Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Erfordernis der Zusicherung zum Umzug eines unter 25-Jährigen durch den kommunalen Träger. Abschluss eines Vertrages über die Unterkunft vor dem Umzug
Leitsatz (amtlich)
Die Zusicherung des kommunalen Trägers, nach einem Umzug eines volljährigen Leistungsberechtigten unter 25 Jahren Bedarfe für Unterkunft und Heizung anzuerkennen, ist nur bei einem Umzug in eine Unterkunft erforderlich, über die durch den Leistungsberechtigten vor dem Umzug ein Vertrag abgeschlossen wird.
Normenkette
SGB 2 § 22 Abs. 1 S. 1; SGB 2 § 22 Abs. 5 S. 1; SGB 2 § 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. September 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Im Streit ist die Höhe des Alg II des Klägers von August 2013 bis Januar 2014 nach einem Umzug.
Der 1990 geborene, unverheiratete Kläger lebte bis Sommer 2013 im Haushalt seiner Mutter in H (Landkreis L) und bezog bis 31.7.2013 als Angehöriger einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter und Geschwistern Alg II vom Jobcenter Landkreis L Dieses wies ihn zur Verbesserung seiner Eingliederungschancen einer Maßnahme in der Nähe von Ha zu, in deren Rahmen er dort internatsmäßig untergebracht werden sollte. Am 1.8.2013 zog der Kläger zu seiner Freundin A, die er 2008 kennengelernt hatte und die seit ihrem Auszug aus dem elterlichen Haushalt bei den Eheleuten K in deren Wohnung im Haus S in G wohnte. Eine vorherige Zusicherung des Leistungsträgers nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II holte der Kläger nicht ein. Frau A bezog ebenso wie die Eheleute K Alg II vom beklagten Jobcenter. Nach dem Einzug des Klägers reduzierte der Beklagte die Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Eheleute K auf die Hälfte der monatlichen Aufwendungen (zwei von vier Kopfteilen); einen Kopfteil von Frau A berücksichtigte der Beklagte bei der Leistungsbewilligung für sie nicht.
Auf Antrag des Klägers vom 1.8.2013 bewilligte der Beklagte ihm Alg II für die Zeit vom 1.8.2013 bis 31.1.2014 in Höhe von monatlich 306 Euro (Bescheid vom 12.8.2013). Dabei berücksichtigte er neben dem Regelbedarf nur in dieser Höhe keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er einen höheren Regelbedarf und die anteiligen Bedarfe für Unterkunft und Heizung geltend machte, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 4.9.2013): Der Kläger sei als Unter-25-Jähriger ohne Zusicherung des kommunalen Trägers umgezogen, weshalb nach § 22 Abs 5 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht anerkannt werden könnten und nach § 20 Abs 3 SGB II der monatliche Regelbedarf 306 Euro betrage. Durch Änderungsbescheid vom 23.11.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Januar 2014 einen Regelbedarf in Höhe von 313 Euro unter Hinweis auf die zum 1.1.2014 neu festgesetzten Regelbedarfe.
Die auf höhere Leistungen gerichtete Klage wies das SG ab (Urteil vom 12.12.2014). Die Berufung des Klägers wies das LSG zurück (Urteil vom 22.9.2016): Der im streitigen Zeitraum noch nicht 25 Jahre alte Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrten höheren Leistungen, weil er ohne die wegen seines ersten Umzugs aus dem elterlichen Haushalt erforderliche vorherige Zusicherung nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II umgezogen sei und von einer Zusicherung vorliegend auch nicht nach § 22 Abs 5 Satz 3 SGB II abgesehen werden könne. Das Erfordernis einer Zusicherung und die leistungsrechtlichen Folgen eines Umzugs ohne Zusicherung seien nicht verfassungswidrig.
Mit seiner vom BSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Ansprüche auf den höheren Regelbedarf nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II und auf Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sowie eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Bei der verfassungsrechtlich gebotenen restriktiven Anwendung des § 22 Abs 5 SGB II sei eine Zusicherung nicht erforderlich, wenn vor dem Umzug kein Vertrag über die Unterkunft abgeschlossen worden sei, sondern die Bedarfe für Unterkunft und Heizung ausschließlich entstünden, weil der Betroffene in einen anderen Haushalt einziehe und das Jobcenter die Unterkunftsaufwendungen nach dem Kopfteilprinzip zwischen den Haushaltsangehörigen verteile. So liege es hier, weil der Kläger keine eigene Wohnung bezogen und keinen eigenen Mietvertrag unterschrieben habe, sondern sich einem bestehenden Haushalt angeschlossen habe. Seine Bedarfe für Unterkunft und Heizung ergäben sich aus der Verteilung der Unterkunftsaufwendungen nach dem Kopfteilprinzip auf die Haushaltsangehörigen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. September 2016 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12. Dezember 2014 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 12. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September 2013 und des Änderungsbescheids vom 23. November 2013 zu verurteilen, ihm für die Zeit von August 2013 bis Januar 2014 höheres Arbeitslosengeld II zu zahlen.
Der Beklagte verweist auf das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob dem Begehren des Klägers nach höheren Leistungen die leistungsrechtlichen Folgen der unterlassenen Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs 5 SGB II entgegenstehen.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des LSG und des SG und der Bescheid des Beklagten vom 12.8.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.9.2013 sowie der Änderungsbescheid vom 23.11.2013, der für Januar 2014 eine ersetzende Neuregelung enthält und nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Mit seiner zulässig auf den Erlass eines Grundurteils im Höhenstreit (§ 130 Abs 1 SGG; BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 81/12 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 2 RdNr 10) gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) begehrt der Kläger als höhere Leistungen den Regelbedarf für eine alleinstehende Person nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II statt des ihm nur bewilligten geringeren Regelbedarfs nach § 20 Abs 3 iVm Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB II und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe seines Kopfteils an den Aufwendungen für die (auch) von ihm bewohnte Wohnung. Streitig ist der Zeitraum von August 2013 bis Januar 2014.
2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten höheren Leistungsanspruchs des Klägers sind § 19 Abs 1 Satz 1 und 3 iVm § 20 Abs 2 Satz 1 und § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850; Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f).
3. Der Kläger erfüllte nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG die Grundvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (erwerbsfähiger Leistungsberechtigter), aber keinen Ausschlusstatbestand.
Er bildete im streitigen Zeitraum von August 2013 bis Januar 2014 keine Bedarfsgemeinschaft mit anderen Personen, sondern war alleinstehend. Alleinstehend - iS des § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II (dazu 4.) - ist, wer keiner Bedarfsgemeinschaft mit anderen hilfebedürftigen Personen angehört bzw allein für seine Person "eine Bedarfsgemeinschaft" bildet (BSG vom 17.7.2014 - B 14 AS 54/13 R - BSGE 116, 200 = SozR 4-4200 § 7 Nr 37, RdNr 27; zur Auslegung des § 20 Abs 2 SGB II mit Blick auf den Zweck der Zuweisung des Regelbedarfs vgl BSG vom 1.12.2016 - B 14 AS 21/15 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 26 RdNr 16). Der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter gehörte der Kläger nach seinem Auszug nicht mehr an. Mit den Eheleuten K bildete er nach seinem Einzug keine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 2 oder 4 SGB II, weil zu diesen keine Eltern-Kind-Beziehung bestand. Nach den Feststellungen des LSG ergeben sich zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im streitigen Zeitraum mit Frau A eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 1 und 3 Buchst c, Abs 3a SGB II bildete, weil danach beide in dieser Zeit, die mit dem Einzug des Klägers in die Wohnung der Eheleute K am 1.8.2013 begann, nicht als Partner und Partnerin in einem gemeinsamen Haushalt als Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zusammenlebten (zu den Anforderungen an die Feststellung ihres Bestehens vgl BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32, RdNr 13 ff, BSG vom 12.10.2016 - B 4 AS 60/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 51 RdNr 25 ff).
4. Als Regelbedarf werden nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II bei Personen, die alleinstehend sind, im streitigen Zeitraum von August bis Dezember 2013 monatlich 382 Euro und im Januar 2014 391 Euro anerkannt (Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2013 vom 18.10.2012, BGBl I 2175; Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2014 vom 16.10.2013, BGBl I 3857).
Abweichend von § 20 Abs 2 Satz 1 ist nach § 20 Abs 3 SGB II bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs 5 SGB II umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in § 20 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB II genannte, geringere Betrag als Regelbedarf anzuerkennen. Ob diese Abweichung vorliegend zulasten des Klägers eingreift, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden (dazu 7.).
Anhaltspunkte für das Bestehen eines Mehrbedarfs (§ 21 SGB II) des Klägers lassen sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.
5. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Dies setzt bei Mitnutzung einer Wohnung keine vertragliche Verpflichtung zur Tragung von Aufwendungen für diese voraus. Das im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II anzuwendende Kopfteilprinzip weist vielmehr bei der gemeinsamen Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen unabhängig von schuldrechtlichen Verpflichtungen jeder Person einen gleich hohen individuellen Bedarf zu, soweit nicht abweichende vertragliche Vereinbarungen bestehen oder sonst eine Abweichung vom Kopfteilprinzip anzuerkennen ist (BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 22, RdNr 13 ff).
Ob der Kläger Anspruch auf die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe seines Kopfteils an den Aufwendungen für die Wohnung der Eheleute K hat oder ob dem die abweichende Regelung des § 22 Abs 5 SGB II entgegensteht, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden (dazu 7.).
Auf die Frage der Angemessenheit ggf anzuerkennender Aufwendungen des Klägers käme es vorliegend schon mangels Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht an.
6. Dass zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen den Bedarfen des Klägers im streitigen Zeitraum entgegenstehen könnte, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Vielmehr hat nach diesen der Beklagte mit seinen angefochtenen Bescheiden den von ihm für den Kläger anerkannten Regelbedarf nach § 20 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB II in voller Höhe ohne Berücksichtigung von Einkommen oder Vermögen bewilligt.
7. Ob Ansprüchen des Klägers auf den Regelbedarf nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II und auf anteilige Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II widerstreitet, dass er als Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ohne vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers umgezogen ist, oder ob vorliegend die Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs 5 SGB II nicht erforderlich war, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden.
a) § 22 Abs 5 SGB II bestimmt: Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat (Satz 1). Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn 1. die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, 2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder 3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt (Satz 2). Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen (Satz 3). Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen (Satz 4).
b) Der Kläger ist als unter 25 Jahre alte volljährige erwerbsfähige leistungsberechtigte Person aus der bisherigen elterlichen Wohnung ausgezogen und mit seinem Einzug in die Wohnung der Eheleute K in eine andere Unterkunft iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II umgezogen, ohne zuvor eine Zusicherung eingeholt zu haben. Es handelte sich um seinen erstmaligen Umzug, sodass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II stets nur auf den erstmaligen Umzug (so Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 185 f; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 265 f, 268, Stand 10/12; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 194 f) oder auch auf Folgeumzüge (so Piepenstock in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 194) Anwendung zu finden vermag. Mit seinem Umzug hat der Kläger als Alleinstehender "eine Bedarfsgemeinschaft" neu begründet (zu diesem Aspekt eines Umzugs iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II vgl Luik, aaO, § 22 RdNr 202).
c) Das Zusicherungserfordernis vor einem Umzug und die leistungsrechtlichen Folgen seiner Nichteinhaltung greifen nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II nur dann, wenn eine Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, in eine Unterkunft umzieht, über die durch den jungen Erwachsenen vor dem Umzug ein Vertrag abgeschlossen wird (vgl Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 185, 191; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 203). Zwar kann eine Zusicherung nach § 22 Abs 5 SGB II, anders als die nach § 22 Abs 4 SGB II, auch ohne ein konkretes Wohnungsangebot für eine zu beziehende Wohnung eingeholt werden (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 273, 275, Stand 10/12). Doch das Erfordernis der Zusicherung nach § 22 Abs 5 SGB II erfasst nur Umzüge in eine Unterkunft, über die vor dem Umzug ein Vertrag abgeschlossen wird. Allein ein Umzug löst nicht bereits das Zusicherungserfordernis aus.
aa) Nach seinem Wortlaut setzt § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres voraus, dass der kommunale Träger die Anerkennung "vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft" zugesichert hat. Hiernach bedarf es der Zusicherung nicht bei jedem Umzug, sondern nur vor einem Umzug in eine Unterkunft, über die ein Vertrag abgeschlossen wird.
bb) Der Sinn und Zweck des Zusicherungserfordernisses und der leistungsrechtlichen Folgen seiner Nichteinhaltung, wie er durch die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558) bestätigt wird, ergibt nichts Anderes.
Durch § 20 Abs 2a SGB II (als Vorläuferregelung zu § 20 Abs 3 SGB II in Kraft getreten am 1.7.2006) und § 22 Abs 2a SGB II (als Vorläuferregelung zu § 22 Abs 5 SGB II in Kraft getreten am 1.4.2006) sollte als Folgeregelung zur Einbeziehung von im Haushalt lebenden volljährigen Kindern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in eine Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern oder einem Elternteil der Anreiz vermindert werden, auf Kosten der Allgemeinheit erstmalig eine eigene Wohnung bei gleichzeitigem Bezug der vollen Regelleistung (heute: Regelbedarf) zu beziehen. Künftig sollten diese Personen grundsätzlich vor Abschluss des Mietvertrags die Zustimmung des Leistungsträgers einholen müssen (Beschlussempfehlung und Bericht vom 15.2.2006, BT-Drucks 16/688 S 14; zu den Motiven des Gesetzgebers s auch Berlit, info also 2006, 51, 52 ff: Begrenzung des kostenträchtigen Erstbezugs einer eigenen Wohnung; zur rechtstatsächlichen Ausgangslage vor der Neuregelung s Wenner, SozSich 2005, 413).
Diese Anknüpfung der Zusicherung nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II an einen Vertrag ist auch sachgerecht, denn für sie spricht die Warnfunktion des beabsichtigten Vertragsschlusses über die neue Unterkunft. Bevor ein hilfebedürftiger junger Erwachsener rechtsverbindliche vertragliche Pflichten mit Blick auf nach einem Umzug zu tragende Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für eine neue Unterkunft eingeht, besteht für diesen grundsätzlich Veranlassung, die künftige Anerkennung von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als Bedarfe nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch den kommunalen Träger bei fortbestehender Hilfebedürftigkeit zu klären. Bei einem Umzug, der nicht mit der Eingehung vertraglicher Zahlungsverpflichtungen für die neue Unterkunft verbunden ist, kommt diese Warnfunktion nicht zum Tragen.
cc) Es besteht kein Anlass, das Zusicherungserfordernis und damit auch die leistungsrechtlichen Folgen seiner Nichteinhaltung über den nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte nur erfassten Fall des Umzugs in eine Unterkunft, über die vor dem Umzug ein Vertrag abgeschlossen wird, hinaus auf jegliche Umzüge von Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, anzuwenden. Dagegen spricht, dass bereits zum 1.7.2006 mit § 22 Abs 2a Satz 4 SGB II (heute: § 22 Abs 5 Satz 4 SGB II) eine Regelung zur Vermeidung einer Umgehung des Zusicherungserfordernisses eingeführt wurde (Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706), die nicht auf die Einbeziehung jeglicher Umzüge zielt (zum Anwendungsbereich dieser Missbrauchsklausel vgl Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 192, 216 ff).
Gegen die Anwendung des Zusicherungserfordernisses bei einem Umzug, der nicht mit dem Abschluss eines Vertrags über die Unterkunft verbunden ist, sprechen mit Blick auf die leistungsrechtlichen Folgen einer Nichteinhaltung des Zusicherungserfordernisses zudem verfassungsrechtliche Erwägungen. Die durch § 20 Abs 3 und § 22 Abs 5 SGB II vorgesehenen leistungsbegrenzenden Ausnahmeregelungen für junge Erwachsene sind wegen ihrer Strenge eng auszulegen, um deren von Verfassungs wegen zu schützende Belange zu wahren und ihnen eine grundsicherungsrechtlich folgenlose Auflösung des bisherigen gemeinsamen Haushalts mit den Eltern oder einem Elternteil nicht über das durch § 22 Abs 5 SGB II nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift gebotene Maß hinaus zu erschweren (vgl BSG vom 14.3.2012 - B 14 AS 17/11 R - BSGE 110, 204 = SozR 4-4200 § 9 Nr 10, RdNr 30; vgl auch Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 190). Hieran ist nach dem Beschluss des BVerfG vom 27.7.2016 (1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 = SozR 4-4200 § 9 Nr 15) festzuhalten.
Zwar hat das BVerfG das - mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen gewesene - Zusicherungserfordernis des § 22 Abs 2a SGB II (heute: § 22 Abs 5 SGB II) bei seiner Entscheidung berücksichtigt, für zumutbar gehalten und als Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts für zu rechtfertigen angesehen. Doch es hat dabei ausdrücklich nicht darüber entschieden, ob es verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, Bedürftigen bei Auszug aus der Wohnung einer Bedarfsgemeinschaft ohne Zustimmung des Leistungsträgers weiter nur 80 % der existenzsichernden Regelleistung für Alleinstehende und keinerlei Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen, obgleich der existenznotwendige Bedarf stets zu sichern ist (BVerfG vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 = SozR 4-4200 § 9 Nr 15, RdNr 66 f). Die hierin anklingende verfassungsrechtliche Relevanz der leistungsrechtlichen Folgen einer Nichteinhaltung des Zusicherungserfordernisses streitet dafür, es in seiner Anwendung beschränkt zu lassen auf die Umzüge in eine Unterkunft, über die durch den Leistungsberechtigten vor dem Umzug ein Vertrag abgeschlossen wird.
d) Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben kann der Senat nicht beurteilen, ob der ohne vorherige Zusicherung erfolgte Umzug des Klägers dem Zusicherungserfordernis nach § 22 Abs 5 SGB II unterlag. Es fehlen konkrete tatsächliche Feststellungen des LSG dazu, ob der Umzug mit der Eingehung vertraglicher Verpflichtungen durch den Kläger zur Zahlung von Aufwendungen für seine neue Unterkunft verbunden war. Weder den Abschluss eines Vertrags durch den Kläger über die Unterkunft, der vor seinem Abschluss Anknüpfungspunkt für eine Entscheidung des kommunalen Trägers über die Zusicherung nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II hätte sein können, noch das Fehlen eines Vertrags über die Unterkunft hat das LSG konkret festgestellt. Dies wird das LSG zu klären haben, das den Abschluss eines Vertrags vor dem Umzug ungeprüft gelassen hat.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen