Beteiligte
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 1998 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21. November 1996 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin die für die berufliche Rehabilitation der Versicherten erbrachten Leistungen in Höhe von 56.058,27 DM zu erstatten hat.
Die im Jahre 1951 geborene Versicherte war bis zum Jahre 1986 ua als Hauswirtschaftsgehilfin und Schwesternhelferin tätig. Nach einer Umschulung zur Altenpflegerin arbeitete sie seit dem Jahre 1988 in diesem Beruf. Nach Auftreten eines Handekzems wandte sie sich mit Schreiben vom 8. Januar 1990 an die Beklagte und bat um Prüfung, ob eine Fortbildung zur Altentherapeutin möglich sei. Nachdem deren Berufshelfer Bedenken hiergegen geäußert hatte, beantragte die Versicherte im Mai 1990 beim Arbeitsamt (ArbA) Duisburg Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Dieses teilte der Beklagten mit, es halte deren Zuständigkeit für gegeben und bat um Entscheidung über die Notwendigkeit der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen.
Die Beklagte teilte der Versicherten daraufhin mit Schreiben vom 20. Juni 1990 mit, auch im Falle ihrer (bisher ungeklärten) Zuständigkeit werde sie die Umschulung zur Altentherapeutin nicht fördern, weil es aufgrund der vorliegenden Befunde bedenklich erscheine, daß sie auf Dauer ohne gesundheitliches Risiko in diesem Beruf tätig sein könne. Die Beklagte bat das ArbA mit Schreiben vom 13. Juli 1990, wegen der voraussichtlichen Dauer des Feststellungsverfahrens von länger als sechs Wochen seine Vorleistungspflicht zu prüfen. Das ArbA bewilligte der Versicherten nunmehr durch Bescheid vom 28. September 1990 die Fortbildung zur Altentherapeutin für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis 30. September 1991; der Beklagten übersandte es mit Schreiben vom 27. September 1990 eine Durchschrift des Bewilligungsbescheides unter Hinweis auf seinen Erstattungsanspruch gemäß § 102 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 6 Abs 2 des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (RehaAnglG).
Nach Einholung eines dermatologischen Gutachtens und einer Stellungnahme des Landesgewerbearztes teilte die Beklagte der Versicherten mit Bescheid vom 26. März 1991, von dem das ArbA eine Durchschrift erhielt, mit, ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Berufshilfemaßnahmen im Rahmen von § 3 der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) sei gegeben, der selbstgewählten Fortbildung zur Altentherapeutin werde jedoch nicht zugestimmt, Leistungen im Rahmen der beruflichen Rehabilitation könnten für diese Ausbildung somit nicht erbracht werden. Es handele sich dabei um keine geeignete Maßnahme zur dauerhaften beruflichen Eingliederung, weil das Berufsbild der Altentherapeutin auch pflegerische Tätigkeiten und damit Arbeiten mit Desinfektionsmitteln und im Feuchtmilieu beinhalte, was wiederum zu Allergien führe. Anspruch auf Berufshilfe bestehe weiterhin, vorgeschlagen werde der kaufmännisch verwaltende Berufsbereich bzw die Ausbildung zur Logopädin oder die Fortbildung zur Unterrichtsschwester. Das ArbA gab der Beklagten zur Antwort, es teile die Auffassung hinsichtlich der medizinischen Nichteignung der Versicherten nicht, die begonnene Maßnahme werde daher im Rahmen der Vorleistung weiter gefördert.
Durch Bescheid vom 19. September 1991 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen einer Berufskrankheit ≪BK≫ (Hauterkrankung nach Nr 5101 der Anlage 1 zur BKVO) ab. Den vom ArbA mit Schreiben vom 20. Februar 1992 geltend gemachten Erstattungsanspruch in Höhe von 56.058,27 DM lehnte die Beklagte unter Hinweis auf den Bescheid vom 26. März 1991 ebenfalls ab.
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat die von der Klägerin erhobene auf Verurteilung der Beklagten zur Erstattung ihrer für die Versicherte erbrachten Vorleistungen gerichtete Klage durch Urteil vom 21. November 1996 abgewiesen. Die Maßnahme sei nicht geeignet gewesen, die Versicherte auf Dauer trotz der bestehenden Behinderung wiedereinzugliedern. Aus ihrem Arbeitsvertrag mit dem C. e.V. ergebe sich, daß sie als Altenpflegerin und Altentherapeutin eingestellt worden sei, also wie zuvor auch jede pflegerische Tätigkeit übernehmen müsse, wenn dies von ihr verlangt werde; mit der Umschulung seien also keine günstigeren Voraussetzungen geschaffen worden.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Erstattung der für die berufliche Rehabilitation der Versicherten erbrachten Vorleistungen verurteilt (Urteil vom 24. Juni 1998). Diese sei zuständiger und damit zur Leistung verpflichteter Träger iS des § 102 SGB X, weil sie selbst in ihrem der Versicherten erteilten Bescheid vom 26. März 1991 die Voraussetzungen des § 3 BKVO als erfüllt angesehen, damit ihre grundsätzliche Zuständigkeit zur Gewährung von Berufshilfemaßnahmen anerkannt habe und ihre Leistungsverpflichtung unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Einzelumstände auch die vom ArbA geförderte Fortbildung zur Altentherapeutin umfasse. Eine Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen der beruflichen Rehabilitation bestehe grundsätzlich nur hinsichtlich solcher Maßnahmen, die den Versicherten nach seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich eingliederten. Die Rehabilitationsmaßnahme solle es dem Versicherten ermöglichen, in einem Berufsspektrum tätig zu werden, in welchem gefährdende Tätigkeiten möglichst vollständig und auf Dauer zu vermeiden seien. Zwar könnten in dem neuen Beruf der Versicherten als Altentherapeutin hautgefährdende Tätigkeiten nicht vollständig ausgeschlossen werden, weil zu dessen Tätigkeitsbereich theoretisch auch pflegerische und damit hautbelastende Tätigkeiten gehörten, jedoch komme diesen keine wesentliche Bedeutung zu, so daß das Wiedererkrankungsrisiko gering sei. Es komme hinzu, daß die berufliche Eingliederung auch unter Berücksichtigung von Neigung und bisheriger Tätigkeit der Versicherten zu erfolgen habe. Die aus ihrem Berufsweg ersichtliche ausgeprägte Neigung zum Umgang mit Menschen im sozialen Bereich, die einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft habe, dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Außerdem sei für die dauerhafte berufliche Eingliederung auch die bisherige Tätigkeit als Altenpflegerin von Bedeutung, denn fraglos könne sie ihre dabei erlangten Kenntnisse und Fertigkeiten verwerten und weiterhin in einem ihr vertrauten Bereich tätig sein. Im Hinblick hierauf bestehe ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Fortbildungs- und einer Umschulungsmaßnahme. Diese Umstände seien von solchem Gewicht, daß demgegenüber ein nicht ganz ausschließbares geringes Restrisiko vernachlässigt werden könne.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision trägt die Beklagte vor, sie sei nicht ein zur Leistung verpflichteter Leistungsträger iS des § 102 Abs 1 SGB X, da sie die Fortbildung der Versicherten zur Altentherapeutin nicht zu gewähren gehabt und deshalb mit bindend gewordenem Bescheid vom 19. März 1991 abgelehnt habe. Sowohl § 3 Abs 1 BKVO als auch § 11 RehaAnglG setzten eine für den Versicherten geeignete Maßnahme zur möglichst dauerhaften beruflichen Eingliederung voraus; Eignung des Versicherten und möglichst dauerhafte Eingliederung seien unabdingbare Voraussetzungen für die Berufshilfemaßnahme. Daß die Eignung gegenüber den anderen Kriterien des § 11 Abs 1 Satz 2 RehaAnglG nachrangig sei, könne weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung entnommen werden. Das LSG habe diese Kriterien indes unrichtig beurteilt, indem es einerseits im Beruf der Altentherapeutin hautgefährdende Tätigkeiten nicht ausgeschlossen, andererseits aber der persönlichen Neigung und der bisherigen Tätigkeit den Vorrang gegeben habe. Es erscheine widersprüchlich und sei nicht nachvollziehbar, weshalb das LSG zu der weitgehend einem Mediziner obliegenden Feststellung komme, im Tätigkeitsbereich der Altenpflegerin sei ein zu vernachlässigendes Restrisiko der Wiedererkrankung vorhanden. Die von ihr eingeholten ärztlichen Stellungnahmen zeigten vielmehr, daß die Versicherte bei pflegerischen Tätigkeiten nicht zur Ausübung des Berufs der Altentherapeutin geeignet sei. Da es sich dem LSG hätte aufdrängen müssen, eine weitere Klärung des Sachverhalts zur Frage der gesundheitlichen Eignung vorzunehmen, habe es gegen § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen. Das LSG schließe aus der Tätigkeitsbeschreibung im Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen („gabi”), daß zwar pflegerische Tätigkeiten zum Berufsbild der Altentherapeutin gehörten, messe dem jedoch wegen angeblich die Tätigkeit prägender anderer Aufgaben keine wesentliche Bedeutung bei, ohne seine Folgerungen durch tatsächliche, empirische Feststellungen oder medizinische Quellen zu begründen. Außerdem setze sich das LSG nicht damit auseinander, daß die Versicherte nach ihrem Arbeitsvertrag auch als Altenpflegerin eingesetzt werden könne und mithin ein pflegerischer Einsatz und damit eine Wiedererkrankung wegen Hautbelastungen möglich sei.
Primär sei zu rügen, daß das LSG die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mißachte (Hinweis auf BSG Urteil vom 26. August 1992 - 9b RAr 3/91 -). Es könne dahinstehen, ob es sich hier um eine Fortbildung oder eine Umschulung zur Altentherapeutin handele, da in beiden Fällen die Auswahl nach denselben Kriterien zu erfolgen habe. Das BSG führe in dem genannten Urteil aus, mit der Umschulung werde das Ziel verfolgt, den Versicherten zu befähigen, die dabei erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem ganzen Berufsfeld, das durch die Umschulung eröffnet werde, uneingeschränkt zu verwerten. Diese Rechtssätze habe das LSG nicht beachtet, indem es nicht hinreichend geprüft habe, ob die Versicherte die ihr durch die Maßnahme vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem ganzen Berufsfeld uneingeschränkt ohne drohende Hauterkrankungen verwerten könne und so auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig sei. Bei der heutigen Arbeitsmarktsituation und der bekannten angespannten finanziellen Situation bei vielen alten- und wohlfahrtspflegerischen Einrichtungen sei es durchaus realistisch, daß die Versicherte in beträchtlichem Umfang pflegerisch tätig werden müsse, wodurch ihr beträchtliche gesundheitliche Gefahren drohten.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 1998 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21. November 1996 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG hat die Klägerin gegen sie keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr für die Fortbildung der Versicherten zur Altentherapeutin erbrachten Leistungen.
Ein Erstattungsanspruch nach § 102 Abs 1 SGB X steht der Klägerin nicht zu. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der (originär) zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Die Klägerin hat der Versicherten die Rehabilitationsleistungen zwar in Kenntnis von der ihrer Ansicht nach gegebenen Zuständigkeit der Beklagten gewährt, dies durch die Mitteilung an die Beklagte auch nach außen erkennbar gemacht und damit vorläufig Sozialleistungen erbracht (vgl BSGE 58, 119, 120 = SozR 1300 § 104 Nr 7). Dies geschah nach § 6 Abs 2 Satz 1 Nr 2 RehaAnglG, also aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung (vgl BSGE 58, 119, 121 = SozR aaO). Die Beklagte ist aber nicht zur Leistung verpflichtet.
Ihre Leistungspflicht ergibt sich nicht aufgrund einer Bindung an die Bewilligungsentscheidung der Klägerin gegenüber der Versicherten. Der Klägerin kann insoweit nicht gefolgt werden, als sie geltend macht, der Träger der originären Leistung könne gegenüber dem vorleistenden Träger keine Einwendungen hinsichtlich Art und Umfang der gewährten Leistungen geltend machen. Für diese Rechtsansicht bietet die Erstattungsvorschrift des § 102 SGB X keinen Anhalt. Aus Wortlaut, Sinn und Zweck der Norm ergibt sich vielmehr, daß der Erstattungsanspruch nur entsteht, wenn vorläufige Leistungen aufgrund gesetzlicher Vorschriften, also rechtmäßig erbracht werden. Der auf Erstattung in Anspruch genommene Träger kann alle Einwendungen geltend machen, welche die Rechtmäßigkeit der erbrachten Vorleistungen betreffen, ohne insoweit an die Entscheidung des vorleistenden Trägers gebunden zu sein; dazu gehören auch die Einwendungen gegenüber dem Leistungsberechtigten (vgl KassKomm-Kater, § 102 SGB X, RdNrn 14, 28, 31).
Andererseits scheitert der Erstattungsanspruch der Klägerin nicht schon daran, daß der Bescheid der Beklagten vom 26. März 1991, mit dem diese der Versicherten gegenüber die Gewährung von Leistungen im Rahmen der beruflichen Rehabilitation für die selbstgewählte Fortbildung zur Altentherapeutin abgelehnt hatte, gemäß § 77 SGG bindend geworden ist. Bei den Erstattungsansprüchen der §§ 102 ff SGB X handelt es sich um eigenständige, originäre Ansprüche, die nicht von der Rechtsposition des Leistungsberechtigten abgeleitet sind (BSGE 62, 118, 123 = SozR 2200 § 562 Nr 7; Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl 1996, Vor § 102 RdNr 4 mwN). Nach der Rechtsprechung des Senats steht dementsprechend selbst die bindende Ablehnung des Begehrens des Sozialleistungsberechtigten durch den auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger dem späteren Erstattungsbegehren des vorleistenden Leistungsträgers nicht entgegen (vgl BSGE 62, 118, 123 = SozR aaO; BSG Urteil vom 3. April 1991 - 2 RU 78/90 - = USK 91127 zu § 1504 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫; anders BSGE 58, 119, 126 = SozR 1300 § 104 Nr 7 hinsichtlich sachlich-rechtlicher Einwendungen).
Ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 102 Abs 1 SGB X ist aber deshalb nicht gegeben, weil die Versicherte keinen Anspruch auf Förderung der ihr von der Klägerin bewilligten beruflichen Rehabilitationsmaßnahme gegen die Beklagte hat. Wie das LSG rechtlich zutreffend festgestellt hat, ist die Aussage der Beklagten im Bescheid vom 26. März 1991, ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Berufshilfemaßnahmen im Rahmen von § 3 BKVO sei gegeben, zwar als Anerkenntnis in bezug auf das grundsätzliche Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch der Versicherten auf Gewährung entsprechender Leistungen nach § 3 BKVO auszulegen. Daraus folgt allerdings noch kein Anspruch der Versicherten auf Gewährung der Ausbildung zur Altentherapeutin. Zu den geeigneten Mitteln iS des § 3 Abs 1 BKVO zur Verhinderung des Entstehens bzw Wiederauflebens einer BK gehören auch Maßnahmen der Berufshilfe. Anspruch besteht nach dem für alle Träger beruflicher Rehabilitation grundsätzlich geltenden § 11 Abs 1 RehaAnglG nur auf geeignete Maßnahmen, die den Versicherten möglichst auf Dauer beruflich eingliedern, wobei bei der Auswahl der Maßnahme Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit des Behinderten angemessen zu berücksichtigen sind (Satz 2 aaO). Bei der Anspruchsvoraussetzung der Geeignetheit der Maßnahme handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich unbeschränkt überprüfbar ist.
Sinn jeder beruflichen Rehabilitation ist die möglichst uneingeschränkte berufliche Eingliederung (vgl BSG SozR 4100 § 56 Nr 8). Was dies hinsichtlich der Beurteilung der Geeignetheit einer Umschulung bei einer Hautkrankheit (Nr 5101 der Anlage 1 zur BKVO) bedeutet, hat der 9b-Senat des BSG in seinem Urteil vom 26. August 1992 - 9b RAr 3/91 - (= SozR 3-2200 § 556 Nr 2) aufgezeigt. Er hat klargestellt, daß aufgrund der Voraussetzung für das Vorliegen einer solchen BK „Unterlassung aller (die Krankheit verursachenden) Tätigkeiten”, zu denen auch solche gehören, die dem Arbeitsplatz nicht das bestimmende Gepräge gegeben haben (vgl BSG SozR 2200 § 551 Nr 21), Leistungen der Berufshilfe in solchen Fällen grundsätzlich nur dann zu gewähren sind, wenn der Versicherte die Ausbildung für ein Berufsspektrum anstrebt, in dem die gefährdenden Tätigkeiten möglichst vollständig und auf Dauer zu vermeiden sind, da sonst in einem Teil der Berufe, für die der Versicherte die erforderlichen Fachkenntnisse durch die Umschulung erhält, die BK sogleich wieder ausgelöst würde. Der Senat hat keine Bedenken, sich dieser Rechtsprechung anzuschließen, da die von ihr entwickelten Maßstäbe für die Beurteilung der Geeignetheit einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme im Bereich der BKen der Haut allein tauglich sind, das Rehabilitationsziel auf Dauer zu erreichen. Nur eine Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zu einer völligen Vermeidung der schädigenden Einwirkungen im beruflichen Bereich befähigt, ist hierzu nachhaltig in der Lage.
Von diesen rechtlichen Grundsätzen ausgehend war die Fortbildung der Versicherten zur Altentherapeutin nicht geeignet, ihre einschränkungslose Wiedereingliederung in das Berufsleben zu ermöglichen. Nach den insoweit nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des Berufungsurteils leidet die Versicherte einerseits unter einer schweren Hauterkrankung und können andererseits in dem neuen Beruf der Altentherapeutin hautgefährdende Tätigkeiten nicht vollständig ausgeschlossen werden, da auch in diesem Beruf pflegerische Verrichtungen anfallen können. Die volle Wettbewerbsfähigkeit für diesen Beruf kann durch die Maßnahme mithin nicht erreicht werden; die Versicherte müßte vielmehr ihre Bewerbungen auf Stellen beschränken, bei denen solche hautbelastenden Tätigkeiten nicht anfallen, und den künftigen Einsatz für solche Arbeiten auch vertraglich ausschließen. Dies könnte nur dann hingenommen werden, wenn überhaupt kein Berufsfeld vorhanden wäre, auf dem die Versicherte ohne Risiko tätig werden könnte; in einem solchen Fall könnte auch eine zu einer Tätigkeit mit möglichst geringem Risiko befähigende Rehabilitationsmaßnahme noch das Merkmal der Geeignetheit erfüllen (vgl BSG SozR 3-2200 § 556 Nr 2). Daß diese Voraussetzungen hier indes nicht vorliegen, ist auch ohne ausdrückliche tatsächliche Feststellungen im Berufungsurteil anzunehmen, da nach allgemeiner Lebenserfahrung weite Bereiche des Berufslebens keinerlei Notwendigkeit zum Umgang mit Desinfektionsmitteln oder zu Arbeiten im feuchten Milieu aufweisen; ua gehören hierzu die der Versicherten von der Beklagten genannten Alternativberufe im Büro- bzw Verwaltungsbereich.
Daß im vorliegenden Fall nicht – wie in dem vom 9b-Senat des BSG aaO entschiedenen Fall – die Förderung einer Umschulung, sondern einer Rehabilitationsmaßnahme in Form einer Fortbildung im Streit ist, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Für die Unterscheidung zwischen beruflicher Fortbildung und beruflicher Umschulung kommt es darauf an, ob die im bisherigen Beruf erlernten Kenntnisse und Fertigkeiten im angestrebten Beruf mit übernommen werden können (Fortbildung) oder ob sie für die andere geeignete berufliche Tätigkeit nur unwesentliche Bedeutung haben (Umschulung), insoweit also ein Beruf mit neuem Inhalt erlernt wird (BSGE 75, 1, 3 = SozR 3-4100 § 47 Nr 4 mwN). Entscheidend für die Geeignetheit einer Maßnahme im obigen Sinne ist indes weniger der Weg des Rehabilitanden zu seinem neuen Arbeitsfeld, sondern dieses selbst, insbesondere die dort nach Möglichkeit fehlende Hautbelastung. Unterschiede etwa hinsichtlich des Grades einer hinzunehmenden Exposition gegenüber schädigenden Einflüssen, die an die Art der zu diesem Ziel führenden Maßnahme bzw an die Art der Vorkenntnisse und vorhandenen beruflichen Fähigkeiten anknüpfen, sind mithin nicht angebracht.
Die Klägerin hat auch keinen Erstattungsanspruch aus § 10 Abs 3 der von den Rehabilitationsträgern nach § 5 Abs 6 RehaAnglG geschlossenen Gesamtvereinbarung über die Gewährung vorläufiger Leistungen vom 1. Januar 1978 (abgedruckt mit der Stellungnahme des Vorstandes der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation zu Zweifelsfragen aus der Gesamtvereinbarung und Anwendungshinweisen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation in DOK 1978, 115 ff), wie von ihr erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht. Danach hat der zuständige Träger die Leistungsaufwendungen auch dann zu erstatten, wenn diese von dem vorleistungspflichtigen Träger nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich zu Unrecht gewährt worden sind. Es ist zweifelhaft, ob hierdurch überhaupt ein allgemeiner Erstattungsanspruch, der über § 102 SGB X hinausgeht, eingeräumt wird (ablehnend Bayerisches LSG Urteil vom 28. März 1995 – L 3 U 69/94 = HVBG-Info 1995, 2157 mit Hinweis auf die Erläuterungen der Stellungnahme des Vorstandes und der Anwendungshinweise der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation zu § 10 aaO; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl, § 102 SGB X RdNr 3). Jedenfalls ist eine entsprechende Regelung nach Inkrafttreten der §§ 102 ff SGB X am 1. Juli 1983 (vgl Art II § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch ≪SGB≫ – Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten – vom 4. November 1982 ≪BGBl I 1450≫) unwirksam und kommt daher als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht in Betracht. Zwar wird in der Literatur die Ansicht vertreten, die Gesamtvereinbarung entspreche insofern weitgehend der Regelung des § 102 SGB X und sei daher auch weiterhin anwendbar (so Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl 1996, RdNr 23; KassKomm-Kater, § 102 SGB X, RdNr 41: auch soweit sie über § 102 SGB X hinausgeht; Gerlach, DOK 1983, 396; kritisch Schellhorn, Gemeinschaftskommentar – GK SGB X 3, § 102 SGB X RdNr 27; s auch Mehrtens, aaO), jedoch wird dort die Frage der Wirksamkeit des § 10 Abs 3 der Gesamtvereinbarung nicht weiter erörtert.
Bei der Gesamtvereinbarung handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag koordinationsrechtlicher Art (vgl Engelmann in Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl 1996, § 53 RdNr 4). Ein solcher Vertrag ist nach § 58 Abs 1 SGB X nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergibt. Zu den danach entsprechend anzuwendenden Vorschriften gehört auch § 134 BGB, wonach ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Dies setzt voraus, daß sich das gesetzliche Verbot gegen die Vornahme gerade dieses Rechtsgeschäftes richtet und alle Vertragsparteien als Verbotsadressaten anspricht (BGHZ 115, 123, 125); es muß etwa ein Verstoß gegen ein Verbot vorliegen, überhaupt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag oder einen Vertrag dieses Inhalts zu schließen, wobei es eines ausdrücklichen Verbots indes nicht bedarf. So kann dies zB auch das jedem Gesetz zu entnehmende Verbot sein, die in ihm enthaltenen Normen durch die Verwaltung auszuhöhlen (vgl KassKomm-Krasney, § 58 SGB X RdNr 5 mwN).
Die Gesamtvereinbarung ist ausdrücklich „nach § 5 Abs 6 RehaAnglG” geschlossen worden. Nach dieser Vorschrift wirken die Rehabilitationsträger im Benehmen mit Bund und Ländern darauf hin, daß 1. das Rehabilitationsverfahren nahtlos und zügig verläuft und 2. die Leistungen zur Rehabilitation dem Umfang nach einheitlich erbracht werden (Satz 1 aaO). Hierzu können im Einvernehmen aller Träger Gesamtvereinbarungen abgeschlossen werden (Satz 2 Halbsatz 1 aaO). Diese Ermächtigung ist damit auf konkrete Vertragsinhalte beschränkt. Die in § 10 Abs 3 der Gesamtvereinbarung getroffene Regelung wird davon nicht umfaßt. Eine Erweiterung des Erstattungsanspruchs des vorleistenden Sozialleistungsträgers auf rechtswidrige, wenngleich nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig erbrachte vorläufige Leistungen kann weder mit der Erreichung des Ziels der Nahtlosigkeit und Zügigkeit des Rehabilitationsverfahrens noch zur Erreichung einer Einheitlichkeit der Erbringung der Rehabilitationsleistungen hinsichtlich ihres Umfangs begründet werden. § 110 Satz 1 SGB X erteilt den Leistungsträgern zwar die Anweisung, ihre Erstattungsansprüche pauschal abzugelten, soweit dies zweckmäßig ist, und ermächtigt sie, höhere als die im Gesetz vorgesehenen Beträge, bis zu denen eine Erstattung nicht erfolgt, zu vereinbaren; eine solche Vereinbarung wäre auch in der Form eines koordinationsrechtlichen Vertrages zu treffen (KassKomm-Kater, § 110 SGB X RdNr 5). Eine Berechtigung der Leistungsträger zur Vereinbarung einer Regelung, durch die über die im Gesetz vorgesehenen erheblich hinausgehende Erstattungsansprüche begründet werden, wird davon indes nicht umfaßt. Aus den genannten Rechtsnormen ist im Umkehrschluß zu folgern, daß über die dort vorgesehenen hinausgehende Regelungen von den Rehabilitationsträgern hinsichtlich Durchführung und Erstattung von Vorleistungen nicht getroffen werden dürfen, sondern vielmehr gesetzlich verboten sind. Daß das gesetzliche Verbot erst nach Abschluß der Gesamtvereinbarung in Kraft getreten ist, hindert den Eintritt der Nichtigkeit der vorliegenden öffentlich-rechtlichen Vereinbarung jedenfalls insoweit nicht, als es die noch fortdauernden – hier allein relevanten – Wirkungen aus der Vereinbarung betrifft (vgl BGHZ 45, 322, 326).
Die Klägerin kann ihren Erstattungsanspruch auch nicht auf § 105 SGB X stützen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne daß die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 SGB X vorliegen, der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 105 Abs 1 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zwar war die Klägerin mangels eines Anspruchs der Versicherten auf die erbrachte Leistung gegen die Beklagte „unzuständig” und hat – wie oben dargelegt – keinen Erstattungsanspruch nach § 102 Abs 1 SGB X. Beruht die Rechtswidrigkeit der erbrachten Sozialleistungen allerdings nicht – oder nicht nur – auf der (sachlichen oder örtlichen) Unzuständigkeit des Leistungsträgers, sondern auf einem Widerspruch zum materiellen Recht, besteht kein Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X (vgl Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl 1996, § 105 RdNr 7 mwN). Da die Rechtswidrigkeit der Leistung hier auf dem fehlenden Anspruch der Versicherten auf die gewährte berufliche Rehabilitationsmaßnahme beruht, scheidet § 105 SGB X mithin als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin aus.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 542841 |
SozSi 2000, 65 |