Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. April 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten für die Revisionsinstanz zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zu seinen Lebzeiten die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) zustand.
Der am 20. November 1919 geborene Ehemann der Klägerin, der bis zum 31. Dezember 1966 mehr als 20 Jahre lang als Grubensteiger tätig gewesen war und über 300 Monatspflichtbeiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung entrichtet hatte, war seit dem 1. Januar 1967 bei der Ruhrknappschaft als Verwaltungsangestellter tätig und seit dem 1. Juli 1967 in die Vergütungsgruppe VII des Knappschafts-Angestelltentarifvertrages (KnAT) eingestuft. Die Beklagte lehnte den am 1. September 1969 gestellten Antrag auf Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG mit Bescheid vom 14. Januar 1970 ab, weil der Versicherte noch eine wirtschaftlich gleichwertige Arbeit verrichte. Der Versicherte starb nach Einlegung des Widerspruchs am 17. Februar 1970. Die Klägerin setzte das Verfahren fort. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Sozialgerichts (SG) geändert und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 14. Januar 1970 und 25. Mai 1970 verurteilt, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes Bergmannsrente vom 1. Dezember 1969 an nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Versicherte habe als Verwaltungsangestellter keine seiner früheren Tätigkeit als Grubensteiger wirtschaftlich gleichwertige Arbeit verrichtet. Bei dem Vergleich sei von dem Endgehalt eines Grubensteigers einschließlich durchschnittlicher Leistungszulage von 10 v.H. und dem Fahrtgeld auszugeben. Dem sei das Endgehalt eines Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe VII KnAT einschließlich Ortszuschlag eines unter 40 Jahre alten Ledigen ohne Angehörige gegenüberzustellen. Der höhere Ortszuschlag eines verheirateten Angestellten, den auch ein Lediger ohne Angehörige nach Vollendung des 40. Lebensjahres erhalte, müsse unberücksichtigt bleiben, weil es sich dabei um einen Familienzuschlag im Sinne des § 86 Abs. 2 Satz 3 RKG handele. Für die Zeit bis zum 1. Januar 1970 sei also dem Einkommen eines Grubensteigers von 1.120 DM monatlich das Einkommen eines Verwaltungsangestellten mit monatlich 945,– DM gegenüberzustellen. Die Differenz betrage 15,06 v.H. Für die Zeit nach dem 1. Januar 1970 sei dem Einkommen eines Grubensteigers von 1.246,50 DM das Einkommen eines Verwaltungsangestellten von 1.057,– DM gegenüberzustellen; die Differenz betrage 15,21 v.H.. Diese Differenz sei zu hoch, als daß die Tätigkeiten noch als einander wirtschaftlich gleichwertig angesehen werden könnten.
Dieses Urteil hat die Beklagte mit der – vom LSG zugelassenen – Revision angefochten. Sie ist der Ansicht, bei der Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit müßte bei einem Grubensteiger die Seilfahrtzulage unberücksichtigt bleiben, weil sie als eine pauschale Abgeltung für eine über die normale Arbeitszeit hinausgehende Inanspruchnahme der betreffenden Angestellten anzusehen sei. Andererseits ergebe sich aus § 86 Abs. 2 Satz 3 RKG, daß bei einem Verwaltungsangestellten der höhere Ortszuschlag zu berücksichtigen sei, den auch ein lediger Angestellter ohne Angehörige nach Vollendung des 40. Lebensjahres ohne Rücksicht auf seine Familienverhältnisse erhalte. Die Einkommensdifferenz zwischen dem Grubensteiger und dem Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe VII betrage daher für die Zeit bis zum 1. Januar 1970 nur 8,18 v.H. und für die Zeit danach 8,4 v.H.. Die beiden Tätigkeiten seien daher einander wirtschaftlich gleichwertig. Die nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG hinzunehmende Einkommensdifferenz betrage die Hälfte des nach § 45 Abs. 2 RKG zumutbaren Lohnabfalls, bei einem Grubensteiger also 11 v.H..
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27. September 1970 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision der Beklagten sei unbegründet. Zusätzlich trägt sie noch vor, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 2, 277) seien Überstunden-Pauschalen keine Überstundengelder und hätten mangels Trennbarkeit echten Entgeltcharakter. Die Seilfahrtzulage sei also bei der Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit zu berücksichtigen. Selbst wenn man sie aber unberücksichtigt lasse, sei die Einkommensdifferenz zwischen der Tätigkeit eines Grubensteigers und der eines Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe VII KnAT noch so groß, daß diese beiden Tätigkeiten nicht als wirtschaftlich gleichwertig angesehen werden könnten.
II
Die zulässige Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das LSG hat die Beklagte mit Recht zur Gewährung der Bergmannsrente für die Zeit vom 1. Dezember 1969 an verurteilt. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte seit diesem Zeitpunkt nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG einen Anspruch auf die Bergmannsrente, den die Klägerin gemäß § 88 Abs. 2 RKG als Sonderrechtsnachfolgerin im eigenen Namen geltend machen kann.
Da die übrigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG eindeutig erfüllt sind, hängt die Entscheidung lediglich von der Frage ab, ob der Versicherte als Verwaltungsangestellter der Vergütungsgruppe VII KnAT eine seiner „bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit” wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit ausgeübt hat. Das ist nicht der Fall.
Es bestehen keine Bedenken, mit den Beteiligten und den Vorinstanzen von der Tätigkeit eines Grubensteigers auszugehen. Dieser Tätigkeit ist die Tätigkeit eines Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe VII KnAT in der streitigen Zeit nicht wirtschaftlich gleichwertig gewesen. Der Senat hat zwar bereits entschieden, daß die in § 45 Abs. 1 Nr. 2 EKG geforderte wirtschaftliche Gleichwertigkeit nicht eine vollständige Übereinstimmung der Vergleichslöhne verlangt, sondern auch noch dann gegeben ist, wenn die Lohndifferenz nicht mehr als 10 v.H. beträgt (vgl. SozR Nr. 38 zu § 45 RKG). Diese Entscheidung betraf zwar einen Hauer, doch ist die wirtschaftliche Gleichwertigkeit ebenfalls bei höheren und niedrigeren Einkommen, also auch bei einem Grubensteiger nicht mehr gegeben, wenn die Einkommenseinbuße mehr als 10 v.H. beträgt. Die Annahme, daß bei einer Lohndifferenz bis zu 10 v.H. wirtschaftliche Gleichwertigkeit im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG angenommen werden kann, beruht nicht auf einer Halbierung der nach § 45 Abs. 2 RKG zumutbaren Lohndifferenz, sondern darauf, daß der Gesetzgeber bei der am 1. Januar 1968 in Kraft getretenen Änderung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG erkennbar und bewußt an das bis zum 31. März 1939 geltende Recht angeknüpft hat, das eine ähnliche Regelung enthielt (vgl. Bundesratsdrucksache Nr. 481/67 S. 29, Begründung zu Art. 1 § 3 Nr. 6 zum Entwurf des Finanzänderungsgesetzes 1967). Die Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zum früheren Recht, an das der Gesetzgeber angeknüpft hat, hielt kleine und unbedeutende Lohneinbußen, als die schließlich eine Differenz bis zu 10 v.H. angesehen wurde, als mit dem Begriff der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit noch vereinbar (vgl. Mansfeld-Pohle, Komm. zum RKG, 1932, Anm. 2 f zu § 36). Diese nach früherem Recht unschädliche Differenz bis zu 10 v.H., die der Gesetzgeber in das neue Recht übernehmen wollte, beruht nicht auf einer Halbierung der nach § 45 Abs. 2 RKG unter dem Begriff „im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig” zumutbaren Lohneinbußen, sondern ist eine absolute Höchstgrenze, die im vorliegenden Fall überschritten wird.
Wie der Senat in dem zitierten Urteil bereits entschieden hat, ist bei Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG Gegenstand des Wertvergleichs ebenso wie bei der Anwendung des § 45 Abs. 2 RKG nicht die effektive Höhe des jeweiligen Erwerbseinkommens, sondern der objektive wirtschaftliche Wert der zu vergleichenden Tätigkeiten, der sich in der Regel aus der tariflich vorgeschriebenen Vergütung ergibt, auf die der Arbeitnehmer auf jeden Fall Anspruch erheben kann (vgl. auch SozR Nr. 29 und 32 zu § 45 RKG). Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Wertes der Tätigkeit eines Grubensteigers können daher neben dem Mindestendgehalt die Leistungszulage und das Seilfahrtgeld nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Senats solche Zulagen und Prämien unberücksichtigt zu lassen, die für überdurchschnittliche Leistungen gewährt werden (vgl. SozR Nr. 38 zu § 45 RKG). Die Leistungszulage, die nach §§ 27 Abs. 1 b des Manteltarifs für die Angestellten des rheinisch-westfälichen Steinkohlenbergbaus in der seit dem 1. Juli 1965 geltenden Fassung Teil des Arbeitseinkommens war, wurde in der streitigen Zeit nach den damals geltenden Gehaltstafeln jedenfalls in der tariflich garantierten Mindesthöhe von 5 v.H. des Gehalts ohne Rücksicht auf die individuelle Leistung gewährt und gehörte daher notwendig zum Einkommen eines Grubensteigers. In ihr kam also für jeden Grubensteiger der Wert der Tätigkeit zum Ausdruck. Das gleiche gilt für das Seilfahrtgeld in Höhe von monatlich 20,– DM. Zwar ist nach § 70 des zitierten Manteltarifvertrags der Anspruch auf das Seilfahrtgeld davon abhängig, daß der Untertageangestellte mit den ihm unterstellten Arbeitern an- und abfährt (planmäßige Seilfahrt). Da die planmäßige Seilfahrt aber notwendig zu der Tätigkeit eines Grubensteigers gehört, hat grundsätzlich jeder Grubensteiger Anspruch auf das Seilfahrtgeld. Es mag dahingestellt bleiben, welches das Motiv für die Gewährung des Seilfahrtgeldes neben dem eigentlichen Gehalt ist. Selbst wenn man trotz der Regelung in den §§ 12 ff des Manteltarifvertrages annehmen wollte, daß es sich mit Rücksicht auf die § 6 des Manteltarifvertrages geregelte Arbeitszeit um eine pauschale Abgeltung regelmäßig geleisteter Mehrarbeit handelt, so kann dieser Teil des Arbeitseinkommens doch nicht unberücksichtigt bleiben. Die planmäßige Seilfahrt ist ein notwendiger Bestandteil der Arbeit eines Grubensteigers, unabhängig davon, ob sie in die normale Arbeitszeit des § 6 des Manteltarifvertrages fällt oder Mehrarbeit darstellt. Gehört die planmäßige Seilfahrt aber unabdingbar zum Beruf eines Grubensteigers, so drückt sich der wirtschaftliche Wert dieser Tätigkeit aber in dem Teil des Arbeitseinkommens aus, der für die Tätigkeit gezahlt wird. Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 10. Oktober 1968 (SozR Nr. 29 zu § 45 RKG) eine Sonderzulage bei der Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit unberücksichtigt gelassen, die dem Lohnausgleich für wegfallende Mehrarbeit diente. In jenem Fall handelte es sich aber um eine Zulage, die von der Arbeitszeitregelung im einzelnen Betrieb abhängig war und also nicht unabhängig vom einzelnen Betrieb allen Arbeitnehmern mit gleicher Tätigkeit zustand. Es mag dahingestellt bleiben, ob neben dem Mindestendgehalt, der Mindestleistungszulage und dem Seilfahrtgeld noch weitere Bestandteile des Arbeitseinkommens eines Grubensteigers – etwa Wert des Hausbrandes und Wohnungsgeldzuschuß – zu berücksichtigen sind, denn auch ohne ihre Berücksichtigung betrug die Einkommenseinbuße für den Versicherten mehr als 10 v.H.
Bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes der Tätigkeit eines Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe VII KnAT ist neben der Endgrundvergütung der Ortszuschuß in der Höhe zu berücksichtigen, wie ihn ein lediger Angestellter ohne Angehörige erhält, weil von dem objektiven wirtschaftlichen Wert der Tätigkeiten auszugehen ist, der sich in der Regel aus der tariflich vorgeschriebenen Vergütung ergibt, auf die der Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die individuelle Leistung und die persönlichen Verhältnisse Anspruch erheben kann. Solche Teile des Arbeitseinkommens sind dagegen unberücksichtigt zu lassen, auf die der Arbeitnehmer unabhängig von dem Wert seiner Tätigkeit aus persönlichen, insbesondere aus sozialen Gründen, zu denen auch der Familienstand gehört, einen Anspruch hat. Hier unterscheidet sich die Höhe des Ortszuschlags eines ledigen Angestellten ohne Angehörige nach seinem Alter. Nach § 28 KnAT in Verbindung mit § 12 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) richtet sich die Höhe des Ortszuschlages u. a. nach der Stufe, die den Familienverhältnissen des Verwaltungsangestellten entspricht. § 15 BBesG schreibt vor, daß zur Stufe 2 u. a. der verheiratete Angestellte und der ledige Angestellte ohne Angehörige nach Vollendung des 40. Lebensjahres gehören, während der ledige Angestellte ohne Angehörige vor Vollendung des 40. Lebensjahres zur Stufe 1 gehört. Der Zusammenhang zwischen § 12 und § 15 BBesG zeigt deutlich, daß der verheiratete Angestellte und der ledige Angestellte mit Angehörigen den höheren Ortszuschlag mit Rücksicht auf den Familienstand erhalten. Zwar erhält auch der über 40 Jahre alte Angestellte ohne Angehörige den gleichen Ortszuschlag wie der verheiratete Angestellte, obwohl er keinen anderen Familienstand hat als der ledige Angestellte ohne Angehörige vor Vollendung des 40. Lebensjahres. Gleichwohl handelt es sich bei der Differenz zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 nicht um einen leistungsbezogenen, im Wert der Arbeit begründeten Zuschlag, sondern um einen Teil des Arbeitseinkommens, der aus persönlichen Gründen mit Rücksicht auf den erhöhten Wohnungsbedarf gezahlt wird, der bei einem über 40 Jahre alten ledigen Angestellten ohne Angehörige ebenso bewertet wird, wie der Wohnungsbedarf eines verheirateten Angestellten oder eines ledigen Angestellten mit Angehörigen (vgl. BSG 10, 21).
Stellt man das so ermittelte Arbeitseinkommen eines Verwaltungsangestellten der Vergütungsgruppe VII KnAT (Endgrundvergütung und Ortszuschlag der Stufe 1) dem Arbeitseinkommen eines Grubensteigers (Mindestendgehalt, Mindestleistungszulage und Seilfahrtgeld) gegenüber, so ergibt sich sowohl für die Zeit bis zum 1. Januar. 1970 als auch für die Zeit danach bis zum Tode des Versicherten eine Differenz von mehr als 10 v.H., so daß die beiden Tätigkeiten einander nicht wirtschaftlich gleichwertig gewesen sind.
Der Senat hat die danach unbegründete Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Unterschriften
Dr. Dapprich, Schröder, May
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.02.1974 durch Mackenroth Amtsinspektor Schriftführer
Fundstellen