Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt Kindergeld für seinen volljährigen, behinderten Sohn Bernhard (B.). Die Beteiligten streiten darüber, ob B. außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Bundeskindergeldgesetz -BKGG-) i.d.F. des Art 2 Nr. 2 des Einkommensteuerreformgesetzes vom 5. August 1974 -EStG- (BGBl. I 1769).
Im Oktober 1974 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm vom 1. Januar 1975 an für seine Kinder B., geboren am 26. Juni 1952, und D., geb. am 21. August 1958, Kindergeld zu gewähren. B. ist wegen einer schizophrenen Erkrankung zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nicht in der Lage. Er wohnt im Haushalt des Klägers und bezieht seit August 1972 aus der Rentenversicherung der Arbeiter eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die im ersten Halbjahr 1975 783,20 DM, ab 1. Juli 1975 870,-- DM und ab 1. Juli 1976 975,70 DM monatlich betrug.
Mit Bescheid vom 23. Januar 1975 und Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1975 lehnte es die Beklagte ab, Kindergeld für B. zu gewähren, weil er aufgrund des Rentenbezugs und der damit verbundenen Krankenversicherung in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben, weil sich ein Kind nur dann selbst unterhalten könne, wenn es mit einer regelmäßigen Beschäftigung ausreichendes Erwerbseinkommen erziele (Urteil vom 8. Januar 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 9. März 1977).
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 9. März 1977 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Dortmund vom 8. Januar 1976 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
II.
Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG ), weil die tatsächlichen Feststellungen zur abschließenden Entscheidung nicht ausreichen.
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG i.d.F. des Art 2 Nr. 2 EStG (BGBl. I 1769) in Kraft getreten am 1. Januar 1975 - (jetzt § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BKGG i.d.F. des Haushaltsstrukturgesetzes -HStrktG- vom 18. Dezember 1975 - BGBl. I 3091) werden beim Anspruch auf Kindergeld (§ 1 BKGG) Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur berücksichtigt, wenn sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten.
Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf Kindergeld für B. abgelehnt, weil B. seinen Unterhalt aus seinen Renteneinkünften selbst bestreiten könne. Insoweit sei bei einem behinderten Kind außer etwaigen eigenen Erwerbseinkommen auch sonstiges Einkommen anzurechnen, zumindest aber ein Lohnersatz wie die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Diese Rente sei auch genügend hoch, um den vollen Unterhalt des B. zu bestreiten. Dabei könne dahinstehen, ob regelmäßig ein Satz von 600,-- DM monatlich für den Unterhalt eines behinderten Kindes genüge, wie die Beklagte meine, ob in Anlehnung an § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BKGG von einem Bruttoeinkommen von 750,-- DM oder einem Nettoeinkommen von 580,-- DM monatlich auszugehen oder ob der jeweilige Unterhaltsbedarf nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zugrunde zu legen sei.
Insoweit ist dem LSG zuzustimmen. Durch das Kindergeld soll der durch Kinder bedingte erhöhte finanzielle Mehraufwand einer Familie zumindest teilweise ausgeglichen werden (BVerfGE 11, 105, 115; BSGE 26, 160, 162 mit weiteren Nachweisen). In einem begrenzten finanziellen Umfang soll aus öffentlichen Mitteln, die vergleichsweise zu den Ledigen, kinderlos Verheirateten und kinderarmen Familien vermehrte wirtschaftliche Belastung solcher Personen ausgeglichen werden, die Kinder heranziehen, erziehen oder unterhalten (BSG SozR 2200 § 1267 Seite 4; Urteil des erkennenden Senats vom 20. September 1977 - 8/12 RKg 3/77 -, BB 1978, 46). Den gesetzlichen Regelungen liegen dabei gewisse Pauschalierungen zugrunde. Diese betreffen einmal die zu beanspruchenden Kindergeldbeträge, zum anderen auch teilweise die einen Kindergeldanspruch auslösenden Tatbestände. Bei bestimmten Gruppen von Kindern nimmt das Gesetz allgemein an, daß sie auf Unterhaltsleistungen angewiesen sind. Es wird eine durch ein Kindergeld auszugleichende finanzielle Belastung unterstellt, gleichgültig, ob sie tatsächlich im Einzelfall auch besteht. Das gilt vor allem für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 2 Abs. 1 BKGG). Aus dieser Altersgrenze ergibt sich umgekehrt, daß das Gesetz über 18 Jahre alte Kinder grundsätzlich als nicht mehr unterhaltsbedürftig ansieht (vgl. zur Waisenrente und zum Kinderzuschuß in der Rentenversicherung: BSGE 21, 185, 186 f.; zur Waisenrente in der Kriegsopferversorgung: BSG SozR Nr. 10 zu § 45 Bundesversorgungsgesetz), so daß für die Gewährung von Kindergeld als Lastenausgleich kein Anlaß besteht. Von diesem Grundsatz läßt das Gesetz jedoch Ausnahmen zu (§ 2 Abs. 2, 4, 4a BKGG). Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen die Unterhaltsbedürftigkeit der Kinder in der Regel auch über das 18. Lebensjahr hinaus fortbesteht. Diese Aufzählung enthält wiederum typisierende Regelungen, bei denen ein Unterhaltsbedarf unterstellt und hieran die Berechtigung für den Familienlastenausgleich geknüpft wird, z.B. in den in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 4 und 5 BKGG genannten Fällen sowie bis zum Inkrafttreten des durch das HStruktG eingefügten § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG bei Kindern in Schul- oder Berufsausbildung. Die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes ist insoweit wesentlich für die Kindergeldzahlung; sie wird unwiderleglich vermutet, d.h. "ohne Prüfung des Einzelfalles als Regelfall unterstellt" (so BT-Drucks. 2. WP 1884 S. 7 zu § 10 Kindergeldergänzungsgesetz -KGEG-). Die für das BKGG allgemein geltenden Grundsätze sind auch bei der Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG anzuwenden. Wenn danach Kindergeld für ein behindertes, über 18 Jahre altes Kind, beansprucht werden kann, wenn es wegen der Behinderung nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, so heißt dies entgegen der Ansicht der Revision nicht, daß Kindergeld immer schon dann gezahlt werden muß, wenn das Kind infolge der Behinderung nicht zu einer mit einem zum Unterhalt ausreichenden Einkommen verbundenen Erwerbstätigkeit in der Lage ist. Vielmehr ist ein Kindergeldanspruch auch dann ausgeschlossen, wenn ein nicht zu einer Erwerbstätigkeit fähiges Kind aus anderen Gründen imstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Mit § 2 Abs. 1 Satz 2 des Kindergeldgesetzes (KGG) vom 13. November 1954 (BGBl. I 333) i.d.F. des § 10 KGEG vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I 841) wurden die behinderten Kinder mit den Kindern in Schul- oder Berufsausbildung gleichgestellt (BT-Drucks. 2. WP 1884 S. 7). Bei ihnen hat der Gesetzgeber aber ausdrücklich das für Kinder in Ausbildung weggefallene Tatbestandsmerkmal des "sich nicht Unterhaltenkönnens" eingefügt. Das bedeutet, daß in einem solchen Fall bei einer Behinderung keine Unterhaltsbedürftigkeit unterstellt wird, sondern daß sie im Einzelfall als Voraussetzung für einen Kindergeldanspruch tatsächlich vorliegen muß. Daraus ergibt sich weiter, daß jede zumutbare Möglichkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, den Kindergeldanspruch ausschließt und demnach nicht nur die mangelnde Fähigkeit, Erwerbseinkommen durch eine Berufstätigkeit zu erzielen. Wurde nämlich bei Kindern in Ausbildung deren eigene Unterhaltsfähigkeit allgemein unterstellt, bedeutet das auf der anderen Seite, daß eine - gleich aus welchem Grunde - bestehende Unterhaltsfähigkeit behinderter Kinder keinen Kindergeldanspruch auslöst.
Auch aus der Verknüpfung der Unterhaltsunfähigkeit mit der Behinderung durch das Wort "wegen" sowohl in § 2 Abs. 1 Satz 2 BKGG als auch in § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG kann die gegenteilige Ansicht der Revision nicht hergeleitet werden. Diese Formulierung hat erkennbar den Zweck, nur in den Fällen einen Kindergeldanspruch zu begründen, in denen eine bestehende Unterhaltsbedürftigkeit ihre Ursache in der Behinderung hat. Die Prüfung der Ursächlichkeit setzt aber zunächst die Feststellung der mangelnden eigenen Unterhaltsfähigkeit des Kindes voraus. Kann das Kind sich selbst ausreichend unterhalten, kommt es auf seine Behinderung nicht an. Ist das Kind nicht unterhaltsbedürftig, besteht auch kein Anlaß für einen Familienlastenausgleich.
Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 KGG ist im Grundsatz in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BKGG übernommen, jedoch insoweit erweitert worden , als für den Anspruch auf Kindergeld für ein behindertes Kind die Altersgrenze von 25 Jahren beseitigt worden ist. Das Kindergeld für die übrigen nach § 2 BKGG zu berücksichtigenden Kinder fällt spätestens weg, wenn sie ein bestimmtes Lebensalter erreichen. Deshalb kann auch eine pauschalierte Regelung in diesen Fällen nicht zu einem zeitlich unbegrenzten Leistungsbezug führen. Da bei behinderten Kindern keine allgemeingültige zeitliche Anspruchsbegrenzung besteht, das Kindergeld somit gegebenenfalls bis ins hohe Alter des Kindes beansprucht werden kann - solange noch eine anspruchsberechtigte Person vorhanden ist -, ist es hier auch aus diesem Grunde gerechtfertigt, den Leistungsanspruch im Einzelfall von der tatsächlichen eigenen Unterhaltsunfähigkeit des Kindes abhängig zu machen. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23. Juni 1977 (8/12 RKg 7/77, Seite 9, Dienstblatt BA, Teil C, Kindergeld, § 2 BKGG Nr. 2179 = SozArb 1977, 559) ausgeführt hat, gilt für behinderte Kinder deshalb kein Höchstalter, weil die Behinderung und damit die Belastung der Eltern in der Regel zeitlich nicht begrenzt ist. Das setzt aber voraus, daß ein entsprechender Unterhaltsbedarf des Kindes, der zu einer finanziellen Belastung der Eltern führt, auch tatsächlich vorhanden ist.
Schließlich zeigt auch die Neufassung des § 2 BKGG durch das HStruktG und das Gesetz zur Änderung des BKGG und des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 18. August 1976 (BGBl. I 2213), das dem Kindergeldrecht auch bei anderen Tatbeständen, der für behinderte Kinder allgemein gültige Grundsatz, das Kindergeld bei tatsächlich bestehender Unterhaltsfähigkeit nicht beansprucht werden kann, bei bestimmten anderen Einkünften nicht fremd ist. Die Unterhaltsbedürftigkeit bei in Schul- oder Berufsausbildung befindlichen Kindern wird jetzt nur noch dann unterstellt, wenn diesen Kindern nicht Bruttobezüge von wenigstens 750,-- DM aus dem Ausbildungsverhältnis zustehen oder sie Unterhaltsgeld von wenigstens 580,-- DM oder Übergangsgeld von mindestens 750,-- DM erhalten (§ 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BKGG n.F.). Der Gesetzgeber hat solche Einkünfte zum Anlaß genommen, das Kindergeld wegen der damit bereits erfolgten finanziellen Entlastung der Familie auch während der Ausbildung zu versagen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. Juli 1977 - 8/12 RKg 2/77 - Seite 11 f.). Nach dem mit Wirkung vom 1. September 1976 durch Art 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 18. August 1976 (BGBl. I 2213) eingefügten Abs. 4a des § 2 BKGG wird Kindergeld für über 18, aber noch nicht 23 Jahre alte Kinder gezahlt, die eine Berufsausbildung mangels eines Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können, nicht erwerbstätig sind und weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe beziehen und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Insbesondere diese Regelung verdeutlicht, daß eine Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes auch beim Bezug anderer Leistungen - hier nach dem AFG - verneint wird.
Offen bleiben kann indes, welche Einkünfte im einzelnen bei der Prüfung der Unterhaltsfähigkeit des behinderten Kindes zu berücksichtigen sind. Streitig ist hier allein die Bewertung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des B. Das LSG führt hierzu zutreffend aus, selbst wenn nicht jegliche Einkünfte berücksichtigungsfähig wären, gelte dies jedenfalls für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, weil sie Lohnersatzfunktion habe. Sie steht in einem funktionellen Zusammenhang mit dem (früheren) Erwerbseinkommen. Beide - Erwerbseinkommen und Rente - dienen im wesentlichen dem Lebensunterhalt (BSGE 30, 192, 198 f.). Der Versicherte hat während seiner Berufstätigkeit Beiträge zur Rentenversicherung unter anderem zu dem Zweck entrichtet, für etwaige Wechselfälle des Lebens, zu denen auch die Erwerbsunfähigkeit zählt, gesichert zu sein. Wenn ein solcher Versicherungsfall eingetreten ist, kann der Versicherte als Ersatz für früheres Erwerbseinkommen die dafür bestimmte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit verwenden. Die einem behinderten Kind aus einer solchen Rente zufließenden Einkünfte sind deshalb nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG zu berücksichtigen.
Diese Auffassung des Senats (vgl. ebenso Wickenhagen-Krebs, Bundeskindergeldgesetz, Stand November 1976, Rdnr. 18 zu § 2; a.M. Maschler, Das Kindergeldrecht, 1974, Seite 125; Kaess, Kindergeldgesetz, Stand Oktober 1976, Rdnr. 13 zu § 2) entspricht zudem der im Schrifttum zum Unterhaltsrecht herrschenden Lehre zur Unterhaltsbedürftigkeit. Nach § 1602 Abs. 1 des Bürgerlichen. Gesetzbuches (BGB) ist nur derjenige unterhaltsberechtigt, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, wobei grundsätzlich zunächst jegliche Einkünfte - nicht nur Erwerbseinkommen - für den eigenen Unterhalt zu verwenden sind (vgl. Koehler, Handbuch des Unterhaltsrechts, 4. Aufl. 1977, Seite 18 f.; Brühl/Göppinger/Mutschler, Unterhaltsrecht 1. Teil, 3. Aufl. 1973, Rdnr. 537).
Der Einwand der Revision, die Anrechnung von anderem Einkommen als von Verdienst aus einer Erwerbstätigkeit verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil eine solche bei den anderen zu berücksichtigenden Kindern unterbleibe, greift nicht durch. Bei letzteren geht das Gesetz nämlich von einem regelmäßigen Unterhaltsbedarf und der daraus folgenden, mit Kindergeld teilweise auszugleichenden Familienlast aus. Eine solche typisierende Betrachtungsweise ist bei behinderten Kindern dagegen nicht sachgerecht. Auch werden diese, wie der Fall des Sohnes des Klägers zeigt, bei frühzeitigem Berufsbeginn und erst später, aber vor Vollendung des 27. Lebensjahres (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23. Juni 1977 - 8/12 RKg 7/77 -) eintretender Behinderung häufig eine eigenständige soziale Sicherung erworben haben. Für einen von der Allgemeinheit zu finanzierenden Familienlastenausgleich besteht daher kein Anlaß. Somit sprechen sachlich einleuchtende Gründe für die vom Gesetz vorgenommene Differenzierung. Sollte mit der Prüfung der Anspruchsberechtigung auf Kindergeld für behinderte Kinder ein höheres aber zumutbarer Verwaltungsaufwand als in anderen Fällen erforderlich sein, ist dies für die hier streitige materielle Rechtsfrage unerheblich (BVerfGE 17, 1, 16).
Das LSG hat sein Augenmerk allein darauf gerichtet, ob und wie die eigene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des B. dessen Fähigkeit, sich selbst zu unterhalten, beeinflußt. Damit ist es aber dem Fall nicht voll gerecht geworden. Es hat nämlich nicht hinreichend beachtet, daß das Gesetz im Gegensatz zu anderen, oben genannten Regelungen bei behinderten Kindern den Kindergeldanspruch von der Unfähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, abhängig macht. Entscheidend ist der individuelle Unterhaltsbedarf des behinderten Kindes. Er kann im Gegensatz zu gesunden Kindern bei behinderten Kindern sehr unterschiedlich sein. Deshalb entzieht er sich pauschalierten Bemessungsmaßstäben. Der Unterhalt umfaßt den gesamten Lebensbedarf eines Menschen. Nicht nur Unterkunft, Nahrung, Kleidung, Ausbildung usw., sondern vor allem auch die notwendige persönliche Betreuung gehört dazu (vgl. u.a. Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 1971, § 21 I 9 Seite 192; § 41 IV 1 Seite 456). Wenn das Gesetz daher bei behinderten Kindern keine der Höhe nach bestimmten Einkünfte nennt, die den Kindergeldanspruch ausschließen, sondern entsprechend der Formulierung in § 1602 BGB den Anspruch davon abhängig macht, daß das behinderte Kind "außerstande" ist, "sich selbst zu unterhalten", kommt damit klar zum Ausdruck, daß der gesamte individuelle Lebensbedarf der rechtlich allein erhebliche Bemessungsmaßstab ist. Wenn das LSG daher die Erwerbsunfähigkeitsrente als genügend hoch zur Deckung des Lebensbedarfs des B. angesehen hat, weil sie sowohl 750,-- DM als auch 580,-- DM (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG), als den Fürsorgesatz und den Betrag von 600,-- DM bis zu dem die Beklagte ohne Prüfung Kindergeld gewährt übersteige, hat es damit die gesetzlichen Anforderungen nicht ausgeschöpft. Um feststellen zu können, ob der Unterhaltsbedarf des Kindes aus eigenen Mitteln gedeckt ist, ist vielmehr zu prüfen, wie hoch dieser Unterhaltsbedarf tatsächlich ist. Dabei sind nicht nur die notwendigen finanziellen Aufwendungen, sondern daneben auch die notwendigen persönlichen Betreuungsleistungen zu berücksichtigen. Auch sie gehören zum notwendigen Lebensbedarf.
B. lebt zwar nach den Feststellungen des LSG im Haushalt seiner Eltern und wird von ihnen versorgt. Deshalb entstehen offenbar keine zusätzlichen finanziellen Belastungen. Jedenfalls ergeben sich weder aus den Feststellungen des LSG noch aus dem Revisionsvorbringen entsprechende Anhaltspunkte. Daraus folgt aber nicht, daß die notwendige persönliche Betreuung unberücksichtigt zu bleiben hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24. Juli 1963 (BVerfGE 17, 1 ff.) dem Begriff des Unterhalts allgemeingültig auch die unmittelbaren Leistungen der Mutter und Hausfrau sowie Mithelfender zugerechnet. Damit ist schlechthin ein Grundgedanke ausgedrückt, der nicht allein für die Frage des überwiegenden Unterhaltes als Voraussetzung einer Witwerrente (§§ 43 AVG; 1266 RVO) maßgebend ist, sondern ebenso im allgemeinen Unterhaltsrecht und im Sozialversicherungsrecht (vgl. zu § 12 BKGG a.F.: BSGE 28, 1, 2; zu §§ 1267, 1262 RVO: 32, 141, 142; zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BKGG mit Nachweisen: 33, 170, 175). Ist es jedoch für die Feststellung des überwiegenden Unterhalts erforderlich, die persönlichen Leistungen in der Weise zu bewerten, welche Mittel üblicherweise für häuslichen oder außerhäuslichen Ersatz der fortgefallenen Leistungen aufgewendet werden müßten (BVerfGE 17, 1, 16; BSGE 28, 1, 4; 33, 170, 175), so gelten auch für die Feststellung des individuellen Unterhaltsbedarfs eines behinderten Kindes im Rahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG dieselben aus dem Begriff des "Unterhalts" hergeleiteten Grundsätze. Würde man hier notwendige, aber unentgeltlich gewährte Leistungen des Unterhalts unberücksichtigt lassen, wäre der Unterhaltsbegriff im obengenannten Sinne verkannt. Es müssen also auch hier ungleichartige Leistungen zueinander in Beziehung gesetzt werden, so daß ein Teil zunächst in Geldbeträge umgewandelt werden muß, wobei naturgemäß die ideellen Momente persönlicher Leistungen außer Betracht zu bleiben haben (BVerfGE 17, 1, 16).
Zur abschließenden Entscheidung der Frage, ob B. wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, bedarf es daher der Feststellung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er auf persönliche Betreuung angewiesen ist und in welcher Höhe diese ihm von der Mutter oder seinen, Eltern zugewendeten Leistungen zu bewerten sind. Dabei kann es als Anhalt dienen, welche Mittel für den notwendigen umfassenden Unterhalt eines gesunden etwa gleichaltrigen Menschen erforderlich sind und welcher zusätzlicher Leistungen B. wegen seiner Behinderung bedarf. Je nach der Art und Weise, in der sich seine Krankheit im täglichen Leben auswirkt, kann insoweit auch eine Bereitschaft zur jederzeitigen Hilfeleistung in Betracht kommen. Bei der Bewertung der zusätzlichen persönlichen Leistungen wird entsprechend den von dem Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen (BSGE 31, 90 ff.) der Lebenszuschnitt der Familie zu berücksichtigen sein, es sei denn, daß es sich bei einzelnen Hilfeleistungen um solche handelt, die eine besondere Schulung oder Erfahrung voraussetzen. Erst wenn in dieser Weise der tatsächliche notwendige Lebensbedarf des B. festgestellt und bewertet ist, kann entschieden werden, ob seine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zur Deckung dieses Unterhaltsbedarfs ausreicht, er also nicht außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das LSG wird die insoweit noch erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen