Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Versicherungsträger, der Rechts- und Sachlage entsprechend das Recht der Weiterversicherung verbindlich anerkannt (RVO § 1445 Abs 2 aF; RVO § 1423 Abs 3 nF), tritt aber in der Zeit zwischen der abgegebenen Verwaltungserklärung und der Entrichtung des ersten freiwilligen Beitrags eine für den Versicherungsträger nicht voraussehbare Gesetzesänderung ein, die der Gültigkeit freiwilliger Beiträge die Rechtsgrundlage entzieht, dann ist das abgegebene Anerkenntnis gegenstandslos.
2. Als "angemessene Frist", binnen der eine Beitragsentrichtung auf den Zeitpunkt einer Bereiterklärung zurückwirkt, ist eine Zeitspanne anzusehen, die ein sorgfältig und aufmerksam handelnder Mensch unter den Umständen des Einzelfalls einhalten wird.
Normenkette
RVO § 1420 Fassung: 1957-02-23, § 1423 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23, § 1445 Abs. 2 Fassung: 1934-05-17; ArVNG Art. 2 § 4 Fassung: 1957-02-23; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. April 1962 aufgehoben.
Unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. Oktober 1959 wird die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Beklagte lehnt eine Weiterversicherung der Klägerin und die Annahme freiwilliger Beiträge ab (Bescheid vom 16. November 1957; Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1958). Für die Klägerin waren auf der Grundlage der Versicherungspflicht 45 Monatsbeiträge - zuletzt für den Monat September 1955 - nachgewiesen. Deshalb hielt die Beklagte die Klägerin nicht für berechtigt, die Versicherung freiwillig fortzusetzen. Sie meinte, die Klägerin erfülle hierzu weder die Mindestbedingungen des § 1233 der Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von 10 Jahren während mindestens 60 Kalendermonaten Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung erbracht sein müßten; noch komme der Klägerin die Übergangsvorschrift des Art. 2 § 4 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) zugute; insbesondere habe sie von dem ihr früher zustehenden Recht der Weiterversicherung vor dem Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes am 1. Januar 1957 keinen Gebrauch gemacht.
Die Klägerin bestreitet die Richtigkeit dieser Ansicht nicht, will aber ihre Befugnis zur Weiterversicherung aus einem dahingehenden Anerkenntnis der Beklagten hergeleitet wissen. Dazu beruft sie sich auf folgenden Sachverhalt: Im September 1955 wanderte sie für einige Jahre nach Südafrika aus. Schon bald nach ihrer Abreise erkundigte sich ihre Mutter bei der Beklagten, wie die Versicherung im Ausland fortgesetzt werden könne. Die Beklagte übersandte daraufhin der Mutter ein vorgedrucktes Merkblatt über die freiwillige Versicherung beim Aufenthalt im Ausland, teilte mit, daß die Beiträge in ausländischer Währung auf das Konto der Beklagten bei deren Düsseldorfer Bank unter Angabe des Geschäftszeichens zu überweisen seien und bat um Übersendung der letzten Quittungskarte sowie um Angabe der Höhe des monatlichen Einkommens seit Beginn des Auslandsaufenthalts. Dieser Aufforderung kam die Klägerin Anfang November 1956 nach. Hierzu erwiderte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 11. November 1956:
"Wir bestätigen den Eingang Ihrer Quittungskarte Nr. 2
Sie haben in Ihrer Quittungskarte Nr. 2 vom 1.1. 1955 bis 14.9.1955 genügend Pflichtbeiträge nachgewiesen. Natürlich steht es Ihnen frei, über die Mindestzahl von 26 Wochenbeiträgen hinaus bis zu 52 Wochenbeiträgen kalenderjährlich zu entrichten. Gegebenenfalls bitten wir um Mitteilung. Sofern sich Ihr Einkommen für das Kalenderjahr 1956 nicht wesentlich geändert hat, wären folgende Beiträge für 1956 erforderlich:
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1956 |
26 Beiträge der Kl. IX a 11,- DM |
286,- DM. |
Wir empfehlen Ihnen, diesen Betrag im Laufe des Jahres in dortiger Währung auf unser Konto … bei der Deutschen Bank A. G. West in Düsseldorf zu überweisen."
Am 20. September 1957 ging bei der Beklagten ein undatiertes Schreiben der Klägerin ein, in dem diese mitteilte, daß sie ihren Beitrag für 1956 in Höhe von 286,- DM durch ihre Mutter überweisen lassen werde. Die Zahlung erfolgte dann auch alsbald.
Mit der gegenwärtigen Klage begehrt die Klägerin die Beseitigung der ablehnenden Bescheide der Beklagten und die Feststellung ihrer Versicherungsberechtigung. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil des SG Düsseldorf vom 16. Oktober 1959). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25. April 1962).
Beide Instanzgerichte haben angenommen, daß trotz der strengeren Anforderungen des § 1233 RVO nF die Tatsache von nur 45 Pflichtbeiträgen einer freiwilligen Fortsetzung der Versicherung nicht im Wege stehe. Es schade nichts, daß ein freiwilliger Beitrag überhaupt erst nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts (1. Januar 1957) entrichtet worden sei. Denn die Klägerin sei bereits im Jahre 1956 "als Weiterversicherte in den Kreis der Versicherten eingetreten." Sie brauche deshalb weder die Tatbestandsbedingungen des § 1233 RVO aF, noch die der Übergangsbestimmung des Art. 2 § 4 ArVNG zu erfüllen. Hingegen finde die frühere Vorschrift über das Recht der Weiterversicherung in § 1244 RVO aF Anwendung. Ausschlaggebend hierfür sei, daß die Versicherungsberechtigung der Klägerin nicht erst durch Aufwendung eines Beitrags, sondern durch konstitutiven Verwaltungsakt der Beklagten begründet worden sei. Die Beklagte habe in ihren Schreiben vom 19. Januar und 11. November 1956 die Klägerin nicht allein über die Möglichkeit der Weiterversicherung sowie über die Form der Beitragszahlung vom Ausland her belehrt, sondern sie sei in eine konkrete Bearbeitung der ganzen Versicherungsangelegenheit eingetreten, habe entschieden, daß es zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft für 1955 keiner weiteren Beiträge mehr bedürfe und habe sodann die Klägerin in einer den Rahmen einer bloßen Auskunftserteilung überschreitenden Weise "präzise angewiesen", in welcher Höhe und auf welches Konto diese die Beiträge zu zahlen habe. Diese Äußerungen der Beklagten müßten - so wird weiter dargelegt - um so mehr als eine verbindliche "Konstituierung der Weiterversicherung" bewertet werden, als es schon nach dem Gesetz der Mitwirkung der Beklagten bei der Beitragsentrichtung bedurft habe. Wegen ihres Auslandsaufenthalts habe die Klägerin nicht von sich aus die freiwillige Beitragsleistung aufnehmen können, sondern gemäß § 1413 Abs. 2 RVO aF die Hilfe der Beklagten in Anspruch nehmen müssen. Daran knüpft der Berufungsrichter weiter die Erwägung, daß die Beklagte die Beiträge gar nicht erst ohne Klärung der Versicherungsbefugnis habe in Empfang nehmen können, und daß deshalb die Klägerin auf die Gültigkeit der abgegebenen Verwaltungserklärungen habe bauen dürfen. Die dadurch geschaffene Rechtsposition habe die Klägerin nicht vor Ablauf der für die Wirksamkeit von Beiträgen allgemein vorgeschriebenen Fristen (§§ 1418 ff RVO nF) verlieren können. Die Beiträge seien aber dann auch tatsächlich innerhalb dieser Frist überwiesen worden. Damit sei zugleich die freiwillige Versicherung gültig eingeleitet und gefestigt worden. Schließlich bemerkt das Berufungsgericht noch, daß es bei der von ihm angenommenen Rechtslage nicht darauf ankomme, ob die Klägerin auch den Tatbestand des Art. 2 § 4 Abs. 1 ArVNG verwirkliche; denn in ihren Eingaben an die Beklagte könne möglicherweise eine Bereiterklärung gesehen werden, der die Beitragsentrichtung binnen angemessener Frist gefolgt und deshalb gleichzusetzen sei.
Gegen das ihr am 14. Mai 1962 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Mai 1962 die von dem LSG zugelassene Revision eingelegt. Begründet hat sie das Rechtsmittel nach Fristverlängerung mit dem am 4. August 1962 eingegangenen Schriftsatz.
Mit der Revision wendet sich die Beklagte gegen die Auffassung, sie habe durch Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts das Weiterversicherungsverhältnis der Klägerin "konstituiert". Diese Urteilsbegründung - so führt die Beklagte aus - verletze das Grundprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung, daß ein Versicherungsverhältnis überhaupt immer nur durch eine Beitragsentrichtung begonnen und fortgeführt werden könne. Selbst wenn man mit dem Berufungsrichter annehmen wollte, daß in den Erklärungen der Beklagten ein Verwaltungsakt zu erblicken sei, dann wohne einem solchen Hoheitsakt keineswegs eine gestaltende Kraft inne. Die Beklagte habe der Klägerin keine Rechte zugestehen wollen, die dieser nicht ohnehin nach dem Gesetz zuständen. Etwas anderes habe auch die Klägerin selbst gar nicht erwartet. Ein das bestehende Recht bloß feststellender Bescheid vermöge aber keine über die Änderung des Gesetzes hinausgehende und dieser entgegenwirkende Bindung zu erzeugen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 25. April 1962 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1958 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zugelassen und daher statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache selbst ist sie begründet.
Die Norm der Entscheidung ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - dem früheren Recht und namentlich nicht aus § 1244 RVO in der bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Fassung zu entnehmen. Davon wäre nur auszugehen, wenn die Klägerin unmittelbar auf dem Boden dieser Vorschrift oder infolge eines auf diese Bestimmung gestützten Verwaltungsakts ein Recht erworben hätte, welches durch das Neuregelungsgesetz zumindest in seiner Substanz nicht berührt worden wäre. So verhält es sich jedoch nicht.
Welche Rechtsstellung sich für die Klägerin aus ihrem durch Pflichtversicherung eingeleiteten Versicherungsverhältnis ergibt, bestimmt sich mit dem 1. Januar 1957 nach neuem Recht. Das folgt aus Art. 3 §§ 2 und 8 ArVNG und wird nicht zuletzt von dem hier eingreifenden Art. 2 § 4 Abs. 1 und 2 ArVNG vorausgesetzt. Die letztgenannte Bestimmung gibt die Tatbestandsmomente an, die, wenn sie noch während der Gültigkeitsdauer des alten Gesetzes verwirklicht wurden, dafür maßgebend sind, daß sich die Versicherungsberechtigung nach der bisherigen Ordnung richtet. Diesen tatbestandlichen Anforderungen genügt die Klägerin nicht. Sie hat weder bis zum 1. Januar 1957 durch Entrichtung eines freiwilligen Beitrags von dem Recht der Weiterversicherung Gebrauch gemacht (Abs. 1 Satz 1 des Art. 2 § 4 ArVNG), noch hat sie innerhalb von drei Monaten vor dem 1. Januar 1957 Beiträge aus versicherungspflichtiger Beschäftigung entrichtet (Abs. 2 aaO).
Die Klägerin kann auch nicht so behandelt werden, als habe sie vor dem genannten Stichtag mit der Beitragszahlung freiwillig begonnen. Eine derartige Gleichstellung könnte gerechtfertigt sein, wenn der Klägerin der Vorteil einer Bereiterklärung zugute käme. In dieser Beziehung erscheint es zwar nicht ausgeschlossen, daß man den äußeren Tatbestand dieses Rechtsinstituts als erfüllt ansieht (vgl. dazu die Darlegungen in "Die Sozialversicherung" 1959 S. 6). Jedoch wäre außerdem zu erwägen, daß die Klägerin nicht erkennbar den Willen hatte, durch ihre Erklärung einen bestimmten Termin für die Entrichtung der näher bezeichneten Beiträge einzuhalten. Die Auffassung, daß ein solcher Erfolgswille und damit ein subjektives Merkmal wesentlich zum Tatbestand der Bereiterklärung - also einer Willenserklärung - gehört (so RVA am 12.5.1937 DJV 1937, 236), ist neuerdings zum mindesten erheblich eingeschränkt worden (BSGE 10 S. 269, 267). Ob diese Einschränkung berechtigt ist, nicht vielmehr auch heute noch mit dem Reichsversicherungsamt (RVA) die bloß tatsächliche Mitteilung des Versicherten, daß im Augenblick die nicht realisierbare Absicht der Beitragszahlung bestehe, für die Erfüllung des Begriffs Bereiterklärung als nicht genügend anzusehen ist, kann indessen für die hier zu treffende Entscheidung offen bleiben, da jedenfalls die Beiträge nicht binnen angemessener Frist entrichtet worden sind (§ 1420 Abs. 1 RVO) und daher keine Rechtsfolgen aus einer etwaigen Bereiterklärung abgeleitet werden können.
Als angemessen wird nämlich eine Zeitspanne anzusehen sein, die sich nach den näheren Umständen des Einzelfalls bestimmt, und die ein sorgfältig und aufmerksam handelnder Mensch einhalten wird. Die Beitragszahlung braucht, um auf den Tag der Bereiterklärung zurückzuwirken, nicht "alsbald" oder "möglichst rasch" zu erfolgen. Dem Versicherten steht ein gewisser zeitlicher Spielraum zur Verfügung. Es sollen keine übertrieben formellen Hindernisse geschaffen werden, an denen die Wahrnehmung der materiellen Vorteile des Gesetzes scheitern könnten. Andererseits soll aber die Nachentrichtungsfrist nicht auf einen Zeitabschnitt erstreckt werden, dessen Dauer durch ein nachlässiges Verhalten oder gar absichtliches Verschleppen des Betreffenden beeinflußt ist. Eine solche Einstellung des einzelnen ließe den durch einen einheitlichen Willen geprägten Zusammenhalt zwischen dem Anerbieten des Beitrags und der tatsächlichen Zahlung vermissen. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Handeln der Klägerin zu würdigen. Als sie die Beiträge überweisen ließ, waren mehr als zehn Monate seit Erklärung ihrer Leistungsbereitschaft verstrichen. Sie hat damit auch unter Berücksichtigung ihres Auslandsaufenthalts bei weitem die Grenze überschritten, die gezogen werden muß, wenn nicht die einer wirksamen Beitragsentrichtung gesetzten Fristen ihren Sinn überhaupt verlieren sollen.
Daraus folgt, daß die Klägerin die Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund der gesetzlichen Vorschriften weder gültig begonnen hat, noch künftig aufnehmen kann.
Hieran ändert nichts, daß die Beklagte die Versicherungsberechtigung der Klägerin vordem und namentlich in dem Schreiben vom 11. November 1956 anders beurteilt hatte. Aus dieser später durch die Entwicklung der Gesetzgebung überholten Stellungnahme ist nicht auf die Existenz eines Verwaltungsakts zu schließen, der die Klägerin vor der ihr unerwünschten Auswirkung des neuen Gesetzes bewahrte.
Es wäre möglich, dem Berufungsgericht soweit zu folgen, als es in den in Rede stehenden Antworten der Beklagten und vornehmlich in dem Schreiben vom 11. November 1956 mehr sah als eine allgemein gehaltene Erläuterung der für das künftige Handeln der Klägerin interessierenden Rechtsgrundlagen. Es ist nicht zu verkennen, daß die Beklagte ihre Erklärung in dem erwähnten Schreiben gerade in Ansehung der völlig sicher zu übersehenden Einzelheiten aller in Betracht kommender Umstände mit Rücksicht auf die besonderen persönlichen Bedürfnisse der Klägerin, also nicht mit einem typischen, sondern mit einem individuell bestimmten Inhalt zu einem handgreiflichen Zweck abgefaßt hat. Die Beklagte wollte der Klägerin die Klarheit über ihr Versicherungsverhältnis verschaffen, die diese für ihr künftiges Vorhaben benötigte. Auf diese Klarstellung und Vergewisserung ihrer Rechtsstellung sollte sich die Klägerin verlassen können. Deshalb mag der abgegebenen Verwaltungserklärung ein unmittelbar rechtserheblicher, gegenwärtiger Verpflichtungscharakter anhaften: In den Ausführungen der Beklagten könnte das stillschweigende Versprechen eingeschlossen sein, daß die freiwilligen Beiträge, wenn die Klägerin sie nach Maßgabe des Schreibens vom 11. November 1956 gezahlt haben werde, auch als rechtswirksam behandelt werden würden (§ 1445 Abs. 2 RVO aF; § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO nF).
Eine solche Interpretation läge auf einer Linie mit der Rechtsprechung des RVA, das in seiner grundlegenden Entscheidung Nr. 1599, Amtliche Nachrichten 1912, 676, die Merkmale des "Anerkenntnisses" der Versicherungspflicht und der Versicherungsberechtigung entwickelt hat (vgl. dazu auch BSG 11, 226). Allerdings würde damit den Äußerungen der Beklagten eine Rechtsqualität beigemessen, die über diejenige Bewertung hinausgehen mag, welche der 3. Senat in seinem Urteil vom 21. März 1961 (BSG 14, 104) in einem ähnlichen und vergleichbaren Falle auf dem Gebiete der Krankenversicherung vorgenommen hat. Der 3. Senat ging lediglich von dem Tatbestand einer "schlichten Verwaltungsäußerung" aus, die "für sich genommen - ohne Hinzutreten eines weiteren Sachverhalts - keine unmittelbaren Rechtswirkungen" habe. Indessen erscheint eine modifizierte Auffassung nicht allein unter den Gegebenheiten der vorliegenden Sache, sondern gerade auch im Hinblick auf die ausdrückliche Ermächtigung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung zur verbindlichen Feststellung der Versicherungsberechtigung vertretbar (vgl. dazu auch die Kritik, die das zitierte Urteil - allerdings ohne näheres Eingehen auf die Besonderheiten des Sozialversicherungsrechts - gefunden hat: Haueisen NJW 1961, 1903, 1904; Zeidler, Gutachten für den 44. Deutschen Juristentag 1962, 48). Allerdings scheint der Wortlaut des Gesetzes auf den ersten Blick für die Auffassung zu sprechen, daß eine rechtsverbindliche Auskunft des Versicherungsträgers sich nur auf die Rechtmäßigkeit verwendeter Beitragsmarken beziehen könne. Gleichwohl geht der vom Gesetzgeber beabsichtigte und verwirklichte rechtspolitische Zweck weiter. Das Anerkenntnis der Versicherungspflicht kann auch dann Bestand haben, wenn die Marken nicht schon zur Zeit der Entscheidung der Versicherungsanstalt verwendet sind, sondern die Beitragsleistung erst von der Stellungnahme der Versicherungsanstalt abhängig gemacht worden ist (RVA in AN 1912, 678). Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, daß die Fassung des Gesetzes einen deutlichen Fingerzeig auf die Grenzen enthält, die dem Inhalt eines solchen Anerkenntnisses gesetzt sind. Dieses kann sich nur - wörtlich genommen - auf die Rechtsfolgen aus vollendeten Tatsachen beziehen. Darüber hinaus wird die Auskunft des Versicherungsträgers auf die rechtliche Bewertung der bekannten Faktoren und damit auf die gegenwärtig bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten erstreckt. Mit dem Gesetzestext ließe es sich aber nicht vereinbaren, wollte man in das Anerkenntnis eines Versicherungsträgers auch noch die Garantie für den künftigen Fortbestand der mitgeteilten Möglichkeiten hineinlegen. Darauf läuft aber die Rechtsbehauptung der Klägerin hinaus.
Da sich jedoch das Gesetz änderte und danach die von der Beklagten angenommenen Rechtsfolgen nicht mehr zutrafen, wurde auch das ausgesprochene Anerkenntnis gegenstandslos (so bereits RVA in AN 1936, 329 Nr. 5032; EuM 40, 224). Diese Rechtslage trat schon deshalb völlig selbsttätig mit der gesetzlichen Neuregelung ein, weil die Klägerin bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts noch nicht auf Grund der Zusicherung der Beklagten disponiert hatte. Infolgedessen lag bis zum Wandel des objektiven Rechts noch kein abgeschlossener Tatbestand vor. Nur ein in der Vergangenheit vollendetes Geschehen wäre aber nach den Vorschriften des § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO und in erster Linie des Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 ArVNG unwiderruflich zu beachten. Eine Zusage, die in einer auf die Zukunft vorgreifenden Subsumtion wurzelt, steht notwendig unter dem Vorbehalt der gleichbleibenden Sach- und Rechtslage (vgl. Obermayer, NJW 1962, 1469).
Diese Gesichtspunkte hat das Berufungsgericht außer acht gelassen. Aus diesem Grunde maß es dem Anerkenntnis der Beklagten einen sogar gegen eine Rechtsänderung gesicherten Bestandswert bei, der diesem Verwaltungsakt nicht zukommt (vgl. im übrigen zu dem Thema Gesetzesänderung und Bindungswirkung: Urteil des erkennenden Senats vom 14. Juni 1962 SozR ArVNG Art. 2 § 44 Bl. Aa 4 Nr. 8, 6 Bl. Aa 5).
Hinzuzufügen bleibt noch, daß die Beklagte bei Äußerung ihres Anerkenntnisses mit der später eingetretenen Rechtsänderung nicht zu rechnen brauchte. Im November 1956, als die Beklagte den Bescheid, auf den es hier ankommt, erteilte, lag erst der Regierungsentwurf vom 5. Juni 1962 (BT-Drucks. 2437) vor, in dem sich zwar bereits das Gebot verschärfter Weiterversicherungsbedingungen fand, nach dessen Art. 3 § 16 aber denjenigen, die bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur freiwilligen Fortsetzung der Pflichtversicherung nach altem Recht (§ 1244 RVO aF) berechtigt waren, kein zusätzliches Hindernis in den Weg gelegt werden sollte. Die strengere Übergangsregel des Art. 2 § 4 ArVNG wurde erst von dem Ausschuß in das Gesetz gebracht und in dem Bericht (BT-Drucks. 3080) vom 10. Januar 1957 erwähnt. Auf diese Gesetzesplanung konnte die Beklagte bei ihrer zeitlich weiter zurückliegenden Zusage noch nicht Bedacht nehmen. Ob sie hingegen auf eine beabsichtigte Gesetzesänderung hätte aufmerksam machen müssen, wenn diese bereits bei Bescheiderteilung vorauszusehen gewesen wäre, und ob aus diesem Grunde das abgegebene Anerkenntnis unvollständig und daher unrichtig wäre, sowie welche Folgen an die Unterlassung eines solchen Hinweises geknüpft werden müßten, kann für die hier zu treffende Entscheidung auf sich beruhen (vgl. in diesem Zusammenhang mit Bezug auf den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung: BGH NJW 1960, 1244).
Die Vorinstanz hat sonach die Bedeutung des von der Beklagten im November 1956 abgegebenen Anerkenntnisses der Versicherungsberechtigung überschätzt. Dies hat die Revision mit Recht beanstandet. Sie mußte infolgedessen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 674141 |
BSGE, 247 |