Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beigeladene wirksam einen Teil des ihm zustehenden Kindergeldes an den Kläger abgetreten hat und die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) daher verpflichtet ist, diesen Teil an den Kläger auszuzahlen.
Der Kläger, geboren am 3. Dezember 1970, ist das nichteheliche Kind des Beigeladenen. Für dieses Kind erhält der Beigeladene kein Kindergeld, sondern es wird lediglich bei der Berechnung der Höhe des Kindergeldes, das er für seine drei ehelichen Kinder erhält, als Zählkind (erstes Kind) j berücksichtigt. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) betrug danach das Kindergeld des Beigeladenen für drei eheliche Kinder ab 1. Januar 1978 380,-- DM monatlich, ab 1. Januar 1979 480,-- DM und ab 1. Juli 1979 500,-- DM statt 350,-- DM (§ 10 Bundeskindergeldgesetz -BKGG-). Den Betrag des Kindergeldes, um den es wegen der Berücksichtigung des Zählkindes erhöht ist (sogenannter Zählkindervorteil), trat der Beigeladene mit Erklärung vom 17. Januar 1978 schriftlich zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht an den Kläger ab. Das Arbeitsamt Trier lehnte ihre Befolgung mit der Begründung ab, für den Kläger selbst werde dem Beigeladenen kein Kindergeld gezahlt (Bescheid vom 6. Juli 1978; Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1978).
Das Sozialgericht (SG) Trier trennte das Verfahren für die Zeit bis einschließlich 29. Februar 1980 ab und verurteilte die Beklagte, von dem Kindergeld des Beigeladenen monatlich 150,-- DM an den Kläger auszuzahlen, sowie den Beigeladenen, diese Auszahlung zu dulden (Urteil vom 31. Januar 1980). Das LSG Rheinland-Pfalz wies die Berufung der Beklagten zurück (Urteil vom 8. September 1980) und führte u.a. aus: Die Abtretung des Zählkindervorteils für die in diesem Verfahren allein streitige Zeit ab 1. März 1980 sei nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil SGB 1) wirksam. Die Übertragung liege im wohlverstandenen Interesse des Beigeladenen, denn dadurch erfülle er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Zählkind. Dies gelte im vorliegenden Fall besonders deshalb, weil sie vorgenommen worden sei, um zu verhindern daß der Beigeladene weiterhin wegen Verletzung der Unterhaltspflicht strafrechtlich verfolgt werde. Soweit eine Abtretung von Kindergeld an Zählkinder vor Inkrafttreten des SGB 1 ausgeschlossen gewesen sei, sei diese Rechtslage überholt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 53 SGB 1, 12 Abs. 4 BKGG, 103, 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Eine Abtretung von Kindergeld an Zählkinder sei nach wie vor ausgeschlossen und liege nicht im wohlverstandenen Interesse des Beigeladenen, da auf Zählkinder nach der auch im Rahmen des § 53 SGB 1 weiterhin zu berücksichtigenden Vorschrift des § 12 Abs. 4 BKGG kein Teil des Kindergeldes entfalle; dies werde vielmehr ausschließlich für die Zählkinder gewährt. Ferner habe das LSG den Sachverhalt nicht erschöpfend aufgeklärt, da die von ihm angenommene Anzahl der zu berücksichtigenden Kinder unrichtig und es daher von falschen Kindergeldbeträgen ausgegangen sei. Die genaue Anzahl der Kinder hätte es durch Anhörung des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ermitteln müssen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 8. September 1980 und das Urteil des SG Trier vom 31. Januar 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat mit am 25. Juni 1981 eingegangenem Schriftsatz die Abtretungserklärung widerrufen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, von dem dem Beigeladenen zustehenden Kindergeld 150,-- DM an den Kläger zu zahlen, denn die Abtretung ist weder nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB 1 noch nach § 53 Abs. 3 SGB 1 wirksam.
Nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB 1 können Ansprüche auf Geldleistungen übertragen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß die Übertragung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt. Die Beklagte hat zu Recht entschieden, daß diese Voraussetzung nicht gegeben ist.
Die Übertragung liegt deshalb nicht im Interesse des Beigeladenen, weil ihm das Kindergeld einschließlich des Zählkindervorteils für die Zahlkinder gewährt wird und nicht - auch nicht anteilig - für das Zählkind. Dies kann allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten nicht damit begründet werden, daß § 12 Abs. 4 BKGG i.d.F. des Einkommensteuerreformgesetzes (EStRG) vom 5. August 1974 (BGBl I, 1769, 1848; Neufassung unter Berücksichtigung der Auslegung des früheren § 12 Abs. 4 BKGG durch das Bundessozialgericht -BSG- in BSGE 30, 135) für die Abtretung von Kindergeld immer noch gelte. Diese Vorschrift hatte Bedeutung für die vor dem Inkrafttreten des SGB 1 am 1. Januar 1976 geltenden Bestimmungen des § 12 Abs. 1, Abs. 2 BKGG über die Abtretung von Kindergeld. Danach war eine Abtretung eines Teils des Kindergeldes an ein Zählkind nicht zulässig, dem der Anspruch auf Kindergeld konnte wegen des Anspruchs eines Kindes auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nur in Höhe des Kindergeldes abgetreten werden, das "auf ein Kind entfällt". Auf ein Zählkind entfällt jedoch nach § 12 Abs. 4 BKGG kein Kindergeld, denn hiernach gilt als auf ein Kind entfallendes Kindergeld der Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf alle Kinder, für die dem Berechtigten Kindergeld geleistet wird, ergibt. Für ein Zählkind wird dem Berechtigten aber kein Kindergeld gezahlt. Durch Art. II § 12 SGB 1 sind die Absätze 1 und 2 des § 12 BKGG ausdrücklich gestrichen und durch §§ 53, 54 SGB 1 ersetzt worden; sie enthalten keine Bezugnahme auf § 12 Abs. 4 BKGG. Daß diese Vorschrift bisher nicht gestrichen worden ist, beruht lediglich darauf, daß sie für die Auslegung anderer Bestimmungen, die sich auf sie beziehen, wie § 1615g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), weiterhin erforderlich ist (vgl. BR-Drucks 385/1/78 vom 15. September 1978, S. 3 zu dem Entwurf des Achten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 14. November 1978; vgl. auch § 583 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung -RVO-). Ursprünglich sollte der ganze § 12 BKGG durch das SGB 1 gestrichen werden (BR-Drucks 305/72, S. 13); Abs. 4 blieb lediglich aus "redaktionellen" Gründen erhalten (BT-Drucks 7/3738 S. 34; BT-Drucks 7/3786, S. 6) ohne daß hieraus der Schluß gezogen werden kann, daß deshalb die Regelung des § 12 Abs. 4 BKGG weiterhin u.a. für die Übertragung von Kindergeld unmittelbare Bedeutung haben sollte. Sofern in dem Urteil des bisher für das Kindergeldrecht zuständigen 8. Senats des BSG vom 25. Oktober 1977 (BSGE 45, 95, 108) eine andere Auffassung zum Ausdruck kommen sollte, folgt der Senat ihr nicht (vgl. auch das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats - Auszahlung von Kindergeld (§ 48 SGB 1) - vom 25. März 1982 - 10/8b RKg 22/80 -).
Obwohl durch § 53 SGB 1 und die Streichung des § 12 Abs. 1, 2 BKGG in Art. II § 12 SGB 1 die Abtretung auf eine völlig neue Rechtsgrundlage gestellt worden ist, kann Kindergeld, auch in Höhe des Zählkindervorteils oder eines Teils hiervon, nach wie vor nicht an ein Zählkind abgetreten werden. Dies ergibt sich aus der Zweckbestimmung dieser Leistung, die bei der Ausfüllung des Begriffs "wohlverstandenes Interesse des Berechtigten" zu berücksichtigen ist (vgl. § 37 SGB 1). Tritt der Kindergeldberechtigte Kindergeld an ein Zählkind ab, so verschafft er einem Kind eine Leistung, für das sie ihm nicht gewährt wird; sie wird dem Berechtigten vielmehr ausschließlich - auch in Höhe des Zählkindervorteils - für die Zahlkinder gezahlt, die er durch eine Abtretung des Kindergeldes benachteiligen würde. Zweck der Kindergeldregelung ist es, die Familie, in der das den Kindergeldanspruch auslösende Kind dauernd lebt, zu begünstigen. Diejenigen, die dem Kind eine Heimstatt bieten und sich um sein persönliches Wohl sowie um seine Erziehung kümmern, sollen für die damit verbundenen vom Gesetz unterstellten finanziellen, mindestens aber persönlichen Opfer einen Ausgleich von der Gesellschaft erhalten (BSG SozR 5870 § 2 Nr. 11 und 21; BVerfGE 23, 258, 263 f). Dabei bestimmt sich die Höhe des Kindergeldes nach § 10 BKGG. Auch wenn wegen der Berücksichtigung eines Zählkindes für die Kinder, für die der Kindergeldberechtigte allein oder vorrangig anspruchsberechtigt ist, Kindergeld "für das zweite" oder "für das dritte Kind" i.S. des § 10 BKGG gezahlt wird und deshalb der Kindergeldbetrag höher ist als ohne ein Zählkind, wird ihm nach der gesetzlichen Konstruktion das Kindergeld nur wegen der Zahlkinder gezahlt. Für das als Zählkind zu berücksichtigende Kind wird nicht ihm, sondern einer anderen Person das Kindergeld gewährt, und zwar ebenfalls als Ausgleich für die durch die Betreuung entstehenden bzw. unterstellten finanziellen, mindestens aber persönlichen Opfer. Hierbei kann es vorkommen, daß das Zählkind als Zahlkind je nach der Reihenfolge, in der es zu berücksichtigen ist, einen weiteren Zählvorteil auslöst. Eine doppelte Beteiligung des Zählkindes an den staatlichen Kindergeldleistungen, nämlich einerseits an dem Kindergeldanspruch des vorrangig Berechtigten und andererseits an dem durch den Zählkindervorteil erhöhten Kindergeld des nachrangig Berechtigten, widerspräche der gesetzlichen Regelung im BKGG. Zwar ist der Grund für die Beibehaltung des Zählkindervorteils darin zu sehen, daß ein Kindergeldempfänger auch durch ein Zählkind noch wirtschaftlich belastet werden kann (vgl. BT-Drucks 7/2032, S. 11), jedoch bedeutet dies nicht, daß ihm das erhöhte Kindergeld "für" das Zählkind gezahlt wird, denn das Kindergeld wird nach § 10 BKGG nicht wegen des Zählkindes, sondern "für das zweite" und "dritte Kind" (die Zahlkinder) gewährt. Diese gesetzlich geregelte Zuordnung des Kindergeldes, auch wenn es durch ein Zählkind erhöht ist, hat das BSG bereits in seinem Urteil vom 13. November 1969 (BSGE 30, 135 = SozR § 12 BKGG Nr. 5) als maßgebend für Abtretung und anderweitige Auszahlung erachtet. Sie ist nach wie vor maßgebend und weder durch das EStRG noch durch das SGB geändert worden. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) geht unter Hinweis auf das vorgenannte Urteil auch noch nach Inkrafttreten des SGB 1 davon aus, daß nach dem Regelungszweck des BKGG der Zählkindervorteil allein dem Empfänger des durch diesen Vorteil erhöhten Kindergeldes zu verbleiben hat (BHG FamRZ 1981, S. 26 = MDR 1981, S. 124; BGH FamRZ 1981, S. 630 = MDR 1981, S. 923). Daß bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs nichtehelicher Kinder nach §§ 1615g BGB, 4 Regelunterhalts-Verordnung und möglicherweise auch bei Nichtzahlung des gesetzlichen Unterhalts (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1981, 1196) der Zählkindervorteil zu berücksichtigen ist, kam die Abtretung des Zählkindervorteils nicht rechtfertigen.
Nach der Auffassung des Senats muß angesichts der vielen denkbaren Möglichkeiten, ob und ggf. wie ein oder mehrere Zählkinder den Kindergeldanspruch erhöhen können, die gesetzlich vorgesehene Zuordnung des Kindergeldes bei dem Kindergeldberechtigten, auch wem es durch einen Zählkindervorteil erhöht ist, im Interesse der Klarheit und Rechtssicherheit gewahrt bleiben. Jede Aufspaltung des Kindergeldanspruchs in einen Teil, der für die Zahlkinder, und in einen anderen Teil, der wegen eines oder mehrerer Zählkinder gezahlt wird, würde zu unüberwindlichen Schwierigkeiten führen, zumal dann, wenn eine solche Teilung des Kindergeldanspruchs von Unterhaltsansprüchen der Zählkinder abhängig gemacht würde. Das BKGG enthält klare Regelungen, wem das Kindergeld zu zahlen ist. Allein hierüber haben im Streitfall die Sozialgerichte zu entscheiden. Demgegenüber ist es Aufgabe der Zivilgerichte, die Unterhaltsansprüche der Kinder gegenüber den Elternteilen zu klären. Es liegt nicht im Regelungszweck des BKGG, die Verwaltung oder die Sozialgerichte incidenter diese Unterhaltsansprüche feststellen zu lassen, zumal solches ohnehin für die Zivilgerichte nicht verbindlich wäre.
Im vorliegenden Fall kam die Übertragung des Kindergeldes an den Kläger auch nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, sie liege deshalb im wohlverstandenen Interesse des Beigeladenen, weil sie vorgenommen worden sei, um eine weitere strafrechtliche Verfolgung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht auszuschließen. Da der gesamte Kindergeldanspruch den Zahlkindern zuzuordnen ist, kann eine Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Zählkind nicht darin liegen, daß sich der Unterhaltspflichtige weigerte, seiner Zahlungspflicht durch die Abtretung eines Teils des Kindergeldanspruchs nachzukommen, das ihm für seine Zahlkinder gewährt wird.
Die Übertragung des Kindergeldes ist schließlich auch nicht nach § 53 Abs. 3 SGB 1 wirksam. Danach können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in anderen Fällen übertragen und verpfändet werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen. Im Rahmen dieser Bestimmung braucht der Senat hier nicht zu entscheiden, ob das dem Kindergeldberechtigten gewährte Kindergeld für ihn oder für die Zahlkinder eine solche Leistung darstellt (vgl. BT-Drucks 7/868, S. 31; Burdenski/von Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1981, RdNr. 8 zu § 48 einerseits, andererseits Wannagat, Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, 1977, RdNr. 4 zu § 48). Wie bereits ausgeführt, ist es eine Leistung zugunsten der Familie, nicht zugunsten des Zählkindes. Der Anspruch darauf ist mithin weder zu seiner Unterhaltssicherung, noch allein zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindergeldberechtigten bestimmt und kann deshalb von ihm nicht rechtswirksam auf ein Zählkind übertragen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 518297 |
BSGE, 201 |
Breith. 1983, 81 |