Beteiligte
Kassenzahnärztliche Vereinigung Rheinhessen |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. September 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Höhe der dem Kläger als Vertragszahnarzt zustehenden Vergütung für vertragszahnärztliche Leistungen im Jahr 1995.
Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) sah in der für 1995 geltenden Fassung vom 7. Dezember 1994 mengenbegrenzende Regelungen vor. Danach erhielt der Vertragszahnarzt in den Leistungsbereichen konservierend-chirurgische Behandlungen (ohne Individualprophylaxe), Parodontose- und Kieferbruchbehandlungen Vergütungsansprüche in Höhe des vollen Punktwertes nur bis zu einer individuellen Bemessungsgrenze. Diese errechnete sich grundsätzlich aus dem Mittelwert der in den Jahren 1991 bis 1993 dem einzelnen Zahnarzt in diesen Bereichen vergüteten Leistungen; dabei erfolgte eine Kürzung um 5 %, die der Vorstand um bis zu 3 % erhöhen oder verringern konnte. Bei Überschreitung der Bemessungsgrundlage hatte der Vertragszahnarzt Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe der verbleibenden Gesamtvergütung (Mehrleistungsvergütung). In Anwendung dieser Regelungen legte die Beklagte die individuelle Bemessungsgrenze für den Kläger für 1995 auf 366.156,68 DM fest (Bescheid vom 31. Januar 1995). Damit erhielt der Kläger im Jahr 1995 - auch bei Hinzurechnung der später noch gezahlten Mehrleistungsvergütung von 65.389,74 DM - Honoraranforderung in Höhe von insgesamt 499.726,14 DM nur teilweise honoriert.
Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. Januar 1995 machte er geltend, die Bemessungsgrenze habe für ihn existenzvernichtende Wirkung. Seine Patientenzahlen seien laufend gestiegen, seine Gesamtumsätze aber nahezu gleich geblieben. Er sei im wesentlichen konservierend-chirurgisch und wenig im Bereich des Zahnersatzes tätig, wie es den Zielsetzungen der Gesetzesreformen entspreche.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück (Bescheid vom 13. September 1995). Für die Anwendung der Härtefallregelung sei bei ihm kein Raum. Die Jahresvergütung betrage im KZÄV-Bezirk für die budgetierten Leistungen durchschnittlich 252.072,06 DM und liege damit um mehr als 100.000 DM unter der für ihn festgesetzten Bemessungsgrenze. Ein Härtefall sei bei ihm nicht gegeben. Die zahnärztliche Versorgung sei nicht gefährdet.
Seine Klage hat das Sozialgericht (SG) Mainz abgewiesen (Urteil vom 28. Februar 1996). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat seine Berufung zurückgewiesen. In dem Urteil vom 24. September 1998 ist ausgeführt, die im HVM vorgenommene Regelung der Vergütungsansprüche durch individuelle Bemessungsgrenzen sei rechtmäßig. Ein genereller Vergütungsausschluß ergebe sich daraus nicht. Die Leistungen, die über die Bemessungsgrenze hinausgingen, würden nach Abschluß des Kalenderjahres nach Maßgabe der verbliebenen Gesamtvergütung anteilig honoriert, wie es auch im Falle des Klägers geschehen sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision hat der Kläger zunächst grundsätzliche Bedenken gegen die Festlegung individueller Bemessungsgrenzen geltend gemacht, diese jedoch nach Vorliegen der Senatsurteile vom 21. Oktober 1998 nicht mehr weiterverfolgt. Er meint aber, die Ausnahmeregelung im HVM der Beklagten für ab 1989 neu eröffnete bzw übernommene Praxen sei zu eng gefaßt. Die von ihm seit 1986 betriebene Praxis habe sich 1995 noch in der Aufbauphase befunden, wie sich an dem stetigen Anstieg seiner Fallzahlen zeige. Jedenfalls hätte die im HVM enthaltene Härteregelung bei ihm angewendet werden müssen. Durch seine auf Zahnerhaltung konzentrierte Behandlung – mit vielen Wurzelbehandlungen an Patienten, die danach wieder ihren bisherigen Zahnarzt aufsuchten, und dementsprechend hohen Fallzahlen und niedrigen Fallwerten (181 DM im Vergleich zu 436 DM) – trage er dem mit den Gesetzesreformen intendierten Grundsatz „Zahnerhaltung vor Zahnersatz” Rechnung. Die Zahnersatzleistungen ergäben nur ca 10 % seines Umsatzes im Vergleich zu 40 % bei seinen Kollegen. Der HVM der Beklagten leiste demgegenüber der Steigerung von Zahnersatzleistungen Vorschub, so daß insgesamt der Anteil der zahnerhaltenden Maßnahmen im Jahr 1995 unter den Wert von 1991 gesunken sei. Die von ihm geltend gemachten Härtegesichtspunkte hätten unmittelbaren Bezug zur vertragszahnärztlichen Versorgung, weil seine Behandlungsweise nach dem Grundsatz „Zahnerhaltung vor Zahnersatz” den Zielsetzungen der Gesetzesreformen entspreche.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. September 1998 und des Sozialgerichts Mainz vom 28. Februar 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu zu bescheiden,
hilfsweise,
- die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Oktober 1998 müsse die Möglichkeit weiterer Steigerung nur bei unterdurchschnittlicher Fallzahl und unterdurchschnittlichem Umsatz bestehen, was beides beim Kläger nicht vorliege. Eine Ausnahme- oder Härteregelung sei weder deshalb geboten, weil seine Fallzahlen und die abgerechneten Leistungen immer noch anstiegen, noch wegen seiner Behandlungsausrichtung nach dem Grundsatz „Zahnerhaltung vor Zahnersatz”.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1995, mit dem sie die Bemessungsgrenze festgelegt sowie deren Erhöhung und die Anerkennung eines Härte-Ausnahmetatbestandes abgelehnt hat. Die für die einzelnen Quartale ergangenen Honorarbescheide sind nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 192 f und BSGE 83, 52, 53 = SozR aaO Nr 28 S 202).
Die Festsetzung der Bemessungsgrenze im Falle des Klägers ist rechtmäßig. Sie entspricht den Regelungen des HVM, die sich ihrerseits im Rahmen der Befugnisse der KZÄV nach § 85 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) halten.
Nach § 3 Abs 4 HVM in der für 1995 geltenden Fassung (vom 7. Dezember 1994) iVm der Anlage zu diesem HVM hatte der einzelne Vertragszahnarzt in den Leistungsbereichen konservierend-chirurgische Behandlungen (ohne Individualprophylaxe), Parodontose- und Kieferbruchbehandlungen Vergütungsansprüche in Höhe des vollen Punktwertes nur bis zu einer individuellen Bemessungsgrenze. Diese berechnete sich grundsätzlich aus dem Mittelwert der in den Jahren 1991 bis 1993 dem einzelnen Zahnarzt in diesen Bereichen vergüteten Leistungen und für neu zugelassene Zahnärzte nach dem Durchschnitt der im Bereich der Beklagten gewährten Vergütungen (Anlage aaO Nrn 3.1.1., 3.3. und 3.4.2 iVm 3.5.2.1). Dabei erfolgte im allgemeinen eine Kürzung um 5 %. Erschien dem Vorstand nach den Abrechnungsergebnissen ein abweichender Prozentsatz gerechtfertigt, so konnte er die Kürzung um bis zu 3 % erhöhen oder verringern (Nrn 3.3.2, ggf iVm Nr 3.5.2.4). Über die Bemessungsgrenze hinausgehende Leistungen waren nach Abschluß des Kalenderjahres, soweit die Gesamtvergütung noch nicht aufgebraucht war, anteilig zu vergüten (sog Mehrleistungsvergütung, Nrn 4.2.2 bis 4.2.4).
Ein solches System der Aufspaltung der Honorarverteilung einerseits in die Vergütung zahnärztlicher Leistungen mit festen Punktwerten bis zu einer Bemessungsgrenze sowie andererseits nach Maßgabe der verbleibenden Restvergütung hält sich grundsätzlich im Rahmen der Kompetenz, die die KZÄVen aufgrund des § 85 Abs 4 SGB V bei der Ausgestaltung ihres HVM haben (vgl zuletzt Senatsurteil vom 3. März 1999 - B 6 KA 15/98 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Das gilt auch insoweit, als die Bemessungsgrenze individuell in Anknüpfung an die Abrechnungsergebnisse des einzelnen Zahnarztes in vergangenen Zeiträumen festgelegt wird (BSGE 83, 52, 54 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 203 ff und BSG SozR aaO Nr 27 S 194 ff). Regelungen, wonach die darüber hinausgehenden Leistungen bzw Punkte nur nach Maßgabe des Restbetrages der Gesamtvergütung honoriert werden, sind ebenfalls nicht zu beanstanden (Urteil vom 3. März 1999 aaO sowie BSGE 83, 52, 56 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 205; BSG SozR aaO Nr 27 S 194/195).
Die danach verbleibende Frage, ob die Beklagte für eine Praxis, wie sie der Kläger führt, eine Ausnahme bzw Härte anerkennen muß, ist zu verneinen. Weder bedurfte es für Fälle seiner Art einer Sonderregelung im HVM noch hat er Anspruch auf die Anwendung der im HVM enthaltenen Härteregelung.
Sonderregelungen sind aufgrund des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 Grundgesetz) insoweit erforderlich, als Vertragszahnärzten mit kleinen – im allgemeinen erst vor kürzerer Zeit gegründeten – Praxen die Chance belassen werden muß, durch Steigerung der Zahlen der von ihnen behandelten Patienten das durchschnittliche Umsatzniveau der Zahnarztgruppe zu erreichen (BSGE 83, 52, 57 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 ff; vgl auch BSG SozR aaO Nr 27 S 195). Der Kläger kann unter dem Gesichtspunkt einer Aufbaupraxis eine Besserstellung nicht beanspruchen. Denn er hatte eine durchschnittliche Fallzahl und einen Umsatz erreicht, der in dem Bereich, für den die individuelle Bemessungsgrenze galt, über dem Durchschnitt der Zahnarztgruppe seines KZÄV-Bezirks lag. Nur für Praxen, die sich noch in der Aufbauphase befinden und dadurch bisher weder durchschnittliche Fallzahlen noch dem Durchschnitt entsprechende Umsätze erreicht haben, ist eine Sonderregelung erforderlich, damit sie durch Steigerung ihrer Fallzahlen das durchschnittliche Umsatzniveau der Zahnarztgruppe erreichen können (vgl BSG aaO).
Für sonstige Sonderfälle, die nicht durch vorhersehbare, allgemein bekannte, typische Gegebenheiten gekennzeichnet sind, reicht es aus, wenn der HVM durch eine allgemein gehaltene Härteregelung den Vorstand ermächtigt, bei Vorliegen einer besonders schweren Härte die Bemessungsgrenze nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzulegen (BSGE 83, 52, 61 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 210 f und BSG SozR aaO Nr 27 S 196; allgemein zur Zulässigkeit von Ermächtigungen an den Vorstand vgl Senatsurteil vom 3. März 1999 - B 6 KA 15/98 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Anwendung solcher Härteregelungen darf freilich nicht auf Fälle der Gefährdung der Existenz einer Praxis beschränkt werden; sie müssen vielmehr, soweit der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit das fordert, auf alle atypischen Versorgungssituationen angewandt werden (BSG SozR aaO Nr 27 S 197 f und BSGE 83, 52, 61 = SozR aaO Nr 28 S 210). So ist zB zu berücksichtigen, wenn ein Vertragszahnarzt seine Praxistätigkeit ausweiten muß, um Patienten eines kurzfristig aus der vertragszahnärztlichen Versorgung am Niederlassungsort ausgeschiedenen Kollegen zu übernehmen (BSG aaO).
Auch bei so weiter Auslegung hat der Kläger keinen Anspruch auf Anwendung der im HVM der Beklagten enthaltenen Härteregelung (Nr 3.4.5 der Anlage zum HVM). Es fehlt an dem Erfordernis einer atypischen Versorgungssituation, und es liegt auch nicht der Fall vor, daß er mit seiner Behandlungsweise einen anderweitig nicht sichergestellten Versorgungsbedarf decken würde. Weder daraus, daß er – wie er geltend macht – im Unterschied zu anderen Zahnärzten seine Behandlungen nach dem Grundsatz „Zahnerhalt vor Zahnersatz” ausrichte, noch daraus, daß er – wie er vorträgt – in großer Zahl Wurzelbehandlungen bei ihm überwiesenen Patienten durchführe und ihm dies im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen (§ 106 SGB V) als Praxisbesonderheit anerkannt werde, ergibt sich ein anderweitig nicht gedeckter Versorgungsbedarf oder das Vorliegen einer atypischen Versorgungssituation.
Schließlich ist nicht erkennbar, daß die für den Kläger errechnete individuelle Bemessungsgrenze der Höhe nach falsch festgesetzt sein könnte. Die Berechnung nach dem Durchschnitt seiner Jahresvergütungen 1991 bis 1993 abzüglich 5 % (= 366.156,68 DM) entspricht den Regelungen des HVM.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
SGb 1999, 403 |
AusR 2001, 85 |