwendung kann nicht auf einzelne Elemente eines Leistungsanspruchs beschränkt werden, die keinen zulässigerweise abtrennbaren Streitgegenstand bilden.
2. Der Berücksichtigung des zur Tilgung eines Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Arbeitsentgelts als Einkommen stehen die Grundsätze zum bereiten Mittel jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der betreffenden Person ausreichend Mittel zur Deckung des Existenzminimums verbleiben.
Normenkette
SGB 2 § 11 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2011-05-13, § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 40 Abs. 1 S. 1; SGB 10 § 44 Abs. 1 S. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. Dezember 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Im Streit steht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von September 2011 bis April 2012 insbesondere unter Berücksichtigung eines Betrags zur Tilgung eines Arbeitgeberdarlehens als Einkommen.
Der Kläger ging in dem streitbefangenen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit mit einem Bruttoentgelt von 1300 Euro/Monat nach und bezog vom beklagten Jobcenter aufstockendes Alg II. Nachdem er mit seinem bis dahin genutzten Pkw einen Totalschaden erlitten hatte, erhielt er von seinem Arbeitgeber im August 2011 ein Darlehen über 1600 Euro zum Kauf eines neuen Pkw, verbunden mit der Abrede, der Arbeitgeber dürfe von dem auszuzahlenden Entgelt ab September 2011 monatlich 100 Euro einbehalten. Das Begehren des Klägers, nur das so verringerte, ausgezahlte Einkommen der Ermittlung seines Alg II zugrunde zu legen, lehnte der Beklagte auch auf den im Dezember 2012 gestellten Antrag auf Überprüfung der Bescheide zur abschließenden Feststellung der vom Kläger im maßgebenden Zeitraum zu beanspruchenden Leistungen ab (Bescheide vom 3.11.2011, 15.11.2011, 15.12.2011, 31.1.2012, 23.2.2012 und 31.5.2012); das Alg II sei mit ca 330 bis 580 Euro monatlich rechtmäßig bewilligt worden (Bescheid vom 18.4.2013; Widerspruchsbescheid vom 24.6.2013).
Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 1.7.2014; Beschluss des LSG vom 3.12.2015). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Zu Recht habe der Beklagte eine Änderung der Bescheide für den streitbefangenen Zeitraum abgelehnt, weil der Kläger für diese Monate keinen Anspruch auf Festsetzung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines um 100 Euro verminderten Nettoeinkommens habe. Auch wenn dem Kläger die 100 Euro nicht ausgezahlt worden seien, stellten sie für ihn aufgrund der Verringerung der Darlehensschuld einen Wertzuwachs dar und seien als Einkommen nach §§ 11 ff SGB II zu berücksichtigen. Maßgeblich dafür sei allein, dass der Kläger autonom über den Einkommensteil habe verfügen können.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Entscheidung des LSG nach § 153 Abs 4 SGG als verfahrensfehlerhaft und macht materiell eine Verletzung von § 11 Abs 1 Satz 1 und § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II geltend. Die monatlichen Raten von September 2011 bis April 2012 iHv 100 Euro seien keine bereiten Mittel gewesen (Hinweis ua auf BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57). Jedenfalls seien sie als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II von dem zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. Dezember 2015 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 1. Juli 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Bescheide vom 3. November 2011, 15. November 2011, 15. Dezember 2011, 31. Januar 2012, 23. Februar 2012 und 31. Mai 2012 zu ändern und ihm für September 2011 bis April 2012 weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 100 Euro monatlich zu zahlen.
Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zwar ist das LSG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die zur Tilgung des Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Monatsraten als Einkommen zu berücksichtigen waren. Ob die zur Überprüfung gestellten Bescheide auch ansonsten keine Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers aufweisen, kann der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG zu seiner Hilfebedürftigkeit indes nicht abschließend entscheiden.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Überprüfungsbescheid vom 18.4.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2013, mit dem der Beklagte - ein zugelassener kommunaler Träger (§ 6a Abs 2 SGB II iVm § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung) - es auf den Antrag des Klägers vom 20.12.2012 abgelehnt hat, die abschließenden Bewilligungen im Hinblick auf die Tilgungsabrede mit dem Arbeitgeber für den Zeitraum seit Tilgungsbeginn im September 2011 (nicht schon August 2011) bis April 2012 zurückzunehmen und dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv 100 Euro monatlich zu zahlen.
2. Der Sachentscheidung des Senats entgegenstehende Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere stand der angegriffenen Berufungsentscheidung nicht die Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG entgegen, nachdem der angefochtene Überprüfungsbescheid einen Bewilligungszeitraum von acht Monaten umfasst und der Kläger nach seinen Anträgen in den Vorinstanzen zusätzlich noch die abschließende Bewilligung für August 2011 durch Bescheid vom 22.9.2011 in den Rechtsstreit einbezogen hat, sich der Beschwerdewert bei Berufungseinlegung somit auf 900 Euro belaufen hat. Zutreffend verfolgt der Kläger sein Begehren im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG), gerichtet auf die Aufhebung des die Überprüfung der abschließenden Bewilligungen für den streitbefangenen Zeitraum ablehnenden Überprüfungsbescheids sowie auf Erteilung eines entsprechenden Änderungsbescheids und auf höhere existenzsichernde Leistungen (vgl letztens BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 37/15 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 40 Nr 10, RdNr 11 mwN).
3. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres Alg II unter teilweiser Rücknahme der die Leistungen für den streitbefangenen Zeitraum abschließend feststellenden Bescheide sind § 40 Abs 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X und §§ 19 ff iVm § 7 ff SGB II idF des SGB II, die es vor dem streitbefangenen Zeitraum zuletzt durch das Gesetz vom 20.6.2011 (BGBl I 1114) erhalten hat (zur Maßgeblichkeit des zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechts in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl letztens BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 15 mwN).
Auch nach Unanfechtbarkeit ist hiernach ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 40 Abs 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGB X). Ob es so liegt, vermag der Senat mangels ausreichender Feststellungen des LSG zu den mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu deckenden Bedarfen des Klägers nicht abschließend zu entscheiden (dazu 4.). Frei von Rechtsfehlern ist insoweit allerdings, dass zu deren Deckung auch die zur Tilgung des Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Beträge als zu berücksichtigendes Einkommen einzusetzen waren (dazu 5.).
4. a) Im Ausgangspunkt steht dem Überprüfungsbegehren zunächst in zeitlicher Hinsicht nicht die einjährige Verfallsfrist nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X entgegen, denn der Zeitraum der Rücknahme bei Überprüfungen auf Antrag wird von Beginn des Jahres der Antragstellung an gerechnet (§ 44 Abs 4 Satz 3 und Satz 2 SGB X) und daher können auf den Überprüfungsantrag vom Dezember 2012 auch Bewilligungen für das Jahr 2011 zu korrigieren sein.
b) Ebenfalls erfüllte der Kläger die Grundvoraussetzungen, um Alg II zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II), hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland; ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt.
c) Nicht abschließend beurteilen kann der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG, ob die dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum abschließend zuerkannten Leistungen seine Hilfebedürftigkeit iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, §§ 9, 11, 11a, 11b, 12 SGB II abgewendet und seinen Lebensunterhalt gesichert haben. Hilfebedürftig im Sinne der genannten Vorschriften ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs 2 Satz 1 SGB II).
Insoweit trägt der Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG noch den Schluss, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum allein lebte und die von ihm zu beanspruchenden Leistungen deshalb weder vom Bedarf noch von einem etwaigen Einkommen oder Vermögen mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebender Personen abhängen. Nicht zu beurteilen ist dagegen vom Regelbedarf iHv 364 Euro (§ 20 Abs 2 Satz 1 SGB II) bzw 374 Euro (§ 2 RBSFV 2012 vom 17.10.2011, BGBl I 2090 für die Zeit ab dem 1.1.2012) abgesehen, welche weiteren Bedarfe von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu decken waren, weil der Entscheidung des LSG weder Angaben zu den tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 SGB II) noch zu sonstigen Bedarfen wie insbesondere den nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten angefallenen Kosten zur Ausübung eines Umgangsrechts (§ 21 Abs 6 SGB II) zu entnehmen sind.
d) Diese Feststellungen sind für die abschließende Entscheidung nicht deshalb entbehrlich, weil auf die Klage gegen den streitbefangenen Überprüfungsbescheid nur über die Qualifizierung der einbehaltenen Beträge als zu berücksichtigendes Einkommen zu befinden wäre.
Solange eine Sachprüfung nicht schon aus Fristgründen (hierzu jüngst BSG vom 23.2.2017 - B 4 AS 57/15 R - vorgesehen für SozR 4) oder mangels ausreichender Substantiiertheit des Überprüfungsantrags (grundlegend hierzu BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 13 ff; ebenso BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 39/13 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 31 RdNr 15) überhaupt ausscheidet, erstreckt sie sich jedenfalls bei Anträgen nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB X ("das Recht unrichtig angewandt") auf die Rechtmäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Verfügungssätze unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt. Ob wegen unrichtiger Rechtsanwendung "Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht" worden sind, beurteilt sich nach der Übereinstimmung der zuerkannten Leistung mit der objektiven Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsakts und nicht nach der zutreffenden Bewertung einzelner Begründungselemente. Daher ist in der Rechtsprechung des BSG auch anerkannt, dass die Klage gegen einen Überprüfungsbescheid gemäß § 44 SGB X nicht schon deswegen als unbegründet abzuweisen ist, weil im Verwaltungsverfahren keine neuen Gesichtspunkte geltend gemacht worden sind (vgl nur BSG vom 16.5.2001 - B 5 RJ 26/00 R - SozR 3-2600 § 243 Nr 8 S 28 mwN; ebenso Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, 688).
Das nötigt zwar nicht dazu, bindend gewordenes Verwaltungshandeln "ins Blaue hinein" zu überprüfen (BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 19). Insofern wird die Ermittlungspflicht auch der Gerichte durch die Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten beschränkt (Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, 689). Daher gibt ein Überprüfungsantrag nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB X im Geltungsbereich des SGB II etwa keinen Anlass zur Prüfung von besonderen Bedarfslagen etwa zu Härtefallmehrbedarfen nach § 21 Abs 6 SGB II, solange dem Beteiligtenvorbringen oder den Akten kein Anhalt für eine entsprechende Lage entnommen werden kann. Unbeschadet dessen kann die durch einen nicht schon im Ansatz unbeachtlichen Antrag (vgl die Nachweise oben RdNr 17) einzuleitende Prüfung allerdings weder im Verwaltungsverfahren noch in einem etwaigen Gerichtsverfahren auf einzelne Elemente eines Anspruchs nach § 19 SGB II beschränkt werden, die nicht einen abtrennbaren Streitgegenstand bilden und insoweit auch zur isolierten gerichtlichen Überprüfung gestellt werden könnten (vgl etwa zur Abtrennbarkeit von Ansprüchen für Unterkunft und Heizung letztens etwa BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10; BSG vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38, RdNr 12).
Das schließt es grundsätzlich aus, die gerichtliche Kontrolle eines nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGB X beantragten Überprüfungsbescheids auf einzelne Begründungselemente zu beschränken und daraus abzuleiten, dass der zur Überprüfung gestellte Bescheid auch im Übrigen rechtmäßig ist (vgl eingehend BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 24/05 R - BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12 ff mwN). Das gilt zumal bei Zweifeln an der Schlüssigkeit der zur Überprüfung gestellten Entscheidungen wie hier bei schwankenden Leistungsbewilligungen trotz monatlich gleichbleibenden Bruttoeinnahmen und teilweise nicht von der Bedarfsermittlung gedeckten Bewilligungen, was auf nicht ausgewiesene und deshalb zu verifizierende zusätzliche Bedarfe hinweisen kann.
5. Dessen ungeachtet ist das LSG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die zur Darlehenstilgung einbehaltenen Beträge als zu berücksichtigendes Einkommen anzusehen sind und daher insoweit eine Rücknahme der zur Überprüfung gestellten Bescheide nicht veranlasst ist.
a) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was der Leistungsberechtigte vor der Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie siehe BSG vom 30.7.2008 - B 14/11b AS 17/07 R - RdNr 20 ff; siehe auch BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 94/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 46 RdNr 18). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (stRspr seit BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; zuletzt etwa BSG vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 16).
b) Zutreffend ist der Beklagte hiernach davon ausgegangen, dass die Tilgungsbeträge dem Kläger als Einkommen zugeflossen sind. Entscheidend dafür ist allein, dass die Verbindlichkeit des Klägers bei seinem Arbeitgeber durch den abredegemäßen Lohneinbehalt monatlich um 100 Euro reduziert worden ist und der Kläger insoweit einen wertmäßigen Zuwachs um diesen Betrag erlangt hat (zur Qualifizierung von Darlehensrückzahlungen als Einkommen vgl nur BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 21).
c) Der Berücksichtigung des zur Tilgung eines Arbeitgeberdarlehens einbehaltenen Arbeitsentgelts als Einkommen stehen anders als mit der Revision geltend gemacht die Grundsätze zum bereiten Mittel jedenfalls dann nicht entgegen, wenn dem Leistungsberechtigten ausreichend Mittel zur Deckung des Existenzminimums verbleiben.
Nach diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt es bei Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen in einem abschließenden Prüfungsschritt darauf an, ob zugeflossenes Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (vgl letztens zusammenfassend BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 16 mwN). Hiernach darf zum einen eine einmalige Einnahme nicht mehr im Verteilzeitraum als fiktives Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt werden, soweit der Leistungsberechtigte sie bereits zu anderen Zwecken als zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage verwendet hat und sie daher als bereites Mittel nicht mehr geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (grundlegend BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 13 ff mwN; vgl insoweit inzwischen § 24 Abs 4 Satz 2 SGB II). Zum anderen ist die Berücksichtigung als Einkommen auch dann ausgeschlossen, wenn der als Einkommen erlangte Wertzuwachs im Zeitpunkt des Zuflusses aus Rechtsgründen noch nicht als bereites Mittel zur Verfügung steht (vgl letztens BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 16 mwN).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Weder handelt es sich um eine fiktive Einkommenszurechnung trotz vorzeitigen Verbrauchs einmaliger Einnahmen noch um die Zurechnung von Einnahmen, die im Moment ihres Zuflusses noch nicht zur Existenzsicherung eingesetzt werden konnten. Vielmehr hat der Kläger im Vorhinein eine Verwendungsentscheidung über das in den betreffenden Monaten zu erwartende Einkommen getroffen, die grundsätzlich nicht anders zu bewerten ist wie jede andere Entscheidung über die zur Verfügung stehenden Mittel (zur Einkommensverwendung vgl bereits BSG vom 20.2.2014 - B 14 AS 53/12 R - SozR 4-4200 § 11b Nr 4 RdNr 30; BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 10/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 70 RdNr 33). Ohne Bedeutung dafür ist, ob er darin autonom in dem Sinne war, dass ihm tatsächlich andere Handlungsoptionen offen gestanden hätten. Grundsicherungsrechtlich maßgebend ist vielmehr, dass der Kläger im Monat der Einkommensberücksichtigung insoweit einen tatsächlichen Wertzuwachs erhalten hat - er also nicht lediglich fiktiv auf eine bereits in der Vergangenheit zugeflossene einmalige Einnahme verwiesen worden ist - und er davon auch bereits Gebrauch gemacht hat - ihm also die Möglichkeit der Einkommensverwendung nicht erst in Zukunft offen steht.
Inwiefern auf derartige Fälle einer im Monat des Wertzuwachses bereits verbrauchten Einnahme die Grundsätze der bereiten Mittel anzuwenden sind, kann hier offen bleiben. Denn jedenfalls vorliegend steht die Schutzposition des Klägers aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG, die in dem Erfordernis der bereiten Mittel zum Ausdruck kommt, der Berücksichtigung des zur Darlehenstilgung einbehaltenen Betrags als Einkommen nicht entgegen. Ungeachtet der noch zu klärenden Fragen zum Ausmaß seiner Hilfebedürftigkeit ist nämlich der monatliche Einbehalt von 100 Euro durch den Erwerbstätigenfreibetrag gedeckt, der bei einem Erwerbseinkommen von brutto 1300 Euro oberhalb von 100 Euro liegt (§ 11b Abs 3 SGB II; vgl inzwischen ebenfalls § 41a Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II).
d) Schließlich sind die einbehaltenen Beträge nicht als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II von dem zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen. Selbst wenn das LSG - wie der Kläger behauptet - festgestellt haben sollte, dass er zur Erreichung seines Arbeitsplatzes auf den mit dem Darlehen angeschafften Pkw zwingend angewiesen gewesen sei, ist die Anschaffung eines Pkw schon einkommensteuerrechtlich durch einen Arbeitnehmer, wenn es sich bei dem Fahrzeug nicht um ein Arbeitsmittel handelt, stets ein privater Vorgang (BFH vom 1.10.1982 - VI R 192/79 - BFHE 136, 488), was eine Berücksichtigung damit verbundener Aufwendungen als notwendige Ausgabe iS von § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB II über die Beträge nach § 6 Abs 1 Nr 3 Buchst a Alg II-V aF hinaus grundsätzlich schon im Ansatz ausschließt (vgl zum Verhältnis zwischen steuerrechtlichen Werbungskosten und der Einkommensbereinigung nach dem SGB II nur BSG vom 19.6.2012 - B 4 AS 163/11 R - BSGE 111, 89 = SozR 4-4200 § 11 Nr 53, RdNr 18 f; BSG vom 11.12.2012 - B 4 AS 27/12 R - SozR 4-4225 § 6 Nr 2 RdNr 30). Insoweit besteht entgegen der Auffassung der Revision auch kein Anlass zu einem ausnahmsweise erweiternden Verständnis des Absetzbetrags, weil auf besondere Bedarfslagen in diesem Zusammenhang mit Eingliederungsleistungen nach den §§ 16 ff SGB II zu reagieren sein kann, worüber hier indes nicht zu entscheiden ist (vgl dazu BSG vom 19.6.2012 - B 4 AS 163/11 R - BSGE 111, 89 = SozR 4-4200 § 11 Nr 53, RdNr 24).
6. Die vom Beklagten erhobene Verfahrensrüge hinsichtlich eines Einstiegsgelds nach § 16b SGB II und, ob der Kläger im Hinblick auf die von ihm für erforderlich gehaltene erneute Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG zu Recht die Besetzung der Richterbank als unvorschriftsmäßig beanstandet hat, können im Hinblick auf die ohnehin erforderliche Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung offen bleiben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen
BSGE 2018, 199 |
FEVS 2018, 217 |
NZS 2017, 913 |
SGb 2017, 401 |
ZfF 2017, 260 |
info-also 2017, 283 |