Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. März 2002 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Anerkennung seines Unfalles am 21. Juli 1999 als Arbeitsunfall.
Der Kläger fuhr an diesem Tag in seiner Vesperpause zu einem Getränkemarkt, um Getränke zu holen, die während der Arbeitszeit getrunken werden sollten. In diesem Getränkemarkt befindet sich nach dem Durchschreiten der Außentür, einer Glasschiebetür, noch vor dem mit einer “Eingangsklappe” abgetrennten eigentlichen Verkaufsbereich, die Leergutabgabe. Als der Kläger dort Leergut abstellte, explodierte eine schon abgestellte Flasche und verletzte ihn an einem Auge so schwer, dass dieses erblindete.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentür des Getränkemarktes geendet habe (Bescheid vom 26. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2000).
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Mai 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 6. März 2002) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar stünden auch die Wege zur Beschaffung von Getränken oder Lebensmitteln, die während der Arbeit verzehrt werden sollten, unter Versicherungsschutz. Dieser ende aber wie bei der Nahrungsaufnahme mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem die Nahrung zu sich genommen bzw das Getränk gekauft werden sollte. Denn damit sei der öffentliche Verkehrsraum verlassen worden und die Außentür eigne sich aus Gründen der Rechtssicherheit für eine klare Grenzziehung zwischen versichertem und unversichertem Bereich. Der Unfall des Klägers habe sich nach dem Durchschreiten der Außentür des Getränkemarktes ereignet.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, der Unfall habe sich nicht im eigentlichen Verkaufsbereich, sondern in der mit einer “Eingangsklappe” von diesem abgetrennten Leergutabgabe ereignet. Auf diese “Eingangsklappe”, hinter der sich auch die Kassen befänden, müsse im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Interesse der Rechtssicherheit als Grenze abgestellt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. März 2002, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. Mai 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall des Klägers am 21. Juli 1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Unfall des Klägers am 21. Juli 1999 ist nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10). Bei dieser Wertung, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung ausgeübt hat, stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19).
Der Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit ist von der Notwendigkeit geprägt, persönlich an der Arbeitsstelle anwesend zu sein und dort die betriebliche Tätigkeit zu verrichten. Darüber hinaus stehen Wege zur Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit unter Versicherungsschutz, weil sie dadurch gekennzeichnet sind, dass sie regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlungen sind, um die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und es ihm zu ermöglichen, die jeweilige betriebliche Tätigkeit fortzusetzen (stRspr BSGE 4, 219, 223; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 15). Das Essen und Trinken selbst sowie der Aufenthalt am Ort der Nahrungsaufnahme sind in der Regel dem persönlichen Bereich zuzuordnende nicht versicherte Betätigungen (BSGE 11, 267, 268; BSG SozR 2200 § 548 Nr 97; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 15).
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung auch entschieden, dass der Weg zur oder von der Arbeit sowie zur oder von der Nahrungsaufnahme mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, in dem zB die Wohnung oder die Gaststätte bzw Kantine liegt, endet bzw beginnt. Der Versicherungsschutz erstreckt sich damit nicht auf Unfälle auf Wegen in dem Gebäude, in dem zB die Wohnung oder Gaststätte liegt (vgl zur Wohnung: BSGE 2, 239, 243 f; 22, 240, 242 f; 63, 212, 213; SozR 3-2700 § 8 Nr 3; zur Kantine, Gaststätte: BSG Urteil vom 26. April 1973 – 2 RU 213/71 –; BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 15). Hinsichtlich der Wohnung ist auch dann, wenn diese in einem Mehrfamilienhaus liegt, die Außentür des Gebäudes maßgebend (vgl schon BSGE 2, 239, 243 f); bei einer Gaststätte, die sich in dem Obergeschoss eines Einkaufszentrums befindet, ist auf die Außentür des Einkaufszentrums abgestellt worden (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 15). Bei dieser auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zwischen dem versicherten Weg und dem unversicherten Bereich hat sich das BSG ausschlaggebend von dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und dem Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung leiten lassen und keine Ausnahmen zugelassen. Die Grenze “Außentür des Gebäudes” trennt klar den öffentlichen Verkehrsraum von dem übrigen Bereich ab, zB dem Haus des Versicherten, in dem seine Wohnung ist, oder dem Gebäude, in dem die von ihm zur Nahrungsaufnahme ausgewählte Gaststätte liegt.
Nichts anderes gilt, wenn der Versicherte während der Arbeitszeit sich zur Nahrungsaufnahme nicht in eine Gaststätte oder Kantine begibt, sondern in einem Geschäft die zum Verzehr von ihm während der Arbeitszeit benötigten Lebensmittel oder Getränke kaufen will. Etwas anderes könnte nur ggf bei einem sog Frühstücksholer gelten, der im Auftrag des Unternehmers zB für die gesamte Maurerkolonne das Frühstück einkauft und sich aufgrund dieses Auftrags auf einem Betriebsweg (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 63; SozR 3-2700 § 8 Nr 3) befindet.
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger aufgrund der nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG am 21. Juli 1999 keinen Arbeitsunfall erlitten. Denn der Unfall ereignete sich nach dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes des Getränkemarktes im Bereich der Leergutabgabe. Dass der Kläger noch eine weitere “Eingangsklappe” durchschreiten musste, um in den eigentlichen Verkaufsraum für Getränke zu kommen, ändert nichts daran, dass die Glassschiebetür die Außentür des Gebäudes ist und damit die Grenze zwischen dem versicherten Teil seines Weges und dem unversicherten Teil in dem Gebäude. Überzeugende Gründe, die Grenze von der Außentür des Gebäudes zu der “Eingangsklappe” des Verkaufsbereichs zu verlegen, sind dem Revisionsvorbringen des Klägers, das sich im Übrigen auf die oben dargestellte Rechtsprechung des BSG bezieht, nicht zu entnehmen. Denn bei der Leergutabgabe war der Kläger nicht mehr im öffentlichen Verkehrsraum, sondern in dem Gebäude, in dem er die Getränke kaufen wollte, und aus den genannten Gründen der Rechtssicherheit ist auch vorliegend an der Grenze “Außentür” festzuhalten.
Die Revision ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 959945 |
BuW 2004, 215 |
AUR 2003, 359 |