Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Verzinsung einer Verletztenrente.
Der Kläger hatte einen Unfall erlitten (4. November 1980) und von der Beklagten Unfallentschädigung verlangt (28. Januar 1981). Daraufhin hatte ihm die Beklagte für fast vier Monate eine Teilrente (Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - 20 v.H.) als vorläufige Rente gewährt (Bescheid vom 7. September 1981). In dem sich daran anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht (- SG - Az S. 1 U 179/81) war am Ende noch die Rentendauer streitig gewesen. "Zur Erledigung des Rechtsstreits" hatten sich die Beteiligten schließlich am 27. Juli 1982 auf Vorschlag des SG dahin verglichen, daß die Beklagte sich bereit erklärte, "dem Kläger die vorläufige Rente nach einer MdE von 20 v.H." für acht Monate "weiterzugewähren" (bis zum 31. Dezember 1981), und der Kläger "darüber hinaus keine Forderung geltend" macht.
In Ausführung dieses gerichtlichen Vergleichs überwies die Beklagte dem Kläger im August 1982 die Gesamtsumme von acht monatlichen Rentenbeträgen (2.921,60 DM). Später stellte sie die vorläufige Verletztenrente von Amts wegen ab 1. Januar 1982 als Dauerrente fest (Bescheid vom 28. Dezember 1982).
Als der Kläger auf den im Vergleich erzielten Nachzahlungsbetrag Zinsen verlangte, lehnte die Beklagte dies mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 1983 ab. Vor dem SG hat der Kläger damit Erfolg gehabt (Urteil vom 17. Januar 1984). Zur Begründung hat das SG festgestellt, über den Zinsanspruch sei in der Zeit vor dem angefochtenen Zinsbescheid nicht entschieden worden. In dem Vergleich vom 27. Juni 1982 hätten die Beteiligten darüber ebenfalls keine Regelung getroffen. Das SG vertrat die Ansicht, der Zinsanspruch sei nach § 44 Sozialgesetzbuch, 1. Buch, Allgemeiner Teil (SGB 1) begründet. Aufgrund des Leistungsantrags beginne die Verzinsung der Monatsbeiträge für Mai, Juni und Juli 1981 mit dem 1. August 1981 und der restlichen Monatsbeträge mit jeweils einer Verzögerung von einem Monat; sie ende mit dem 31. Juli 1982. Aufgrund des Vergleichs stehe zumindest fest, daß die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch über den 30. April 1981 bis zum 31. Dezember 1981 bestanden hätten.
Mit der - vom SG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 44 SGB 1. Der Vergleich vom 27. Juli 1982 habe den Zinsanspruch ausgeschlossen. Zumindest sei der Klageanspruch aber deshalb nicht begründet, weil die Hauptleistung zum Zeitpunkt des Beginns der Verzinsung nach § 44 Abs. 2 SGB 1 tatsächlich bereits erbracht worden sei. Denn der Anspruch auf die betreffende Hauptleistung sei erst mit dem Abschluß des Vergleichs am 27. Juli 1982 entstanden und fällig geworden, so daß nach der Überweisung vom August 1982 keine Zeit mehr für eine Verzinsung vorhanden gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet.
Die Beklagte hat dem Kläger die Verletztenrente für die umstrittene Zeit in dem vom SG zugesprochenen Umfang zu verzinsen.
Der Zinsanspruch des Klägers scheitert nicht schon an dem im Vorprozeß geschlossenen gerichtlichen Vergleich. Der Vergleich betraf nach den tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil den Rentenanspruch dem Grunde nach und die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Dagegen hatten die Beteiligten entsprechend der Praxis des SG bei Verurteilungen und Vergleichen den Zinsanspruch als unselbständige Nebenforderung weder erwähnt noch stillschweigend zum Gegenstand des Vergleichs gemacht. Daran ist der Senat gebunden (§ 161 Abs. 4 und § 163 Sozialgerichtsgesetz - SGG -; vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 11. August 1983 - 5a RKnU 5/82 -, insoweit veröffentlicht in Breithaupt 1984, 473 f., im übrigen in BSGE 55, 238 = SozR 1200 § 44 Nr. 7). Der Wortlaut des Vergleichs ist somit in diesem Falle nicht als materiell-rechtlicher Verzicht auf alle nicht genannten Forderungen, sondern dahin zu verstehen, daß der Kläger lediglich in diesem Rechtsstreit weitere Ansprüche nicht mehr geltend machen wollte (vgl. BSG, Urteil vom 15. Oktober 1985 - 11a RA 58/84 - zur Veröffentlichung bestimmt). Mit der Erledigung des Rechtsstreits nach § 101 Abs. 1 SGG wurde der angefochtene Bescheid über die vorläufige Rente (§ 1585 Reichsversicherungsordnung - RVO -) in seiner Ablehnung einer Rentenzahlung für die Zeit ab 1. Januar 1982 bindend (§ 77 SGG); ein möglicher Zinsanspruch für davorliegende Zeiten ist davon nicht erfaßt worden.
Zutreffend hat das SG entschieden, daß die Beklagte vom 1. August 1981 an mit der Verzinsung der umstrittenen Nachzahlung zu beginnen und sie stufenweise fortzusetzen hat. Denn die Beklagte hatte eine Verletztenrente nachzuzahlen, deren Anspruchsvoraussetzungen nach ihrem eigenen vertraglichen Zugeständnis längst vorlagen.
Nach § 44 Abs. 1 SGB 1 sind Ansprüche auf Geldleistungen nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Damit hängt der Zinsanspruch vor allem von dem Eintritt der Fälligkeit des Hauptanspruchs ab. Allerdings vermag der Senat der Meinung der Beklagten hierzu nicht zu folgen. Mit Ausnahme der ungewissen und umstrittenen Tatsachenfrage, ob und wie lange die rentenberechtigende MdE über den 30. April 1981 hinaus andauerte (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO), hatte die Beklagte die Anspruchsvoraussetzungen über die Gewährung der vorläufigen Rente bereits festgestellt. In dem gerichtlichen Vergleich einigte sie sich nunmehr mit dem Kläger zur Erledigung des Rechtsstreits dahin, daß diese Tatsache als letzte Anspruchsvoraussetzung über den 30. April 1981 hinaus jedenfalls noch bis zum 31. Dezember 1981 vorlag. Dazu war sie als ein an Gesetz und Recht gebundener Versicherungsträger auch in der Lage. Anstatt einen anerkennenden Verwaltungsakt zu erlassen, hat sie mit dem Kläger einen wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrag gleichen Inhalts geschlossen (sog. Doppelnatur des gerichtlichen Vergleichs, § 101 Abs. 1 SGG, § 53 Abs. 1 Satz 2 und § 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch, Verwaltungsverfahren - SGB 10 -). Damit sind die Beteiligten als Parteien dieses Vergleichsvertrages vertragsmäßig daran gebunden, daß die umstritten gewesenen Rentenansprüche des Klägers vom 1. Mai 1981 ab entstanden und fällig geworden sind (§ 40 Abs. 1, § 41 SGB 1). Hätten die Beteiligten in dem gerichtlichen Vergleich eine Leistung an den Kläger vereinbart, die keine andere gesetzliche Anspruchsgrundlage als den öffentlich-rechtlichen Vertrag gehabt hätte, dann hätten die vertraglichen Verpflichtungen und der Leistungsanspruch gleichzeitig entstanden sein können. Ein solcher Leistungsanspruch hätte dann nicht vor dem Vergleichsabschluß fällig werden und einen Zinsanspruch nach sich ziehen können. Das trifft im vorliegenden Fall aber nicht zu. Die Beteiligten haben sich vielmehr über das Vorliegen einer umstrittenen und also ungewissen tatsächlichen Voraussetzung eines gesetzlichen Anspruchs in der Vergangenheit geeinigt (§ 101 Abs. 1 SGG, § 54 Abs. 1 SGB 10). Mit Abschluß des Vergleichs erkannte die Beklagte die frühere Entstehung des Rentenanspruchs an und verpflichtete sich, danach zu leisten. Daraus begründet sich der geltend gemachte Zinsanspruch. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des Leistungsantrags (§ 44 Abs. 2 SGB 1). Abzustellen ist auf den insoweit auch in der Unfallversicherung ausschlaggebenden vollständigen Leistungsantrag des Klägers (vgl. BSGE 55, 238, 241), der nach den Feststellungen des SG im Januar 1981 bei der Beklagten eingegangen ist. Wie das SG richtig erkannt hat, beginnt somit nach § 44 Abs. 2 SGB 1 am 1. August 1981 die umstrittene Verzinsung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen