Entscheidungsstichwort (Thema)
Sportunfall (Hallenfußball). Arbeitsunfall
Leitsatz (redaktionell)
- Bei dem zum Unfall führenden Fußballspiel übte der Versicherte keine im inneren Zusammenhang mit seinem Beschäftigungsverhältnis stehende Tätigkeit aus.
- Das Vorliegen von (versichertem) Betriebssport wird bejaht, wenn er dazu bestimmt und geeignet ist, die durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastung auszugleichen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindet und in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebsarbeit steht. Der Zusammenhang wird in der Regel durch einen im Wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkten Teilnehmerkreis sowie durch die der Betriebsarbeit entsprechende Zeit und Dauer der Übungen begründet.
- Sind bei Turnieren jeweils mehrere Spiele gegen betriebsfremde Mannschaften zu absolvieren, sprengt dies den Unternehmensbezug.
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Sportunfall des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der Kläger, Angestellter der R.… KGaA in R.… (im Folgenden “Fa R.…), stürzte am 18. April 1998 bei einem Hallenfußballspiel und zog sich dabei einen Trümmerbruch des linken Ringfingers zu. Das Spiel fand im Rahmen eines Turniers statt, zu dem die Fa… J.…, …, eingeladen hatte und bei dem um den “J.…-Cup” gespielt wurde.
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Entschädigung des Unfalls als Arbeitsunfall ab, weil bei den Fußballspielen der Firmenmannschaft der Wettkampfcharakter und nicht der Ausgleichssport im Vordergrund stehe, keine Regelmäßigkeit der sportlichen Übungen und zudem keinerlei Merkmale einer unternehmensbezogenen Organisation vorhanden seien (Bescheid vom 7. Oktober 1998, Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1999).
Das Sozialgericht (SG) Gießen hat nach Beweiserhebung die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren (Urteil vom 19. Oktober 2000). Dagegen hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Juni 2003). Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen stehe fest, dass der Kreis der Teilnehmer an dem Fußballturnier nicht – wie erforderlich – im Wesentlichen auf die Beschäftigten des veranstaltenden Unternehmens beschränkt gewesen sei und dass bei dem Fußballtraining die unternehmensbezogene Organisation gefehlt habe. An dem Turnier vom 18. April 1998 hätten nicht nur Beschäftigte der Fa R.…, sondern als gegnerische Mannschaften Beschäftigte anderer Unternehmen teilgenommen. Zwar könne nach der Rechtsprechung für Mitglieder von Betriebssportgruppen auch bei einer gelegentlichen Teilnahme an Fußballturnieren mit Betriebssportmannschaften verschiedener Unternehmen Unfallversicherungsschutz bestehen. Die Fußballgruppe des Klägers habe im Verlaufe des Jahres 1998 aber an fünf Fußballturnieren unter Beteiligung betriebsfremder Mannschaften teilgenommen. Mit dieser Anzahl von Spielen gegen betriebsfremde Mannschaften sei der Umfang dessen, was das Bundessozialgericht (BSG) als – noch unter Versicherungsschutz stehende – “gelegentliche” Spiele gegen betriebsfremde Mannschaften bezeichnet habe, überschritten.
Auch das freitägliche Fußballtraining des Klägers mit seinen Arbeitskollegen habe nicht die Voraussetzungen einer versicherten betriebssportlichen Betätigung erfüllt, weil es an der notwendigen unternehmensbezogenen Organisation gefehlt habe. Zwar habe die Fa R.… die Teilnahme der Firmenmannschaft an Turnieren finanziell gefördert, indem sie Trikots mit dem Firmenaufdruck zur Verfügung gestellt und das Startgeld sowie Reisekosten übernommen habe, doch habe sie das von den Teilnehmern selbst organisierte freitägliche Training weder materiell noch personell unterstützt, so dass es insgesamt am erforderlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Klägers gefehlt habe.
Mit der Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 und der §§ 26 ff des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) geltend. Der Versicherungsschutz für das Fußballspiel am 18. April 1998 könne nicht deshalb verneint werden, weil dabei nicht nur Beschäftigte der Fa R.…, sondern als gegnerische Mannschaft Beschäftigte anderer Unternehmen teilgenommen hätten. Auch die Mitarbeiter und Mannschaften aus anderen R.…-Niederlassungen, die an dem Turnier teilgenommen hätten, seien Betriebsangehörige, da die Fa R.… nur über eine Fußballmannschaft verfüge, die denknotwendig nicht gegen sich selbst spielen könne. Gerade die vom BSG für die Dauer der Turnierspiele hinsichtlich der Betriebsbezogenheit angeführten Kriterien machten deutlich, dass bei dem hier in Rede stehenden Fußballturnier nicht die sonst bei Mannschaftswettkämpfen üblichen körperlichen Höchstleistungen erwartet worden seien, der vom Ausgleichszweck gezogene Rahmen des Betriebssports mithin nicht überschritten werde. Auch die unternehmensbezogene Organisation ergebe sich aus dem Kreis der Teilnehmenden, der betriebsinternen Organisation durch Rundfragen und dem Antreten bei Turnieren als Betriebsfußballmannschaft der Fa R.….
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 2003 sowie den Bescheid vom 7. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Oktober 2000 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Anerkennung seines Sportunfalls vom 18. April 1998 als Arbeitsunfall, wie das LSG zutreffend entschieden hat.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92 S 258; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70 S 197; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 235; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10).
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt als kaufmännischer Angestellter der Fa R.… nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gegen Arbeitsunfall versichert. Bei dem zum Unfall führenden Fußballspiel übte er jedoch keine im inneren Zusammenhang mit seinem Beschäftigungsverhältnis stehende Tätigkeit aus. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Fußballspielen nicht zu den aus dem Arbeitsverhältnis geschuldeten Aufgaben des Klägers gehörte.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme am Betriebssport bestand kein Unfallversicherungsschutz. Der erkennende Senat hat im Anschluss an die vom Reichsversicherungsamt aufgestellten Grundsätze in seinem Urteil vom 28. November 1961 – 2 RU 130/59 – (BSGE 16, 1 = SozR Nr 49 zu § 542 RVO) dargelegt, welche tatsächlichen Umstände vorliegen müssen, um den inneren Zusammenhang einer sportlichen Betätigung mit der Beschäftigung in einem Unternehmen und damit das Vorliegen von (versichertem) Betriebssport bejahen zu können. Nach den darin aufgestellten und in ständiger Rechtsprechung (s zuletzt BSG Urteil vom 2. Juli 1996 – 2 RU 32/95 = SozR 3-2200 § 548 Nr 29 und Beschluss vom 11. August 1998 – B 2 U 26/98 B = HVBG-Info 1998, 3029) aufrecht erhaltenen Grundsätzen ist eine sportliche Betätigung von Betriebsangehörigen der versicherten Tätigkeit gleich zu achten, wenn sie dazu bestimmt und geeignet ist, die durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastung auszugleichen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindet und in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebsarbeit steht; der Zusammenhang wird in der Regel durch einen im Wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkten Teilnehmerkreis sowie durch die der Betriebsarbeit entsprechende Zeit und Dauer der Übungen begründet. Die Übungen müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden.
Dieser Zielsetzung entspricht zwar am meisten der reine Ausgleichssport in Form von Lockerungsübungen und dergleichen; der Senat hat jedoch den Begriff des Betriebssports von Anfang an nicht auf Übungen dieser Art eingeengt (s bereits BSGE 16, 1, 5 = SozR Nr 49 zu § 542 RVO; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 16 mwN), sondern im Hinblick auf den damit – insbesondere für männliche Betriebsangehörige – verbundenen stärkeren Anreiz, sich zum Ausgleich der betrieblichen Belastung regelmäßig sportlich zu betätigen, auch sportliche Tätigkeiten mit Wettkampfcharakter – wie etwa das Fußballspielen – nicht von vornherein vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, weil auch diese dem Ausgleichszweck dienen können (vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 29 mwN). Wenn etwa eine Betriebssportgemeinschaft eine entsprechende Zahl von Mitgliedern umfasst, die regelmäßig mit zwei Mannschaften jeweils um den Sieg spielen, wird der Versicherungsschutz des einzelnen Mitglieds nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese Spiele Wettkampfcharakter haben. Steht dieser Charakter jedoch im Vordergrund, etwa weil die Sportausübung der Teilnahme am allgemeinen Wettkampfverkehr oder der Erzielung von Spitzenleistungen dient, entspricht dies nicht mehr dem mit dem Sport angestrebten Ausgleichszweck und ein Unfallversicherungsschutz entfällt (BSGE 16, 1, 5 = SozR Nr 49 zu § 542 RVO; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 29 mwN).
Sogar bei Fußballspielen zwischen Betriebssportgemeinschaften verschiedener Unternehmen kann Versicherungsschutz gegeben sein, wenn die vom Senat aufgestellten allgemeinen Voraussetzungen für das Vorliegen von (versichertem) Betriebssport erfüllt sind (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 29) und die beteiligten Betriebssportgruppen sich zu gemeinsamer Durchführung einer Ausgleichszwecken dienenden regelmäßigen sportlichen Betätigung zusammengeschlossen haben. Ist Letzteres nicht der Fall, kommt nach der Rechtsprechung ein Versicherungsschutz bei Fußballturnieren nur in Betracht, wenn, abgesehen von der Betätigung während regelmäßiger Übungsstunden, nur gelegentlich auch ein Spiel mit einer anderen Betriebssportgemeinschaft ausgetragen wird (BSG Urteil vom 19. März 1991 – 2 RU 19/90 = USK 91117 mwN). Was in diesem Zusammenhang unter “gelegentlich” zu verstehen ist, hat der Senat bisher zwar nicht ausdrücklich festgelegt. Allerdings hat er in dem Urteil vom 25. August 1982 (– 2 RU 23/82 = USK 82168) entschieden, dass jedenfalls die Austragung von fünf Fußballspielen mit anderen Betriebssportgemeinschaften pro Jahr den Unternehmensbezug sprengt, so dass das einzelne Spiel nicht als ein vom Versicherungsschutz beim Betriebssport noch mitumfasstes, nur “gelegentliches” Spiel mit anderen Betriebssportgemeinschaften angesehen werden kann, mithin der erforderliche innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht gegeben ist.
Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Fußballgruppe der Betriebssportgemeinschaft der Fa R.… im Jahre 1998, in dem sich der Sportunfall des Klägers ereignete, an fünf Fußballturnieren unter Beteiligung betriebsfremder Mannschaften teilgenommen, ohne dass ein Zusammenschluss der Betriebssportgemeinschaften der teilnehmenden Fußballmannschaften zur regelmäßigen sportlichen Betätigung vorlag. Da bei den Turnieren im Zweifel jeweils mehrere Spiele gegen betriebsfremde Mannschaften zu absolvieren waren, sprengt dies nach den Grundsätzen der Entscheidung vom 25. August 1982 (aaO), von denen abzugehen kein Anlass besteht, erst recht den Unternehmensbezug, zumal hier auch keine Besonderheiten, die möglicherweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten (s etwa BSG Urteil vom 19. März 1991 – 2 RU 19/90 = USK 91117), erkennbar sind. So ist hier nicht etwa – wie im zuletzt genannten Fall – die Einladung zu dem Turnier nur an Betriebssportgruppen des Unternehmens ergangen. Ob die einzelnen ausgetragenen Spiele kürzer waren als im Normalfall bei Einzelspielen außerhalb eines solchen Turniers, kann angesichts der größeren Anzahl der Spiele offen bleiben. Dies gilt auch für die Frage, ob die freitäglichen Übungen im Rahmen einer betriebsbezogenen Organisation erfolgten, weil auch deren Bejahung nicht zur Annahme von Unfallversicherungsschutz für den Unfall des Klägers bei dem Turnierspiel am 18. April 1998 führen könnte.
Da es sich bei dem Sportunfall des Klägers vom 18. April 1998 nach alledem nicht um einen Arbeitsunfall handelte, war seine Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen